Zweigeschossiger Rundbau mit Dreiviertelapsis; 2. Hälfte 12. Jahrhundert. Ergänzungen am Hauptbau Mitte 13. Jahrhundert.
Nach einer nicht erhaltenen neuzeitlichen Inschrift am Portal wurde der Karner 1167 erbaut. Eine in Aussicht genommene Erhebung von Hartberg als markgräfliches Landesbistum führte 1173 unter Pfarrer Ulrich (1163 - 1201 nachweisbar) zur Aufwertung der Pfarre. Pfarrer Ulrich war von hochfreier Herkunft und bedeutender Bildung. 1157 war er Kaplan des Salzburger Erzbischofs Eberhard I. (1147 - 1164) und später im Gefolge der Markgrafen. Die Wahl des Patroziniums für den Karner dürfte mit Pfarrer Ulrichs Rolle als Bauherr erklärbar sein.
Der Karner wurde südwestlich der Kirche an einer steil abfallenden Terrassenkante erbaut, sodaß auch das Ossuarium sichtbar bleibt. Daraus ergibt sich ein steiler, außen reich gegliederter Rundbau. Der Zugang in den Kapellenraum erfolgt über eine im 19. Jahrhundert angefügte Treppe. Das zweifach abgetreppte, rundbogige Stufenportal zeigt zwei eingestellten Säulenpaaren auf Tellerbasen, welche Knospenkapitelle tragen. Über den Kämpfern laufen die Abtreppungen in Kehlen weiter. Die Außenwand der Kapelle wird durch neun gebündelte Dreiergruppen von schlanken Halbrunddiensten gegliedert, hinter denen als Rücklage die an den Ecken herabgezogenen Profile der Kleeblattfriese verlaufen. Die Dienstbündel, welche über dem abschließenden Fries frei enden, tragen Knollenkapitelle mit menschlichen Köpfen. Ein weiterer Kleeblattfries trennt die Kapelle vom Ossuarium. Der dreiviertelkreisförmige Chor ist im Gegensatz zum Hauptraum wesentlich schlichter gehalten, da hier die Dienstbündel fehlen. Über diesem Kleeblattbogen mündet an der Apsissüdseite ein Abflußrinnstein aus dem Kapellenraum ins Freie, der auf eine erweiterte Funktion des Kapellenraumes oder eine kurzfristige Umwidmung als Taufkapelle schließen läßt.
Das durch einen nördlichen Zugang betretbare Ossuarium besitzt eine Kuppelwölbung mit vier Bandrippen. Das Obergeschoß wird durch acht Halbrunddienste mit Knospenkapitellen, welche die Bandrippen des kuppeligen Gewölbes tragen, gegliedert. Der Triumphbogen ist wegen der Dreiviertelapsis stark eingezogen und wird beidseitig von einem Säulenpaar flankiert.
Die reiche Freskierung wurde leider 1889 - 1894 rigoros rekonstruierend ergänzt, woraus sich Unsicherheiten in der Ikonographie ergeben. Als Programm wäre - unter der Majestas mit den zwölf Aposteln als oberste Zone - die Darstellung der vier Weltreiche nach dem, Buche Daniel oder die Illustration zu den sieben Hauptsünden (W. Deuer).
Das Gliederungssystem des Karners zeigt einerseits spätromanische Detailformen wie die schweren Friese und Kapitelle, andererseits sind die gebündelten Dienste bereits zu frühgotischen Vorstufen des Bündelpfeilers, bei dem der Pfeilerkern nicht mehr sichtbar ist, verschmolzen. Der spätromanische Dekor steht stilistisch den ungarischen Bauten des 2. Drittels des 13. Jahrhunderts (z. B. Jak) näher als den babenbergischen Bauten in Niederösterreich, jedoch fehlen in Hartberg die für dieses künstlerische Ambiente typischen normannischen Dekorationselemente. Nach W. Deuer wäre die Ausführung durch ungarische Werkstätte nach 1254 denkbar.
Die Bauornamentik stammt zweifellos nicht von einem Bau um 1167. Nach W. Deuer wäre die Ausführung durch ungarische Werkstätte nach 1254 denkbar. Wegen der tiefgreifenden Überarbeitungen und Auswechselungen zahlreicher Werkstücke kann die Datierungsproblematik derzeit nur unzureichend gelöst werden. Eine nachträgliche Neuadaptierung eines älteren Baukerns im 13. Jahrhundert kann daher nicht ausgeschlossen werden.
Literatur: Heider, Rundbauten, 1856, 53 - 60. - Grave, Hartberg, 1856, 178ff. - Cauzig, Karner, 1932, 110. - Capra, Karner, 1926, 125ff.; Schaffler, Hartberg, 1957, 9 - 11. - Woisetschläger/Krenn, Herrlichkeiten, 1968, 15.- Grabner, Karnerfresken, 1979, 133 - 141. - Schwarz, Spätzeit, 1976, 511. - Biedermann, Kunst, 1980, 402f. - Deuer, Kirchenbau, 1982, 209 - 211.
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studiolo 19.06.99 21:39