Versuchten die Zwangsarbeiter zu fliehen?

Die Schweizer Tochtergesellschaften in Südbaden waren durch ihre Grenznähe von Fluchtversuchen besonders betroffen; die Rheinfelder Aluminium GmbH und die Waldshuter Lonza-Werke lagen ja unmittelbar am Rhein und damit an der Schweizer Grenze. Im Spätherbst 1941 meldete die Aargauer Kantonspolizei, dass die den Rheinfelder Betrieben zugeteilten Franzosen „samt und sonders ausgerissen“ seien. Die Fluchtversuche nahmen schliesslich solche Ausmasse an, dass im März 1942 alle französischen Kriegsgefangenen aus einem 20 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze entfernt und durch sowjetische Kriegsgefangene ersetzt wurden. Doch blieben solche Massnahmen erfolglos,. Da auch die osteuropäischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter viel riskierten, um die Schweizer Grenze zu überqueren. Das Gewerbeaufsichtsamt Karlsruhe berichtete im Mai 1943 von den Waldshuter Lonza-Werke:

„Die Firma hat sowjetische Kriegsgefangene an den Heiz- und Karbidöfen beschäftigt.

Diese Gefangenen benutzen jede sich bietende Gelegenheit, um unter rücksichtlosem Einsatz ihres Lebens die zirka 100m entfernte Schweizer Grenze zu erreichen. Die Firma ist gezwungen, während der Nachtschicht das Schmelzofengebäude vollkommen mit Wachmannschaften zu umstellen.“

Die Flüchtenden riskierten tatsächlich ihr Leben, denn die Strömung des Rheins riss viele in  den Tod. So ertrank beispielsweise im Oktober 1944 der 19 Jahre alte serbische Lonza-Zwangsarbeiter Milan Jadranski; er wurde zwei Kilometer stromabwärts angeschwemmt. Hinzu kam, dass im März/April 1942 der Befehl erteilt worden war, auf flüchtende westeuropäische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter nach einem Warnruf, auf sowjetische hingegen sofort zu schiessen.

Doch selbst wenn die geflüchteten Zwangsarbeiter die Schweiz erreichen konnte, waren sie noch nicht in Sicherheit. Auch für sie galten die Weisungen der seit 1942 restriktiven Schweizer Flüchtlingspolitik.

Bergierbericht Band 6:S.252


Wie wohnten die Kriegsgefangenen?

Die Waldshuter Lonza-Werke teilten in der Baubeschreibung ihres Kriegsgefangenenlagers mit:

„Die Ausführung erfolgt ganz in Holz, doppelwandig, auf Backsteinpfeilern. Die Dachflächen werden mit Dachpappe eingedeckt. Das Waschhäuschen und die Abortanlage werde auf eine Betonplatte gestellt. Die Abgangsstoffe aus den Aborten werden in eine Grube geleitet, die periodische enleert wird. Die Abwässer aus dem Waschraum sollen zur Versikerung gelangen.“

Abgesehen davon, dass diese Bauweise keinen ausreichenden Schutz gegen Kälte und Nässe bot und viele Zwangsarbeiter über ihre zugige Behausung klagten, stellte sich schon durch die Überlegung gravierende hygienische Probleme. Im Sommer 1944 meldeten die Lonza-Werke, dass der Wanzenbefall im Waldshuter Betrieb so „stark überhandgenommen“ habe, dass eine „Unterkunftsentwesung (Durchgasung)“ beantragt werden musste. 

Bergierbericht Band 6: S.231/232

 


zurück