André (eigtl. Franz André) Heller wurde am 22. Maerz 1947 in Wien geboren. Er entstammt einer ostjuedischen Zuckerbaeckerfamilie, die sich im 19. Jahrhundert in Wien niederliess und mit der Erfindung der Dragees zu Vermoegen kam. Eine Grossmutter Heller´s war bedeutenden Wiener Literaten (Karl Kraus und Peter Altenberg) freundschaftlich verbunden. Hellers Mutter stand mit Lehar in gutem Kontakt. Sein Vater verbrachte Exil-Jahre mit Joseph Roth in Paris und war 1942-1945 der Kontaktoffizier zwischen der franzoesischen Exilregierung General De Gaulles in London und dem Weissen Haus in Washington.
Schon als Kind kuenstlerisch ambitioniert, nahm H. nach dem Besuch eines Jesuiteninternats Schauspielunterricht.
Seine Theaterplaene stellte H. nach einem missglueckten Debuet ("Das Dreirad" von Fernando Arabal) zurueck und versuchte sich statt dessen als Gestalter von Sendungen beim Oesterreichischen Rundfunk. Er war 1967 Mitgruender des ersten deutschsprachigen Popsenders "Ö3". Zudem machte
er als Literat und Liedermacher von sich reden. 1968 war er einer der Autoren der legendaeren TV-Sendung "Wuensch Dir was". Im selben Jahr kam die erste, 1972 die zweite LP von Heller heraus. 1970 wurde bei den Wiener Festwochen H.s Theaterstueck "King-Kong-King" aufgefuehrt. Bis zu seinem Entschluss im Jahre 1982, die Saengerkarriere zu beenden, produzierte H. 14 LPs, von denen zwoelf vergoldet und sieben mit Platin ausgezeichnet wurden.
Mit seinem Hang zur kaprizioesen Show und seinen
sarkastisch-melancholischen Elegien auf seine Heimatstadt Wien ("Wenn ich ein Zuendholz bin, ist Wien die Reibflaeche") gewann H. schnell Bewunderer und Gegner. Anlaesslich der ersten Deutschland-Tournee von H. schrieb Fritz Rumler Ende 1974 im SPIEGEL, mit H. seien "Intelligenz und Impertinenz auf die Szene getreten". Siegfried Schmidt-Joos nannte H.
dagegen einen "genialischen Wiener Kunst-Zigeuner, der die morbide abendlaendische Kaffeehauskultur vielleicht als einziger in die Rock-Aera herueberretten kann".
Ende 1972 sendete der ORF die H.-Show "Wer war Andre Heller?", und ein Jahr spaeter zeigte auch das Deutsche Fernsehen diese surreale "Selbstverherrlichungs-Revue". Ende 1975 kam H.s Bildband "Die Ernte der Schlaflosigkeit in Wien" auf den Markt, den Hilde Spiel einen "berueckenden Band" nannte, weil in manchen Saetzen die Erkenntnis ganzer Monographien zu finden seien.
Besonderes Aufsehen erregte der
erfindungsreiche Selbstdarsteller H. mit seinem 1976 gegruendeten
"Zirkus Roncalli" (nach dem buergerlichen Namen von Papst Johannes XXIII. benannt). Der Zirkus gehoerte Direktor Bernhard Paul, der seine Erfahrungen und Verbindungen einbrachte, waehrend H. fuer Worte, Bilder
und Regie verantwortlich zeichnete. Die Urauffuehrung des als
"poetisches Spektakel" konzipierten "Zirkus Roncalli" fand in Bonn statt. H. selbst nannte das Unternehmen "eine der groessten Theaterideen im deutschen Raum seit 1945", zog sich aber noch im Gruendungsjahr, nach unueberbrueckbaren Differenzen mit Paul, von diesem Projekt zurueck.
1977/78 bemuehte sich H., die Stadt Muenchen fuer eine "Weltausstellung der Phantasie" auf dem Olympiagelaende zu gewinnen, liess das Zwoelf-Millionen-Projekt aber wieder fallen, nachdem die Behoerden Zweifel an der finanziellen Realisierbarkeit der Kunst-Show angemeldet hatten. 1981 verwirklichte H. im Rahmen der Wiener Festwochen den 2.
Teil seiner "Trilogie der moeglichen Wunder" in Form des "poetischen Varietes Flic Flac", mit dem er anschliessend auf Europa-Tournee ging. 1982 folgte eine zweite Ausgabe von "Flic Flac". Im Juni 1983 fand der dritte Teil, das Pyro-Poem "Theater des Feuers", nach dem Vorbild barocker Licht- und Farbspiele in Lissabon statt. Dieses Spektakel brachte H. nur einen halbierten Erfolg, da beim Ansturm von Hunderttausenden von Zuschauern Steuerungskabel und Lautsprecherleitungen zerrissen wurden und deshalb das Programm nur zur Haelfte ablaufen konnte. 1984 inszenierte H. ein Feuerspektakel vor dem Berliner Reichstag mit dem Titel "Sturz durch Traeume". Es war dies die Veranstaltung mit der groessten Menge zahlender Zuschauer (650.000) in der Geschichte des Showbusiness. Fuer die Bundesgartenschau 1985 in
Berlin schuf H. ein phantastisches Buehnenbild aus 40.000 Pflanzen. In der Mitte war das Profil eines "taetowierten Kopfes" mit der "Narrenkappe der Phantasie" zu sehen. Das H.-Projekt eines Park-Labyrinths zur 750-Jahrfeier der Stadt Berlin (1987) wurde nicht realisiert. 1985 reiste H. in die VR China und engagierte dort in den Artistenschulen die besten 60 Jongleure, Equilibristen und Akrobaten fuer eine Show "Begnadete Koerper".
Er entwarf das Buehnenbild, die
Kostueme und schrieb den Text zur Moderation. Der Premiere am 2. Nov. 1985 im Deutschen Theater Muenchen folgten jahrelang Vorstellungen in aller Welt. In Graz eroeffnete H. im Juni 1986 den ersten Dichtergarten der Welt: Aus Blumen formte er Kernsaetze bedeutender Literaten. "Drachenfisch", "Halbmond" und "Traumstation" nannte H. Luftskulpturen
nach Art der frueheren Montgolfieren, die im Sommer und Herbst des Jahres den Himmel von London bis Venedig, von Oslos bis New York und von Moskau bis San Fransisco belebten.
Am 10. Sept. 1986 stellte H. in Duesseldorf die Show der "Begnadeten Koerper"in einer neuen Praesentation vor. Im Okt. 1986 brachte H. seinem Publikum die Kunst des
nahezu ausgestorbenen Varietes in der Show "Salut" nahe.
Mit "Luna Luna - ein schoenes Vergnuegen" erfuellte sich H. eigenen Angaben zufolge 1987 einen Kindheitstraum: In
Hamburg entstand zwischen Dammtor-Bahnhof und Alster ein "Jahrmarkt der modernen Kunst" mit begehbaren Skulpturen, Strassenmusik und Strassentheater. Roy Lichtenstein entwarf ein Glaslabyrinth mit Aussenfassaden, Salvador Dali einen "Dali-Dom", der amerikanische Maler und Bildhauer Kenny Scharf ein Ketten-Karussell, der New Yorker Spray-Kuenstler Keith Haring ein futuristisches Fahrgeschaeft. Kuenstler wie David Hockney, Georg Baselitz und Jean Tinguely schufen dabei ebenso Originalobjekte wie Jean Michelle Basquiat oder Hundertwasser, Joerg Immendorf und Roland Topor.
Die Musiken hierfuer komponierte Philipp Glass, und aus London schickte Jim Whiting aufwendig konstruierte Roboter.
Nach "Luna Luna" zog H. ab Herbst 1987 mit seiner Clown-Parade "Lachen machen" durch 200 Staedte. Um die Kultur schwarzer Amerikaner den Europaeern naeher zu bringen, studierte H. am Broadway 1988 das Projekt "Body and Soul" ein, dessen Weltpremiere am Deutschen Theater Muenchen im Maerz 1988 stattfand. Das Programm dieses Buehnenfestes reichte nach H.s Angaben "von den Sklavengesaengen des 19. Jahrhunderts bis zu den Avantgardemomenten der Gegenwart. 1990 inszenierte Heller mit legendaeren Artisten von Berliner Varietes der 20er und 30er Jahre die Produktion "Wintergarten", die unter dem Titel "Wonderhouse" dann u. a. am Broadway aufgefuehrt wurde. In Hongkong stellte H. im Mai 1992 seine 50 Meter hohe Skulptur "Bamboo Man" fertig und liess ihn durch den naechtlichen Hafen gleiten. Inspiriert zu diesem Projekt hatte ihn der auf seinen Reisen durch Asien oft gehoerte resignative Satz, "wenn der grosse Bambusmann uebers Meer geht, werden die Menschen anfangen umzudenken".
Im Jan. 1993 inszenierte H. am Wiener Burgtheater erstmals sein Zauberspektakel "Sein und Schein", und in Muenchen brachte er sein Roma-Spektakel "Magneten" im Maerz 1993 zur Urauffuehrung. Diese Revue, die H. "eine musikalische Lichterkette" nannte, ging anschliessend auf
Tournee durch zwanzig Staedte. Am 24. Febr. 1994 wurde in Stuttgart im Rundbau der Landeskreditbank das neue Variete mit der H.-Revue "Kapriolen des Varietes" eroeffnet. Nach einer Idee von H. entstand in Wien 1995 ein "Fest der Freiheit", mit dem die Zweite Republik Oesterreich ihren 50. Geburtstag feierte. Im Auftrag des groessten Kristallherstellers der Welt, der Tiroler Firma Swarovski, baute Heller 1995
fuer 20 Mio. Mark zu deren 100. Firmengeburtstag in Wattens bei Innsbruck sechs unterirdische "Wunderkammern" mit maerchenhaften "Kristallwelten".
Februar 1997 (MA-Journal) - Die Stadt Bochum gibt bekannt, dass André Heller auf dem ehemaligen Krupp-Gelaende um die Jahrhunderthalle einen 30 Hektar grossen Park plant. Das "Epizentrum der oekologischen Schoenheit" (Heller), dessen veranschlagte Kosten von 80 Mio. DM weitgehend von privaten Investoren getragen werden, soll 1999 zur Internationalen Bauausstellung Emscher Park eroeffnet werden.
H. war mit der Schauspielerin und Chanson-Saengerin Erika Pluhar verheiratet, fuer die er viele Texte schrieb. Einige Jahre lebte er mit der Schauspielerin Gertraud Jesserer zusammen. Abschied von Wien nahm H. 1989 und zog an den Gardasee.
Andre Heller präsentiert auf der Frankfurter Buchmesse zwei Bände der neuen Brockhaus Enzyklopädie 2000. Gemeinsam mit dem Mannheimer Lexikonverlag wurde das 24 Bände umfassende Lexikon von Andre Heller gestaltet, das auf der
Internationalen Buchmesse zum ersten Mal vorgestellt wird.