Kapitel 5
An das Mail, daß sie eigentlich Brian schicken wollte, dachte sie nicht mehr. Sie beendete die Internetverbindung und griff zum Telefon. Sie musste unbedingt Katrin von diesem Erlebnis erzählen. Nach dem vierten Klingeln nahm sie ab. Katrin Rabe, Hi Katrin, hier ist Sarah. Du wirst nicht glauben, was mir eben passiert ist. A.J. hat Dir geschrieben, rief Katrin aufgeregt besser, er hat mir nicht nur einfach geschrieben, sondern wir haben eben ein bisschen gechattet. Was sagst Du nun? Ich bin platt. Hat er sich bei Dir gemeldet? Ja, ich war gerade dabei Brian ne Mail zu schreiben, nachdem ich zugegebenermaßen ziemlich enttäuscht war, daß A.J. mir nicht zurück geschrieben hatte. Und da, ping, kam ein Telegramm von ihm. Und, erzähl. Was hat er so geschrieben? Was wollte er wissen? Was hast Du ihm eigentlich gestern zurückgeschrieben? Langsam, lachte Sarah eins nach dem anderen. Und dann erzählte sie Katrin alles was sie geschrieben und was er geantwortet hatte ... ich hatte die ganze Zeit total die zitternden Finger. Als ob ich mit ihm in ein und dem selben Raum wäre. Total verrückt. beendete Sarah ihren Bericht. Naja, im Prinzip stimmt das ja auch. In ein und dem selben Chatraum zumindest. Stimmt, oh man, ich bin total aufgeregt, kannst Du Dir das vorstellen? Ich komme mir vor, wie ein kleines Schulmädchen, das ist doch nicht normal. Das ist total normal, immerhin ist das nicht irgendein Hans Wurst. Aber es stimmt schon, ich habe Dich schon lange nichtmehr wegen einem Mann so aus dem Häuschen gesehen. Sarah schwieg. Seit Ihrer Ehe mit Markus hatte sie sich nie wieder so recht für Männer begeistern können. Sie hatte es wirklich versucht, aber immer wenn ihr einer zu nahe kam, hatte sie fluchtartig das Weite gesucht. He Schnucki, noch da, fragte Katrin in ihre Gedanken hinein. Ja, ich bin noch da. Ich habe nur gerade festgestellt, daß Du recht hast. Ich kann mich nicht daran erinnern, in letzter Zeit wegen einem Mann so in Aufregung verfallen zu sein. Sieh es positiv, es geht bergauf. Tja, da gefällt mir mal einer und das nur wegen einer Mail, die noch nicht mal für mich bestimmt war, und dann ist er tausende Kilometer von mir entfernt und noch dazu ist er so unerreichbar wie Gott. Das hab ich malwieder toll hingekriegt, sagte Sarah resigniert vielleicht ist es gerade das, hast Du darüber schonmal nachgedacht? Wie meinst Du das? Naja, Du gehst davon aus, daß Dir A.J. niemals näher als bis zu Deinem Computermonitor kommen wird. Ist doch ganz praktisch. Sarah dachte über die Worte ihrer Freundin einen Augenblick nach. Du hättest Psychologin oder sowas werden sollen. Als Reisefachfrau verschwendest Du wirklich Dein Talent. Klingt alles ziemlich einleuchtend, was Du da so sagst. Ach was, das kommt nur daher, weil ich Dich so gut kenne, antwortete Katrin verlegen und wechselte dann schnell das Thema hab ich Dir eigentlich schon die neuste Story von meinem perfekten Super-Martin erzählt? Nein, erzähl, ich bin ganz Ohr. Sie verbrachten noch eine halbe Stunde damit die neusten Neuigkeiten über Katrins neuen Schwarm auszutauschen. Zum Schluss kamen sie nochmal auf A.J. zu sprechen was wirst Du ihm denn jetzt schreiben? fragte Katrin. Wenn ich das wüßte. Abgesehen davon gehöre ich eigentlich seit einer halben Stunde ins Bett. Christian und Alex werden nicht sehr erfreut sein, wenn sie mich morgen dauernd wecken müssen. Katrin lachte na, so schlimm wird es schon nicht werden. Schreib ihm auf jeden Fall, sonst ist er bestimmt tierisch enttäuscht und hat sich noch dazu ganz umsonst aus dem Bett gequält. Klar schreibe ich ihm noch, ich könnte vorher sowieso nicht schlafen. Und ich will ja auch nicht, daß er morgen ganz enttäuscht vor seinem Computer hockt. Na dann mal ran, melde Dich bald wieder. Ich will wissen, wie die Geschichte ausgeht. Klar, darüber zu reden macht fast soviel Spaß, wie mit ihm zu chatten. Das nehme ich jetzt mal als Kompliment. Also dann Schnucki, machs gut und angenehme Träume. Danke, danke, Dir auch. Bis bald. Ja, bis bald. Als sie aufgelegt hatte ging sie in die Küche um sich ein weiteres Glas Wein einzuschenken. Auf dem Rückweg zu ihrem Computer legte sie noch schnell eine neue CD ein. Diesmal entschied sie sich bewusst für die Backstreet Boys. Einen Moment verweilte Ihr Blick auf dem Cover. Sie war sich fast sicher, daß A.J. der ganz links mit der dunklen Sonnenbrille war. Dunkle Haare, dunkler Bart, ganz modern um den Mund herum gestutzt, ein bisschen zu dünn vielleicht (Hühnerbrust würde Katrin sagen) aber ansonsten ganz ansehnlich. Mit einem Lächeln stellte sie die CD-Hülle zurück und bei den Klängen von Larger than life wählte sie sich erneut ins Internet ein. Nachdem sie sich angemeldet hatte schrieb sie: An: Bone69 Betreff: A wonderfull morning Guten Morgen A.J., da bin ich wieder. Habe mich auch langsam von meinem Schock erholt ;-). Es war wirklich schön mal persönlich mit Dir zu reden. Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet. Nun, wie gewünscht, zu mir. Ich bin 25 Jahre alt und bin in Braunschweig geboren. Vor zwei Jahren bin ich hier nach Mannheim gezogen. Mein Bruder (Jona) hat hier sein Studium begonnen und so bin ich mit ihm gegangen. Nach dem Tod meiner Eltern wollte ich nicht alleine in Braunschweig bleiben. Immerhin ist er der letzte Rest Familie den ich habe. Er ist zwei Jahre jünger als ich und manchmal ein richtiger Quälgeist, wie das mit jüngeren Geschwistern halt so ist. Mein Vater war bei der Army, deshalb auch meine einigermaßen passablen Englischkenntnisse. Durch seinen Job sind wir oft umgezogen. Freundschaften schließen war deshalb nicht so einfach. Mittlerweile habe ich mich hier ganz gut eingelebt und auch ein paar Bekanntschaften geschlossen. Katrin ist da besonders zu erwähnen. Sie ist sowas wie eine Schwester für mich und wir verstehen uns meistens auch ohne viele Worte. Außer meinem Bruder und Katrin liebe ich meine Arbeit. Ich bin bei einer Bank beschäftig (Produktmanagement, wenn es Dich interessiert, werde ich Dir gerne ein bisschen mehr darüber erzählen, aber wenn ich jetzt davon anfange komme ich vielleicht ins schwärmen und höre nicht mehr damit auf ;-)). Ich liebe Sport, habe nur leider wenig Zeit dafür. Am Wochenende jogge ich ganz gerne, das macht den Kopf frei. Ich liebe mein Motorrad, habe aber leider auch dafür relativ wenig Zeit. Manchmal fahre ich mit ein paar Freunden übers Wochenende auf Motoradtreffen. Meistens spielen dort Livebands (Coverversionen von Metallica, Guns ´n Roses, ACDC und was man sonst noch so kennt), man trinkt jede Menge Bier und lernt neue Leute kennen. Ich liebe Romantik in jeder Form (gibt es eigentlich auch Frauen die unromantisch sind?). Ich hasse dagegen morgens früh aufstehen zu müssen (das dürfte Dir bekannt vorkommen ;-)). Ich hasse es, wenn Leute zu Terminen zu spät kommen. Ich hasse Fisch und ich hasse dunkle, kalte Orte. Ich hasse es, wie manche Männer ihre Frauen behandeln und ich hasse es, wenn Leute hinter meinem Rücken schlecht über mich reden. Ich liebe offene, sensible Menschen, die auch das sagen was sie wirklich meinen (There are people, say what you wanna hear, even on a raining day, they tell you the sky is clear, wirklich ein wunderbarer Text :-)). Ich denke, jetzt weißt Du schon einiges über mich. Also, gib mir einen Grund übermorgen aufzustehen ;-). Bis dann. Liebe Grüße, Sarah Sie lass das eben Geschriebene nochmal durch und schickte es dann ab. Sie hatte bewusst weder über ihr Aussehen, noch über ihre Ehe geschrieben. Das waren Dinge, die ihn nichts angingen. Im Kopf überschlug sie schnell, wann er die Mail wohl lesen würde. Sie kam auf die bedrückende Uhrzeit von sechs Uhr abends, vorausgesetzt er stand um zwölf Uhr seiner Zeit auf. |