Kapitel 12
Pünktlich um zwei Uhr morgens klingelte es an der Tür, das Taxi war da. Sie überprüfte zum wiederholten mal ihr Aussehen durch einen schnellen Blick in den Spiegel. Ihre Augen sahen etwas mitgenommen aus. Sie hatte so gut wie nicht geschlafen und auch noch ein paar Tränen geweint, als sie sich an die Demütigung des vergangenen Abends erinnerte. Deshalb hatte sie auch ihre Brille aufgesetzt. Bei dem Versuch ihre Kontaktlinsen einzusetzen hatten ihre Augen dermaßen gebrannt, das sie Wohlbefinden vor Schönheit gestellt hatte. Sie trug ihre bequemen, ausgewaschenen Lieblingsjeans und ein weißes, enges T-Shirt. Darüber hatte sie eine dunkelblaue Kapuzenjacke gezogen. Der Ring ihrer Mutter steckte zur moralischen Unterstützung an ihrem Finger und ihr Koffer stand gepackt im Hausflur. Während sie diesen jetzt zur Wohnungstür trug löschte sie die Lichter und vergewisserte sich nochmal, das alle Stecker aus der Steckdose gezogen waren. Ein weiters Klingeln mahnte sie zur Eile und so schloss sie schnell die Wohnungstür hinter sich ab und ging die Treppe zu dem wartenden Taxifahrer hinunter. Entgegenkommend nahm er ihr sofort den Koffer ab und verstaute ihn im Kofferraum seines eierschalenfarbenen Mercedes. „Zum Flughafen, gell?“ fragte er, nachdem sie sich auf der Rückbank niedergelassen hatte. „Ja bitte,“ und schon setzte sich der Wagen in Bewegung. „Jetzt geht es los,“ dachte sie und in ihrem Magen begann es zu kribbeln. Sie hatte noch nicht so richtig realisiert, daß sie sich tatsächlich auf dem Weg nach Florida befand um A.J. zu treffen. Es war alles so schnell gegangen. Zwischen dem Packen hatte sie endlich ihren Bruder erreicht und ihn von dem schrecklichen Abend und ihren Reiseplänen berichtet. Er war außer sich vor Wut über das Verhalten ihres Chefs gewesen. Nur mit Mühe konnte sie ihn davon abhalten am Montag morgen in ihr Büro zu stiefeln und ihm die Meinung zu sagen. Er war etwas überrascht gewesen, daß sie sich jetzt doch mit A.J. treffen würde. „Hast Du Dir das auch gut überlegt?“ hatte er sie gefragt „immerhin kann ich mich daran erinnern, daß Du Dich bisher mit Händen und Füßen dagegen gewehrt hast.“ „Ich weiß, ich kann Dir auch nicht genau sagen, warum ich jetzt auf einmal das Bedürfnis habe ihn zu sehen. Ich weiß nur, daß es sich richtig anfühlt. Ich muss hier raus, was anderes sehen und erleben und ich will in seiner Nähe sein.“ Nach dieser Bemerkung hatten sie einen Moment geschwiegen. „Hätte nicht gedacht, daß Du das irgendwann einmal wieder über einen Mann sagen würdest,“ brach Jona das Schweigen „ehrlich gesagt, ich auch nicht. Wenn ich da bin stelle ich vielleicht auch fest, daß es die falsche Entscheidung war, wer weiß. Doch um das heraus zu finden, muss ich ihn sehen. Also bleibt mir ja keine andere Wahl.“ „Meine mutige, große Schwester,“ hatte Jona leise lachend erwidert. „Sieht so aus, leider fühle ich mich nicht besonders mutig. Im Gegenteil, ich renne dauernd aufs Klo vor Aufregung und wenn ich genauer darüber nachdenke, was da so auf mich zukommt, kriege ich nen halben Herzinfarkt.“ „Du kriegst das schon hin. A.J. wird hin und weg sein, wenn er Dich das erste mal sieht.“ „Hoffen wir es.“ Mit diesen Worten hatten sie sich dann voneinander verabschiedet und Sarah musste Jona hoch und heilig versprechen, daß sie sich bei ihm meldete, wenn sie wohlbehalten auf der anderen Seite des großen Teiches angekommen war. Jetzt saß sie hier in diesem Taxi, und mit jeder Minute kam sie A.J. ein Stückchen näher. Auf der einstündigen Fahrt lehnte sie den Kopf gegen die kühle Glasscheibe und während die dunkle Nacht daran vorbeiraste vielen ihr immerwieder die Augen zu. Endlich hatten sie das Abflugterminal erreicht. Der Taxifahrer nannte ihr eine horrende Summe die sie zu zahlen hatte und unbeeindruckt zog sie die Scheine aus ihrem Geldbeutel. Das war jetzt auch schon egal. Immerhin hievte er ihren schweren Koffer aus dem Kofferraum und stellte ihn auf einen Rollwagen. „Viel Spaß im Urlaub,“ wünschte er ihr noch, dann stieg er wieder in seinen Wagen und brauste davon. Sie fühlte sich verlassen, als sie jetzt so einsam vor dem großen Flughafengebäude stand. Über ihr donnerte ein Flugzeug in den dunklen Nachthimmel. Entschlossen schnappte sie sich den Rollwagen mit ihrem Koffer und betrat die große Flughafenhalle. Trotz der doch recht frühen Uhrzeit waren viele Menschen unterwegs. Immerwieder wurden die Fluggäste zu ihren Flügen aufgerufen. Der Geruch nach frisch gebrühtem Kaffe und leckeren Brötchen stieg ihr in die Nase, als sie an einem kleine Bistro vorbeikam. Ihr Magen begann zu knurren. „O.k. Sarah, erstmal Ticket besorgen und Koffer loswerden. Dann hast Du Dir auch ein leckeres Frühstück verdient,“ sagte sie zu sich selbst und steuerte den Informationsschalter der American Airlines an. Ein junge Frau saß hinter dem Schalter und blickte ihr freundlich lächelnd entgegen. „Guten Morgen,“ begrüßte sie Sarah „was kann ich für sie tun?“ „Guten Morgen. Für mich müsste ein Ticket hinterlegt worden sein. Mein Name ist Sarah O’Conner.“ „Da schauen wir doch gleich mal nach,“ sagte die freundliche Dame und tippte eifrig auf der Computertastatur herum. „Ah, hier haben wir es ja, ein erster Klasse Ticket nach Orlando, Florida um 5.30 Uhr, richtig?“ „Richtig,“ erwiderte sie und bei sich dachte sie „Erster Klasse auch noch, und ich habe nochnichtmal ein Geschenk besorgen können. Das macht bestimmt gleich den richtigen Eindruck.“ Ihre nervöse Blase meldete sich sofort wieder. „Bitte sehr, Ihr Ticket, sie können sich gleich hier nebenan an den Schalter zum einchecken begeben.“ „Vielen Dank ,“ „Gerne geschehen, ich wünsche ihnen einen angenehmen Flug.“ „Danke, auf wiedersehen,“ „ Auf wiedersehen.“ Mit dem Ticket bewaffnet schob sie den Rollwagen nun zu dem nächsten Schalter. Dahinter saß ein älterer Herr und auch dieser lächelte freundlich als sie ihm ihr Ticket über den Tresen schob und ihren Koffer auf das Laufband stellte. „Sie müssen hier noch dieses Etikett ausfüllen, schönes Fräulein,“ sagte er „damit ihr Koffer sie auch wiederfindet, falls der unwahrscheinliche Fall eintreten sollte und er aus irgendwelchen Gründen verloren geht.“ „Sie machen mir ja Mut,“ entgegnete Sarah und füllte den kleinen Zettel an dem ein Gummiband befestigt war in ihrer gestochenen Handschrift aus. Der nette Herr befestigte ihn danach am Griff ihres Koffers und Sarah sah zu, wie er von dem Laufband nach hinten befördert wurde und dann in einer Luke verschwand. „Keine Sorge, er wird zusammen mit ihnen wohlbehalten in Orlando ankommen.“ „Na, ihr Wort in Gottes Ohr.“ Der Mann lachte und gab ihr ihr Ticket zurück. „Sie haben noch zwei Stunden zeit, bis ihr Flug aufgerufen wird. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Flug und einen schönen Aufenthalt in Florida.“ „Vielen Dank.“ Sarah wandte sich vom Schalter ab und machte sich auf die Suche nach den Toiletten, danach setzte sie sich in das kleine Bistro und bestellte eine Tasse Kaffee und ein Croissant. Nachdem sie ihr Frühstück verzehrt hatte, hatte sie immernoch massig Zeit und so schlenderte sie durch die Einkaufspassage und betrachtete die Waren in den hellerleuchteten Schaufenstern. Durch die frühe Uhrzeit hatten die wenigsten Geschäfte geöffnet. An einem Kiosk kaufte sie sich zwei Zeitschriften und begab sich dann zu den Sicherheitskontrollen. Ihre Handtasche wurde durchleuchtet und sie selbst musste zweimal durch die Sicherheitsschranke gehen, da die Metalldetektoren auf ihre Gürtelschnalle ansprachen. Dann hatte sie es endlich geschafft und saß im Warteraum, bis die Passagiere aufgerufen wurden, das Flugzeug zu besteigen. Als Fluggast der ersten Klasse hatte sie das Privileg, als eine der ersten das Flugzeug zu betreten. Sie war erfreut über den Komfort und den riesigen, bequemen Sessel am Fenster, in dem sie die nächsten 11 Stunden verbringen würde. Stuardessen gingen zwischen den Sitzreihen hindurch und verteilten kleine Kissen und Decken. Nach einer weiteren halbe Stunde des Wartens, starteten dann endlich die Motoren und sie rollten langsam auf die Startbahn. Sarah krallte sich beim Start fest in ihren Armlehnen fest. Es ruckelte und wackelte und dann waren sie über den Wolken und sie schienen dahinzuschweben. Mit einem erleichterten Seufzer entspannte sie sich. Das war schonmal geschafft. Der Rest des Fluges verlief ereignislos. Sie trank zur Beruhigung ein Glas Sekt und ließ sich das köstliche Frühstück schmecken. Zwischendurch versuchte sie ein bisschen Schlaf nachzuholen, aber vor lauter Aufregung gelang ihr das nicht wirklich. Nach exakt zehn einhalb Stunden verkündete der Kapitän, daß sie jetzt zum Landeanflug auf Orlando ansetzen würden. Geistesabwesend begann sie an ihrem Ring zu drehen. Jetzt war es gleich soweit. Sie wäre gerne nochmal auf die Toilette gegangen, aber dafür war es jetzt zu spät. Sie versuchte sich vorzustellen, was auf dem Boden gleich auf sie zukommen würde. Wie er dort unten stehen würde, zwischen all den fremden Leuten und auf sie wartete. Wie sie die Arme nach ihm ausstecken und er sie fest an sich ziehen würde. Ihr Herz begann hart gegen ihre Rippen zu hämmern, ihre Hände waren feucht. „Oh Gott, wenn ich das nur schon hinter mir hätte,“ dachte sie verzweifelt und mit einem Ruck setzten das Flugzeug auf dem Boden auf. Als eine der ersten verließ sie auch wieder das Flugzeug und durch eine erneute Passkontrolle hindurch kam sie an das Laufband, wo sie hoffte ihren Koffer wieder in Empfang nehmen zu können. Sie musste gute zwanzig Minuten warten in denen sie immerwieder betete, daß der nächste Koffer ihrer sein möge. Doch da wurde er wohlbehalten aus einer Luke auf das Band gespuckt und mit einem erleichterten Seufzer hievte sie ihn vom Band auf einen Rollwagen den sie sich vorher besorgt hatte. Fünfzig Meter vor ihr ragte die große Schiebetür auf, die sie in die Flughafenhalle brachte und hinter der A.J. auf sie wartete. Zögernd hielt sie in der Bewegung inne. Aller Mut verließ sie, ihr Herz klopfte so laut, daß sie meinte, alle Umstehenden müssten es hören können. Zitternd wischte sie sich die Hände an ihrer Jeans ab. „Jetzt mach schon,“ versuchte sie sich selbst zum Weitergehen zu bewegen. Ohne ihr Zutun setzten sich ihre Füße wieder in Bewegung. Und schon war sie durch die Tür hindurch. Sie blickte direkt in eine Menge fremder Gesichter, die ihren Angehörigen winkten und sich auf amerikanisch zuriefen. Suchend sah sie sich um. Sie konnte A.J. nirgends entdecken. Dann sah sie ein junges Mädchen mit einem großen Schild, auf dem ihr Name stand. Sie mochte vielleicht neunzehn Jahre alt sein. Sie hatte kurzes dunkles Haar und ein hübsches Gesicht. Ihre schlanken Beine steckten in ein paar knallroter Cordhosen, das schwarze Spaghettiträger T-Shirt wurde fast vollständig von dem großen weißen Schild verdeckt. Zielsicher steuerte Sarah auf sie zu. Als sie sie erreicht hatte sagte sie „hi, ich bin Sarah,“ und deutete dabei mit dem Kopf auf das Schild, das das Mädchen immernoch wie ein Schutzschild vor der Brust hielt. Das Mädchen atmete erleichtert auf „Ich bin Kathy, A.J.s Cousine, er hat mich gebeten, Dich vom Flughafen abzuholen,“ sprudelte sie hervor und Sarah hatte Mühe, sie bei der Geschwindigkeit zu verstehen. „Freut mich Dich kennen zu lernen,“ erwiderte Sarah und ergriff Kathys ausgestreckte Hand. „Wir sind alle schon ganz aufgeregt,“ plapperte Kathy weiter während sie sich dem Ausgang zubewegten. „Wir haben Wetten abgeschlossen wie Du wohl aussiehst und A.J. läuft seit vorgestern wie ein Tiger im Käfig hin und her und macht sich Sorgen.“ „Das tut mir leid,“ versuchte Sarah sich gleich zu entschuldigen „das war nicht meine Absicht.“ „Ach, mach Dir keine Gedanken. Ein bisschen Aufregung tut ihm ganz gut. Seit er von der Tour zurück ist, ist er nicht genug ausgelastet,“ bei diesen Worten kicherte sie vergnügt. Sarah beschloss, daß sie Kathy mochte. Sie war so natürlich und überschwänglich, daß man sie einfach gern haben musste. „Mein Wagen steht gleich hier drüben,“ sagte Kathy als sie das Flughafengebäude verlassen hatten und deutete dabei auf einen großen, silbernen Chrysler Blazer der im Parkverbot stand. Die warme Luft traf Sarah wie ein Hammerschlag. Nach dem kalten Deutschland und der Klimaanlage im Flughafen empfand sie die Hitze hier noch intensiver. Schnell zog sie ihre Kaputzenjacke aus und band sie sich um die Hüften. Gemeinsam hievten sie Sarahs Koffer in den Kofferraum und nahmen dann im Wagen platz. „Ich hoffe Du bist nicht böse, daß dich A.J. nicht persönlich abholen kann, aber es gibt immer eine riesen Aufregung, wenn er sich in der Öffentlichkeit sehen lässt. Das wollte er sich und Dir ersparen.“ „Klar, verstehe ich. Ehrlich gesagt habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich hatte wirklich erwartet, das er hier steht und mich abholt. Ziemlich naiv eigentlich.“ „Ach quatsch, ist doch ganz normal. Woher sollst Du das auch wissen. Bei A.J. ist halt alles ein bisschen anders.“ „Das kann ich mir gut vorstellen.“ sagte Sarah und blickte dabei neugierig aus dem Fenster und betrachtete die neue Umgebung. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie Kathy sie verstohlen von der Seite musterte. „Gefällt Dir was Du siehst?“ fragte Sarah mit einem Lächeln und blickte Kathy direkt an. Sie wurde rot und konzentrierte sich auf den Verkehr vor ihr „tut mir leid. Ich bin manchmal ein bisschen zu neugierig. Liegt wohl in der Familie,“ fügte sie hinzu. „Ich hab schon soviel von Dir gehört und jetzt sitzt Du tatsächlich hier in diesem Auto, das finde ich ziemlich aufregend. Noch dazu bist Du wirklich total hübsch. Ich verstehe garnicht, daß Du meinem Cousin nie etwas über Dein Aussehen verraten hast.“ „Ich verstehe es auch nicht. Vielleicht wollte ich einfach ein bisschen geheimnisvoll erscheinen.“ „Das hast Du auf jeden Fall geschafft,“ erwiderte Kathy und lachte „ich bin so auf das Gesicht von A.J. gespannt, wenn er Dich das erste Mal sieht, das kannst Du Dir garnicht vorstellen.“ „Hat er viel über mich erzählt?“ fragte Sarah und hoffte Kathy würde ihrer Stimme nicht anhören, wie sehr sie das interessierte „ein bisschen,“ antwortete diese ausweichend „er hat uns nicht Deine Mails vorgelesen oder so, aber er erzählt immer wie es Dir geht und was Du gerade machst. Inzwischen fragt ihn immer schon jeder „und, wie geht es Sarah?“.“ Sarah musste lächeln. Sie sah sich mit Katrin oder ihrem Bruder telefonieren und hörte wie sie nach A.J. fragten. Hier war das also genau so, das beruhigte sie etwas. „Wie lange werden wir denn jetzt noch unterwegs sein,“ fragte sie Kathy „och, nicht sehr lange. Eine halbe Stunde ungefähr. Wenn wir allerdings Pech haben, kommen wir um diese Uhrzeit noch in die Rushhour, dann brauchen wir mindestens doppelt so lange.“ „Wie spät ist es denn eigentlich?“ „Wir haben es jetzt genau 10 Uhr 34.“ entgegnete Kathy nach einem Blick auf ihre Armbanduhr. Sarah nahm ihre Uhr ab und stellte sie auf die neue Zeit ein. „Bei uns ist es jetzt halb sieben abends,“ bemerkte sie dabei „schon verrückt irgendwie, findest Du nicht?“ „Ja, schon komisch. Vorallendingen wirst Du spätestens heute mittag tod müde sein.“ entgegnete Kathy und bog dabei von der Hauptstraße auf den Highway ab. „So, jetzt sollte es hier aber mal vorwärts gehen,“ meinte sie dann und trat auf das Gaspedal. Die Zeit verging wie im Flug. Schneller als erwartet bog Kathy in die Seitenstraße eines Wohnviertels ein. Die Straßen waren von Palmen gesäumt, darunter verliefen recht breite, saubere Gehwege. Gleich danach fingen die Grundstücke der einzelnen Häuser an. Breite, zum teil baumbestandene Rasenflächen lagen vor den großen, weißen Häusern. Die meisten umfasten zwei Stockwerke und bei allen verlief eine Veranda über die ganze Vorderfront. Es war sehr ruhig hier. Einige Kinder spielten in den Vorgärten, ein paar Jugendliche warfen Basketbälle in einen Korb, ein Mann war gerade dabei, seinen Rasen zu sprengen. Kathy bog unvermittelt in die betonierte Einfahrt einer Garage ein und stellte den Motor ab. „Wir sind da,“ verkündete sie und stieg auch schon aus dem Wagen aus. Sarahs Herz setzte für eine Schlag aus und ihr Magen drehte sich einmal um die eigenen Achse. Einen Moment blieb sie mit klopfendem Herzen sitzen, dann öffnete auch sie zaghaft die Tür. Warme, würzige Luft schlug ihr entgegen. Sie betrachtete das große Haus, das über ihr aufragte. Wie alle anderen in der Straße waren die großen Holzbalken weiß gestrichen. Einige Stufen führten zur Veranda hinauf die verlockend kühl im Schatten lag. Der Rasen vor dem Haus war auch hier sauber gestutzt und ein kleiner Weg führte von der Garagenauffahrt zum Haus. Sie kletterte aus dem Auto und stellte bestürzt fest, daß sich ihre Beine wie Pudding anfühlten und hielt sich schnell an der Wagentür fest. Sie atmete ein paarmal tief durch und merkte erleichtert, wie sich ihr Herzschlag etwas beruhigte. Sie wollte sich gerade zu Kathy umdrehen, die sich schon am Kofferraum zu schaffen machte, als unvermittelt die Haustür aufgerissen wurde und ein junger Mann die Veranda betrat. Er sah ein bisschen anders aus, als auf den Fotos, die sie bisher gesehen hatte. Er wirkte größer und muskulöser, seine Haut war sanft gebräunt und er hatte sich die Haare blond gefärbt. Er trug Jeans und ein buntbedrucktes T-Shirt. Doch es war eindeutig A.J., der jetzt barfuß mit großen Sätzen die Treppe herunter gesprungen kam und direkt auf sie zulief, der Saum seiner Jeans schleifte dabei über den staubigen Boden. Zaghaft machte Sarah zwei Schritte in seine Richtung und blieb dann nervös stehen. Als er sie erreicht hatte, sahen sie sich einen Moment stumm an, dann breitete sich ein Grinsen auf A.J.s Gesicht aus und auch Sarah brachte soetwas wie ein Lächeln zustande. Wortlos nahm A.J. ihre Hand und zog sie sanft an sich. Er schloss seine Arme um sie und drückte sie ganz fest. Der Duft seines herben, aber durchaus nicht unangenehmen, Rasierwasser stach ihr dabei in die Nase, sein Kinn streifte sanft ihr Haar und er murmelte „ich kann garnicht glauben, das Du tatsächlich hier bist,“ seine Stimme war angenehm dunkel und ein bisschen rau. „Ich glaube es auch noch nicht wirklich,“ antwortete sie und ärgerte sich über das leichte zittern in ihrer Stimme. A.J. lachte leise. Er rückte ein Stückchen von ihr ab, ohne sie allerdings loszulassen Seine Augen waren von einem dunklen braun und umrahmt von langen, dichten Wimpern. Wenn er lächelte, bildeten sich kleine Fältchen in den Augenwinkeln. „Lass Dich mal anschauen,“ sagte er „das ist also die große Unbekannte aus dem Netzt.“ Sarah begann sich etwas unwohl zu fühlen als er sie so ausgiebig musterte. Sie ließ ihn dann auch los und rückte ein Stück von ihm ab. „Ja, persönlich und in voller Größe,“ antwortete sie lächelnd. „Genug Süßholz geraspelt,“ meldete sich Kathy zu Wort und schnaufend kam sie mit Sarahs Koffer um den Wagen herum. Sarah war ihr fast dankbar für die Unterbrechung. Sie wollte Kathy den Koffer abnehmen, doch A.J. war schneller. Mühelos hob er den Koffer an und gemeinsam gingen sie die Stufen zu seinem Haus hinauf.

Kapitel 13