Walter Mossmann

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Im Juli erscheint - endlich(!) - eine 4 CD Box mit allen wichtigen Songs aus den 60er, 70er und 80er Jahren.


Walter Moßmann(geb. 31. 8. 1941 in Karlsruhe)
Unsere Gesellschaft begegnet ihren Kritikern mit der vielzitierten bürgerlichen Toleranz. Sie läßt ihre Widersacher öffentlich protestieren, stellt ihnen für die Artikulation ihres Unmuts die Medien zur Verfügung,ja, verleiht ihnen Preise und Stipendien; aber indem die Gesellschaft sich bei ihren Mahnem anbiedert, entschärft sie deren Argumente und verschlingt soziale Anklagen wie ein Moloch.
Einer, der diese Gefahr erkennt und ihr bisher erfolgreich ausweicht, ist Walter Moßmann: Er scheut nicht den Konflikt mit Hörfunk und Fernsehen, entzieht sich ihrer Macht ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Nachteile und duldet keinerlei Zensur; vor allem aber schreibt er Lieder, deren Qualitätsmaßstab nicht die merkantile Ausschlachtbarkeit, sondern die Verwertbarkeit im politischen Kampf ist. Die so markierte Position Walter Moßmanns resultiert aus einer langjährigen Entwicklung.

Walter MoßmannSchon dem Zwanzigjährigen sind die Interessengebiete klar, mit denen er sich in den nächsten Jahrzehnten beschäftigt: Nach dem Abitur studiert er Germanistik, Soziologie und Politikwissenschaft an den Universitäten von Freiburg, Tübingen und Hamburg. Als Liedermacher findet er erstmals bei den Festivals auf Burg Waldeck ein größeres Publikum. Seine stark verschlüsselten Texte bringen ihm zunächst den Ruf ein, er sei die singende Verkörperung der Soziologie, doch schon bei dem Waldeck-Treffen 1966 gilt er als »die Entdeckung des Jahres«. Wenige Monate später erscheint seine erste Schallplatte. Sie trägt den Titel Achterbahn. Chansons und offenbart einen Walter Moßmann, der sich an französischen Chansonniers orientiert - Georges Brassens und Boris Vian sind seine Vorbilder. In den Jahren der Studentenbewegung, für die sich Moßmann aktiv einsetzt, werden die Lieder des Sängers politisch konkreter.

THomAs ROTHSCHILD beschreibt die Entwicklung des Liedermachers: »Von Metaphem, die dem bürgerlichen Poesie-Verständnis des 19. Jahrhunderts entsprechen, fand Moßmann zu den kräftigen Bildern der Alltagssprache, des plebejischen Jargons. Vom Versuch, "schön" zu singen, gelangte er zur expressiven Artikulation, auch darin ein Schüler Biermanns.«

Moßmanns 1966 entstandene Ballade vom Kriegsdienstverweigerer Thomas M. ist ein früher Beleg für die Technik des Autors, konkrete Ereignisse zu verarbeiten. Politische Situationen in seinen Liedern exakt zu erfassen, die Dinge beim Namen zu nennen - das sind denn auch die Gründe warum der Plan Moßmanns scheitert, eine Sammlung seiner Lieder zu veröffentlichen. Der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe erklärt sich zwar bereit, das Manuskript zu drucken, doch besteht er auf »mildernden« Änderungen, denen der Sänger nicht Folge leisten will und kann. Nach den Erfahrungen in der Studentenbewegung erscheint Moßmann ein Weiterstudium sinnlos. So bricht er 1970 mit dem universitären Leben. Gleichzeitig hört er auf, als Liedermacher öffentlich zu agieren, findet aber bald eine neue Tätigkeit: Beim Südwestfunk moderiert er eine kritische Jugendsendung. Und auch in dieser Position eckt Moßmann an. Seine Art, die Themen anzupacken, gefällt den Programmverantwortlichen nicht; der offene Konflikt bricht aus, als Moßmann sich weigert, die ihm als unsinnig erscheinende Regel zu befolgen, Wortbeiträge dürften nicht länger als drei Minuten dauern.

Walter MoßmannEr verläßt die Sendeanstalt. Seither arbeitet Walter Moßmann als freier Autor, beschäftigt sich mit Themen der Dritten Welt und ist für Bürgerinitiativen tätig. Seine Teilnahme an Demonstrationen und Versammlungen - vor allem gegen das geplante Keinkraftwerk Wyhl - bringt den Liedermacher wieder auf den ursprünglichen Weg. Er ärgert sich über die langweiligen Flugblatt- und Sprechchoräußerungen und möchte die Protestveranstaltungen mit seinen Liedern beleben. In einem Interview des Jahres 1982 erklärt Walter Moßmann: »Als ich 1974 wieder angefangen habe, Lieder zu machen, habe ich in erster Linie nur solche veröffentlicht, von denen ich dachte, sie hätten einen öffentlichen Gebrauchswert. Das waren ganz eindeutig politische Lieder. Wenn ich traurig oder lustig oder verliebt oder beklommen war, habe ich das f'ür mich auch immer wieder in Liedern ausgedruckt. Ich sah nur keinen Anlaß, sie zu veröffentlichen. Da hat sich inzwischen meine Haltung ein bißchen geändert. Sonst wird der öffentliche Liedermacher zu einem Fachidioten für Ermutigung und politische Mitteilungen.«

Walter MoßmannWalter Moßmanns Lieder wie KKW nein Rag oder Wacht am Rhein sind von öffentlichem Gebrauchswert, erklingen sie doch immer wieder bei den Anti-Atomkraft-Bewegungen und werden wie alte Volkslieder auf neue Bedürfnisse »zurechtgesungen«. 1975 dokumentiert Walter Moßmann erstmals seine neuartige Gebrauchskunst: auf der Schallplatte Flugblattlieder, deren zweite Partie er 1977 folgen läßt. Im gleichen Jahr wendet sich Moßmann auch einem anderen Medium zu. Gemeinsam mit dem Musikwissenschaftler Peter Schleuning schreibt er das Buch für den Fernsehfilm Zweierlei Volksmusik. 1978 setzen die Autoren Moßmann und Schleuning ihr Teamwork fort: Ihre Bestandsaufnahme Alte und neue politische Lieder erscheint - ein Buch, das als einer der bedeutendsten Beiträge zur politischen Volksmusik in der Bundesrepublik gilt. Im Vorwort erklären die Verfasser: »Es ist uns sinnlos erschienen, aus dem Sessel des Kunstkritikers heraus über politische Lieder jeder Art zu räsonnieren (... ) Politische populäre Lieder leben vom und im alltäglichen Gebrauch, sind Teil in einem Prozeß, den man von solchen Produktionen nicht ablösen kann.«

In den folgenden Jahren setzt sich Walter Moßmann auch theoretisch mit dem politischen Lied auseinander: 1980 zeigt die ARD seinen Film Dreyeckland, der sich mit dem gesungenen Protest im regionalen Kampf beschäftigt. Als erste öffentliche Auszeichnung erhält Moßmann 1981 den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson, eine Würdigung, die er zwar entgegennimmt, doch ironisiert: »Außerdem bekam ich damals den ersten Kunstpreis, ein Sendeverbot im ZDF für ein Lied, das das Militär madig macht. Weitere Preise dieser Art zähle ich heute nicht mehr.«

Walter MoßmannWalter Moßmann sieht sich heute ähnlich wie Hannes Wader als Volkssänger. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Funktion erkennt er in einer gewissen Kunstlosigkeit seiner Lieder, die nicht synthetische Produkte, sondem leicht nachvollziehbar sein sollen: »Ich habe nie mit elektronischem Aufwand gearbeitet, also mit Gruppen, bei denen man einen Drei-Stunden-Soundcheck braucht. Ich habe eigentlich immer die Holzgitarre und meine Stimme benutzt. Das sind einfache Mittel, die jeder schnell zur Verfügung haben kann. Und darin besteht auch durchaus ein Bezug zu dem, was früher einmal Volksmusik war.«

Der Funktion des Volkssängers entspricht es auch, wenn Moßmann bei seinen Liedern auf den Dialekt zurückgreift. Seine auf badisch vorgetragene Mahnung In Mueders Stuebele, in dem er die Menschen warnt, zugunsten eines kurzsichtigen Profits ihr Land zerstören zu lassen, gehört sogar zu seinen erfolgreichsten Nummein. Trotz seines aufrechten politischen Engagements ist Moßmann kein haßerfüllter Dogmatiker. Seine Texte sind meist als Bestandsaufnahmen angelegt, seine Stimme ist frei von jeder Marktschreierei, neigt vielmehr zum Melancholischen. Daß er aber nicht mit seinem politischen Anspruch kokettiert, beweisen Texte wie Die Ballade vom toten Matrosen Walter Gröger, die auf die politische Vergangenheit des zurückgetretenen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Filbinger zielt, oder das Lied an meine radikalen Freunde. Das Autorenduo KERscHKAmp/ LINDAU resümiert:

»Dieser Liedermacher bietet keine Patentlösungen, spielt sich nicht als Inhaber höherer Weisheiten auf Er beobachtet nur wie ein unbestechlicher Reporter und stellt sich anschließend selbst in Frage.«
(Hermes Handlexikon, Die großen Chansonniers und Liedermacher, v. M. Henke)


Diskographie:
  • ACHTERBAHN - CHANSONS (1967)

  • Survivor`s Song, Die drei Gammler, Renitent, Gewürztraminer, Weihnachtslied 1966, Milch der frommen Denkungsart, Angelique - oder die Achterbahn, Liebeslied auf kleiner Flamme, Gin and Tonic, Hafenrevue, Taube in grün
  • GROSSE ANFRAGE (1968)

  • Große Anfrage, Roter Oktober 1967, Meine Provinz, Deutscher Marsch - geblasen, Am zehnten Tag im elften Monat, Oktoberrevolution, Mittsommernachtsfest in Tübingen Der Wandermusikant, Pik Sieben, Die Hunde von Pamplona, Rauch und Jasmin, Schahmatt
  • FLUGBLATTLIEDER (1976)

  • Der KKW-Nein-Rag, Mueders Stübele, Bruckelied, Von der salzigen Monika, Gedankenfreiheit, Vom Grünen Gras, Betriebsfrieden, Hexenhammer, Sieben Fragen, Westendsong
  • NEUE FLUGBLATTLIEDER (1977)
  • Seveso, Der neudeutsche Zwiefache, Vom leistungsgerechten Tod, Vom arbeitslosen Mann, Poder Popular, Von der unverhofften Last, Stoltenberglied, Von den drei Eseln, Das Schützenfest von Nordenham
  • FRÜHLINGSANFANG (1979) (Doppel-LP)

  • Für meine radikalen Freunde, Rentnerin Anna Mack, Jaime, Shtil di nacht in oysgeternt, Vom toten Matrosen, Lebensvogel, Auch ich war in Italien, Momentaufnahme 1 (Sheba), Heiteren, Radio Grün, Grußadresse, Hamburger Süßholz, Vom zufälligen Tod, Freiheitsbüchlein, Momentaufnahme 2 (Sense)
  • HAST DU NOCH HUNGER (1981)

  • Chrieszytt, Aufforderung zum Tanz, Kriegsdienstverweigerer Thomas M., Ich schau mein Foto an, Wahrheitsgetreu gefälschte Erinnerung an einen Spaziergang mit Frau Sheba, vom Kormoran, Companero Hugo Riveros, außen vor der Mauer, Krönungszug Lothars des Erstbesten, von der tauben Hitz
  • UNRUHIGES REQUIEM (1983)
    Seite A: Unruhiges Requiem (m. Heiner Goebbels). Seite B: Fehlanzeige (Nachruf auf einen Achtundsechziger), Johanna Arg, Serenata Serena
  • WALTER MOSSMANN MEETS SOPHIE LAPIERE (1987)
    Collage

    Liedertexte
    Lied vom leistungsgerechten Tod
    Ballade von Seveso

    Seite erstellt am 25.10.1998
    Seite editiert am 26.05.2004


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