. . . Diesmahl von Pfarrer Jan Dirk Wuister
Die Wolke 4. Jahrgang 2. Heft, Juni 1983, Der Knoten:
Im vorigen Knoten schrieb Herr Stickelberger, Der Beginn des verknoteten
Fadens befinde sich schon irgendwo in seiner Jugend, mir ist es seit mehr
als einem Jahr, der Anfang liege schon am tage meiner Geburt. Zu meiner
Überraschung teilte mir Herr Weinreb damals mit, der Tag meiner Geburt,
der 24. September 1928 fiele auf den "Grossen Sabbath", den Jom Kippur.
. . . Ein Faden?
An meinen Vater, Buchhaltungschef der Sparkasse
von Schiedam, der im Alter von 40 Jahren starb, als ich siebenjährig
war, habe ich nur gute und aufmunternde Erinnerungen. Immerfort hatte er
geistreiche Einfälle, und es war ihm ein Freude, uns zu überraschen.
Von andern hörte ich später, wie er für viele Stützes
und Berater war; ein ernster und würdiger Mensch, sehr bewegt vom
Schicksal von Leuten, welche unter der Wirtschaftskrise der Dreissigerjahre
litten. Er besass eine selbstverständliche Frömmigkeit. Ich wage
fast zu behaupten, er hatte etwas Chassidisches. Chassidische Geschichten
haben für mich deshalb etwas Vertrautes. . . . Ein Faden?
Meine Mutter war älteste Tochter vom Meister
Schmied Jan Dirk Vogelij, nach dem ich heisse und der in gerader Linie
von Heinrich Vögeli stammte. Dieser nun war Unteroffizier des Schweizer
Regimentes Schmidt Nr. 31, welches sich nach Napoleons Niederlage in Namur
(Belgien) befand. Seit 1828 war er Wachtmeister in Haarlem (Holland). Ziemlich
militaristisch in seiner Einstellung, glaubte er bedingungslos an die niederländische
Drei-Einheit: Gott, die Niederlande und Oranien. Meine Mutter, mit 37 Jahren
verwitwet, hatte offenbar mehr die Art ihrer Mutter. Sie war ruhiger, würdevoller.
Obwohl er schon längerer Zeit in Holland lebte, erkenne ich in der
Schweiz öfters bei geschäftig dreingehenden älteren Herren
mit ihrem weissen Schnauzchen etwas von meinem Grossvater; und manchmal
wie schokartig in den Gesichtszügen der Damen etwas von meiner Mutter.
. . . Ein Faden?
Von beiden Elternseiten war man intensiv miterlebendes
Mitglied der niederländischen reformierten Kirche, der "Nederlandse
Hervormde Kerk", der alten nationalen Volkskirche. Man war sehr heftig
gegen jede Trennung der Kirche und gegen Sekten. So erhielt ich von ihnen
eine fast krankhafte Abneigung gegen alles, was sich isoliert und sich
damit besser als der rest des Volkes empfindet. Der Begriff des Vaterlandes,
im Sinne einer Aufgabe und einer Pflicht, nicht nationalistisch überspannt,
spielte dabei eine grosse Rolle. Der Schmerz und der Kummer, wenn etwas
in diesem Sinne schief geht, fanden dann oft in bitterem Witz einen Ausweg.
Eine Art Understatement mit Neigung zum Spott, sogar manchmal zum Selbsthass!
. . . Ein Faden?
Mir wurde die verbindung von Gott und Volk an
Pfingsten 1945 bewusst klar. In der "Grote Kerk", der grossen Kirche in
Schiedam, wo ich an Pfingsten 1983 in mein Amt als Pfarrer von Schiedam
festlich eingesetzt wurde, wurde in einer von der Kanzel verlesenen Botschaft
der generalsynode Gott Dank für die Befreiung dargebracht und "im
Namen der Gerechtigkeit" gebetet, dass es keinen Schwarzhandel, keine Korruption
und keinen Klassenkampf mehr gebe. Obwohl ich danach meine Absicht, Ingenieur
zu werden, den Weg meines Grossvaters zu gehen, durchzusetzen versuchte,
wagte ich es nicht, im September 1946 das Inskriberungsamt der Technischen
Hochschule zu betreten. Hatte ich einen Auftrag, meinem Land und meinem
Volk zu dienen, indem ich es in seiner Verbidung zu Gott erhalten und immer
wieder bringen hatte? . . . Ein Faden?
Erst in der siebzigerjahren vernahm ich von einer
Schwester meines Vaters, dass sie "es", im Gegensatz zu meiner Mutter,
der ganzen Verwandschaft und aller Bekannten, schon gleich verstanden hatte.
Denn, mein Grossvater Wuister wäre so gerne Religionslehrer geworden,
aber aus familiären finanziellen Gründen konnte das nicht realisiert
werden. Er starb drei Jahre vor meiner Geburt. Darf ich hier vielleicht
etwas in Erfüllung bringen? Ist Gott nicht auch hier ein Gott der
Väter? . . . Ein Faden?
Während den Vorbereitungen zum Universitätsstudium
nagte der Zweifel jedoch weiter. Würde ich ein misslungener Pfarrer
werden? Es gab aber offenbar eine Verabredung mit den Himmel, dass Hilfe
kommen sollte. Ich "wusste", jemand würde kommen. An der Universtät
war alles hohl, leer eigentlich kindisch. Das Hebräische wurde "technisch"
seziert und technisch gelehrt.
Eines Tages kam meine ältere Schwester mit
einer Einladung eines Bekannten, einem Dirktor einer Schule in Schiedam,
heim. In der Pension eines Lehrers seiner Schule sollte ein sehr weiser
jüdischer Gelehrter einen Vortrag halten. Einer, der sogar dreifacher
Doktor war! In der Medizin, der Philosophie und der Theologie. Hier fing
schon etwas wie Mythos an! Auf für mich überraschend freunliche
Weise wurde ich von den Bewohnern der Pension empfangen; es war der 13.
Juli 1949. (Endlich einmal kann ich hier Herrn Weinreb bei einer Ungenauigkeit
ertappen. In seinen autobiographischen Notizen schreibt er, ich wäre
des ersten Mal zu seinem zweiten Vortrag gekommen; es war aber der erste).
Als eingebildeter, arroganter, weil unsicherer
Student versuchte ich, Herrn Weinreb zu beobachten und zu ergründen.
Diese ruhige, in sich gekehrte Art des Erzählens, genau, wie wenn
er die Weisheit irgendwo anders her holte oder hörte, war mir unbekannt.
Der innhalt aber faszinierte und fesselte mich, und zu Hause trank ich
die Notizen in mich hinein. Dies waren keine wissenschaftliche Theorien,
dies war Wirklichkeit. Ich erinnere mich noch an das Aufatmen, als ich
auf die Strasse kam. Es war mir, als ob mir Flügel gewachsen waren.
Und doch auch merkwürdig: eigentlich hätte ich das alles ja wissen
sollen. Öfters befiel mich eine Art leichter Schuldgefühle. Warum
war mir das alles nicht schon bewusst? Aber durch das nun "wiederum wissen"
verlor ich dieses Gefühl.
Es war fast wie eine Selbstverständlichkeit,
dass Herr Weinreb mich an einem Samstagabend im November, nach dem Sabbath,
zu sich zu Hause einlud, um persönlich mit mir weiter zu sprechen.
Ich war der Einzige, der sich ein wenig im Hebräischen auskannte.
In den ersten zwei Jahren waren diese Abende der Korken, worauf ich über
das Wasser blieb. Ich fragte, und Herr Weinreb antwortete. Von seinem Privatleben
wusste ich eigentlich nichts, und er respektierte mein Leben. Dass er in
einer jüdischen Welt lebte und ich in einer christliche, war dabei
unwesentlich. Es ging um das Geheimnis des Hebräischen und um die
Bibel. Ich wage es, diese Abende einmalig zu nennen. Alles war so sebsverständlich.
Von zuhause kannte ich das ewige Minderwertigkeitsgefühl der Völker,
das wir dann den Antisemitismus nennen, eigentlich nicht. . . . Hier
kam der Faden!
Herr Weinreb behielt recht mit seiner Versicherung
am ersten Abend bei ihm zu Hause! Wir standen oben auf der Stiege, und
ich bemerkte, dies alles sei so wirklich schön. Er sagte darauf: "aber
du bekommst es dadurch schwer!".
Zuerst aber war das gar nicht so schlimm. Die
spöttischen Bemerkungen meiner Komilitonen über meine "jüdischen"
Erklärungen waren mir gleichgültig. Es wirkte vielmehr für
meine Gefühle wie befreiend. Ob es nun jüdisch war, wusste ich
im Anfang eigentlich gar nicht so sehr. Es war aber wohl die einzige wirklich
beglückende Erklärung der Bibel! Später erst kamen
die jüdischen Kommentare ins Gespräch und - ein wenig schmerzte
es mich - ich habe Herrn Weinreb niemals bei einem Fehler oder bei einer
Ungenauigkeit ertappen können. Denn eigentlich stand alles tatsächlich
auch so in den Kommentaren! Nur gab Herr Weinreb den Schlüssel zum
Verstehen, oder, und das ist wichtiger, zum Wiedererkennen.
Die wirklichen Schwierigkeiten kamen erst später,
und diese verwundeten schmerzhaft und tief. Der Satan hat nun einmal auch
seine Aufgabe zu erfüllen. Vin dorther sind wohl neue Knoten entstanden.
Aber werden diese nicht auch einmal gelöst werden? Die ersten intensiven
Jahre der Beziehung waren entscheidend für den Weg: das Wort auf die
wesentliche Art weitererzählen zu dürfen. Vom jüdischen
Volk durch die Jahrhunderte in der Tradition weitergetragen, brachte Weinreb
mir die wesentliche Bedeutung des Wortes und der Bibel ans Licht. Oder
in die Erinnerung?
Das alles aber war doch schon mit den Himmel
verabredet und durch das viele Geschehen mit meinen Vorfahren und in meinem
Leben so vorbereitet?
De heer Wuister geeft al tientallen jaren in
verschillende steden in Nederland cursussen op dit gebied en ook dit jaar
weer.
Zijn cursus wordt gegeven uitgaande van de
Professor F. Weinreb Stichting en gaat over: De symbolische betekenissen
van de Hebreeuwse letters, woorden en geschiedenissen.
De cursussen worden eens in de veertien dagen
gehouden op de volgende dagen en in de volgende plaatsen:
Amsterdam
op woensdag
Utrecht
op zaterdag
Rotterdam
op dinsdag
Scheveningen
op woensdag
Zwolle
op zatersdag
Overweegt u om een cursus te volgen en wilt
u daarover meer informatie, dan kunt u de heer Wuister bereiken op het
volgende adres:
Lange Nieuwstraat 141,
3111 AG Schiedam (Tel: 010 4735244).