Gurk (Ktn.)

Pfarr- und ehemalige Domkirche Mariä Himmelfahrt

Dreischiffige flach gedeckte Pfeilerbasilika mit Dreiapsidenschluß, Hallenkrypta und westlicher Doppelturmanlage; nach 1131 bis 1179/1180.

Einbau eines Querhauses; nach 1179/1180 bis vor 1220.


898 übergab Kaiser Arnulf einen Hof Gurk und Güter im Gurktal Zwentibolch, einen Vorfahren der Gräfin Hemma. 975 erteilte Kaiser Otto II. ein Privileg für ein bestehendes Nonnenkloster. Zwischen 1043 und 1045 kam es der Überlieferung nach zur Neugründung des Klosters durch Gräfin Hemma, das 1066 als Monasterium Gurk genannt wurde. 1072 stattete Erzbischof Gebhard von Salzburg (1060 - 1088) das Bistum Gurk mit den Gütern des aufgehobenen Klosters aus. 1124 wurde das Domstift gegründet und 1131 erhielt das Bistum eine kleine Diözese. Der Sitz des Bischofs befand sich jedoch im nahegelegenen Straßburg, während in Gurk der Propst und das Domkapitel residierten. Erst unter Joseph II. erhielt Gurk eine größere Diözese zugeteilt; Bistum und Domkapitel gingen in der Folge 1788 nach Klagenfurt.

Der Standort der von Gräfin Hemma im 11. Jahrhundert errichteten Klosterkirche ist ungewiß; Fundamentreste deuten darauf hin, daß sich die Anlage wahrscheinlich westlich des heutigen Domes befand. Dieser wurde unter Bischof Roman I. (1131-1167) begonnen. 1174 erfolgte die Übertragung des Hemma-Grabes in die Kirche und die Weihe der Krypta. Um 1179/1180 führten massive kriegerische Auseinandersetzungen zu einer Bauunterbrechung. Für das Jahr 1200 wird die Weihe des Hochaltars urkundlich überliefert. Dom und Stift waren vor 1220 fertiggestellt und ausgestattet. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts zerstörte ein Brand unter anderem die Westempore. Nach weiteren Bränden wurden der Ostteil der Kirche wiederhergestellt und die Emporen im Querhaus entfernt. Die Schlußweihe erfolgte 1287. Um 1446 ersetzte man die Flachdecke im Querhaus durch Netzrippengewölbe, um 1500 wurden im Chorquadrat Sternrippengewölbe eingezogen. Ein weiterer Brand zerstörte 1525 die hölzerne Langhausdecken, die Netzrippengewölbe im Mittelschiff waren jedoch erst 1591 vollendet. 1779 fiel die Westemporenapsis dem barocken Orgelbau zum Opfer, 1808 vernichtete ein Brand die Dächer, den Giebel der Apsiswand und Teil des östlichen Westemporengewölbes.

Im Grundriß zeigt der Dom eine dreischiffige, fünfeinhalbjochige Pfeilerbasilika mit erhöhtem zweijochigen Chorraum, ein zweijochiges Querhaus und drei gleichfluchtenden Apsiden. Unter dem Querschiff und dem Chor erstreckt sich eine Hallenkrypta. Die westliche Doppelturmfassade trägt über ihrer tonnengewölbten und ursprünglich offenen Vorhalle die zweijochige Bischofskapelle. Die Ostwand der Kapelle öffnet sich in seitlichen Bogenstellungen gegen das Langhaus und war in der Mittelachse bis 1779 durch eine ins Langhaus vorkragende halbrunde Apsis abgeschlossen. Als Substruktion für diesen Kapellenchor diente die Bogenarchitektur der inneren Vorhalle, welche den Westteil des Langhauses um ein halbes Joch hinausschiebt.

Die Außenansicht wirkt in erster Linie durch die Verteilung der Baumassen. Die mächtige Westturmanlage ist bis auf die 1337 abgemauerte Vorhallenöffnung mit seitlich eingestellten Halbsäulen und die Dreifenster-Gruppe der darüberliegenden Bischofskapelle ungegliedert. Gleiches gilt für die Langhauswände, die bis auf den durchlaufenden attisch profilierten Sockel und die Rundbogenfriese keine ausgeprägten vertikalen Gliederungselemente aufweisen. Erst die Apsiden und die oberen Teile des Querhauses sind plastisch durch Wandschichtungen und Säulchen durchgestaltet.

Die drei Apsiden gliedern sich in die reich profilierte Sockelzone über denen Lisenen mit Halbsäulen und vegetabil ornamentierten Kapitellen eine zweistufige Blendarkatur bilden. Jede Apsis wird nur durch ein Rundbogenfenster erleuchtet, wobei jenes der Hauptapsis bis an die Wandgliederung herangeführt und in sechs Abstufungen aufgelöst ist. Die unterschiedliche Wertigkeit in der Dekoration kommt auch in den abschließenden Gesimsen zum Ausdruck: an den Seitenapsiden einfache attisch-romanische Profile, an der Hauptapsis ein Rundbogenfries mit Zierband und Schachbrettfries. Im Scheitel der Hauptapsis wurde als einzige figurale Plastik ein Löwen-Basilisken-Relief (um 1175) angebracht.

Unterschiede in der Farbe und Dimensionierung der Quader am südlichen Seitenschiff lassen deutlich zwei Bauphasen erkennen. Der Bau wurde zunächst ohne die Westtürme bis über den Scheitel des Südportals einheitlich hochgeführt. Das dreifach abgetreppte Portal mit der Halbfigur des segnenden Christus ist mit relativ hohen Wulstbasen und plumpen Würfelkapitellen besetzt, welche noch in die Zeit um 1150 weisen. Die seitlich des Portals angebrachte Bauinschrift nennt einen "WIDO", der nach W. Deuer 1152 auch beim Bau der Turmportale der Stiftskirche von Admont nachweisbar ist.

Nach der Bauzäsur von 1179/1180 kam es offensichtlich zu einem Planwechsel. Die letzten beiden Chorjoche wurden durch erhöhen der Seitenschiffsmauern zu einem Querhaus mit Emporen umgebaut. Diese waren nur über den Dachboden der Seitenschiffe erreichbar. Die Gründe für die Planänderung und die damit verbundene architektonische Aufwertung des Kirchenbaus sind nicht überliefert. Einerseits könnte damit die bischöfliche Funktion der Kirche zum Ausdruck gebracht werden (Schnerich), andererseits könnte man darin eine "Trotzreaktion" der jungen Diözese gegen das Salzburger Erzbistum sehen (Hartwagner). Das Vorbild für die Querhausemporen könnte St. Michael in Hildesheim gewesen sein (1007 - 1033) und über Erzbischof Konrad I. aus Sachsen vermittelt worden sein (Deuer). Die architektonische Kompromißlösung der raumteilenden und schwer zugänglichen Emporen wurde in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wieder abgetragen, wobei man die beiden Rundbogenfenster der Giebelseiten nach unten verlängerte.

Eine weitere Bauzäsur besteht zwischen den seitlich vorspringenden Westtürmen und dem Langhaus. Die Doppelturmanlage wurde im salzburgischen Einflußbereich durch Erzbischof Konrad I. am Salzburger Dombau um 1127 eingeführt und fand in der Diözese rasche Verbreitung. Die Doppelturmanlage von Gurk dürfte schon von Bischof Roman I. geplant worden sein, doch scheint man den Baubefunden nach erst in der zweiten Bauphase im späten 12. Jahrhundert mit der Ausführung des älteren Konzepts begonnen zu haben. Die innere Vorhalle setzt die Untergeschosse der Türme voraus und kann aufgrund der Kapitelle in die Zeit vor 1200 datiert werden. In die gleiche Zeit führt die Datierung des Westportals (siehe Kat. Nr.). Unter Bischof Walther (1200 - 1213) müssen die Türme bereits über die von ihm gestiftete Bischofskapelle hinaus gediehen sein, den 1214 stiftete der im gleichen Jahr verstorbene Bischof Otto bereits eine erste malerische Ausstattung, die jedoch dem Brand um 1260 zum Opfer fiel.

Literatur: Ankershofen, Gurk, 1856, 229 f. - Schnerich, Gurk, 1883, 16 - 19. - Schnerich, Gurk, 1925. - Löw, Gurk, 1927. - Ginhart/Grimschitz, Gurk, 1930. - Hartwagner, Gurk, 1969. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 22 - 31. - Posch, Gurk, 1963. - Deuer, Kärnten, 1988, 230 - 246. - Deuer/Kallen, Gurk, 1995.


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