KRIEGSTAGEBUCH
DES SOLDATEN MÜLLER
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FÜSILIER-REGIMENT NR. 39
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18.
Febr. 1916.
Am nächsten Tag, dem 18. Februar, wurden wir von einem
Leutnant begrüßt und erfahren nun, daß wir als Ersatztruppe
des VII. R.K. und zwar für das R.I.R.39 bereitgestellt werden
sollen. Damit uns Bewegung verschafft wird, müssen wir auf
einer Wiese zum Hg-Werfen antreten. Und nun wird lustig mit Übungs-Hg.
geworfen! Der Lt. Tiesler hat die besten Werfer herausgesucht
und bringt eine Abteilung von 20 Mann zusammen, darunter Karl
Klarmann, Gefr. Arthur Krüger und ich. Kurz vor dem Mittagessen
kommt der Lt. und fragt uns 20 Hg-Werfer, wer freiwillig beim
Hg.-Trupp bleiben will? Beim Sturmbataillon (SB) „Rohr“ der
5. Armee sollten wir ausgebildet werden! Und wir 20 Mann bleiben
einstimmig dabei. Im Laufe des Tages erfahren wir noch, daß
schon am 12. Febr. 1916 mit einer großen dten. Offensive vor
Verdun begonnen werden sollte. Aber wegen dem ständigen
Regenwetter ist der Angriff verschoben worden. Auch heute ist
wieder Sturm- und Regenwetter. Am Abend nehmen wir 20 Hg-Werfer
Abschied von den anderen und marschieren von Marville
in nordöstlicher Richtung nach dem Dorf Beuveille bei Charency
an der Bahnlinie Longwy - Longuyon - Montmédy. In Beuveille bei Charency
kommen wir zur Ersatz-Kp. des SB „Rohr“, welche in schönen
Baracken untergebracht ist. Das SB „Rohr“ liegt schon
angriffsbereit an der Kampffront vor Verdun, und zwar in dem
Abschnitt III. A.K. bei der 5.+ 6. I.D. (Brandenburger). Unter
der Leitung des
Olt. v. Hohenhorst wird hier eine Ersatz-Sturmabteilung (Stoßtrupps
Lt. Vöhs?, Lt. Harder, Vfw. Kraup?, Uffz. Klarmann,
Schneidereit, Ettighofer) ausgebildet.
19.
Februar.
Am 19. Februar wird auf einem Übungswerke mit Grabenstürmen,
Grabenaufrollen und Hg-Werfen geübt. Am Abend klärt sich das
Wetter wieder auf.
20.
Februar.
Nach langer Regenzeit ein ziemlich klarer Sonntag! Morgens
09.00 fahren wir zum Gottesdienst nach dem nahen Städtchen Longuyon.
Nach dem Mittagessen werden wir
sturmtruppmäßig ausgerüstet.
Statt der Halbstiefel tragen wir jetzt gute Schnürschuhe, dazu
Wickelgamaschen.
Dann müssen wir den spitzen, mit grauem Tuch
überzogenen Helm abgeben und erhalten den neuesten Stahlhelm,
den wir zum allererstenmal hier sehen. In diesen neuen
„Siegfriedhelmen“, wie er genannt wurde, sehen wir aus wie
die alten Germanen. Olt. v. Hohenhorst erzählt uns, daß das
aktive SB Rohr diesen Stahlhelm schon seit einigen Wochen trage.
Ferner werden wir noch mit Gasmasken ausgerüstet. In einer
Rauchkammer werden dieselben sogleich geprüft. Die Gasmaske über
das Gesicht gestülpt, stehen wir dann mitten im Qualm und
probieren, ob sie auch dicht anschließt. Dann empfangen wir
noch das Gewehr 98 sowie Dolch und Drahtschere. Abends 06.00 müssen
wir feldmarschmäßig antreten. Ein General kommt im Auto
angefahren und besichtigt uns. Nachdem er uns gründlich
gemustert hat, gibt er uns
bekannt, daß wir am nächsten Morgen nach der Front abtransportiert
werden sollen. Wir legen uns sodann zeitig schlafen und träumen
allerhand wirres Zeug zusammen, von Sturmangriffen durch dunkle
Wälder, durch Eis und Schnee.
Mit
hellem Sonnenschein zieht der 21. Februar 1916, der Angriffstag
von Verdun, herauf. An diesem Montage, morgens 08.00, wird der
Befehl zum Großangriff gegeben. Unsere gesamte Artillerie an
der Nordfront von Verdun legt wie mit einem Schlage ihr Feuer
auf frz. Hauptstellungen, auf die Forts und auf Verdun. Den
ganzen Tag über rollt der unheimliche Kanonendonner und
rauschend und gurgelnd ziehen Tausende von schweren Geschossen
ihre Bahnen, über unsere sturmbereite Infanterie hinweg. Ein
Artilleriefeuer. Ein Artilleriefeuer, wie es in diesem Weltkrieg
bisher nicht gesehen worden ist! (1.300 Geschütze). An diesem
Montagmorgen rüstet sich unsere Res.-Sturmabteilung in Beuveille bei Charency zum Abtransport. Gerade
in der Zeit, als wir feldmarschmäßig mit der Bahn nach Montmédy fahren, bricht an der Front die riesige
Artillerievorbereitung los. In Montmédy haben wir
2 Stunden Aufenthalt und lauschen der Artillerieschlacht. In
Montmédy zittern die Fensterscheiben. Gegen Mittag wurden wir
dann auf einer Schmalspurbahn in südlicher Richtung nach dem
halbzerschossenen Städtchen Damvillers befördert. Von Charency
bis Damvillers legten wir 30 km Bahnfahrt zurück, und
von Damvillers bis nach der vorderen Kampfstellung bei Flabas
waren es noch 5 ½
km, also eine Stunde Weges. In Damvillers, welches von
Reservetruppen wimmelt, werden wir in einen halbzerfallenen
Hause notdürftig untergebracht. Draußen in der Luft heulen die
Granaten. Wir liegen hier im Bereiche des VII. R.K. unter
Gen.d.Inf. v. Zwehl. Hier hinten liegt als Korpsreserve das
R.I.R.13. Das R.I.R.39 soll als Sturmtruppe ganz vorn liegen.
Was mit uns wird, wissen wir noch nicht. Seit morgens 08.00
heult und kracht es schon, so auch den ganzen Nachmittag.
Nachmittags ½ 2.00 wird die vordere franz. Stellung unter
deutsches Minenfeuer genommen. Hoch spritzt es auf, wo die
Zentnerminen einschlagen! Wie wird da dem armen Franzmann zumute
sein? Nachmittags 03.00 gehen wir ohne Befehl nach dem östlich
von Damvillers gelegenen Bergkegel Côte d'Horgne
mit dem ungefähr 50 m hohen Gündellturm. Von hier haben wir
den schönsten Überblick auf die deutschen und franz.
Stellungen, dahinter nebeneinander der Haumont-Wald, der
Caures-Wald und Herbebois. Nachmittags 04.00 steigert
sich das dte. Art.feuer zu einem orkanartigen Trommelfeuer. Vor
unseren Blicken tut sich sich eine Feuerwand auf. Wir sehen von
der Côte d'Horgne herab, wie die feindliche Stellung
in eine riesige Wolke von Feuer, Rauch und Staub gehüllt ist.
Ganz unheimlich wird es uns zu Mute, wenn wir daran denken, in
solchem Höllenfeuer zuzubringen. Das Trommelfeuer hält 1 Std.
an. Punkt 05.00 nachm. gehen die Sturmtruppen zum Angriff vor,
kurz darauf läßt das Minenfeuer nach. Mit staunenden Blicken
schauen wir noch eine Weile hinüber nach dem rauchenden
Schlachtfeld; dann kraxeln wir
den Abhang hinab nach der Straße, welche nach
Damvillers führt. Bei jedem von uns steht die Frage fest.
Wird dieser Angriff auf die stark befestigte Verdunfront
gelingen? Am Abend erfahren wir dann, daß beim III. A.K. (sw.
von Azannes) die erste feindliche Linie und beim VII.
R.K. (sw. Flabas) ebenfalls die 1. Linie und den Haumont
eingenommen sei. Um Mitternacht schlagen noch einige feindliche
Granaten in Damvillers ein, wobei wir von unserem Nachtlager
vertrieben werden.
22.
Februar.
Frühmorgens
gegen 07.00 marschieren wir nach dem weiter östlich auf einer Höhe
gelegenen Dorfe Romagne, wo wir
dem III. A.K. unterstellt werden. Wir werden in einer
Bretterbaracke untergebracht und unter den Befehl des Pi.-Lt.
Voigt gestellt. Zu unserer Abteilung kommen nun noch eine Gruppe
Pioniere mit 2 Flammenwerfern. Noch am Vormittag werden wir auf
schneebedeckten Abhängen bei Romagne im Hg-Werfen trainiert.
Mit dem Offensivwetter sieht es sehr schlecht aus! Seit gestern
dem 21.2. nachm. 03.00 war schon leichtes Schneegestöber, und während
der letzten Nacht war Schnee gefallen. In und um Romagne herum
liegen Reserven der 5.+ 6. I.D., z.B. die brandenburg. I.R. 20
und 52. Zur Mittagszeit werden wir dem Div.Kdr. der 5. I.D.,
Gen.Lt. Wichura, vorgestellt. Die Brandenburger bestaunen uns
mit unserem neuen Stahlhelm, auch die rhein.-westfäl. 13er
hatten uns gestern in Damvillers viel gefragt, wo wir mit den schwerem
Stahlhelm hin wollten?! Denn die Rgter. vor Verdun trugen noch
alle den mit Tuch überzogenen Lederhelm, aber ohne Spitze. Im
Laufe des Nachmittags erhalten wir Instruktionen über die
Gliederung des III. A.K. und über franz. Stellungssysteme an
der Verdunfront. Das III. A.K. unter dem Gen.d.Inf. v. Lochow
besteht aus der 5.+ 6. I.D. Zur 5. I.D. (Gen.Lt. Wichura) gehören
das L.G.R.8 unter Otl. v. Hahnke, Gr. 12 unter Otl. Lueder,
brandenburg. I.R.52 unter Maj. v. Laffert und das Pi.Rgt. 23. -
Zur 6. I.D. (Gen.Lt. Herhudt v. Rohden) gehören die branden-
burg. I.R. 24 unter Otl. v. Oven, I.R. 20 unter Otl. van den
Bergh, I.R. 64 unter Otl. Edelbüttel, J.B. 3 unter Maj. v.
Quitzow, 2 Sturmabteilungen vom SB Rohr sowie 22er und 23er
Pioniere. Nach der Instruktion gehen wir ins Freie und
beobachten von der Höhe bei Romagne das schneebedeckte
Schlachtfeld südlich von Azannes. Ein Schneegestöber
aber läßt uns nicht viel sehen. Nur ununterbrochenes Donnern,
Krachen und Mg-Geknatter ist zu vernehmen. Im Caures-Walde und
im Herbebois sollen unsere Sturmtruppen mit dem Feinde sogar zu
ringen haben. Im Dorf Romagne ankommende Verwundete mit
blutdurchtränkten Verbänden erzählen von schwerem Kampfe und
von Dickicht und Hindernissen im
Herbebois. Artillerie, welche Stellungswechsel vollzieht, rückt
von Romagne nach vorn. Da vorn in der Kampflinie scheint es bös
herzugehen! In der Nacht zum 23.2. tritt starker Frost ein.
23.
Februar. Feuertaufe und harter Kampf im Herbebois. Unsere
Sturmabteilung erhält frühmorgens 05.00 den Befehl, unter Führung
des Pi.-Lts. Voigt nach Azannes abzurücken. Dann
steigen wir auf knirschendem Schnee vom Romagnerücken
nach dem im Tale gelegenen zerschossenen Dorf Azannes, wo wir in
einem nassen Stollen untergebracht werden. In einem Gepäckdepot
müssen wir unsere Tornister zur Aufbewahrung niederlegen. Bei
Anbruch des Tages wird Azannes unter feindl. Sperrfeuer
genommen. Morgens 08.00 trommelt unsere Artillerie wieder mit
aller Stärke auf die feindlichen Stellungen. Zur selben Zeit
erhalten wir Befehl zum Antreten; wir sollen mit
den Pionieren (22er) unter Führung der Pi.-Lts. Voigt
und Haase beim brandenburg. I.R. 24 eingesetzt werden. Am
westlichen Dorfausgange treten wir feldmarschmäßig an,
Schanzzeug, Drahtschere, Gasmaske, Brotbeutel mit 3 eisernen
Portionen, Gewehr umgehängt, 150 Patronen und 5 (?)
Stielhandgranaten. Wir gehen nun rechts der dten.
Sturmausgangsstellung. Durch die Kap-Schlucht
nach der auf einem Bergrücken gelegenen Straßenkreuzung,
genannt „Kap der
Guten Hoffnung“. Hier überkreuzen wir bei feindlichem
Artilleriefeuer die bisher gehaltene dte. vordere alte Stellung.
Der Div.Kdr. der 6. I.D., Gen.Lt. Herhudt v. Rohden, steht hier
aufrecht auf der Grabendeckung und schaut mit seinem Fernglase
nach dem Herbebois hinüber (Siehe Skizze S. 67!).
Der
Div.Kdr. begrüßt uns und sagt dann noch: „Nun aber los,
Jungens! Den Steilhang schnell hinunter und um 12.00 den
Franzmann aus dem Herbebois herausgeschmissen!“ - Na, wir sind
gespannt, was nun kommen wird. Im Laufschritt springen wir nun
den Steilhang hinunter. Im fußhohen Schnee über
Granattrichter, Eisschollen, gefrorenen Erdklumpen! Die reinste
Rutschpartie, meist auf dem Hosenboden! Vor uns im Grunde liegt
das neutrale, vollständig zerschossene Soumazannes, das
bisher zwischen der dten. und franz. Stellung lag. Vor
Soumazannes halten wir uns nach rechts und gelangen in die erste
feindliche Linie, welche vor 2 Tagen (21.2.16) gestürmt wurde.
Dahinter befindet sich Hochwald - der Herbebois. Krachend
schlagen unsere Minen und Granaten im Walde ein, denn weiter
drin soll die 2. franz. Stellung sein. Mittags 12.00 soll gestürmt
werden; bis dahin wird die feindliche Stellung sturmreif
getrommelt! Wir müssen jetzt weiter nach rechts gehen, in dem
franz. Graben entlang, wo wir in die
Herbebois-Schlucht gelangen. Wir stoßen auf Stahlhelmleute
und zwar auf eine aktive Kp. des SB Rohr. Bei ununterbrochenem
Heulen und Krachen der Granaten werden wir am nördlichen
Waldrande als 2. Welle eingesetzt,dicht vor uns die alten
Mannschaften des SB Rohr. Auch die 24er Brandenburger liegen mit
entschlossenen Gesichtern uns links und rechts zur Seite. Die
dten. Sturmtruppen treten aus ihren Unterständen heraus, machen
sich sturmfertig. Jeder ist nach seiner Veranlagung mit seinen
Gedanken beschäftigt. Der eine hat kampfesfreudig alle Sinne
nur auf den Feind konzentriert. Er zügelt kaum den Drang nach
vorwärts. Dem anderen ziehen in der Stunde, die über Leben und
Tod entscheidet, unsichtbare, aber um so machtvollere Fäden in
die Heimat zu allem, was er dort gelassen. Er kämpft den Kampf
der Pflicht schwer in sich aus. Wiederum andere suchen mit
Witzen, Lachen und Spotten sich selber und die Kameraden über
jenes eigenartige Frontkämpferempfinden dieser Minuten
hinwegzutäuschen. Und andere sieht man essend, trinkend, dicke
Qualmwolken der Zigaretten ausstoßend - anscheinend gelassen
entgegenharren. Mehrere Treffer schlagen im Graben ein ... die Führer
der vorderen Sturmwelle die Uhr in der Hand. Ein Wink -
„Los!“
Endlich um 12.00 wird unser Artilleriefeuer weiter
vorgelegt, und der Nordteil des Herbebois wird von Norden und
Westen angegriffen. Vor uns arbeitet sich die erste Abt. Rohr
mit Flammenwerfern im Waldesdickicht und Drahtverhau mühsam
vorwärts. Unsere zweite Abteilung folgt nach; es wird mein
erster Sturmangriff! Rollende Gewehrsalven fegen zwischen uns!
Laute Hurrarufe schallen durch den Wald! Mg knattern! Der Schnee
spritzt von den Bäumen auf unsere Köpfe nieder. Die vordere
Abt. des SB Rohr stürmt todesmutig auf den starkbefestigten
franz. Zickzackgraben los und erhält schwere Verluste. Sie müssen
dann wie wir in großen Granattrichtern Stellung nehmen. Plötzlich
legt der Franzmann ein wildes Sperrfeuer auf unsere
Angriffstruppen! In unseren Reihen gibt es Verluste. Mein
Nebenmann Schröder erhält von einer hinter uns einschlagenden
Granate einen Splitter in den Oberschenkel. Rot quillt das Blut
aus der Wunde und färbt den weißen Schnee. Schnell suche ich
einen Sanitäter, und da ich keinen finde, so führe ich den
Musketier Schröder gestützt an den Waldesrand zurück, wo ihn
zwei Sanitäter sogleich verbinden. Im Waldesdickicht treffe ich
dann den Pi-Lt. Haase, der mir den Auftrag gibt, sofort meine
Sturmtruppkameraden zu suchen. Ungefähr 20 Mann kann ich
finden, die anderen sind unter Lt. Voigt nach links gegangen.
Wir
klettern nun unter Führung des Lt. Haase am nördlichen
Waldrande den Hang empor, gehen um die NW-Ecke des Herbebois
an des westlichen Waldesrand und stoßen hier auf 2 Kpien. 24er.
Mit der 11./24 kriechen wir jetzt im Wald vorwärts und erhalten
feindliches Mg-Feuer von einer feuernden Batterie. Der Kp. Führer
der 11./24 wird schwer verwundet. Lt. Haase holt schnell die
weiter zurückliegende 7. Komp. (Hptm. Haupt) heran, und dann
geht es vorwärts. Mg-Feuer streicht in unsere Reihen; mir
klatscht etwas gegen den Stahlhelm! Ein Lt. der 7. Kp. fällt;
zwei andere Offiziere werden verwundet. Endlich gelingt es,
mehrere feindliche Mg-Nester mit Handgranaten auszuräuchern.
Hier sehe ich nun die ersten kämpfenden Franzmänner mit ihren
graublauen Mänteln und dem graublauen franz. Stahlhelm. Auch
meine erste Handgranate schleudere ich hierbei im hohen Bogen
gegen einen von Franzosen besetzten Granattrichter. Während es
nun zu schneien anfängt, wird eine Kp. Franzosen
gefangengenommen. Weiter östlich im Walde lebhafte Knallerei!
Dort sind noch andere vom Feinde besetzte Gräben und Blockhäuser
im Dickicht und Draht versteckt. Die Franzmänner, welche ihr
Gewehr abgelegt
haben, verschwinden nun als Gefangene schnell nach rückwärts
Richtung „Kap der Guten Hoffnung“. Wir werden
inzwischen durch mehrere Kpien. der 24er Brandenburger verstärkt.
Unter der Führung des Majors v. Klüfer, Btls.Kdr. von II./24,
wird gegen Abend der ganze NW-Teil des Herbebois umklammert.
Dann wird auf Befehl des Majors v. Klüfer von sämtlichen
Hornisten geblasen. Schmetternd schallt es durch den Herbebois,
und ungefähr 06.00 abends brechen wir zum 3. Mal zum
Sturmangriff vor! Wir stürmen nun die Schlucht hinunter, dann südwärts
den Hang hinauf. Mutig bahnt sich jeder einen Weg durch wildes
Gestrüpp, Astverhau und Granattrichter. Hier und da schlägt
uns noch vereinzeltes Feuer entgegen. Viele Franzmänner geben
sich gefangen. In einem franz. Blockhause taucht ein franz.
Sergeant auf und nimmt uns unter Gewehrfeuer, wobei mein
Hintermann Musketier Klaus durch Armschuß verwundet wird. Gefr.
Arthur Krüger, welcher vor mir ist, springt auf den franz.
Sergeant mit den schwarzem Vollbart zu und gibt ihm mit dem
Gewehrkolben eins gehörig aufs Dach. Und weiter geht es mit den
frischdraufgehenden Brandenburgern im Walde vorwärts. Auf
unserem rechten Flügel ist nun der Wald zu Ende, weiter links
aber zieht sich jenseits einer Schlucht der Herbebois
weiter nach Süden hin. An einem südwärts aufsteigenden Hange
graben wir uns nun in dem schneebedeckten, hartgefrorenen
Erdboden ein. Fast lauter Löcher, als wenn man Bäume pflanzen
will, werden gemacht. Dann hüllen wir uns in den Mantel und
Zeltbahn und verbringen eine bitterkalte Winternacht unter
freiem Himmel (unweit der St. André Ferme).
Nach 9
Schlachttagen vor Verdun, wieder hinter die Front zurück. Vom
Fort Dou. gehen wir zunächst durch die Hassoule-Schlucht. Der
Anblick des einst so stolzen Waldes ist trostlos. Granattrichter
neben Granattrichter, und die Bäume vollständig zerrissen. Wir
marschieren nun durch die zerschossenen Dörfer Bezonvaux, Ornes
nach Gremilly, wo
sich die alte dte. Stellung (vor dem
21.2.16) befindet. Ein Fuhrwerk bringt uns zur San.Kp. der 67.
I.D. im nahen Dorf Azannes.
Nun
geht es über freies Feld, das in eine Trichterwüste
verwandelt ist. Da vorn ist das übliche Feuerwerk, das uns
bei Nacht den Weg zeigt. In langer Reihe blitzen die
Abschüsse der Artillerie auf. Scharfe Scheinwerferkegel
leuchten und zeigen uns die Umrisse des Vauxberges.
Zischend fegen die feindlichen Granaten heran und krepieren
mit unheimlichem Getöse. Am Bahndamm etwa 600 m
nordöstlich des Dorfes Damloup schlägt eine ganze
Lage dicht vor uns ein. Auch diese verflixte Ecke wird im
Laufschritt genommen. Zwischen Damloup und der Weinberghöhe
geht es nun durch die
Damloup-Schlucht den Weinberg hinan. Verschiedene warnende
Zurufe werden hörbar: „Zigaretten und Pfeifen ausmachen!“
Des Lts. Beckers Stimme direkt vor uns: „Vorsichtig!
Stacheldraht!“ Dann wieder: „Rechts tiefe Trichter!“
Wir sind wie gekocht unter dem vollbepackten „Affen“.
Langsam aber sicher klettern wir durch unzählige Trichter
in der Schlucht aufwärts. Vor uns und links von uns steigen
Leuchtkugeln empor, weiß, grün, rot. Endlich liegt die
Damloup-Schlucht hinter uns. Rechts von uns, auf dem Gipfel
des Vauxberges sehen wir wie einen riesigen
Schatten das Fort Vaux liegen. Links von uns liegt
das I-Werk und die „Hohe Batterie“.
Doch
heute abend ist zu solchen Beobachtungen keine Zeit da.
Heulend fahren die feindlichen Granaten über uns hinweg.
Bald hier bald dort saust eine Lage heran und krepiert
krachend. Steinbrocken und Granatsplitter sausen durch die
Luft. Engelbrecht, Fiedler und ich haben ein paar mächtige
Sätze durch die Trichterwüstenei gemacht und haben in der
Dunkelheit den Anschluß verloren. Wir geraten zwischen
zerschossene Baumstämme. „Das wird
der Laufée-Wald sein,“ meint Gefr.
Engelbrecht. Aloys Fiedler hat sich die Hose zerrissen und
schimpft. Ich beruhige ihn. „Rege dich doch nicht unnütz
auf, Aloys. Morgen früh flicke ich sie dir.“ Gerade
wollen wir umkehren, da schlägt es rechts und links von uns
ein. Blitzschnell liegen wir am Boden. Vor uns ein schwarzer
Fleck, Granattrichter.
Wir drei kriechen hin. „Hier warten wir, bis der
Dunst nachläßt,“ bestimmt Fritz. Jiumm! Ratsch! Direkt
neben uns hat sie eingehauen. Steine, Holz und Erde rollt
auf uns nieder. Wir sind vollständig zugedeckt. Wir drohen
bald zu ersticken. Voller Verzweiflung gelingt es mit
endlich beide Beine anzuziehen. Dann krümme ich den Rücken
und stemme denselben gegen die Erdschicht. Die Erde gibt
nach, ich bekomme wieder frische Luft. Endlich bin ich
wieder aus dem Dreck heraus, schnalle schleunigst meinen
Spaten vom Koppel los und schippe die beiden Kameraden frei.
Gottseidank!
Wir
haben noch mal Glück gehabt. Schnell suchen wir unsere
Sachen zusammen und gehen halblinks in der Richtung, wo dte.
Leuchtkugeln in die Höhe steigen. Es geht durch Trichter
und Drahtgewirr. Gewehrkugeln zischen uns um die Ohren. Etwa
zehn dunkle Gestalten kommen uns entgegengekrochen. Gefr.
Engelbrecht ruft „Halt! Wer da?“ -
„Wir
sind 99er Infanteristen,“ lautet die Antwort. Sie kommen
heran und zeigen auf eine dunkle Erhebung. „Dort ist die
Hohe Batterie und beiderseits die Stellung wo wir eben
abgelöst sind.“ Nun weiter! Das Gewehrfeuer prasselt
lebhaft. Noch einige Sprünge und wir sind in der
vorderen
Stellung bei der „Hohen Batterie“ angelangt.
Unsere Kp. hat
soeben die 99er hier abgelöst. Die abgelösten Zaberner
Musketiere machen sich schnell aus dem Staube. Kaum sind
diese fort, so wird unsere Stellung mit feindlichen
Artilleriefeuer befunkt. Vergebens suche ich nach einem
Unterstand. Gleich nach Mitternacht muß ich einen
verwundeten Posten ablösen. Ich nehme den Tornister mit vor
in den Trichter. Denselben packe ich auf den Trichterrand
und lege mich mit Gewehr dahinter. Nach zwei Std. werde ich
abgelöst und von Uffz. Gerhard Turahn nach rechts hin zur
„Hohen Batterie“ geschickt. Dort sind mehrere
Betonunterstände bewohnbar. Ich erwische noch einen freien
Platz und lege mich zum Schlaf nieder (Klare Vollmondnacht).
Der
16. Juli, ein schöner Sonntag, sieht uns 39er Füsiliere
wieder auf dem Vauxberg. Hier vorn ist es aber
heute nicht schön. Unsere Stellung, welche sich vom Dorf Damloup aus
den Damloup-Rücken
entlang, dann an der „Hohen Batterie“ und I-Werk
zum Laufée-Wald
zieht, liegt den ganzen Tag unter feindlichem
Artilleriefeuer. Mit unserer Hoffnung, hier vorn bei der „Hohen
Batterie“ einen Schützengraben vorzufinden, sehen wir uns
sehr getäuscht. Es ist nur eine richtige Trichterwüstenei,
vermischt mit rostigen Drahtgewirr, zersplitterten
Baumstümpfen und eingeebnete Grabenreste. Nur in den Werken
„Hohe Batterie“ und I-Werk ist man vor feindlichem Feuer
geschützt.
Ununterbrochen
tackt und pfeift das Inf.Feuer, dröhnen die Einschläge der
Granaten. Soweit der Blick reicht, spritzen haushoch die
Dreck- und Eisenfontänen. Die Splitter klirren und bedecken
wie hingesät das zitternde Trichterfeld. Franz. Flieger
schrauben sich tiefer und tiefer herab, um die dte. Linie
genau festzustellen. Vom Fort Vaux aus werden sie jetzt
unter feindl. MG-Feuer genommen. Sie verschwinden in
südlicher Richtung. Das Feuer auf unseren Abschnitt „Hohe Batterie“
verstärkt sich jetzt. Es gibt Verluste. Die Verwundeten
schleppen sich in die Hohe Batterie. Wehe dir, Verdun!
Mechanisch kriecht man auf seinen Posten im Trichter, wo ich
den Füsilier Christian Rippe ablöse. Dieser gutmütige
Kamerad hat hier mit blutendem Kopfe zwei Std. im
Granatfeuer gelegen. „So, Christ'l, jetzt mach dich
schnell in die Hohe Batterie und laß dich verbinden!“ -
„'S ist nicht so schlimm, Richard! Bloß das bißchen
Backe. Also, auf Wiedersehen!“ Er klettert nach hinten.
Ich beobachte hinüber nach dem Laufée-Rücken.
Vor unserem Abschnitt der 50. I.D. liegen franz.
Kolonialtruppen, meist Schwarze. Hinter der feindlichen
Linie hängen am blauen Horizont über 20 hellbestrahlte
gelbe Fesselballons, welche nach der dten. Linie
herüberglotzen. Weiße Schrapnellwölkchen rücken einigen
Fliegern zu Leibe. Endlich naht der Sonntagabend. Die
untergehende Sonne verschwindet wie ein glühender Ball
hinter dem Bergwalde. Am späten Abend kommt das I./39
angerückt und besetzt die Stellung unseres II. Btls. Aber
nicht, daß wir vollständig abgelöst werden!
Und
erwartet vielmehr eine schwere Arbeit. Ausruhen ist ... Im
Laufe der Sonntagsnacht ist unsere Kompanie ununterbrochen
beim Schanzen. Vor der „Hohen Batterie“ und dem I-Werk
entlang werden die Granattrichter miteinander verbunden, so
daß ein notdürftiger Verteidigungsgraben entsteht. Oftmals
schießt die feindliche Artillerie zwischen unsere Arbeiten.
In der Morgendämmerung kraxeln wir todmüde in der Schlucht
abwärts.
Am 17. Juli liegen
wir in Bereitschaft auf der Weinberghöhe, welche ½ km nördlich
des Dorfes Damloup liegt. Der Südhang des Vauxberges bis zur
Weinberghöhe war noch vor 2 Jahren mit Wein bewachsen. Von den
herrlichen Reben ist jetzt nichts mehr zu sehen. Alles nur eine
unendliche Trichterwüste, aus welcher hier und da mal ein
zersplitterter Baumstumpf ragt. Weinberghöhe! Totenhügel müßte
es heißen. Wir verkriechen uns in Erdlöchern. Trotz dem Getöse
der Artillerie liegen wir bis zum Mittag in festem Schlafe.
Viereckige Löcher sind als Unterstände in den Hang getrieben.
Mit Aloys Fiedler und zwei Pionieren zusammen sitzen wir im
solchem Loche, über uns eine ¾ m dicke Erdschicht. Aloys muß
bald einen Meldegang nach Fort Vaux machen. Plötzlich fällt mir
ein: Morgen haben ja Mutter und Schwesterchen Anne zusammen ihren
Geburtstag. Leider habe ich und auch die Pioniere keine
Feldpostkarte mehr.
Trotz
des Art.Feuers will ich mal hinaus und spekulieren. In der
Nähe hauen einige Granaten ein. „Laß die ja keine
verpassen!“ ruft der eine Pionier beim Weggehen nach.
Schnell eile ich im Graben entlang bis zum nächsten
Erdloch. Dort liegt Gefr. Wilhelm Dittloff mit den
Füsilieren Georg Heuer, Hermann Stratmann und Anton Wulf.
Von Georg Heuer bekomme ich einige Ansichtskarten. Dafür
gebe ich ihm ein paar zerdrückte Zigaretten. Der „Schorsch“
klettert aus dem Loch und steckt sich einen Glimmstengel an.
Er tut einen Lungenzug, spukt aus und sagt noch: „Es gibt
hier noch eklige dicke Luft. Vielleicht kommen wir mal
wieder ins Fort Vaux.“ Ich entferne mich. Rechts von mir
einige Einschläge. Hinlegen! Gerade, als ich etwa 10-15 m
vor meinen Erdloch bin, muß ich zusehen, wie eine Granate
den Unterstand zusammenhaut. Dreck und Steinbrocken werden
bis zu mir geschleudert. Wo der Unterschlupf war, ist jetzt
ein rauchender Trichter. Schnell renn ich zurück, um einige
Leute zu holen. Da haut es auch dort dicht vor dem Eingange
des Erdlochs ein. Ich stehe wir gelähmt da. Dittloff und
Heuer kommen mir entgegen. Nun schnell hin zu den beiden
Pionieren. Wir buddeln die Erde weg und finden den einen tot
und den anderen am Kopf und Schulter schwer verwundet vor.
In meinem Tornister steckt ein zackiger Granatsplitter, mein
Gewehr dagegen ist noch heil. Am Abend rückt unsere Kp.
nach dem etwa 1 Std. Entfernten Nobras-Wäldchen
(so Dieppe), wo wir Reservestellung beziehen. Hier
kann ich die Karte an Muttern bei Kerzenlicht
fertigschreiben. In der Nacht und an folgenden Tagen wird
etwas Schanzdienst verrichtet (18.7.: Morgen Regen.
Regenwasser wird mit Zeltbahnen aufgefangen.).
Um
Mitternacht vom 18./19. Juli rücken wir wieder vor. Eine Stunde
lang über ödes Trichterfeld. In Reihe zu einem geht es auf
schmalem Fußpfad zwischen den Trichtern dahin. Nachdem wir noch
das Sperrfeuer an der Bahnstrecke Vaux-Damloup durchrannt haben,
landen wir im zerschossenen Dorfe Damloup. Am östlichen
Dorfeingang ist ein Gebäude von franz. Brandgranaten in Flammen
geschossen worden. In Damloup beziehen wir unsere Keller und
Holzunterstände. Bis zum frühen Morgen sind wir dabei, unsere
Behausung bombenfester zu machen. Während dieser Arbeit haben die
Ratten mein halbes Kommißbrot fortgeschleppt.
20.
Juli:
Mit
dem Uffz. Gerhard Tenrahm, mit dem ich per „du“ bin,
muß ich vormittags eine Verbindungspatrouille machen. Von Damloup
aus gehen wir in östlicher Richtung nach der Feuilla-Höhe,
wo wir uns beim linken Nachbar-Rgt. melden. Am Nachmittag
stöbere ich in den zerschossenen Häusern von Damloup
herum, um nach etwas Eßba- rem zu suchen. Denn der „Kohldampf“
rumort mir im Bauche. Aber von den Kameraden, die selbst
wenig haben, will ich nichts „klauen“. Es ist aber
nirgends etwas zum „Futtern“ zu finden. So muß ich eben
bis zum Abend „Kohldampf schieben“. In ziemlicher Wut
mache ich Jagd auf die frech herumtanzenden Ratten. Endlich
heißt es abends: „Wer geht freiwillig zum Essenholen?“
Wie in der Schule erhebe ich den rechten Arm. Dann geht's
los, heidi, nach Dieppe, wo die Feldküche gerade
angewackelt kommt. Im Nu habe ich ein ganzes Kochgeschirr
voll Bohnensuppe leergemacht. Der „Kohldampf“ ist
vertrieben. Nachdem die Essenkübel gefüllt sind, wird ein
Knüppel hindurchgesteckt, und ein Mann vorn und ein
Mann hinten, geht die Reise los. Mit der schwankenden Last
auf der Schulter balancieren wir vorsichtig zwischen den
Rändern der Trichter dahin. Ein Fehltritt und man plumpst
in solch gähnendes Loch. Kurz vor dem Ziele, dem Dorfe
Damloup, müssen wir in einem Trichter volle Deckung vor
feindlichen Granaten nehmen. Endlich sind wir bei unserer 7.
Kp., die nun „gespeist“ wird. Hei, wie es allen
schmeckt. In der Nacht ziehe ich noch zweimal auf
Beobachtungsposten. Die Stellung befindet sich hier an der
Südgrenze des Dorfes Damloup. Gewehrgeknatter ...
Leuchtkugeln.
21.
Juli:
Die
beiderseitige Artillerie steigert sich zu größter Heftigkeit. Im
Laufe der folgenden Woche sind etwa 4 km weiter rechts von uns bei
Fleury und Thiaumont franz. Angriffe im Gange.
22.
Juli:
Um
02.00 morgens macht Uffz. Tenrahm mit Füsilier Albert Schürmann
und mir eine Patrouille. Damloup-Schlucht - Hohe Batterie - I-Werk
nach dem Lauféerücken zur 12. Kp. Gegen 03.00 morgens befunkt
unsere Artillerie die gegenüberliegende feindliche Stellung nördl.
des Laufée-Werkes. Die 12. Kp. unter
Lt. Boekler macht einen nächtlichen Sturmangriff auf die
franz. „Stellung“. Punkt 03.00 (es ist noch dunkel)
stoßen die 3 Züge vor, überrennen die vorgeschobenen
feindlichen Posten und dringen mit Handgranaten in den
Hauptgraben ein. Wir drei folgen bis zu den Vorposten und
erobern einige franz. Gewehr- und Handgranaten. Die 12. Kp.
macht mehrere Gefangene und erobert außer Beutestücken ein
Mg. Nach Rückkehr in die Ausgangsstellung wird der eine
Zugführer, Lt.d.R. Nied, vermißt (wahrscheinlich tot).
Ferner waren die Gruppenführer Uffz. Kröckel und Gefr.
Michaelsen gefallen und 8 Mann verwundet. - Im heftigen
Art.-Feuer steigen wir drei über Hohe Batterie, durch die
Damloup-Schlucht nach Damloup hinab. Der weitere Tag vergeht
mit heftigem Artilleriekämpfen.
Am
späten Abend werden wir in Damloup von einer Kp. des I. Batls.
abgelöst und steigen dann durch die Damloup-Schlucht hinauf zur
Hohen Batterie. Gegen Mitternacht vom 22./23. Juli löst unser II.
Btl. unter Major Schönian das III. Btl. (Hptm. V. Schaumann) oben
auf der Höhe ab. Mit Franz Naendorf ziehe ich auf vorgeschobenen
Posten.
23.
Juli:
Dieser heiße Sonntag sieht unsere 7. Kp. zum zweiten Mal in dem
Hexenkessel an der Hohen Batterie. Die feindliche Art. wird immer
überlegener. Auf Grund der feindlichen Somme-Offensive, welche
seit dem 1. Juli tobt, mußte hier vor Verdun von größeren dten.
Angriffen abgesehen werden. Schwere Art. mußte vor Verdun
abgegeben werden und rollte nun schleunigst an die Somme-Front.
Dies trägt schwer auf die Stimmung der Verdunkämpfer bei. Unsere
Art. vor Verdun muß dazu noch mit Munition sparen. Verdun sinkt
zu einem Kriegsschauplatz II. Ranges herab, einer Stätte
unsagbaren Leids ...
Sonntag
vor Verdun. In der Luft ein fortwährendes Rauschen. In allen
Tonarten, heiß zischend, schrill gellend, aufbrüllend, dumpf
heulend, wahnsinnig krachend. Dies feindliche Art.Feuer
verschlingt sich zu einem Knäuel von Eisen, Feuer, Rauch, Lärm,
Entsetzen und Tod. Es peitscht wahnsinnig über Trichter und
geduckte Köpfe hinweg. Wir liegen in die Trichter gepreßt. Kommt
etwa ein feindlicher Angriff? Heiß brennt die Julisonne auf und
nieder. Feindliche Flieger zeigen sich über uns. Es gibt heute
schwere Verluste, viele Verwundete. Zwei brave Kameraden, Uffz.
Tenrahm und Füs. Sebastian Rippe, finden durch das feindl.
Art.-Feuer den Heldentod. In der Nacht wird zeitweise emsig an der
vorderen. Stellung gearbeitet, damit wir bei Tag wieder einigermaßen
Schutz haben.
Im
Morgengrauen muß ich mit Reservist Aloys Fiedler einen
Patrouillengang machen und zwar hinüber nach dem Fort Vaux. Der
Tag verläuft wieder mit dem üblichen Art.-Feuer. Neben mir
findet der tapfere Gefreite Wilhelm Dittloff durch Granatsplitter
den Heldentod. Endlich bricht die Nacht an. Bald wölbt sich ein
klarer Sternenhimmel über das unruhige, in 100 Feuern schillernde
Schlachtfeld vor Verdun.
In
schreckhafter Wildheit beginnen hier und da die Mg ihr Gebell. Von
10-12.00 abends liege ich mit Füs. Fritz Johannknecht auf
vorgeschobenen Horchposten. Unsere Stellung wird wieder von
der feindlichen Art. „beaast“. Kurz vor Ablösung wird
Kamerad Fritz an der Schulter leicht verwundet. Das Feuer
wird toller. Endlich kauern wir auch im Unterstande der
Hohen Batterie. Die Luft in der Hohen Batterie ist schwül
und dumpf. Das fast dauernde, schwere Feuer gestattet nur
zeit- weise in der Nacht die Verrichtung natürlicher
Bedürfnisse. Und wie oft muß solcher notwendige Gang noch
unterbrochen werden. Ja, der Krieg ist unerbittlich...
25.
Juli:
Im Morgengrauen macht unser Zugführer Lt. Becker, übrigens
ein ganzer Prachtkerl, mit Füs. Wilhelm Rottenborn und mir
eine Streifpatrouille nach rechts über I-Werk nach dem
Laufée-Wald. Viele tote Franzosen liegen zwischen den
zerfetzten Baumstämmen. Rrrrrrr! Ein tieffliegender frz.
Flieger streicht über uns hinweg; er sieht uns aber nicht.
Rechts von unserem Rgt. finden wir die Paderborner 158er. -
Heute ist's wieder sehr heiß. Der Durst wird quälend. Vfw.
Jendges meint verdrossen: „Großer Gott, laß' Abend
werden; Morgen wird's von selber!“ Uffz. Fischer antwortet
bitter: „Und ich bin immer froh, wenn die eklige Nacht
herum ist. Achtung! Köpfe weg! Der „Schangel“ schmeißt
wieder Minen.“ - Beide fielen
später im Oktober 1916 vor Verdun. Der Abend kommt. Wieder senkt
sich eine lebendige Nacht auf das zertrümmerte Schlachtfeld.
26.
Juli: Mit dem
herrlichen Morgenrot im Osten zieht unser letzter
Stellungstag herauf. Wir hören mit der nächtlichen
Schanzarbeit auf. Jetzt kriegen wir „Zunder“, denn eine
feindliche Mg-Garbe streicht über uns hinweg. Meist
schießt der Franzmann zu hoch.
Es
wird wieder ein sehr heißer Tag. Die Sonne brütet. Wenn nur der
entsetzliche Durst nicht wäre. Engelbrecht, Naendorf, Heuer,
Fiedler und ich teilen uns kame- radschaftlich eine Stange Kautabak.
Nachmittags schauen wir den Kampffliegern bei ihrer gefahrvollen
Arbeit zu. Am späten Abend wird unser II. Btl. vom I.Btl. abgelöst.
- Ablösung in vorderer Linie! Worauf könnte ein Infanterist sich
wohl mehr freuen! Heraus aus dem Granatenhagel und dem Minenfeuer,
um für ein paar Täglein Ruhezeit zurückgehen zu können. - Aber
hier in der Hölle von Verdun ist es anders. Da möchte man
bleiben, wo man liegt. Denn hier im Trichter ist es immer besser
als im Eisenhagel. Km für Km ohne Deckung im freien Gelände zurückzulegen,
von einer Sperrfeuerlinie durch
die andere. Gerade wie ein Stück gehetztes Wild. - Nun geht die
Ablösung vor sich.
Um
Mitternacht vom 26./27. Juli kraxeln wir los. In der
Damloup-Schlucht erhalten wir das erste Sperrfeuer. An der
Weinberghöhe wird der 2. Sperrfeuerriegel durchrannt.
Mehrere Leute werden verwundet. „Sanitäter!“ Wir
weiter. Endloses Trichterfeld. Kurz vor dem Dorfe Dieppe 3.
und hinter Dieppe 4. Sperrfeuerriegel! Im Laufschritt immer
durch! Die Dörfer in diesem Abschnitte wie Vaux, Dieppe, Mogeville
usw. verschwinden langsam aber sicher unter den feindlichen
Granaten. Gegen 3.00 morgens gelangen wir nach dem Dorfe Gincrey.
Ermattet strecken wir uns zur Ruhe nieder. Hier in Gincrey
liegen wir am 27., 28., 29. Und 30. Juli, also 4 Tage in
Ruhe. Der Komp. Führer Lt. Kreifelts läßt es uns recht
bequem machen. Für gute Verpflegung sorgt der etatmäßige
Feldwebel. Nachmittags schreibe ich einen ganzen Stoß
Feldpost an die Lieben in der Heimat und an meine im Felde
stehenden Freunde.
28.
Juli:
Unsere Komp.
marschiert nach dem 5 km entfernten Städtchen Étain (Woëvre-
Ebene)
zum Baden und Entlausen. Gegen Abend sind wir im Kriegskino.
29.
Juli:
Unser
Stoßtrupp streift heute mal in der näheren Umgebung herum;
Tilla-Wald, Orne-Grund, Amel-See bis zu den Dörfchen Amel und Senon.
Im Feldlazarett zu Amel besuchen wir einige verwundete
Kameraden. Auf dem Rückweg nehmen wir im Amel-See herrliche
Schwimmbäder. Später haben wir bei Durchquerung eines
Waldes Gelegenheit, eine in guter Deckung stehende schwere
Batterie in Tätigkeit zu sehen. Diese soll die Aufgabe
haben, die vom Feinde besetzten Forts Souville
und Tavannes zu beschießen. - In wenigen Minuten
ist der Granatenkoloß in das Rohr geschoben, die
Zielrichtung genommen, und auf den Befehl „Feuer“
dröhnt die Erde zu unseren Füßen. Die Kanoniere machen
beim Abschuß den Mund auf und halten sich die Ohren zu,
damit das Trommelfell nicht platzt. Wir tun das gleiche. Mit
einem unheimlich fauchenden Todesgesange, fährt das
Geschoß, wie einige Sekunden sichtbar und hörbar, am
Himmel dahin. Die Einschläge aber gehen im Getöse der
Verdun-Schlacht unter.
30.
Juli:
Am heutigen
Sonntagmorgen marschiert unser II. Btl. unter Major Schönian nach
dem Städtchen Étain, wo für Evangelische und Katholische
Gottesdienst abgehalten wird. Bei dem Feldgottesdienst wirkt eine
Militärkapelle mit. Da es heute abend wieder in Stellung geht, so
schreiben wir noch schnell einen Gruß nach der lieben Heimat. Am
schönen Sonntagnachmittage wird noch ein kleiner Spaziergang in
dem nahen Wald gemacht. Denn wer weiß ob wir diese herrliche grünende
Natur mit dem munteren Vogelgezwitscher einmal wiedersehen können.
Denn da vorn ist ja nur alles Schlamm und Trichter. Auch in einer
Kantine wird noch eingekehrt. Hier erfrischen wir unsere Kehlen
noch mal mit gutem Bier.
Wieder
im Abschnitt Damloup-Hohe Batterie.
Am
Abend des 30. Juli rücken wir von Gincrey in Stellung. An
der Spitze unser Stoß- trupp mit Lt. Becker. Lustige Lieder
erklingen. „Die Handgranaten werfen wir, die langen und
die runden. Den Zünder raus und alles klappt in 5 ½
Sekunden.“ Der Anmarsch vollzieht sich wie vor einem
halben Monat, am 15. Juli. Sperrfeuer, Laufschritt,
Sperrfeuer, Hinlegen! Abends 11.00 gelangen wir nach Damloup,
wo wir die Stellung am Südrande des Dorfes beziehen. Die
Sonntagnacht vergeht mit dem üblichen Geknatter,
Leuchtkugelschießen und Granatengesang.
31.
Juli:
Wir erfahren heute, daß morgen, am 1. August, ein neuer
Angriff stattfinden soll und zwar in den Abschnitten Damloup -
Hohe Batterie - Chapitre-Wald bis östlich Fleury. Diesen
Abschnitten gegenüber liegen von links nach rechts Dicourt-Ferme,
Laufée-Werk, Tavannes-Schlucht und Fort Souville. Als dte.
Kampftruppen kommen hier in Betracht: 50. I.D. mit dem F.R.39,
I.R.158 und b.R.I.R.15; bei der 21. R.D. die R.I.R.88 und 81 und
auf dem rechten Angriffsflügel die G.E.D. mit dem 6.+ 7 G.I.R. -
Unser F.R.39 liegt also auf dem linken Angriffsflügel und hat die
Aufgabe durch Vorstoß seine Stellung nahe vor das Laufée-Werk zu
schieben.
1.
August:
Heute wird mit dem 3. Kriegsjahr begonnen. Rechts
von Damloup
- auf dem Damloup-Rücken, bei Hohe Batterie, I-Werk
und dem Laufée-Wald
- liegen die Kompanien des III.Btls. der 39er zum Angriff
bereit. Unsere 7. Kp. beteiligt sich mit einem Zuge unter
Führung des Lts. Becker am Angriffe. Dabei wird unser
Stoßtrupp, welchem ich angehöre, mit eingegliedert. Unser
Zug Becker mit 1 Offz. Und 60 Mann will von Damloup aus
gegen den vom Feinde besetzten Laufée- Rücken vorgehen.
„Also endlich mal wieder ein richtiger Sturmangriff!“
rufen unsere Füsiliere. „Nichts wie heraus aus dem Dreck!
Weiter nach Verdun zu.“ ... Das wird heute mein erster
Sturmangriff vor Verdun. Das dte. Art.feuer, welches seit
zwei Wochen merklich abgeflaut
war, lebt heute wieder richtig auf. Unsere Art. verwendet
jetzt auch noch Grünkreuzgranaten (Gas) und betrommelt das
starke feindliche Verteidigungssystem in der Gegend Laufée-Werk, Fort
Tavannes und Fort Souville. Unser Zug Becker bezieht
nun die Sturmausgangsstellung östlich von Damloup. Wir
lauschen zum dten. Granatengesang. Etwa 10 ½ Uhr vormittags
beginnen auch unsere MW ihr Zerstörungswerk. Eine schwarze
Wolke von Feuer, Rauch und Erde ballt sich über der
feindlichen Stellung zusammen. Wir liegen sprungbereit - den
Stahlhelm tief in die Stirn gedrückt, das Gewehr umgehängt
und unsere Handgranaten am Koppel befestigt. In der Faust
eine Handgranate - so warten wir auf das Angriffszeichen.
Mancher raucht noch ruhig eine Zigarette. Mit der Uhr in der
Hand stehen Lt. Becker und die Gruppenführer auf ihrem
Platz. Langsam aber sicher rückt der Zeiger vor. Noch 5
Minuten! - Noch zwei! - Punkt 11.00!! Jetzt „Sprung auf!
Marsch, Marsch!“ Unser Stoßtrupp stürzt mit Lt. Becker
als erste Welle vorwärts. 20 m hinter uns folgt der andere
Halbzug als zweite Welle. Im Sturmschritt durchrennen wir
das 400 m breite Vorgelände, das jetzt in ein Trichterfeld
verwandelt ist. Unsere Artillerie hat jetzt ihr Feuer weiter
vorverlegt, die MW schweigen. Bald knattert uns auch
feindliches Mg-Feuer entgegen. Wir stürmen nun einen Hang
hinauf und durchbrechen die feindlichen Drahthindernisse.
Einige Füsiliere werden verwundet. Dann dringen wir mit
lautem „Hurra“ in den feindlichen
Graben ein. Die Franzmänner, meist Schwarze, wehren sich
verzweifelt mit Gewehr und Handgranate. Nun beginnt eine wilder
Nahkampf Mann gegen Mann. Der Gegner unterliegt. Mit Hg. rollen
wir nun den Graben nach links hin auf. Bajonette und Gewehrkolben
beginnen ihre blutige Arbeit. Wir erobern zwei Mg und nehmen 60
Franzosen vom frz. Kol.Rgt. 41 gefangen. Bei uns gab es noch
einige Verluste. Mitten im Handgemenge bekam ich von hinten einen
gegnerischen Bajonettstich in den linken Oberschenkel. Der Kerl
wollte mich hinterrücks niederstechen und stieß zu tief. Ich
drehe mich sofort herum und hieb ihm mit dem Gewehrkolben unters
Kinn, worauf er beide Hände hochstreckte. - Nun hält unser Zug
Becker den feindlichen Graben auf dem östlichen Laufée-Rücken
auf etwa 250 m Breite besetzt. Die Gefangenen sind nach hinten
gebracht. Feindliches Artilleriefeuer hat eingesetzt. Unsere
genommene Stellung wird von der Dicourt-Ferme aus durch
feindliches Mg-Feuer flankiert - weiter rechts von uns war die 10.
Kp. 300 m weit vorgestoßen, und auf dem rechten Flügel die 9.
Kp. unter Lt. Pfrang (X), welche um etwa
300 m vor dem Laufée-Werke saß.
Von
9.00 nachmittags ab werden wir mit feindlichem
Vorbereitungsfeuer belegt. Es gibt schwere Verluste. Das
wahnsinnige Feuer haut uns fast vollständig zusammen. Aber
wir halten todesmutig aus. Sollen wir das heute Errungene
wieder aufgeben? Schon liegt fast die Hälfte unseres Zuges
schwer und leicht verwundet im Graben. Am Abend greifen die
Franzosen mit
Übermacht an. Mehrere Kameraden fallen mit dem Gewehr in
der Hand. Fast alle Verwundete greifen zur Waffe.
Schauerlich ist dieses verbissene blutige Ringen. Geschrei
und Geheul, Krachen und Bersten, Splittern und Pfeifen
lärmen durcheinander. Jeder von uns, der bis jetzt noch
heil, wird verwundet. Ein Geschoßsplitter reißt mir die
Stirn blutig. Wir können nicht mehr. Wir müssen das Stück
Graben, das soviel Blut gekostet, aufgeben. Der Feind dringt
in den Graben ein. Fortwährend noch auf den Gegner feuernd,
schlagen wir uns als Verwundete auf Damloup zurück. Lt.
Becker und wir 29 Mann sämtlich verwundet, gelangen wieder
in die Ausgangsstellung bei Damloup. 31 Mann werden
vermißt. 8 Tote und 23 schwerverwundete Kameraden fielen
dem Feinde in die Hand. Die tapferen Gefallenen sind: Res. Aloys
Fiedler, Res. Wilhelm
Rottenborn und die Füsiliere Georg Heuer, Anton Wulf, Franz
Naendorf, Fritz Johannknecht, Leonhard Tespann u. Hermann
Stratmann. Alles gute, treue Kameraden. Gefr. Fritz
Engelbrecht ist auch verwundet. Jeder einzelne von uns hat
heute heldenmütig gekämpft. Der schwerverwundete Füsilier
Albert Schürmann wird in der Nacht nach hinten getragen und
stirbt einige Tage später im Feldlazarett Amel. Beim III.
Btl. fielen 1 Offizier (Lt. Pfrang) und 40 Mann. Im ganzen
wurden heute bei den 39ern verwundet: 2 Offze., 120 Mann.
Der Bajonettstich, den ich erhielt, ist nur eine
Fleischwunde und brennt bloß beim Laufen. Somit bleibe ich
und noch einige bei der 7. Kp. Am Ostausgang von Damloup
treffe ich den Füsilier Demtröder bei einem jungen
Kameraden Fritz Berkenkamp von unserem Zug Becker. Beim
Zurückgehen hat eine feindliche Granate dem Unglücklichen
ein paar Eisenstücke in den Rücken gejagt. Er lehnt im
Straßengraben, kreidebleich das Gesicht, traurig blickend.
Sprechen kann er nicht. Wir knien neben ihm, machen dessen
Rücken frei, finden in Demtröders Rockschößen noch ein
Verbandpäckchen und stillen den Blutquell im Rücken. Wir
sprechen zu ihm, wie eine Mutter zum Kinde spricht: „Nur
ruhig, lieber Kamerad...bald wirst du daheim sein...ein paar
Wochen im Lazarett...gleich werden wir dich zu den
Sanitätern bringen ...Willst du eine Zigarette? ... Nur
immer ruhig Blut, Fritz!“
2.
August:
Wieder liegt
ein Großkampftag hinter uns. Bei unserer 50. I.D. war nur an
einigen Stellen Boden gewonnen. Die 21. R.D. hatte weiter rechts
mehr Glück. Die Reserve-81er und 88er stießen zwischen Bergwald
und Fuminwald durch die Lagerschlucht bis an den Nordrand der
Tavannesschlucht. Der Franzmann erlitt besonders schwere Verluste.
Wir liegen noch 2 Tage in Damloup, wo ich als Leichtverwundeter
zunächst geschont werde. Auch die I.Pi.K. des Hptms. Gillhausen
liegt in und bei Damloup. Am Abend begegne ich in Damloup dem
Btls.Kdr. Major Schönian mit Hptm. Gillhausen. Sie fragen mich,
wie es gestern war und geben mir noch bekannt, daß ich zum EK II
eingereicht sei.
3.
August:
Am
späten Abend rücken wir durch die Damloupschlucht in
den Laufée-Abschnitt, wo wir das III. Btl. ablösen. Unsere
Kp. besetzt auf 4 Tage die nach Osten vorspringende „Kanzel“
südlich der Hohen
Batterie. Der Franzmann gibt dauernd schweren „Zunder“.
Das Leben hier wird zur Hölle. Am 4., 5. und 6. August
mache ich Meldegänge zwischen der Hohen Batterie
und Fort Vaux. Ruhig und mit vielem Glück
durchschreite ich das Sperrfeuer, das vor dem Fort liegt. Am
5. August finden zahlreiche Luftkämpfe statt. Mehrere
feindliche Flieger und Fesselballons werden abgeschossen.
Ein dter. Flieger muß bei Dieppe notlanden. Bei
meiner 7. Kp. fallen die Kameraden Emil Demtröder und Fritz
Berkenkamp.
6.
August:
Es
ist Sonntagabend. Ich befinde mich im Fort Vaux. Der Kasernenflur
dient hier als Hauptaufenthaltsraum der Fortbesatzung. Paderborner
158er liegen hier. Als es dunkel ist, gehe ich hinaus an den
Kehleingang. Meine Blicke kreisen in die feuersprühende Umgebung.
Ja, was ist hier eine Nacht? Die Natur scheint auf den Kopf
gestellt zu sein. Ortschaften und Wälder verschwinden. Bergkuppen
werden halb abgeschossen. Kleine Seen, wie der Teich beim Dorfe
Vaux, werden in ein System sumpfiger Trichter und grüne Wiesen,
Weiden und Felder in eine Schlammwüste verwandelt. Und die Nacht
wird zu einer gleißenden funkelnden Helligkeit, zu einem mörderischem
Riesenfeuerwerk.
Die
Mutter Natur gebot einst die Zeitspanne zwischen dem Untergang und
dem Aufgang der Sonne zu Stunden des Dunkels, des Schweigens, der
Nachtruhe. Jetzt ist dies heilige Gebot zerrissen. Hüben wie drüben
verdoppelt, verdreifacht sich das wimmelnde Leben unbemerkt im
Umkreise. Aus den Schluchten und zerfetzten Wäldern neben und
hinter uns und weit drüben blitzen und brüllen die Artillerien.
An der Kampffront ein Meer von Leuchtkugeln. Die Nacht brüllt, wütet,
speit Feuer. - Um Mitternacht mache ich mich auf den Weg zur Hohen
Batterie. Zwischen der oberen Damloup-Schlucht und dem Bergwald
liege ich zwei Stunden im Sperrfeuer. Da ich nicht weiter vor
kann, versuche ich etwa 02.30 nachts in das Fort Vaux zurückzugehen.
Schnell arbeite ich mich in nördliche Richtung von Trichter zu
Trichter, komme aber im Wirrwarr zu weit nach links. Vor mir taucht
ein kleines Werk auf (Batterie a). Ich halte dies für die Anschlußbatterie,
welche dicht südlich des Forts Vaux liegt, weiß aber nicht, daß
ich mich irre. Schnell weiter, noch 150 m bis zum schützenden
Fort! Doch Himmel, wo ist das Fort? Ein zerfetzter Wald (Fumin)
nimmt mich auf. Also verlaufen. Ich taste einen zerschossenen
Graben entlang. Feindliches Feuer prasselt nieder, und ein
Splitter zerreißt meine Gasmaske. Wehe dem Truppenteil, dem
Verdungelände und Verdunkampf vollständig unbekannt ist. Sie
tappen hinein in die Hölle, in den Tod. Durch das Splittergehölz
gelange ich in eine Schlucht. Doch was ist
das? Ein starker süßlicher Geruch. Himmel! Das ist Gas! Und ich
mit einer durchlöcherten Gasmaske. Schnell auf einen Baum und die
zerbeulte Einsatzpatrone in den Mund genommen. Jetzt Granateinschläge
dicht bei mir! Schnell wieder heruntergesprungen und weiter! Überall
Gasschwaden. Als der Morgen dämmert, renne ich wie ein
angeschossenes Wild in einer anderen Schlucht entlang (Vaux-Schlucht). Da vorn sehe ich drei Mann gehen. Ich will rufen, drohe jedoch zu ersticken. Noch etwa 100 m und ich breche
bewußtlos zusammen. Die Pioniere sehen mich stürzen und tragen
mich durch die Russen-Schlucht und den Caillette-Wald nach dem
Fort Douaumont.
7.
August: Als ich erwache, befinde ich mich im Fortlazarett und werde gerade
von Sanitätern mit einem Sauerstoffapparat behandelt. Also,
Gottseidank gerettet! Im Fortlazarett Douaumont werde ich als
Gaskranker 36 Stunden ärztlich behandelt. Am Abend des 8. August
komme ich in das Feldlazarett 4 zu Amel. Da
erfahre ich nun, daß Kamerad Albert Schürmann gestorben ist. Am
9. August nehme ich an der Beerdigung teil.
Ehrentafel
meiner besten vor Verdun gefallenen Kameraden:
2.3.16 Ers.Res.
Fritz Reimann, 1.8.16
Res.
Wilh. Rottenborn, 10.6.16
Füs.
Heinr. Schmale, 2.3.16 Pionier
Paul Gerlach, 1.8.16
Füs.
Leonhard Tospann, 1.8.16
Füs.
Georg Hauer, 23.7.16 Uffz.
Gerhard Tenrahm, 2.3.16 Pionier
Karl Gottschalk, 1.8.16
Füs.
Hermann Stratmann, 23.7.16 Füs.
Christian Ripper, 1.8.16
Füs.
Franz Naendorf, 5.8.16
Füs.
Emil Demtröder, 6.6.16 Gefr.
Emil Clausen, 1.8.16
Füs.
Anton Wulf, 24.7.16 Gefr.
Wilh. Dittloff, 5.8.16
Füs.
Franz Berkenkamp, 7.6.16 Füs.
Wilh. Schmale, 1.8.16
Res.
Aloys
Fiedler,
1.8.16 Füs.
Fritz Johannknecht.
..
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