Profitierten die Tochtergesellschaften vom Krieg?

 

Während die Lonza AG im Dezember 1939 „Schwierigkeiten im Import von Rohmaterialien und Export von Fertigprodukten“ beklagte, boten ihre deutschen Tochtergesellschaften keinen Anlass zur Klage: „ Die eingegangenen Zahlen von Lonza-Werke und Lonzona belegen (...) ihren guten Geschäftsgang und die stetig sich verbessernde Finanzlage.“ Im Januar 1940 billigte der Verwaltungsrat der Lonza AG das von Geschäftsführer Müller konzipierte „Ausbau-Programm Waldshut“, ein Investitionsprogramm vom 3.1 Mio.Reichsmark, die für den Bau eines grossen Karbidofens und ei Verstärkung der Acetatanlage eingesetzt werden sollten. Darüber hinaus sollten sich die Lonza-Werke mit etwa 0.25 Mio. Reichsmark am Aufbau eines Stickstoffwerkes in Österreich beteiligen. Wenige Monate später erhielt das Unternehmen vom Reichswirtschaftsministerium die Weisung, eine Acetonanlage zu errichten. Im Februar 1941 genehmigte der Verwaltungsrat der Lonza AG ausserdem einen Kredit über 300 000 Reichsmark zur Steigerung der Produktion von Elektrokorund (einem Schleifmittel) um 3500 Jahrestonnen. Zwar wurden einige Ausbauvorhaben für 1.1 Mio. Reichsmark vor dem Hintergrund des Material- und Personalmangels „regierungsseitig“ abgelehnt, doch wies das Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Freiburg allein für das erste Vierteljahr 1943 noch Bauarbeiten im Werk Waldshut mit einem Umfang von 263 000 Reichsmark aus (Erweiterung der Elektrokorundanlage, Bau eines Karbidsilos und drei weitere Projekte). Investitionen dieser Grösse waren nur noch möglich, weil die zum „OKW-Spezialbetrieb“ erklärten Lonza-Werke als „kriegswichtig“ und ihre Produktion als „kriegsentscheidende Fertigung“ eingestuft wurden. 1941 wurde den Lonza-Werken für ihren kriegswirtschaftlichen Beitrag das „Gaudiplom“ verliehen, was zwar nicht viel bedeutete, doch erhielten nur wenige Betriebe in Baden diese Auszeichnung. Das badische Landwirtschaftsamt schlug der DAF ausserdem vor, den Waldshuter Betrieb zu einem „Kriegsmusterbetrieb“ zu ernennen.

Ende November 1941 waren die Lonza-Werke Waldshut zu 83% mit den als besonders „rüstungswichtig“ geltenden „Sonder-“ und „Sonderstufen-Aufträgen“ ausgelastet, und wenige Monate später berichtete die Bezirksstelle Schopfheim der Industrie- und Handelskammer Freiburg/Breisgau, dass das Unternehmen „mit grossem Erfolg seit Kriegsbeginn bemüht“ sei, seine „Produktion zu steigern und immer mehr den Erfordernissen der Kriegswirtschaft anzupassen“. Tatsächlich wurden – mit Ausnahme des Kalkstickstoffes – während des Krieges markante Produktions- und Ertragszuwächse erzielt.

Damit stammten knapp 7% der in Deutschland hergestellten Menge synthetischen Stickstoffs aus dem Lonza-Werk Waldshut und etwa 8% der deutschen Karbidproduktion aus den Fabriken Waldshut und Spremberg, wobei der Anteil Sprembergs weniger als 1.5% betrug. Auf dem Gebiet der für die Schleifmittelindustrie wichtigen Korund- und Siliciumkarbidproduktion sah die Planung für die Lonza-Werke im Jahr 1943 einen Kapazitätsanteil von 18.4% und 35.5% vor.

Erst wachsende Probleme in der Rohstoff-, Kohlen- und Energieversorgung führten ab 1943/44 in beinahe allen Bereichen zu einem Produktionsabfall. Auf dem Gebiet der Rohstoffversorgung scheint der Waldshuter Betrieb ungeachtet der Betonung seiner „Kriegswichtigkeit“ von der unter Speer praktizierten Benachteiligung der Grundstoffindustrie zugunsten der Rüstungsindustrie betroffen gewesen zu sein. Im September 1944 beklagte das Unternehmen grosse Probleme mit den für die Karbidproduktion notwendigen Kalklieferungen aus dem Raum Ulm, zumal es „als Zulieferungsindustrie keine direkten Wehrmachtsaufträge ausführen“ konnte „ und somit nicht im Besitz der Wehrmachtsauftragsnummern mit Dringlichkeitsstufen“ war. Das für Südbaden zuständige Rüstungskommando Freiburg erklärte dazu, dass eine „Dringlichkeitseinstufung (...) dringend geboten“ sei, „da der Karbidbedarf heute bereits kaum mehr gedeckt werden“ kann.

Bergierbericht Band 6: S.140-144

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