Bau I: Dreischiffige querhauslose Anlage mit gestaffeltem Dreiapsidenchor; unter dem Hauptchor fünfjochige dreischiffige Hallenkrypta; frühromanisch, 11. Jahrhundert
Balderichbau: Dreischiffige dreieinhalbjochige Basilika mit ausladendem Querhaus und Dreiapsidenschluß (rekonstruiert); älterer Westturm. Sächsischer Stützenwechsel im Langhaus, Zwischenjoch, Pfeiler im Chorus minor. Querhaus ursprünglich (nur in der Vierung?) erhöht. 1130 - 1143 (Weihe).
Nach der Haustradition von St. Peter soll das Kloster 582 gegründet worden sein, doch ist dieses Datum erst anläßlich der Milleniumsfeiern von 1582 faßbar. Ebenso umstritten ist, ob der hl. Rupert (gest. nach 715/16) bei seiner Ankunft im Jahre 696 eine bereits vorhandene Mönchsgemeinschaft erneuerte oder das Kloster erstmals gründete. Er errichtete eine dem hl. Petrus geweihte Kirche sowie Klostergebäude und machte sie zum Mittelpunkt der Missionierung Österreichs und Westungarns. Ob sich allerdings die rupertinische Kirche an der gleichen Stelle wie der hochmittelalterliche Kirchenbau von St. Peter befand muß aufgrund der ab 1980/81 durchgeführten Grabungen in Frage gestellt werden. Ein über mehreren römischen Bauhorizonten des 1. bis 5. Jahrhunderts errichteter rechteckiger "Zweikammerbau", wurde von S. Karwiese als erster rupertinischer Kirchenbau St. Peter I. interpretiert. Vor allem H. R. Sennhauser konnte jedoch glaubhaft machen, daß dieser von S. Karwiese ins 8. Jahrhundert datierte Bau schon im 5. oder 6. Jahrhundert als spätantikes Mausoleum entstand. Östlich des "Zweikammerbaus" ergrabene Reste einer Hallenkrypta wurden von S. Karwiese als St. Peter II gedeutet und dem 9. Jahrhundert zugeordnet. Als freistehender karolingischer Kirchenbau wäre diese Anlage unitär, jedoch sprechen die Detailformen für eine nachträglich in einen Kirchenbau eingebaute Krypta aus dem 2. Viertel des 11. Jahrhunderts. Die Grabungsbefunde, deren endgültige Auswertung noch aussteht, lassen vermuten, daß die erste Klosterkirche des hl. Rupert vielleicht unter dem Virgildom zu lokalisieren wäre, wie H. R. Sennhauser aus archäologischer und H. Dopsch aus historischer Sicht vorschlagen. Konkret kann als ältester Kirchenbau derzeit nur die Krypta aus dem 11. Jahrhundert angesprochen werden. Es muß daher offenbleiben, mit welcher Topographie die urkundliche Überlieferung einer Brandzerstörung der "Ecclesia sancti Petri" von 847 in Zusammenhang zu bringen ist.
Im Jahre 987 wurde unter dem Einfluß der Reichsklosterreform durch Erzbischof Friedrich die Abtei St. Peter vom Erzbistum Salzburg getrennt, der Sitz des Erzbischofs verblieb hingegen noch bis 1100 im Kloster. Ein auch den Dom einäschernden Brand von 1127 erforderte einen Wiederaufbau um 1130 unter Abt Balderich (1125 - 1147). Der Neubau wurde 1143 durch Bischof Altmann von Trient geweiht. Das Hauptportal dürfte als späte Ausstattung des Balderichbaus im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts entstanden sein, wurde aber bis auf das Tympanon im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts erneuert. Als spätromanische Veränderungen sind weiters der Anbau der 1215 durch Herzog Leopold VI. gestifteten Katharinen- bzw. Mariazellerkapelle (1227 geweiht) am südlichen Querhausarm und die Errichtung der Vorhalle mit der Heiligen-Geist-Kapelle (1244 geweiht) an der Südseite des Turmes festzustellen. 1606 wurde der Dreiapsidenschluß des Balderichbaus abgebrochen und die Mittelapsis "ex circulari in quadrata forma" umgewandelt. Das Erscheinungsbild des hochromanischen Baukerns wird im Wesentlichen durch die barocke Umgestaltung ab 1754 bestimmt.
Bau I:
Vom ersten als Kirche identifizierbaren Bau konnten die Fundamente des dreischiffigen Langhauses und die Reste der Seitenapsiden ergraben werden. Der Westabschluß deckt sich mit dem hochromanischen Balderichbau, das über die Seitenapsiden hinausgeschobene Chorquadrat reichte bis zum Querhaus des Nachfolgerbaus, doch konnte hier vor allem die darunterliegende Hallenkrypta erschlossen werden. Von dieser haben sich vier Basen in der Kryptenapsis und eine umlaufende Sitzbank erhalten. Drei der vier Basen sind nach S. Karwiese sekundär verwendete, römische Kämpferkapitelle. Die Außenrundung der Apsis wurde durch angesetzte Stützpfeiler gegliedert. Der fast quadratische Hauptraum dürfte als Vierstützenbau konzipiert worden sein. S. Karwiese rekonstruiert zu dieser Krypta eine Balkendecke - H. R. Sennhauser jedoch überzeugender (wegen der Wandvorlagen) ein frühromanisches Gurtgewölbe. Der Grundrißtypus der dreischiffigen querhauslosen Anlage geht durch die Staffelung des Dreiapsidenschlusses über den im süddeutschen Raum im 11. und frühen 12. Jahrhundert üblichen "bayrischen Grundriß" hinaus.
Die zeitliche Zuordnung des Einzelwestturmes zu einem karolingischen und somit dreiteiligem "Westwerk", wie sie S. Karwiese vorschlägt, entbehrt jeglicher baulicher Grundlage. Auch die in der Forschung nahezu traditionelle Datierung des Westturmes von St. Peter ins Frühmittelalter ist aus Gründen der allgemeinen Entwicklung dieses Bautyps in Abhängigkeit von der frühesten Salzburger Westturmanlage, den 1127 durch Erzbischof Konrad I. (1106 - 1147) errichteten "turres altissimae", nicht haltbar.
Balderichbau:
Der Nachfolgebau läßt unter der barocken Ummantelung ein dreischiffiges basilikales Langhaus mit ausladendem Querschiff erkennen. Abrißspuren am Querhaus sichern zwei Ostapsiden; anstelle des barocken Chorquadrats befand sich mit großer Wahrscheinlichkeit eine gleichfluchtende Hauptapsis. R. Pühringer konnte nachweisen, daß der Westturm zumindest in den Obergeschossen von der Hochschiffmauer umfangen wird. Sein unmittelbarer baulicher Zusammenhang mit der frühromanischen Großkirche konnte allerdings bisher nicht konkret durch Befunde belegt werden.
Der unter Erzbischof Balderich 1130 - 1147 errichtete Bau zeigt in den ersten zwei Mittelschiffjochen einen sächsischen Stützenwechsel von Pfeiler - Säule - Säule - Pfeiler. Die Stützen tragen Würfelkapitelle. Nach einem schmalen Zwischenjoch, in welchem sich nachweislich der Kreuzaltar befand, folgt (ursprünglich durch einen Schwibbogen getrennt?) der ein Joch tiefe Chorus minor, bei dem ausschließlich Pfeiler zur Anwendung gelangen. Der sächsische Stützenwechsel der Laienkirche wird somit im Chorus minor nicht fortgesetzt, jedoch entsteht durch die Pfeilerbildung am Zwischenjoch und die ausgeprägten Vierungspfeiler eine Art latenter Stützenwechsel von massiveren Eckpfeilern und schlankeren Zwischenstützen. Die Ausgrabungen haben ergeben außerdem, daß den Mittelschiffspfeilern des Chorus minor Fundamente für Pfeilervorlagen angestellt wurden. Die quadratische Vierung wird von den schmälern Seitenarmen des ausladenden Querhauses flankiert, bei dem sich unter der barocken Ummantelung Reste eines unprofilierten Rundbogenfrieses über einfachen Konsolen erhalten hat. Der Bau war bis auf die Apsiden flachgedeckt.
Sieht man von Unregelmäßigkeiten ab, die durch die teilweise Beibehaltung der Baufluchten des frühromanischen Vorgängerbaus bedingt sind, liegt dem Grundrißkonzept ein konsequent durchgehaltenes Maß- und Proportionsschema zugrunde. Allerdings kommt es noch nicht zu einem ausgesprochenen "quadratischen Schematismus", bei dem das Quadrat der Vierung zum Ausgangspunkt der gesamten Grundrißgestaltung wird. Die Gestaltung des Chorus maior als Querschiff mit kurzen ausladenden Armen findet sich schon beim Bau der Stiftskirche von Quedlinburg, worauf schon R. Pühringer hingewiesen hat. In das gleiche Herkunftsgebiet führt der in der Laienkirche von St. Peter ausgeführte sächsische Stützenwechsel, der erstmals gemeinsam mit einem strengen Proportionsschema bei St. Michael in Hildesheim verwirklicht wurde. Die Dreiteilung des Kirchenraumes in Laienkirche, Chorus minor und Chorus maior steht in Zusammenhang mit der im schwäbischen Hirsau an St. Peter und Paul bzw. St. Aurelius sich manifestierenden Reformordensarchitektur. Die Orientierung an der Architektur der Reformorden, mehr noch die Übernahme von sächsischen Architekturzitaten, wird seit R. Pühringer auf den Einfluß Erzbischof Konrads I. zurückgeführt, der während des Investiturstreites mehrfach sein Exil in Sachsen verbrachte. Abweichend von diesen Architekturkonzepten ist in St. Peter das Zwischenjoch, welches noch von R. Pühringer für den Chorus minor gehalten wurde, hingegen durch urkundliche und archäologische Belege eindeutig den Kreuzaltar beherbergte und somit vor dem Chorus minor situiert ist.
Literatur: Tietze, St. Peter, 1913. - Pühringer, Denkmäler, 1931, 49 - 61. - Karwiese, Gesamtbericht, 1982. - Fuhrmann, Balderichbau, 1982, 601 - 626. - Karwiese, St. Peter, 1982. - Dopsch/Wolfram, Kontinuität, 1982, 20ff. - Sennhauser, Mausoleen, 1983, 57 - 80. - Wolfram, Rupert, 1983, 84 - 94. - Dopsch, Klöster, 1983, 1007f. - Karwiese, St. Peter, 1984, 27f. - Dehio, Salzburg, 1986, 532 - 550. - Koch, Westturmanlage 1986, 158 - 167 - Czerwenka, Katalog, 1992, 118 - 123.
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studiolo 19.06.99 21:39