Saarbrücker Zeitung, 27.04.2005
Wie die Rechten ihre Gesinnung verschlüsseln
Bildungs- und Forschungswerk Saar-Lor-Lux erklärt die Kleidungs-Botschaften junger Rechter
Glatze, Springerstiefel und Bomberjacke – das war einmal. Ein Vortrag im Adolf-Bender-Zentrum zeigt: Heutige Neonazis kleiden sich schicker und verraten ihre Gesinnung durch Zeichen an ihrer Kleidung.
St. Wendel. Glatze, Springerstiefel, Hosen vom Feldanzug und Bomberjacke – so marschieren sie trommelnd und Reichkriegsfahnen schwenkend über Deutschlands Straßen, die Neonazis. Das jedenfalls zeigt das Bild, welches der Videoprojektor an die Wand wirft und Glauben machen möchte, dass Nazis heute so aussehen. "Falsch!", meint Stefan (Name geändert) vom Bildungs- und Forschungswerk Saar-Lor-Lux (Bifor). "Das ist schon lange nicht mehr das typische Auftreten moderner Nazionalsozialisten." Auf Einladung des St. Wendeler Adolf-Bender-Zentrums und der Antifaschistischen Aktion St. Wendel waren die Bifor-Fachleute nach St. Wendel gekommen, um darüber zu berichten, an welchen Kleidungsmerkmalen, so genannten Dresscodes, sich Nazis gegenseitig heute erkennen.
Gerade in der Jugendkultur habe die Kleidung mehr Funktionen, so Stefan. Die jungen Leute kommunizierten mit ihrer Kleidung miteinander. "Wenn das Bild des Bomberjacken tragenden Skinheads auf alle Nazis zutreffen würde, dürfte es nach ihrem äußeren Erscheinungsbild heutzutage keine Nazis mehr in Deutschland geben", erklärt Stefan. Hingegen zeigt ein Foto von einer der aktuellen Nazi-Demonstrationen junge Leute in typischen weiten Teenager-Klamotten, manche tragen sogar das Porträt des kubanischen Revolutionskämpfers Ernesto Guevara, kurz Ché genannt, auf dem T-Shirt. Ein anderes Bild zeigt als Vergleich dazu den Leiter der Kameradschaft Saarlautern, Dominik Kleer, in voller "Kampf-Ausstattung". Dass sich viele Nazis ihren Style aus dem Kaufhaus besorgen, sei einigen Markenherstellern sauer aufgestoßen, weiß Stefan. So würden die Sportmarken "Lonsdale" und "Fred Perry" von den Rechten missbraucht. "Lonsdale" sei deshalb interessant, weil das Wort die Buchstabenfolge "nsda" enthalte, in Anlehnung an Hitlers Partei. Als "Lonsdale" davon erfahren habe, Lieblingsausstatter der Rechtsextremisten zu sein, habe der Kleidungshersteller Gegenkampagnen gestartet.
Andere Kleidermarken wie "Bit Bull", auf dem Pullover dieser Marke war der Schriftzug "Germania" oder ein Schlagring abgedruckt, oder die Marke "Troublemaker" distanzierten sich da nicht so sehr von ihren Kunden. Andere Hersteller produzierten von vorn herein für die Neonazi-Klientel.
Gesinnung wird versteckt
Seien diese Zeichen und Marken noch recht offensichtlich erkennbar, so werde die Gesinnung oft auch eher versteckt, mit Zahlen und Zeichen codiert, zur Schau getragen. Das ist Timos (Name gändert) Fachgebiet: "Gerade in gebildeten intellektuellen Kreisen wird eher auf die germanischen und nordischen Mythen Bezug genommen." Sie verwendeten gerne germanische Schriftzeichen, die Runen. So habe die Marke "Thor Steinar" einst zwei verbotene Runen zum Markenzeichen verbunden, Thors Hammer tauche als Symbol oft auf, als Zeichen oder stilisiertes Abbild. Offensichtlich verbotene Symbole wie der SS-Totenkopf, der Reichsadler mit Wappen und die von der SS entworfene schwarze Sonne dagegen würden eher mal als Tätowierung versteckt getragen. Zwei gekreuzte Hämmer zeugten von den so genannten Hammer-Skins. Die Mode passe sich an: Statt übergroßen Sweatshirts gebe es jetzt sogar schon knapp geschnittene Teile für modebewusste Nazi-Mädchen. Timo: "Nazis können sich genauso schick kleiden wie die anderen Jugendlichen und können dabei sogar ganz subtil ihre Gesinnung mit zur Schau tragen." Damit nähmen diese auch keine Randposition mehr ein. Timo: "Die Nazi-Konfektionshersteller haben sich da auch andere Moderichtungen zu eigen gemacht, stellen Skatershirts her, gehen auf die Rock'n'Roll-Mode ein." Die Gesinnung werde in den FarbenSchwarz, Weiß und Rot oder Zahlencodes verschlüsselt. So stehe 18 als erster und achter Buchstabe im Alphabet für A und H, das Kürzel für Adolf Hitler. Und die Zahl 88 verschlüssele das HH für "Heil Hitler".