Kapitel 15
Es war kurz vor sieben. Sarah hatte sich umgezogen und trug nun ein dunkelblaues Top, das gerade noch den Ansatz ihres Bauchnabels sehen lies und eine weite, burgundrote Hose, die bei jedem Schritt sanft um ihre Beine flatterte. Nervös wanderte sie auf der Terrasse auf und ab. Es war ihr unheimlich peinlich gewesen, daß sie den kompletten Nachmittag verschlafen hatte. A.J. hatte sie um fünf Uhr geweckt und ihr mindestens tausendmal versichert, daß es nicht schlimm sei, daß sie so lange geschlafen hatte. Wenn wir länger unterwegs sind, könnte ich auch dauernd nur schlafen, das ist ganz normal, hatte er versucht sie zu beschwichtigen mach Dir keine Gedanken. Du hast mir sogar einen Gefallen getan. Immerhin konnte ich Dich so ungestört im Schlaf beobachten, fügte er noch mit einem Lächeln hinzu. Nur leidlich beruhigt hatte sie danach endlich ihren Bruder zu Hause angerufen. Es war bei ihm mittlerweile elf Uhr abends und er war schon ziemlich besorgt, daß sie sich nicht gemeldet hatte. Sie konnte ihm allerdings versichern, daß alles in bester Ordnung und traumhaft schön hier war (inklusive A.J., daß hatte sie ihrem Bruder allerdings nicht gesagt). Zum Abschluss gab sie ihm noch A.J.s Telefonnummer durch, damit er sie erreichen konnte, sollte ein unvorhergesehener Notfall eintreten. Danach war sie in ihr Zimmer hinauf gegangen und hatte erstmal ausgiebig geduscht. Während sie sich umzog, hörte sie A.J. unten auf der Terrasse rumoren. Als sie sich zu ihm gesellte, hatte er schon einen riesigen Kugelgrill aufgestellt. Auf einem Tisch daneben standen riesige Schüsseln mit Salaten, künstlerisch geflochtene Brotkörbe, verschiedenfarbige Soßen und eine große Platte mit Spareribbs und Maiskolben. Wie hast Du denn das in so kurzer Zeit gezaubert, fragte sie erstaunt. Kühlschranktür auf, Kühlschranktür wieder zu, erwiderte er grinsend. Ich habe eine Haushälterin, die zweimal die Woche kommt und sie hat auch für diese ganzen leckeren Sachen hier gesorgt. Sie ist wirklich ein Schatz, nicht wahr? Auf jeden Fall, erwiderte sie und sah ihm dann dabei zu, wie er mit Holzkohle und jeder Menge Spiritus das Feuer in Gang setzte. Dann klappte er den Deckel zu und sagte ich geh mich jetzt auch schnell duschen und umziehen. Du siehst übrigens umwerfend aus. Er küsste sie schmatzend auf die Wange und verschwand dann im Haus. Etwas verwirrt von diesem spontanen Ausbruch betrat sie das Wohnzimmer. Die Stereoanlage lief und im Radio spielten sie gerade Janet Jackson. Sie betrachtete ausgiebig die Fotografien an den Wänden und tanzte dabei gedankenverloren und leise die Melodie mitsummend von einem Bild zum nächsten. Die meisten Fotos zeigten seine Familie (zumindest vermutete sie das). Auf vielen war eine zierliche, rothaarige Frau zu sehen, die mit einem entwaffnenden Lächeln in die Kamera blickte. Einmal war sie alleine abgelichtet, ein anderes mal hatte sie die Mitglieder der Backstreet Boys im Arm. Eines zeigte sie mit A.J. und die Ähnlichkeit war verblüffend. Das ist meine Mum, sagte eine Stimme hinter ihrem Rücken und sie zuckte unwillkürlich zusammen. Sorry, ich wollte Dich nicht erschrecken, sagte A.J. entschuldigend ist sie nicht der Hammer? fuhr er dann fort und deutete mit dem Kopf auf das Bild vor ihr. Sie hat auf jeden Fall ein bezauberndes Lächeln, entgegnete Sarah und konzentrierte sich voll auf das Bild vor ihr um nicht an seine Hüften zu denken, die gefährlich nahe an ihren waren. Er umschlang sie sanft mit den Armen und wiegte sich sanft im Takt der Musik. Ja, sie ist die Beste, sagte er. Hat Dir schonmal jemand gesagt, daß Du echt sexy tanzen kannst? Nein, bisher noch nicht, entgegnete Sarah und befreite sich aus seinen Armen. Aber ich habe jetzt wirklich Lust auf etwas zu trinken. Vielleicht ein Glas Wein oder so? Kommt sofort, entgegnete A.J. und verschwand in der Küche. Sie musste sich eingestehen, daß das Gefühl mit ihm zu tanzen garnicht mal so unangenehm gewesen war. Trotzdem fühlte sie sich etwas unbehaglich, wenn er ihr so nahe war. A.J. kam mit zwei Gläsern Wein zurück ins Wohnzimmer. Er reichte ihr eines davon darauf daß wir uns endlich persönlich kennengelernt haben, sagte er und erhob sein Glas und auf den heutigen Abend, fügte Sarah hinzu und mit einem leisen Ping stießen sie miteinander an. Nachdem sie beide an dem köstlichen Wein genippt hatten sagte A.J. komm lass uns raus gehen. Mal sehen ob die Terrasse schon abgebrannt ist. Ich hab das mit dem feuermachen noch nicht so drauf. Normalerweise macht das Brian, er ist der Spezialist. Warum hast Du dann nicht auf ihn gewartet? fragte Sarah auf dem Weg nach draußen. Ich wollte vor Dir ein bisschen angeben. Immerhin bin ich ein Mann. Feuermachen ist einer unserer Urinstinkte. Sarah lachte. A.J. hob den Deckel vom Grill und mit einem stolzen Lächeln präsentierte er ihr die rotglühende Kohle. Ich sag ja, feuermachen wurde mir in die Wiege gelegt, und mit diesen Worten sah er sich nochmal prüfend um. Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn ich habe die Teller vergessen. Klar, das betrifft ja auch eher die weiblichen Gene nehme ich an, erwiderte Sarah grinsend. A.J. deutete mit dem Finger auf sie da hast Du vollkommen recht, und mit diesen Worten wandte er sich um und verschwand im Haus kann ich Dir helfen? rief Sarah ihm hinterher. Nein, entspann Dich und genieße Deinen Wein, ich bin sofort wieder da, rief er zurück. Und so stand sie jetzt hier, aufgeregt wie ein Schulmädchen, mit feuchten Händen und zitternden Knien. Beladen mit Tellern und Besteck, daß in bunte Servietten gerollt auf einem silbernen Tablett lag, kam A.J. gleich darauf wieder zurück. Vorsichtig stellte er alles auf den Tisch neben die bereits dort stehenden Köstlichkeiten. So, jetzt können sie kommen, sagte er und betrachtete zufrieden sein Werk. In diesem Moment klingelte es auch schon an der Tür. A.J. ging, um seinen Freunden zu öffnen und Sarah stellte zitternd ihr Weinglas ab. Tief durchatmen, ermahnte sie sich selbst. Von drinnen hörte sie Stimmengewirr und Gelächter. Gleich darauf betrat A.J. mit Brian, Kevin und zwei unbekannten Frauen im Schlepptau die Terrasse. Sarah, daß hier sind Brian und seine Frau Leighanne, die beiden kamen sofort auf sie zu und umarmten sie herzlich hi Sarah, sagte Brian es ist toll Dich endlich mal persönlich kennenzulernen, dem kann ich mich nur anschließen, sagte Leighanne ich habe schon so viel von dir gehört, hoffentlich nur Gutes, konnte Sarah nur antworten und schon ging es weiter mit der Vorstellung und das hier sind Kevin und seine Frau Kristin, wieder wurde sie überschwenglich in die Arme genommen willkommen in Florida, Sarah, sagte Kevin ja, schön daß Du da bist, sagte Kristin. Ich freue mich auch, Euch endlich kennen zu lernen, sagte Sarah mit einem breiten Lächeln Sie betrachtete die Vier. Brian hatte dunkelblonde Haare und ein sehr markantes Kinn, wenn er lächelte, bildeten sich kleine Grübchen in seinen Wangen. Sie hatte gelesen, daß Leighanne etwas älter war als er, doch das sah man ihr nicht an. Sie hatte lange blonde Locken und sanfte braune Augen. Kevin überragte die Anderen um fast einen Kopf und hatte seine schulterlangen, dunklen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Kristin hatte hellblonde Haare, die sie mit einer Haarspange nach oben gesteckt hatte. Alle Vier waren sportlich schlank und wirkten auf den ersten Blick sehr sympathisch. Was wollt ihr trinken? fragte A.J. und verschwand gleich darauf in der Küche um die bestellten Getränke zu holen. Hat mit dem Flug alles gut geklappt? fragte Kevin A.J. hat erzählt, daß alles wohl recht schnell gehen musste. Ja, das stimmt. Ich hatte die Nase voll von dem kalten, verregneten Deutschland. Mit dem Flug hat alles wunderbar geklappt. Das erste Mal, daß ich erster Klasse geflogen bin, das war wirklich ein Erlebnis. Ich habe tatsächlich eine Stuardess lächeln sehen, die anderen lachten ich habe mir eher Sorgen um mein Gepäck gemacht. Aber Gott sei Dank ist mein Koffer wohlbehalten angekommen. Oh ja, da haben wir auch schon Geschichten erlebt, ich kann Dir sagen. Es gibt mindestens zehn Koffer von uns, die nie wieder aufgetaucht sind, entgegnete Brian Wirklich? Du machst mir ja Mut für den Rückflug, erwiderte Sarah mit einem gequälten Lächeln. Da kam A.J. mit zwei Gläsern Wein und zwei Flaschen Bier zurück. Irgendwie brachte er es fertig, keinen Tropfen dabei zu verschütten. So, bitte schön, Trinkgeld kassiere ich später, mit diesen Worten drückte er den Frauen die Gläser und den Männern die Flaschen in die Hand. In diesem Moment klingelte es erneut an der Tür das artet hier ja in Stress aus, brummte er und ging wieder hinein. Wenig später kam er mit Kathy zurück. Sie begrüßte alle mit einer ausgiebigen Umarmung na, hattet ihr einen schönen Nachmittag, fragte sie an Sarah gewannt. Sarah merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg wie man es nimmt, entgegnete sie kaum warst Du weg, antwortete A.J. an ihrer Stelle ist sie eingeschlafen. Ich hatte wirklich Mühe sie wieder wach zu kriegen, es tut mir wirklich schrecklich leid, versuchte Sarah sich erneut zu entschuldigen ist doch o.k., entgegnete A.J. und legte ihr beruhigend den Arm um die Schulter ich könnte auch immer schlafen, wenn ich mich mit ihm unterhalte, scherzte Brian und handelte sich für die Bemerkung auch gleich einen Hieb von A.J. ein. Als es erneut klingelte, ging Kathy hinein um die Tür zu öffnen. Gleich darauf hörte man einen lauten Freudenschrei. Nick, stellten Brian, A.J. und Kevin im Chor fest und gleich darauf erschien ein großer, blonder, junger Mann mit Kathy auf den Armen in der Terassentür. Hi, sagt bloß, die Party hat ohne mich angefangen? mit diesen Worten stellte er Kathy auf die Füße und kam zu Sarah hinüber. Hallo, ich bin Nick und Du bist bestimmt Sarah, sagte er und zog sie mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie die anderen vor ihm in seine Arme. Gut kombiniert, entgegnete Sarah lächelnd und erwiderte die Umarmung. Hallo Rest, sagte er dann lapidar zu den Anderen, so daß Leighanne entrüstet die Hände in die Hüften stemmte das ist ja eine Begrüßung nach drei Monaten. Nick lachte und schloss sie sofort in die Arme. Nachdem er auch die anderen ordnungsgemäß begrüßt hatte fragte er was ist mit Howie? Hat er abgesagt oder ist er nur wie immer zu spät? Wie immer zu spät, entgegnete A.J. und nippte an seinem Wein. Kathy kam gerade mit zwei Flaschen Bier aus der Küche zurück. Hier mein Held, damit Du nicht verdursten musst, sagte sie und drückte Nick eine Flasche in die Hand. Die sechs begannen sich angeregt zu unterhalten, leider so schnell und durcheinander, daß Sarah kaum ein Wort verstand. Als sich Kevin dann an sie wandte und sie fragte was hältst Du davon? hob sie hilflos die Schultern tut mir leid, aber wenn ihr alle zusammen redet verstehe ich leider kein Wort. Mein Englisch ist wohl etwas eingerostet. Oh sorry, entgegnete er daran habe ich garnicht gedacht. Ich wollte eigentlich nur wissen, ob Du Lust hast, morgen mit zu einer Strandparty zu kommen. Einer unserer Freunde hat dort ein Haus und seine Partys sind legendär. Das klingt toll, ich komme gerne mit, antwortete Sarah ehrlich begeistert. Ich weiß ja nicht wie es Euch geht, sagte Nick aber ich habe Hunger. Ich bin dafür, daß wir nicht auf Howie warten, sondern sofort anfangen. Die Anderen stimmten ihm zu und kurz darauf lag der leckere Duft von gebratenem Fleisch in der Luft. Wenig später klingelte es erneut und Howie wurde von A.J. auf die Terrasse geführt. Sarah, daß ist Howie. Abgesehen davon daß er immer zu spät kommt ist er wirklich in Ordnung, na vielen Dank, entgegnete Howie und schloss dann Sarah in die Arme glaub ihm kein Wort. Normalerweise stecke ich nämlich nicht in der Rushhour fest. Es ist beruhigend zu wissen, daß es anderen genau so geht, entgegnete Sarah mit einem Lächeln. A.J. die Frau hat Dir einiges Voraus, sagte er lachend und fuhr sich dabei mit den Fingern durch seine braunen Locken. Gibt es denn endlich was zu essen? Ich bin halb verhungert, sagte er dann und warf einen prüfenden Blick auf die vor sich hin brutzelnden Spareribbs. Ich denke sie sind soweit, entgegnete A.J. und begann das Fleisch auf die Teller zu verteilen. Kathy brachte Howie ein Bier und bald darauf saßen sie alle zufrieden kauend am Tisch. Erzähl mal Sarah, was machst Du den so beruflich? A.J. hat was von einer Bank erzählt, fragte Nick. Oh, schlechtes Thema, entgegnete A.J. und zwinkerte ihr über den Tisch hinweg zu. Sarah musste gegen ihren Willen lachen. Sie hatte die Geschehnisse zu Hause schon fast vergessen und als sie jetzt darüber nachdachte, mit vollem Bauch und leicht beschwingt von dem guten Weißwein, kamen ihr ihre Sorgen aufeinmal ziemlich banal und kleinlich vor. Sie erklärte ihm, was sie genau tat, sie erzählte von ihren Kollegen, dem hervorragenden Arbeitsklima und dem Projektwettbewerb. Die anderen hörten ihr aufmerksam zu und stellten ab und zu Verständnisfragen. Als sie zum Abend der Preisverleihung kam, ließ Nick die Gabel sinken und sah sie entgeistert an. Er hat Deinen Vorschlag geklaut, um sich beim Vorstand einzuschmeicheln? fragte er So ist es. Ich wußte nicht was ich tun sollte. Das Klügste wäre sicherlich gewesen sofort auf die Bühne zu gehen und die Sache richtig zu stellen, aber ich war so wütend. Das wäre ich aber auch gewesen, entgegnete Kristin entrüstet. Naja, stattdessen habe ich den Saal verlassen und bin hierher geflogen, beendete Sarah ihre Geschichte. Was willst Du nun tun? fragte Kevin. Ehrlich gesagt weiß ich das noch nicht so genau, aber wie ich mich kenne werde ich zurück gehen und ihm gehörig die Meinung sagen. Dann werde ich abwarten was passiert. Notfalls werde ich mir wohl einen Termin beim Vorstand geben lassen müssen. Richtig so, sagte A.J. und fuchtelte dabei mit seiner Gabel in der Luft herum Du darfst ihm das nicht durchgehen lassen. Am Ende macht er das nächstes Jahr wieder mit einem anderen armen Schwein. Gerüchten zufolge hat er das wohl letztes Jahr auch schon getan. Angeblich hat er der entsprechenden Person hinterher fünftausend Mark für ihr Schweigen bezahlt. Das gibt es ja nicht und in so einer Firma arbeitest Du? fragte Brian entrüstet Schwarze Schafe gibt es überall. Ich liebe meine Arbeit und auch die Firma, entgegnete Sarah fest und blickte ihm dabei direkt in die Augen. Entschuldige, so war das nicht gemeint. Ich finde es nur furchtbar, wenn Du gerade Deinem Boss nicht vertrauen kannst. Wisst ihr noch wie das mit Lou war? fragte er in die Runde Ich glaube nicht, daß Du das vergleichen kannst, entgegnete Kevin und schüttelte demonstrativ den Kopf Ich finde er hat nicht so unrecht, entgegnete Nick und nahm einen Schluck Bier Lou Pearlman war unser Manager in den ersten Jahren, erklärte ihr A.J. er war sowas wie ein Vater für uns. Er hat uns ein stückweit zu dem gemacht, was wir heute sind, übertreib es nicht, entgegnete Kevin und Kristin legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm lass ihn ausreden, sagte sie und wandte sich wieder A.J. zu. Jedenfalls haben wir dann irgendwann erfahren, daß er uns erstens eine Menge Geld vorenthalten und das in seine eigene Tasche gewirtschaftet hat, völlig legal versteht sich, und zweitens eine weitere sogenannte Boygroup hinter unserem Rücken aufgebaut hat. NSYNC, vielleicht hast Du schonmal was von denen gehört? Der Name kommt mir bekannt vor, entgegnete Sarah ironisch naja, es war auf jeden Fall ein riesiger Vertrauensbruch und wir haben dann auch die Geschäftsbeziehung zu ihm aufgelöst. Es war nicht so einfach, wie gesagt, er stand uns sehr nahe. Wir waren ziemlich enttäuscht von ihm. Das kann ich verstehen, sagte Sarah ich glaube aber, daß Kevin recht hat, ganz so extrem ist es bei mir nicht. Mein Chef steht mir persönlich nicht sehr nahe, er ist eben mein Boss und nicht mehr. Ich denke, daß was ihr erlebt hat ging tiefer und ist in keinster Weise zu entschuldigen. Danke, Kevin zog einen imaginären Hut vor ihr und schob dann seinen leeren Teller von sich. Also A.J., Maria hat sich malwieder selbst übertroffen. wechselte er dann demonstrativ das Thema Richte ihr bitte aus, daß ihr Kartoffelsalat nach wie vor unübertroffen ist, Das mache ich doch gerne, entgegnete A.J. grinsend und die Spannung, die in den letzten Minuten in der Luft gelegen hatte, verflüchtigte sich. Die Frauen standen auf und begannen wie selbstverständlich den Tisch ab zu räumen. Als sich Sarah ebenfalls erhob um ihnen dabei zu helfen, wehrten sie sich erst dagegen, doch als Sarah ihnen zu verstehen gab, daß sie das gerne tat und hier nicht wie eine Prinzessin behandelt werden wollte, nahmen sie ihre Hilfe dankend an. Gemeinsam standen sie dann in der Küche, deckten die Schüsseln mit Klarsichtfolie ab um sie danach in den Kühlschrank zu stellen und räumten das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine. Dabei plauderten sie über Männer, wie sie sich alle kennengelernt hatten und wo man hier am besten einkaufen konnte. Wenig später saßen sie alle wieder zusammen um den Tisch herum, leise Musik wehte aus dem Wohnzimmer zu ihnen heraus und die Kerzen, die A.J. mittlerweile angezündet hatte, flackerten in der leichten Abendbrise. Die Gespräche wandten sich anderen Themen zu. Sie erzählten Sarah viel über die vergangene Tour, jeder hatte eine kleine Anekdote zu erzählen. Wie A.J. z.B. bei einem Auftritt den langen Steg zu der runden Bühne in der Mitte der Halle hinuntergelaufen war, um wie jeden Abend mit einem großen Sprung darauf zu landen und dabei auf den Hosenboden gefallen war. Sie sprachen über Videoshootings, Pressetermine und die Aufnahmen für das nächste Album, mit denen sie im Februar beginnen wollten. Ein neuer Schritt nach vorne für die Backstreet Boys, wie Brian betonte. Leighanne und Kristin sprachen über ihre Hochzeiten und das Leben mit dem Mitglied einer Boygroup. Sarah musste feststellen, daß es nicht immer einfach war. Selten waren die Jungs zu Hause, es blieb wenig Zeit für Freunde oder Familie. A.J. hatte dies in seinen Mails schon angedeutet, doch es war etwas anderes dies alles aus der Sicht einer Ehefrau zu hören. Sie hatte den Eindruck, daß sich hier Familienmitglieder unterhielten. Alle kannten sich in und auswendig, errieten die Gedanken des Anderen. Sie ließen Sarah ein Teil dieser Familie sein und sie fühlte sich dabei ausgesprochen wohl. Erst jetzt merkte sie, wie sehr sie dieses Gefühl vermisst hatte. Irgendwann stellte Leighanne dann auch die Frage nach ihrer Familie. Meine Familie besteht eigentlich nur noch aus meinem Bruder und mir, erzählte Sarah meine Eltern sind vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das ist ja furchtbar, sagte Howie der neben ihr saß Ja, das ist es, entgegnete Sarah wir haben uns voneinander verabschiedet wie jeden Morgen. Sie fuhren davon und an der nächsten Kreuzung hat ihnen so ein Idiot die Vorfahrt genommen und ist mit vollem Karacho in ihr Auto gerast. Meine Mutter war sofort tot, mein Vater ist nach drei Tagen auf der Intensivstation gestorben. Seitdem hasse ich Krankenhäuser, erzählte Sarah weiter. Sie hielt inne und schluckte beim Gedanken an diesen Morgen, der ihr noch heute so deutlich im Gedächtnis war als wäre es erst gestern passiert. Sie sah über den Tisch hinweg zu A.J. hinüber und er lächelt ihr mitfühlend zu. Mittlerweile komme ich ganz gut damit klar. Das erste Jahr war der Horror. Mein Bruder Jona hat sich total von mir zurück gezogen. Jeder von uns war mit seiner eigenen Trauer voll und ganz beschäftig. Aber wir haben uns wieder gefunden und er ist der wichtigste Mensch auf der ganzen Welt für mich, beendete sie ihre Geschichte. Für einen Moment herrschte Schweigen am Tisch. Als meine Schwester starb war das auch furchtbar, aber ich hatte meine Freunde und Familie, die mich aufgefangen und wieder aufgebaut haben, sagte Howie in das Schweigen hinein. Sie war sehr krank, es war abzusehen, daß sie bald sterben würde. Aber so richtig darauf vorbereiten kann man sich trotzdem nicht. Gott hat es so gewollt, also sind wir dankbar für die Zeit, die wir mit ihr hatten, lächelnd sah er Sarah an. Sie erwiderte das Lächeln und zündete sich dann eine Zigarette an. A.J. und sie schienen die einzigen zu sein, die hier am Tisch rauchten. Da haben sich ja die richtigen zwei gefunden, bemerkte Brian mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. Die nächste halbe Stunde diskutierten sie dann auch über das Pro und Kontra des Rauchens. A.J. und Sarah hatten hierbei einen schweren Stand, doch sie ließen sich auch von den einleuchtendsten Argumenten nicht umstimmen. Irgendwann gaben die Anderen auf und wandten sich neuen Themen zu. Es wurde ein sehr lustiger und langer Abend. Sarah konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so viel gelacht hatte. Je länger sie sich unterhielten, desto besser wurde auch ihr Englisch. Natürlich musste sie ab und zu noch nachfragen, zumal sie manche Ausdrücke noch nie gehört hatte, doch es viel ihr zunehmend leichter, den Gesprächen zu folgen. Am frühen Morgen verabschiedeten sie sich dann voneinander. Den obligatorischen Umarmungen folgten die Feststellungen, daß man sich ja in ein paar Stunden schon wieder sehen würde und wie schön es gewesen war, sich endlich näher kennenzulernen. Während A.J. seine Gäste zur Tür brachte, begann Sarah damit, die Gläser, Wasser-, Limo-, Cola- und Bierflaschen in die Küche zu bringen. Wenig später gesellte sich A.J. zu ihr. Ein schöner Abend, stellte er fest, während er sich auf den Küchentisch setzte und Sarah dabei zu sah, wie sie die Gläser in die Spülmaschine räumte. Ja, das war es, erwiderte Sarah sie sind alle wirklich unheimlich nett und über die Geschichten hätte ich mich totlachen können. Es ist schön, wenn man so viele Menschen hat, die einem Nahe stehen. Das vermisse ich manchmal, sie klappte die Tür der Spülmaschine zu und wandte sich ihm zu. Mit dem Rücken lehnte sie sich an die Küchenzeile und verschränkte die Arme. Ich glaube nicht, daß es auf die Quantität ankommt sonder auf die Qualität. Du hast Deinen Bruder und Katrin, Du kannst Dich glücklich schätzen. Ich kenne Leute die vertrauen niemandem, Das mag ja sein und ich bin auch froh, daß ich die beiden habe, aber wenn ich ein Familientreffen veranstalte, sitzen wir zu zweit am Tisch, das ist manchmal schon etwas traurig. Wortlos rutschte A.J. von der Tischkante, kam zu ihr hinüber und nahm sie in die Arme. Ich bin mir sicher, daß Du heute einige neue Freunde gefunden hast, außerdem hast Du ja noch mich, sagte er leise. Ja, flüsterte Sarah und genoß das Gefühl ihm so nahe zu sein. Sie fühlte sich geborgen und irgendwie zu Hause. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter und er küsste sie sanft auf die Stirn. Sie rückte ein Stück von ihm ab und sah ihm für einen Moment tief in die Augen. Plötzlich hatte sie das Gefühl, daß er sie gleich küssen würde und Panik stieg in ihr auf. Schnell machte sie sich von ihm los ich hol noch schnell den Rest von der Terrasse, sagte sie, obwohl sie wußte, daß draußen nichts mehr stand. Als sie sich in Bewegung setzen wollte hielt A.J. sie sanft am Arm fest Was ist los? fragte er Nichts, ich bin nur etwas müde, log sie Ich werde schnell den Rest wegräumen und dann ins Bett gehen. Ich glaube nicht, das es das ist, entgegnete er und sah sie durchdringend an. Irgendwas ist mir Dir. Immer wenn ich Dir zu nahe komme, weichst Du mir aus. Es ist nichts, antworte Sarah ich bin es wohl nicht mehr gewöhnt, daß mich alle dauernd in den Arm nehmen und mir sagen wie toll sie es doch finden mich kennen zu lernen, im Stillen hoffte sie, daß diese Erklärung A.J. reichen würde. Sie konnte ihm nicht erzählen, daß sie einmal mit einem Monster verheiratet gewesen war und sie seitdem keinen Mann mehr in ihre Nähe ließ. Es war für sie schon unbegreifbar, daß es A.J. so einfach gelungen war die Mauer, die sie um sich errichtet hatte, zu durchbrechen. Wie sollte sie dann diese Gefühle auch noch in Worte fassen? Scheinbar schien er sich aber mit ihrer Erklärung zufrieden zu geben, denn er lies sie los und lächelte sein unwiderstehliches Kleinjungen Lächeln ich wette, wenn Du hier wieder weg fährst, hat sich Deine Einstellung dazu geändert. Für uns ist es ganz normal, daß wir Menschen umarmen um ihnen zu zeigen wie gerne wir sie haben. Ich weiß, aber es gibt eben auch Menschen, denen es schwer fällt, ihre Gefühle auf diese Art zu zeigen. Ich glaube, das ist angekommen, sagte er belustigt. Sarah musste wiederwillig lächeln. Ich denke, ich werde dann mal schlafen gehen. Für den ersten Tag war das, glaube ich, genug Aufregung. Na dann, schlaf gut. Du weißt ja, was man die erste Nacht in einem fremden Bett träumt, geht in Erfüllung. Ja, das sagt man bei uns auch. Gute Nacht, Gute Nacht und träum was schönes, entgegnete er lächelnd. Sarah hatte den Eindruck, daß er sie eigentlich nochmal umarmen wollte, aber er zögerte und so ergriff sie die Gelegenheit und verließ schnell die Küche um die Stufen zu ihrem Zimmer hinauf zu gehen. |