Traumberufe der EA3 – Frau Sperlichs Visionen
Drei Jahre gemeinsame Schulzeit, gemeinsames Arbeiten und Lachen, liegen nun hinter uns. Und da stellt Ihr mir die Frage: „Was meinen Sie wohl, welchem Beruf wir einmal nachgehen werden?“
Der erste Gedanke war natürlich: „Erzieherin. Schließlich habt Ihr das gelernt!“ Nein, mir ist natürlich klar, dass diese Ausbildung für viele nur ein Sprungbrett für etwas Anderes, etwas Größeres ist. Aber für was???
Nun sitze ich hier und lass meinen Gedanken freien Lauf, was die Zukunft Euch wohl so bringen mag …
Und da sehe ich sie, mit ihrer lockeren, gesprächigen und manchmal etwas zickigen Art. Sie sitzt auf einem blauen Sofa, die Beine elegant übereinander geschlagen. (Irgendwie erinnert mich dieser Anblick an Barbara Eligman.) Sie lächelt und schließlich beginnt sie zu reden, von irgendwelchen Promis und irgendwelchem Klatsch und Tratsch. Obwohl der Inhalt eher oberflächlich scheint, beweist sie jedoch ein gutes Hintergrundwissen und eine überzeugende Selbstsicherheit. Da geht es auch schon los und sie begrüßt uns zu ihrem Magazin: „Julia – Leben, Liebe, Lifestyle“.
Da schweifen meine Gedanken schon weiter. Was wird wohl aus unserer lebenslustigen Freudianerin mit dem Revoluzzer-Verhalten? Ein Bild entsteht vor meinen Augen. Nach langer Arbeit in unterschiedlichen Ländern, langer Recherche und vielen Gesprächen sitzt sie in ihrem Büro am Computer und schreibt die letzten Sätze ihrer Enthüllungs-Reportage, den Pulitzer-Preis vor Augen. An der Tür zu ihrem kleinen, aber gemütlichen Büro lese ich: „Janina Schmidt – Leitende Redakteurin“.
Weiter wandern meine Gedanken zu einem nächsten Ort – ein Institut für Kinderpsychologie. Ich betrete einen Raum, an dessen Tür steht: „Assistentin von Prof. Dr. Sowieso“. Aha, Assistentin. Das hätte ich mir denken können. In der Schule hielt sie sich auch lieber im Hintergrund. Zurückhaltung und Ruhe waren stets ihre Stärken. Im Büro sehe ich sie dann zusammen mit einem kleinen Jungen. Sie führt gerade einen Intelligenztest durch. Fein säuberlich notiert sie alles Notwendige, um die Daten später ihrem Chef zur weiteren Analyse vorlegen zu können. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre im Raum. Dies zeigt sich auch, als der kleine Junge sie am Ende freudig in den Arm nimmt. Mit einem Lächeln sagt er dann: „Bis morgen, Frau Middel!“.
Vom Institut fliegen meine Gedanken weiter. Wieder befinde ich mich in einem Raum. Er ist recht groß und in ihm befinden sich ca. 20 Tische. Alle Tische sind feierlich gedeckt. An einigen sitzen kleinere Gruppen und speisen genüsslich ein Drei-Gänge-Menü. Im Hintergrund höre ich leise Musik, die eine kleine Kapelle jeden Abend live zum Besten gibt. Das Service-Personal arbeitet zügig und gewissenhaft. Auch in der Küche herrscht Ordnung und Disziplin. Es wird deutlich, dass hier jemand die Zügel fest im Griff hat. Aber wem gehört das feine Lokal? Beim Hinausgehen werfe ich noch einen Blick zurück und lese in leuchtender Schrift über dem Eingang: „Pina`s Ristorante“.
Das Bild verblasst. Ein neuer Raum taucht vor meinem Auge auf. Er ist viel größer, viel imposanter. Ja, jetzt erkenne ich, was es ist – ein Theater. Und mitten auf der Bühne sehe ich sie. Strahlend zitiert sie ihren Text. Damit hatte sie noch nie Probleme. Auswendig Lernen für Klausuren fiel ihr nicht wirklich schwer. Auch Rollenspiele oder eigene Filmproduktionen meisterte sie stets ohne Probleme. Da, auf der Bühne tut sich was. Der Vorhang schließt sich. Das Publikum applaudiert, fordert eine Zugabe der Schauspielerin und ruft wie aus einem Mund: „Theresa. Theresa. …“
Raus aus dem Theater führen mich meine Gedanken an einen anderen Ort. Auch hier wirkt alles recht feierlich. Oh, es handelt sich um einen Staatsempfang. Ein französischer Minister gibt sich die Ehre. Direkt hinter ihm steht sie, eine eher zurückhaltende, stets freundliche Frau. Mit ihrem Sprachtalent hat sie es weit gebracht. Sie arbeitet als Dolmetscherin für die deutsche Botschaft in Paris. Auf dem kleinen goldenen Schild an ihrem Revers steht: „Sylvia Romanowski –Dolmetscherin“.
In meinen Gedanken fliege ich weiter. Von Paris geht es tausende von Kilometern weiter an einen ganz entfernten Ort – eine Insel in der Südsee. Und da sehe ich sie. Eine fröhliche Familie mit vier kleinen Kindern. Sie spielen gemeinsam am Strand, weit ab von allen Konventionen. Genau das Richtige für eine liebenswerte Chaotin – ein Leben als Aussteigerin. Sie und ihr Mann engagieren sich für die Bedürftigen der Insel. Von den Ureinwohnern wird sie liebevoll nur „Schwester Henne“ genannt.
„Schwester“ wird diese Frau in dem Bild, das nun vor meinen Augen entsteht, nicht genannt. Das würde sich niemand wagen. Hier begegnen ihr alle mit großem Respekt. Hier, wo bin ich überhaupt? Ein großes Gebäude, mit langen Fluren und vielen Türen. Plötzlich höre ich ein lautes Klingeln. Die Türen werden aufgestoßen und Kinder strömen wild durcheinander hinaus. Ferienbeginn! Mit ruhigem und selbstbewusstem Schritt verläßt eine Frau die Klasse. Sie trägt ein schlichtes, aber elegantes Kostüm. Auf dem Weg zum Lehrerzimmer kommt ein Mädchen mit einem kleinen Blumenstrauß auf sie zugelaufen. Strahlend sagt sie zu ihr: „Schöne Ferien, Frau Seckin.“
Völlig anders läuft es in dem nächsten Bild ab, das vor meinen Augen entsteht. Hier ist alles völlig ordentlich und genau - ein helles, freundliches Büro. Am Fenster steht ein großes Zeichenbrett mit einigen Skizzen. Hier entwirft sie ihre Zukunftsvisionen, die alle peinlich genau durchdacht sind. Mit Vorliebe entwirft sie riesengroße Sportstadien - ein eindeutiger Einfluss ihrer ehemaligen Sportkarriere – oder aber Einrichtungen für Kinder, Schulen usw. Ich gehe zu ihrem Schreibtisch und da sehe ich den eleganten silbernen Briefkopf: „Architektur der Zukunft – Sara Hess“.
Zum nächsten Bild ist es gar nicht so weit. Ich verlasse das moderne Büro-Gebäude gar nicht. Stattdessen begebe ich mich zum Fahrstuhl und fahre hinauf zur obersten Etage. Ich gehe in ein weiteres Büro, das einen herrlichen Blick über eine Großstadt ermöglicht. Hier ist es nicht ganz so ordentlich, aber ziemlich gemütlich. Es wimmelt von Spielzeug und Computern. Was ist das nur für eine Firma? Ich schau mich weiter um. Vor mir liegt ein Computerspiel – ein Lernspiel für Kinder. Ich lege die CD ein. Super! Hey! Das macht echt Spaß! Super animiert und lernen kann man auch noch was. Wer hat das nur entwickelt, frage ich mich noch, während ich die Rückseite des Covers betrachte. Typisch, wie in der Schule! Auch da wollte sie nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Daher muss ich auch ganz genau hinschauen, bis ich unten auf der Seite folgendes finde: „Spieldesignerin - Franziska Götze“.
Während ich mich noch über das Spiel freue, fliegen meine Gedanken schon weiter und landen in einem süßen, kleinen Reihenhaus. Hier sieht es zunächst gar nicht so nach Arbeit aus. Auf dem Schlafzimmerbett liegen Koffer, die nach einer langen Reise noch nicht ausgepackt wurden. Es scheint niemand Zuhause zu sein. Doch dann vernehme ich ein Geräusch. Ich gehe weiter und es wird lauter, lauter, bis ich am Arbeitszimmer ankomme. Dort sitzt sie. Wie immer ruhig und gewissenhaft. Vertieft in das, was sie in den Computer tippt. Ich wage einen Blick über ihre Schulter und erhasche einen Blick auf die erste Seite eines Manuskripts. Ich schmunzle. Das hätte ich mir ja denken können. In der Schule drehte sich für sie häufig auch alles nur ums Essen. Ach ja, der Titel ihres neuen Buches, an dem sie gerade schreibt, lautet: „Gourmet-Tempel in Vorderasien – von Jessica Stein“.
Diesen Gourmet-Führer liest bestimmt auch die Business-Frau des nächsten Bildes, das langsam vor meinem Auge entsteht. In einem großen und eleganten Konferenzraum leitet sie gerade eine Redaktionssitzung und verteilt anstehende Aufgaben. Schließlich ist sie die Leiterin eines großen Frauen-Magazins. Schon in der Schule hatte sie dieses selbstsichere Auftreten und sie war stets zielstrebig. Nur so konnte sie es von der einfachen Journalistin hin zur Leiterin eines eigenen Frauen-Magazins schaffen. Als Krönung des Ganzen lieh sie dem von ihr entwickelten Magazin auch noch ihren Namen – „ALINA“.
Tja, so kann es sein. Was aber tatsächlich aus Euch wird, liegt ganz allein in Eurer Hand. Ich hoffe jedoch, dass Eure Wünsche wahr werden. In diesem Sinne: Viel Erfolg und viel Glück auf Eurem weiteren Lebensweg!
S. Sperlich
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