Katalog: ROMANISCHE WESTTURMKIRCHEN IN SALZBURG-STADT
Rudolf Koch, Wien
Kirchen des Bundeslandes Salzburg: siehe Katalog Salzburg-Land
1. St. Peter: Hl. Petrus
Aus Anlaß der 1400-Jahr-Feier der Benediktiner-Erzabtei St. Peter in Salzburg wurden 1980 und 1981 umfangreiche archäologische Untersuchungen durch ST. KARWIESE (1982 a) innerhalb der Kirche durchgeführt, deren Ergebnis in einem vorläufigen Gesamtbericht durch den Ausgräber publiziert wurde. Insgesamt sind sieben Perioden vom Ende des l. Jhdts. n. Chr. bis zur zweiten Barockisierung im 18. Jhdt. festzustellen. Die erste Periode umfaßt die Zeit der Errichtung römischer Villen mit Heizungsräumen und Bodenmosaiken bis zur Zerstörung und dem Untergang Juvavums um 405/406. Vom Anfang des 5. Jhdts. bis zum Anfang des 8. Jhdts. bestanden im wesentlichen nur Ruinen. Diese zweite Periode stellte also keine Kontinuität in der Besiedlung dar.
Ab der zweiten Periode, die KARWIESE mit der Tätigkeit des Hl. Rupert gleichsetzt, beginnt die sakrale Bautätigkeit der ersten karolingischen Periode. über dem künstlich erhöhten Bodenniveau wurde unter Verwendung eines römischen Vorgängerbaus ein kapellenartiger Rechteckbau, der sog. Zweikammerbau, errichtet. Diesen Zweikammerbau des 8. Jhdts. bezeichnet ST. KARWIESE (1982 a) als rupertinische Kirche St. Peter I.
In der dritten Periode entsteht um 800 der zweite karolingische Kirchenbau, St. Peter II, eine östlich des Zweikammerbaus liegende "Chorkirche" mit in den Boden versenkter Krypta, die durch zwei seitliche Stiegenabgänge zu betreten war und über einer Balkendecke ein grundrißgleiches Obergeschoß, die eigentliche Kapelle trug. Der Zweikammerbau bestand weiter, so daß sich eine Art Kirchenfamilie ergab, Die Datierung dieser Periode wird teilweise durch Kleinfunde gestützt, jedoch meint ST. KARWIESE (1982 a) selbst, daß ihre Evidenz vorläufig noch etwas schwach sei. Er zieht daher eine Stelle bei Alkuin heran, die besagt, daß die erste Kirche desolat gewesen sei und durch Erzbischof Arno (785 - 821) renoviert und besser erbaut wurde. Schließlich glaubt der Ausgräber in der Kryptenkirche St. Peter II die Friedhofskirche für den Amandus-Friedhof vorzufinden. "Der Typus (von St. Peter II), der sich dabei ergibt, ist freilich etwas seltsam", wie ST. KARWIESE (1982 a) feststellt, und er vergleicht ihn mit ähnlichen dreischiffigen Hallenkrypten in Zell am See, Solnhofen in Mittelfranken, die jedoch später anzusetzen sind und außerdem mit Großkirchen in Verbindung stehen. Alkuin erwähnt zehn Altäre, die meiner Meinung nach nur schwer in einem so kleinen Kirchengebäude unterzubringen wären.
847 wird urkundlich ein Brand erwähnt, der auch St. Peter II betroffen haben dürfte. KARWIESE konnte in der Krypta und vor dem Turm eine nicht zusammenhängende Aschenschicht feststellen, die er zeitlich mit dieser Brandkatastrophe parallelisiert. Der Brand von 847 ergibt die wichtigste Zäsur für die Errichtung der ersten karolingischen Großkirche St. Peter III, die Erzbischof Liupram (836 - 859) in der vierten Periode aufführte. Nach ST. KARWIESE (1982 a) wurden spätestens jetzt sämtliche römische Vorgängerbauten und der Zweikammerbau geschleift und damit auch die Klostergebäude der vorangegangenen Periode. Nach einer Niveauerhöhung, deren Obergrenze jedoch später abgetragen wurde, erbaute Liupram eine dreischiffige Basilika ohne Querschiff und mit Apsiden an den Seitenschiffen. Der Kryptenbau wurde miteinbezogen. Im Westen führte man direkt über den römischen Vorgängermauern einen quadratischen Turm in Breite des Mittelschiffs auf. Diesem Befund nach bestand bereits zwischen 847 und 859 ein achsialer Westturm. Aufgrund einer zur Hl. Geist-Kapelle führenden Tür, die KARWIESE als ursprünglich annimmt, vermutet der Ausgräber seitliche Annexe, die später durch den Kapellenbau unter Abt Richerus (1242 - 1259) ersetzt wurden. ST. KARWIESE (1982 a) stellt demnach die Hypothese eines karolingischen Westwerks bzw. eines Westbaus zur Diskussion und verweist darauf, daß sich hinter der Orgelempore "eine (heute zugemauerte) ursprüngliche Öffnung mit schräg nach unten weisenden Bogen" befindet. Die endgültige Lösung dieser Frage ist seiner Ansicht nach erst durch genaue Vermessung des Turmes und Grabungen im "Atrium" zu klären.
Der karolingischen Westbauhypothese ist entgegenzuhalten, daß, soweit der publizierte Längsschnitt herangezogen werden kann, die seitliche Türöffnung rund 0,5 m über dem Fundamentvorsprung des Turmes liegt bzw. rund 1 Stufenhöhe über dem hochromanischen Estrichniveau des Balderichbaus der fünften Periode (St. Peter IV). Wenngleich das ursprüngliche Niveau des Liuprambaus aus der 2. H. des 9. Jhdts. nirgends erfaßt werden konnte, dürfte der Türdurchgang mit seiner Schwelle eher auf den gotischen Zubau der Kapelle, zumindest aber auf das Bodenniveau des Balderichbaus Bezug nehmen. Die Hypothese eines karolingischen Westbaus ist aus dieser Sicht nicht haltbar.
Die fünfte Periode wird durch den urkundlich überlieferten Dombrand von 1127, der auch auf das Kloster St. Peter übergriff, zeitlich fixiert. Der daraufhin notwendige Neubau der Kirche St. Peter IV erfolgte unter Abt Balderich (1125 - 1147) und ist im wesentlichen heute noch im Kern erhalten und bestimmt den romanischen Grundriß unter der barocken Verkleidung. Dieser Neubau wurde bereits von R. PÜHRINGER (1931) einer eingehenden Baukernanalyse unterzogen. Der hochromanische Bau folgt zunächst der Dreischiffigkeit der Vorgängerkirche und zeigt im Chorus minor niedersächsischen Stützenwechsel, im Chorus major quadratische Pfeiler. Über diesen Bereich hinaus wurde der Balderichbau durch ein Querschiff mit Dreiapsidenschluß verlängert. Der Gesamtgrundriß stellt somit eine Synthese von niedersächsischen Einflüssen und bayerischem Kirchentypus dar. Die niedersächsische Komponente macht R. PÜHRINGER (1931) u. a. durch den Vergleich mit Quedlinburg einsichtig, den konkreten Zusammenhang leitet er aus der Biographie des Erzbischofs Konrad I ab, welcher während seines Exils in Niedersachsen war. F. FUHRMANN (1982), der sich zuletzt mit dem Bau beschäftigt hat, sieht darin das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, wie niedersächsischer Stützenwechsel, bayerische Pfeilerbasilika, Querschiff mit fluchtenden Apsiden und Reformorden, Hirsauer Reform, Chorus major und minor, welche zwar die Individualität des Baus ausmachen, aber dennoch in der allgemeinen Tradition verankert sind.
Eine wichtige Beobachtung PÜHRINGERs betrifft den Westturm, der in den unteren drei Geschossen eine andere Quaderstruktur aufweist als in den Geschossen ab der Dachzone des Balderichbaus. Hier konnte R. PÜHRINGER (1931) feststellen, daß das regelmäßige Quadergefüge aus kleinen plattigen und roh behauenen Quadern aus Oberalmer Kalk in Nagelfluhquadern größeren Zuschnitts übergeht. Diese Mauerstruktur ist seiner Ansicht nach die allgemeine Quaderstruktur des 12. Jhdts. in Salzburg. Weiters setzen im Dachraum ursprünglich freistehende Lisenen an und es zeigt sich eine deutliche Baufuge zwischen den Mauern der unteren Geschosse und dem Balderichbau. Die Baukernanalyse ergibt somit deutlich, daß hier ein älterer Westturm von der hochromanischen Basilika übernommen und aufgestockt (?), zumindest aber erneuert wurde. Auch aus stilistischen Gründen ist der Westturm im von der Hirsauer Reform beeinflußten Balderichbau ein Fremdkörper. Als mögliche Datierung für den Turmunterbau nimmt R. Pühringer (l931) den Vorgängerbau nach dem Brand von 847 in Anspruch, d. h. den von KARWIESE ergrabenen Liuprambau St. Peter III. Das Westturmkonzept hängt somit von der Datierung des vorromanischen Kirchenbaus ab. ST. KARWIESE (1982 a) schließt aus der historischen Entwicklung des Klosters eine größere Bautätigkeit zwischen 987 und 1110 aus, da 987 die Gütertrennung zwischen Erzstift und Abtei im ungünstigen Verhältnis von 9 : 1 eine größere Baulast unwahrscheinlich macht; außerdem fehlt es an entsprechenden Baunachrichten.
Diese zunächst bestechende Begründung und das argumentum ex silentio hat jedoch zwei Argumente gegen sich. Zum einen ist es die allgemeine Entwicklung des Einzelwestturms vom 9. bis zum beginnenden 11. Jhdt., die, wie im Hauptteil dargelegt wurde, einen Turm dieser Art typologisch erst im 10. Jhdt. möglich macht, zum anderen aber ist es die Kritik der Grabungsbefunde bei H. SENNHAUSER (1983), die zu einer anderen Datierung des Vorgängerbaus St. Peter III führt.
Zunächst weist H. SENNHAUSER (1983) nach, daß der Zweikammerbau wegen seiner geringen Größe und aufgrund zahlreicher Vergleiche mit spätantiken und frühmittelalterlichen Grabkammern in Deutschland, der Schweiz und Frankreich nicht als " fränkische Saalkirche des 7./8 . Jhdts. " anzusehen sein dürfte, sondern als Grabbau oder Klosterturm des 8. Jhdts. Weiters stellt sich SENNHAUSER gegen die Rekonstruktion von St. Peter II als freistehenden Kryptenbau vor St. Peter I, da eine Kirchenfamilie kaum sinnvoll für das 9. Jhdt. abzuleiten sei.
Stilistische Vergleiche der Krypta von St. Peter II, die ST. KARWIESE (1982 a) als Vierstützenraum mit Balkendecke rekonstruiert, mit Krypten in der Schweiz (Schänis, Basel, Zürich, in Salzburg (Dom) und Speyer zeigen nach SENNHAUSER klar, daß es sich dabei um eine Form des 11. Jhdts. handelt. Die im Befund erwähnten, relativ dünnen Wände der Krypta von St. Peter II sprechen dafür, daß es sich hier um einen nachträglichen Einbau in eine bereits bestehende Großkirche handeln muß. Die Existenz eines zweiten Estrichs in der Krypta erklärt H. SENNHAUSER (1983) mit der langen Benützungszeit. Als historisches Argument führt er an, daß der für St. Peter II herangezogene Erzbischof Arn (785 - 821) Zeitgenosse Angilberts und Abt Gozberts von St. Gallen war und seine "Königsnähe" für St. Peter eher einen hochkarolingischen Großbau erwarten ließe. H. SENNHAUSER (1983) faßt daher zusammen, daß für die Existenz von St. Peter II vorläufig nicht genügend Überlegungen namhaft gemacht werden können; "Typenvergleich und allgemeine Erwägungen sprechen eher dafür, daß dieser Bau in der von Karwiese rekonstruierten Form nicht existiert hat".
St. Peter III ist aufgrund der Analyse der strengen Maßverhältnisse (Mittelschiff zu Seitenschiff wie 2 : l) und des straff organisierten Grundrisses als dreischiffige Basilika mit gestaffeltem DreiapsidenschluB dem strengen Maßkanon der Frühromanik des 11. Jhdts. zuzuordnen.
Zieht man diese Beobachtungen SENNHAUSERs ins Kalkül und die Tatsache, daß die allgemeine Entwicklung des Einzelwestturmes gegen einen Turm des 9. Jhdts. spricht, außerdem die Abfolge von St. Peter I und II nur schwer kunstgeschichtlich nachzuweisen ist, so scheint meiner Meinung nach der zeitliche Ansatz einer dreischiffigen Basilika mit Westturm des 11. Jhdts. die größere Wahrscheinlichkeit zu besitzen. Dafür spricht auch die erst nachträglich eingebaute Krypta des 11. oder 12. Jhdts., wie sie SENNHAUSER rekonstruiert. Das historische Argument KARWIESEs für eine Baustagnation zwischen 987 und 1110 scheint mir nicht unumstößlich, insbesondere was das argumentum ex silentio betrifft.
Weitere bauliche Veränderungen im Turmbereich erfolgten mit der Errichtung des spätromanischen Westportals um 1240, das nach den Untersuchungen W. MESSERERs (1981) ältere Teile im Tympanon miteinbezieht, wobei ein Vorgängerportal demnach bereits gegen Ende des 12. Jhdts. bestanden haben dürfte. Unter Abt Richerus (1242 - 1259) wurden die südliche Hl. Geist-Kapelle und die Vorhalle angefügt, sowie nach R. PÜHRINGER (1931) die Fenstersäulchen der Turmfenster im Stil des 13. Jhdts. überarbeitet, mit Kelchkapitellen versehen bzw. in rotem Untersberger Marmor ergänzt. Abt Otto III (1375 - 1414) veränderte die oberen Turmgeschosse und 1424 erfolgte der Zubau der nördlichen St. Wolfgang-Kapelle.
Stadtansichten des 17. Jhdts. geben den Turm im spätmittelalterlichen Bauzustand vor der Barockisierung von 1754 wieder. Er war demnach in vier Geschossen über der Vorhalle durch Lisenen und Rundbogenfriese gegliedert und von zwei-, drei- bzw. vierteiligen Fenstern durchbrachen. Das Gliederungssystem folgt in seiner Struktur einem spätromanischen Konzept, das nur im Detail (Basen und Kapitelle der Fenstersäulchen) die Stilformen des 13. und 14. Jhdts. zeigt. Bei der barocken Veränderung wurden die Fenster vermauert.
Durch die zahlreichen Umbauten des Westturms von St. Peter bedingt, ist die ursprüngliche Struktur im Inneren nicht mehr eindeutig klärbar. Der Durchgang zur Orgelempore im Geschoß über der Vorhalle und der von ST. KARWIESE (1982 a) angeführte Bogen im darüberliegenden Geschoß deuten jedoch an, daß in diesem Bereich im 11. Jhdt. ein liturgisches Obergeschoß zu vermuten ist. Die relative Hochlage dieses Geschosses spricht eher für eine Kapelle mit Öffnungen zum Langhaus, als für eine mit dem Turm verbundene Emporenanlage.
Zusammenfassend kann man zu dem Problem des Westturms von St. Peter sagen, daß, entgegen der seit PÜHRINGER aufrecht erhaltenen Hypothese eines karolingischen Westturmes, dem derzeitigen Forschungsstand entsprechend, erst im 11. Jhdt. ein Vorhallenturm mit Obergeschoß und darüberliegenden durchfensterten Geschossen errichtet wurde. Sollte sich aufgrund der noch nicht ausgewerteten Kleinfunde(entgegen der Ansicht H. SENNHAUSERs) die Existenz des Liuprambaues bestätigen, so ist damit nicht unbedingt die gleichzeitige Errichtung eines Westturmes bewiesen. Der stratigraphische Befund allein reicht derzeit für eine gesicherte Zuordnung des Turmes zum Liuprambau nicht aus.
2. Nonnberg: Hl. Erentrudis
Der Überlieferung nach wurde das Benediktinerinnenstift Nonnberg vom Hl. Rupert gegründet. Als erste Äbtissin setzte er seine Nichte Erentrudis ein. über die Form dieses Baus gibt es keine Aufschlüsse.
Unter Erzbischof Friedrich I. (958 - 991) zerstörte ein Brand die Kirche, so daß Erzbischof Hartwik (991 - 1023) einen Neubau errichten ließ. Der Bau entstand unter Förderung Kaiser Heinrichs II., der einer ungesicherten Tradition nach bei der Weihe von 1009 anwesend war. 1023 überführte man die Gebeine der Hl. Erentrudis in die Krypta unter dem Chor und 1041 wurde in der "Ehrentraud- Kirche (= Krypta)" über dem Grab ein Altar und zwei weitere Altäre geweiht. 1140 werden der Hochaltar und zwei Nebenaltäre zu Ehren der Hll. Petrus und Paulus geweiht, 1178 ein Thomasaltar, 1289 ein Virgilienaltar. Von diesem romanischen Kirchenbau ist zu vermuten, daß er dreischiffig mit Dreiapsidenschluß angelegt war. G. HEIDER (1857) nimmt eine Holzdecke an, die beim Kirchenbrand von 1423 mit zur Zerstörung des Kirchenschiffes beitrug. Es wurden jedoch nur notdürftige Reparaturen vorgenommen und erst ab 1464 führte man den heutigen gotischen dreischiffigen Langhausbau mit Netzrippen- und Sterngewölben sowie den polygonalen Dreiapsidenschluß aus. Den Westturm, der zunächst durch die Erhöhung des Kirchendachs beeinträchtigt war, ließ Äbtissin Daria (1484 - 1505) aufstocken. 1711 mußte der desolate Turmoberteil abgetragen und in barocker Form erneuert werden.
Die ältesten noch erhaltenen Bauteile sind der Westturm und der ehemalige Nonnenchor. Der Nonnenchor bildet eine querrechteckige Halle, welche etwas breiter als das gotische Mittelschiff ist, mit sieben Nischen an der Westseite und fünf Nischen an der Nordseite. Gegen das Langhaus zu folgt die spätgotische Pfeilerstellung der Nonnenempore. 1857 wurden die für die Salzburger Malerei der l. H. d. 12. Jhdts. so wichtigen halbfigurigen Nischenfresken unter den mächtigen barocken Substruktionen der Orgelempore entdeckt und freigelegt. Sie belegen, daß dieser Westteil der romanischen Kirche als Gegenchor zu interpretieren ist und keinen direkten Durchgang zum vorgelagerten Turm hatte. Der vor Freilegung der Fresken vorhandene Stiegenaufgang in den Turm und zur Mesnerwohnung wurde erst in der Barockzeit errichtet, da er die Substruktionen und das barocke Mischmauerwerk durchbricht.
Der vorgelagerte quadratische Westturm benützt teilweise die Rückwand des Nonnenchors, welcher ursprünglich wesentlich höher hinaufreichte, wie die Freskenfragmente über den Nischen belegen. Der Turm wird im Norden und Süden direkt in den Kreuzgang einbezogen, von dem aus zwei Portale in das stichkappengewölbte Erdgeschoß führen. Eine weitere schmale Tür öffnet sich gegen Westen. V. BERGER (1895) gibt an, daß dieses Erdgeschoß bis 1883 nur zwei schlanke, ca. 90 cm breite Durchgänge mit waagrechtem Sturz hatte. Diese Durchgänge wurden im 19. Jhdt. erweitert und der westliche ausgebrochen. über dem Erdgeschoß folgen noch drei, im Inneren nicht unterteilte Geschosse, mit gekuppelten Drillingsfenstern im vierten Geschoß, die sich im Osten in den spätgotisch erhöhten Dachraum öffnen. Das Glockengeschoß stammt von 1711. Unter dem Dachstuhl haben sich Reste eines Rundbogenfrieses erhalten. Auf Klosteransichten des 17. Jhdts. sind zwei Geschosse mit je drei Fensteröffnungen erkennbar.
V. BERGER (1895) vermutet wegen einer vermauerten Türe im ersten Obergeschoß und kleiner vermauerter Fensteröffnungen, daß sich hier ehemals eine Empore befunden hat. Dazu gehören noch die vier "im nördlichen Seitenschiffe der Kirche stehenden Säulen mit Würfel-Capitälen, deren Höhe gerade mit dem Mauerabsätze am Thurm übereinstimmt".
Über den zeitlichen und baulichen Zusammenhang zwischen Westturm und Nonnenchor geben die schematischen Grund- und Aufrisse nur wenig Aufschluß. V. BERGER (1895) gibt eine Beschreibung des Mauerwerks durch P. F. Camponi anläßlich eines Restaurierungsprojekts wieder, wonach das Erdgeschoß aus "in regelmäßig gelegten Schichten von 0,14 bis 0,24 m hohen Kalksteinen" besteht. Die Lithographie bei V. BERGER (1895) zeigt beim Durchbruch des Stiegenaufganges in den Turm hinter dem barocken Mischmauerwerk der Emporensubstruktion ebenfalls Bruchsteinmauerwerk. Turm und Nonnenchor könnten nach Lage im Grundriß aus verschiedenen Bauperioden stammen. Den terminus post quem stellt die Neuweihe der Kirche von 1009 dar, den terminus ante quem die Nonnberger Fresken aus der l. H. d. 12. Jhdts. P, F. Camponi glaubt fälschlicherweise, im Erdgeschoß römisches Mauerwerk zu erkennen, eine Ansicht, die noch in der österr. Kunsttopographie (ÖKT) als Vermutung nicht ausgeschlossen wird. G. HEIDER (1857) denkt an eine flankierende Doppelturmanlage in Art des Salzburger Domes von 1009. R. PÜHRINGER (1931) vergleicht die Wandgliederung des Nonnenchors mit der Wolfgangskrypta von St. Emmeram, der Stephanskapelle in Regensburg, der Marienkapelle zu Würzburg und der Wipertikrypta in Quedlinburg. Er bezeichnet das Nischenkonzept als typisch für das 11. Jhdt. PÜHRINGER datiert den Nonnenchor im Zusammenhang mit der Erentrudiskrypta um 1043 und verneint wegen der dreifach gekuppelten Turmfenster und der Ähnlichkeit dieser Fenster mit den Schallöffnungen in Millstatt eine Entstehungszeit des Turmes vor 1043.
Vorläufig kann der Westturm der Stiftskirche von Nonnberg wegen fehlender Baudaten und Untersuchungen der Substanz nur zwischen der Mitte des 11. Jhdts. und der Mitte des 12. Jhdts. angesetzt werden. Die Freskierung des Nonnenchors könnte, wie R. PÜHRINGER (1931) andeutet, in ein älteres Nischenkonzept eingefügt worden sein, was für eine Frühdatierung des Turmes sprechen würde. Der eigenartige Turmtypus mit Erdgeschoß ohne Verbindung zum Langhaus und die Einbindung in den ebenfalls in ungewöhnlicher Lage angeordneten Kreuzgang ist durch die örtliche Topographie des Klosters bedingt.
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Literatur:
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studiolo 19.06.99 21:39