Kapitel 21

Die Jungs hatten sie wie versprochen nach Hause gebracht. Nick und Brian hatten sich ziemlich schnell verabschiedet. Sie meinten, Sarah könnte jetzt etwas Ruhe vertragen. Jetzt saß sie mit A.J. alleine auf der Terrasse. Er hatte ihr ein Glas Eistee gebracht und Sarah rauchte nervös eine Zigarette. Er saß ihr gegenüber und beobachtete sie ruhig. Er wartete auf eine Erklärung, daß wußte sie, doch sie hatte Angst darüber zu sprechen. Wie hatte er gesagt? Wenn man darüber sprach, wurde es wahr. Vielleicht konnte sie sich ja doch noch einreden, daß sie sich die Begegnung mit Markus nur eingebildet hatte, daß er nicht gekommen war, um sie erneut zu seiner Frau zu machen und sie wieder in das trostlose Hausmütterchen zu verwandeln, daß sie einmal gewesen war. Das Schweigen schien sich endlos in die Länge zu ziehen. Zusammenhanglose Gedanken jagten sich in ihrem Kopf. „Er ist wieder da. Was bildet der sich eigentlich ein? Einfach wieder so in meinem Leben aufzutauchen. Er ist immernoch so stark wie früher. Er glaubt tatsächlich, er kann mich wieder zurück haben. Einfach so aufzutauchen und sich das zu nehmen, was er will, das passt zu ihm. Was denkt der sich eigentlich? Ich bin doch nicht irgendeine Sache, mit der er verfahren kann wie es ihm passt. Er hat mir wieder weh getan. Wenn er mich alleine kriegt, wird es noch schlimmer. Oh Gott, was soll ich nur tun? Ich bring ihn um, das hätte ich vor Jahren schon tun sollen. Besser im Gefängnis, als mit ihm zusammen zu sein. Was ist wenn er den anderen etwas antut?“ der Gedanke erschreckte sie zutiefst. Sie sah zu A.J. hinüber. Er hatte die Hände unter dem Kinn gefaltete und sah sie aufmerksam an. „Ich würde alles dafür geben, um jetzt deine Gedanken lesen zu können,“ sagte er. Sie ging nicht darauf ein und sagte stattdessen „Du weißt, wer das vorhin war?“ „So wie Du reagiert hast, nehme ich mal an, daß das Dein Ex-Mann war.“ Sarah nickt „Warum hast Du nicht eher was gesagt? Vielleicht hätten wir ihn noch gekriegt. Der hätte sich bestimmt nicht mehr in Deine Nähe getraut.“ „Macht sich bestimmt glänzend als Schlagzeile „Backstreet Boys verprügeln unbescholtenen Bürger““ entgegnete Sarah sarkastisch. „Das war nicht fair,“ entgegnete A.J. ruhig. Sarah tat ihre unbedachte Bemerkung auch schon leid „Du hast ja recht, tut mir leid,“ sagte sie „aber er war so schnell verschwunden, ihr hättet nichts tun können.“ „Warum bist Du überhaupt alleine zu ihm hingegangen? Ich darf garnicht daran denken, was hätte passieren können. Wenn er nun eine Waffe gehabt hätte?“ Sarah seufzte. A.J. schien nicht zu begreifen, daß es in dem Moment egal gewesen war, ob sie mit Markus alleine war oder nicht. Er hatte Geduld, irgendwann würde er sie erwischen, ob heute oder morgen spielte für ihn keine Rolle. „Er wollte mir nur einen Schrecken einjagen,“ sagte sie „sein üblicher Psychoterror. Mir wird schon nichts passieren,“ sie wollte A.J. beruhigen und ihn so weit wie möglich aus der Sache raushalten. Wenn sie erstmal wieder zu Hause war, ging ihn das Ganze nichts mehr an. A.J. schüttelte den Kopf „Du glaubst doch selbst nicht was Du da sagst. Warum gibst Du nicht endlich zu, daß Du eine scheiß Angst hast und Hilfe gebrauchen könntest,“ Sarah schwieg und ihr Blick schweifte in die Ferne, hinüber zum Badehaus. War es erst eine Woche her, daß sie sich unbekümmert über den Sinn und Zweck dieses Gebäudes unterhalten hatten? „Ich glaube es ist besser, wenn ich so bald als möglich abreise,“ sagte sie ohne den Blick von dem kleinen Gebäude zu lösen. „Das ist ganz alleine meine Angelegenheit und ich möchte nicht, daß ihr da irgendwie mit reingezogen werdet.“ „Sieh mich an,“ verlangte A.J. ruhig. Als sie nicht reagierte stand er auf und ging vor ihrem Stuhl in die Hocke, so wie Brian es vorhin getan hatte. Er umfasste ihr Kinn und zwang sie ihm in die Augen zu sehen „ich kann hier nur für mich sprechen, aber ich hänge schon tiefer drin, als Du es Dir vorstellen kannst. Es macht mich krank, daß dieser Wahnsinnige frei herum läuft und Dich belästigt. Das wird sich auch nicht ändern, wenn Du Florida verlässt. Solange Du hier bist, kann ich Dich wenigstens beschützen, sofern Du mich lässt. Das ist das was ich mir wünsche, daß Du noch etwas hier bei mir bleibst. Der Typ wird irgendwann einen Fehler machen, das schwöre ich Dir und dann gnade ihm Gott. Er wird bis an sein Lebensende in einem kleinen Raum mit Gittern vor den Fenstern sitzen und sich wünschen, er hätte Dich niemals auch nur angerührt.“ „Du kennst ihn nicht,“ versuchte Sarah es nocheinmal „er ist zu allem fähig. Ich will nicht, das Dir etwas passiert. Deshalb werde ich nach Hause fliegen.“ A.J. seufzte schwer „und wenn ich Dich darum bitte,“ fragte er mit schräg gelegtem Kopf „sieh her, ich gehe sogar vor Dir auf die Knie,“ er kniete sich vor ihr auf den Boden und nahm ihre Hand „bitte, bitte, bitte“ sagte er, setzte dabei seinen Hundeblick auf und schob die Unterlippe vor. Sarah lächelte unter Tränen, sie hatte diesem Blick nichts entgegenzusetzen. „Na gut, wenn es Dir so wichtig ist bleibe ich noch etwas. Aber das kann nicht ewig so weiter gehen.“ „Ich weiß,“ A.J. richtete sich auf und küsste ihr sanft die Tränen von den Wangen „wenn es nach mir ginge, bräuchtest Du nie wieder zu gehen,“ setzte er leise hinzu und dann, als ob es die normalste Sache von der Welt wäre, küsste er sie. Seine Lippen waren weich und warm und es lag soviel Zärtlichkeit in diesem Kuss, daß Sarah innerlich erschauerte. Er löste sich von ihr und sah sie mit einem schiefen Lächeln an. „Wirst Du jetzt wieder vor mir davon laufen?“ fragte er. Sarah schüttelte langsam den Kopf und beugte sich zu ihm hinunter. Ihre Lippen fanden sich erneut und als seine Zunge sanft ihre Lippen teilte, erwiderte sie seinen Kuss mit der ganzen Liebe die sie die letzten Tage so vehement verdrängt hatte. A.J.s Hände strichen dabei sanft über ihren Rücken, doch sie traute sich nicht, ihn auch nur zu berühren. Als sie sich voneinander lösten sah er sie liebevoll an „wow, also küssen kannst Du wesentlich besser, als Basketballspielen,“ sagte er grinsend. Sarah lachte leise „wenn man sich dabei auch noch vorstellt, daß ich von beidem so gut wie keine Ahnung habe, ist es noch umso erstaunlicher.“ A.J.s Blick wurde ernst. Sanft fuhr er ihr mit den Fingern über das Gesicht „Dir wird nie wieder irgendjemand weh tun, das verspreche ich Dir.“ Sarah sah zu Boden „ich habe Angst davor, daß genau Du der Nächste sein wirst,“ sie hob die Hand, als er widersprechen wollte „ich weiß, das kannst Du Dir im Moment nicht vorstellen, aber ich bin ein ziemlich komplizierter und schwieriger Mensch, voller Ängste wenn es um menschliche Beziehungen geht. Bevor ich hierher gekommen bin, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder in meinem ganzen Leben einen Mann so nah an mich heran zu lassen. Damit war ich unangreifbar. Dann kommst Du daher, mit Deinem Charme und Deiner Natürlichkeit und auf einmal werfe ich meine ganze Lebensphilosophie über den Haufen. Kannst Du Dir vorstellen, was das für mich bedeutet?“ „Nur ansatzweise,“ gab er zu „aber ich kann nur immer wieder betonen, daß Du mir vertrauen kannst.“ Er stand auf, setzte sich in den Stuhl neben sie und zog sie dann an der Hand zu sich herüber. Sie setzte sich auf seinen Schoß und er schlang die Arme um sie. Sein Kinn ruhte auf ihrer Schulter als er weiter redete „ich kann mir nicht wirklich vorstellen, was Du durchgemacht hast, aber glaube mir einfach, daß ich nichts, wirklich niemals etwas tun würde, was Du nicht auch so willst. Vom ersten Moment an, als Du aus Kathys Auto gestiegen bist, wußte ich, daß Du tatsächlich die Traumfrau bist, die ich mir beim Schreiben immer vorgestellt hatte. Du hast von innen heraus gestrahlt und ich wollte Dich einfach nur in den Arm nehmen und Dich Niedere gehen lassen. Ich habe dann ziemlich schnell gemerkt, daß es nicht so einfach werden würde. Du bist eine wirklich gute Zuhörerin, aber wenn es um Dich geht, um wirklich persönliche Dinge, hast Du Dich in Dein Schneckenhaus zurückgezogen. Ich wollte wissen, was dahinter steckt. Jetzt weiß ich es und empfinde es wirklich als Ehre, daß Du mir das alles erzählt hast. Aber jetzt bist Du nicht mehr alleine, verstehst Du? Es gibt hier Menschen und dabei stehe ich in der ersten Reihe, denen Du wirklich wichtig bist, die Dich mögen und die Dir helfen möchten. Es ist jetzt an Dir, diesen Menschen entgegenzukommen und die Hilfe auch anzunehmen.“ Sarah seufzte „ich kann nur versprechen es zu versuchen. Wie Du schon gemerkt hast, bin ich in solchen Dingen nicht besonders gut.“ „Das ist doch immerhin schon ein Anfang,“ erwiderte A.J. lächelnd und küsste sie erneut.

Kapitel 22