Kapitel 24
Sie stand wieder auf der nächtlichen dunklen Straße. Häuser ragten als bedrohliche, dunkle Schatten rechts und links von ihr empor. Nebel waberte um ihre Füße und es war empfindlich kalt. Sie rief nach A.J., sie war sich sicher, daß sie eben noch seine Hand gehalten hatte und im gleichen Moment war er verschwunden. Ziellos lief sie auf der Suche nach ihm die endlos langen Straßenzüge entlang. Die Straßen waren menschenleer und irgendetwas sagte ihr, daß auch die Häuser um sie herum unbewohnt waren. Als sie um eine weitere Häuserecke bog sah sie plötzlich einen hellen, gelben Lichtschein einige hundert Meter von ihr entfernt. Körperlose Schatten schienen sich darin zu bewegen. Trotz des bedrohlichen Gefühls, daß davon auszugehen schien, war das Licht für sie so verlockend wie ein kalter Schluck Wasser im Hochsommer und sie begann darauf zu zu laufen. Erst langsam, dann immer schneller. Sie wollte dieses Licht unbedingt erreichen, es versprach Sicherheit und gleichzeitig wußte sie doch, das diese Sicherheit nur eine Täuschung war. Sie konnte ihren Füßen nicht befehlen stehen zu bleiben, sie schienen ihrem eigenen Willen zu folgen und brachten sie mit jedem Schritt ein Stückchen näher an das hellbeleuchtete Stückchen Straße heran. Je näher sie kam, desto mehr Einzelheiten konnte sie erkennen. Das Licht wurde von unzähligen Scheinwerfen erzeugt, die um eine riesige Couch aufgestellt worden waren. Jetzt konnte sie auch Kameras erkennen, an denen, mit dem Rücken zu ihr, einige Gestalten standen. Sie war gerade dabei, den hellerleuchteten Bereich zu betreten, als ihre Füße wie unter einem geheimen Kommando einfach stehen blieben. Dies geschah so plötzlich, daß sie mit den Armen rudern musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Für einige schreckliche Sekunden dachte sie, daß sie es nicht schaffen würde, doch dann hatte sie sich gefangen. Als sie nach unten blickte sah sie, daß ihre Fußspitzen nur Zentimeter vor dem Lichtkreis innegehalten hatten. Plötzlich hörte sie Archies Stimme Licht, rufen und mit einem lauten klack erstrahlten die Scheinwerfer in gleißender Helligkeit. Das Licht ergoss sich über ihre Füße bis hinauf zu ihren Knien und dort wo es sie berührte, begann ihre Haut unangenehm zu kribbeln. Schnell machte sie zwei Schritte zurück, heraus aus dem Lichtkreis und das Kribbeln hörte auf. Als sie wieder nach vorne sah bemerkte sie A.J., der entspannt auf der Couch saß, die Füße weit von sich gestreckt, wie sie es mittlerweile schon hundert Mal bei ihm gesehen hatte. Neben ihm saß Markus, in dem gleichen Sessel, in dem heute vormittag David Milton gesessen hatte. Mr. McLean, ich habe gehört, sie vögeln mit meiner Frau, sagte Markus gerade. A.J. wirkte verblüfft wie kommen sie darauf? Nunja, ich habe sie die letzten Tage sehr genau beobachtet. Ich habe auch einige Fotos gemacht, wenn sie sich die mal ansehen wollen? und Markus zog aus seiner Hosentasche drei verknitterte Polaroidbilder heraus. Nein A.J., rief Sarah verzweifelt schau sie Dir nicht an. Doch er hörte sie nicht. Stattdessen streckte er die Hand aus und griff nach den Fotos. Nein, schrie Sarah noch lauter, ohne Erfolg. Sie wußte, wenn er auch nur einen kurzen Blick auf die Fotos werfen würde, wäre er für immer verloren. Gefangen an einem Ort mit undurchdringlichen Mauern, gepeinigt von Qualen, die sie sich im Moment nicht einmal vorstellen konnte. Plötzlich packte sie etwas von hinten an der Schulter. Sie fuhr herum und blickte direkt in ein paar rot glühende Augen und eine tiefe Stimme, die direkt aus der Hölle zu kommen schien sagte ihren Namen. Sarah. Sie schrie und schrie und undeutlich wurde sie sich des Umstandes bewusst, daß sie immernoch unsanft an der Schulter geschüttelt wurde Sarah, wach auf, A.J.s Stimme drang endlich zu ihr durch und mit einem Ruck schreckte sie in ihrem Bett hoch. Panisch sah sie sich nach dem Wesen mit den roten Augen um und sah doch nur die brennende Nachttischlampe und A.J. der mit besorgtem Gesichtsausdruck neben ihr auf dem Bett kniete. Es ist alles o.k., es war nur ein Traum, versuchte er sie zu beruhigen. Oh Gott, sagte Sarah, schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen. Es ist vorbei, sagte A.J. und nahm sie in den Arm es war nur ein böser Traum. Eine Weile wiegte er sie wie ein kleines Kind hin und her und redete dabei weiter beruhigend auf sie ein. Irgendwann erzielten seine geflüsterten Worte auch die gewünschte Wirkung und Sarahs Tränen versiegten. Es war so furchtbar, sagte sie Markus hat Dich interviewt und hat Dir Fotos gezeigt. Ich wußte, daß Du sie Dir nicht ansehen darfst, weil sonst etwas fürchterliches passieren würde. Ich habe so laut gerufen, aber Du hast mich nicht gehört, wieder traten ihr Tränen in die Augen. Oh doch, und wie ich Dich gehört habe, sagte A.J. und nickte dabei bekräftigend mit dem Kopf. Sarah musste gegen ihren Willen lächeln. Das beängstigende Gefühlt, daß der Traum hinterlassen hatte, verflüchtigte sich nun vollends und sie war wieder im hier und jetzt. A.J. erwiderte das Lächeln und küsste sie auf die Stirn. Dann zog er sie mit sich und gemeinsam kuschelten sie sich in die zerwühlten Laken. Es wird alles gut werden, Du wirst sehen, sagte er schläfrig. Da bin ich mir ganz und garnicht sicher, entgegnete Sarah, doch A.J. war schon eingeschlafen. Sie lag noch eine ganze Weile wach und horchte auf die nächtlichen Geräusche. Ab und zu knackte eine Diele und der Wind säuselte in den Bäumen vor ihrem offenen Fenster. Irgendwann vielen auch ihr die Augen zu und sie viel in einen tiefen und traumlosen Schlaf. |