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„Keine Angst, kleiner Mann!“

 

"Sepp! Hallo Sepp!"  Wo steckt der Bub nur? Überall im Haus, im Hof und im Stall bei den Ziegen, hatte die Mutter schon gesucht. Der Seppel war nicht zu finden. Auch die grosse Kuhglocke, welche an der Haustüre hing, versagte heute ihren Dienst. Gewöhnlich konnte die Mutter an der Glocke ziehen, und sobald die ersten Töne über den Hof schalten, kam der Bub gesprungen.  Langsam wurde es Frau Fässler unheimlich. Das Kind musste doch irgendwo sein. Jetzt kam auch der Vater in den  Garten und beide Eltern schauten hinter jeden Busch und jeden Strauch. „Vielleicht sitzt er in der Baumhöhle, dort bei der alten Eiche“, rief die Mutter dem Vater zu.  Aber auch dort, an seinem Lieblingsplatz, war der kleine Sepp nicht. Selbst der Bläss, ein Appenzeller Sennenhund, gab den Eltern keinen Hinweis, wo das Kind sein könnte.

 

 Im obersten Dachboden  der alten Scheune, hinter riesigen Strohballen, aber stand der Sepp und späte, durch einen engen Spalt in der Bretterwand, in den Hof.  Hier oben würden Vater und Mutter ihn niemals vermuten. Sie konnten ihn lange rufen.  Jetzt würde er niemals aus seinem Versteck hervor kommen. Er hatte doch Angst vor dem fremden Mann.

 

Schliesslich kehrten beide Eltern etwas verlegen in die grosse Bauernstube zurück. Dort hatte sich der Maler bereits eingerichtet. Die  kleine Staffelei stand zum Fenster gerichtet. Eine weisse Leinwand befand sich darauf. Einige Pinsel und  Kohlestifte, eine bunt verschmierte Palette  und viele Tuben Ölfarben lagen auf den Tisch. Sehr verwundert, hörte der Maler die Eltern sagen: "Also, unser Jüngster ist wirklich nirgends, wir haben ihn einfach nicht finden können." Und besorgt fügte die Mutter noch hinzu: "Hoffentlich ist ihm nicht passiert."

"Nein, nein," widersprach der Vater, "er wird  es vergessen haben, dass Herr Zellweger ihn heute abmalen wollte. Er ist ein quick lebendiger Junge und sitzt halt nicht gerne still."

"Schade, wirklich zu schade",  sagte Herr Zellweger. "Ich habe den Bub beim Alpaufzug gesehen. Das Kind in seiner Tracht, mit dem hellen Krauskopf und dem fröhlichen Gesichtsausdruck, dass wäre ein  wunderschönes Porträt geworden. Ich habe ihm doch gestern noch erklärt, dass er keine Angst vor mir haben müsse." Herr Zellwerger räumte, nach diesen Worten,  seine Utensilien zusammen und verabschiedete sich von den enttäuschten Eltern. Sie begleiteten den Maler noch bis zu seinem Auto und vertrösteten ihn auf einander mal.

 

Langsam fuhr der kleine rote Wagen des Künstlers an, verschwand bald hinter dem Zaun und auch aus dem Blickfeld, welches der Sepp vom Dachboden aus hatte. Endlich, dass hatte aber lange gedauert und dem Sepp fiel ein grosser Stein vom Herzen. Jetzt war dieser fremde Mann wieder fort und Sepp konnte aus seinem Versteck hervorkommen. Geschickt, doch vorsichtig kletterte er die steile Leiter vom Dachboden hinunter, und erleichtert sprang er über den Hof, hin zu den erstaunten Eltern.

 

"Da bist du ja!" rief die Mutter erregt und sichtlich verärgert, "wo warst du, der Maler war sehr enttäuscht!" Auch der Vater blickte  erzürnt. Nun konnte der Kleine seine Tränen  nicht mehr zurückhalten und begann zu weinen. Seine Worte blieben ihm fast im Hals stecken: "Ich will halt nicht so bunt angemalt werden, wie die Weiber."

 

Oh nein, der kleine Appenzeller Junge hatte geglaubt << abmalen >> sei das selbe wie << anmalen >> und er wollte nicht mit Lippenstift und Augenschminke verunstaltet werden. Deshalb hatte er vor dem fremden Maler Angst bekommen, und sich versteckt.

Erzählt nach einer wahren Begebenheit.
Die Namen wurden geändert.
Christiane Wild

 

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Verfolgungsjagd  Auerochse

 

 

 "Hilfe, zur Hilfe, der Auerochse jagt mich!" Nur undeutlich konnte ich diese leisen Schreie vernehmen.

 

Gejagt von diesem Urtier, einem Auerochsen, kroch Tom mühevoll durch das Dickicht eines Bergwaldes. Immer wieder warf er scheu einen Blick zurück. Der riesige Auerochse hatte ihn noch nicht  ganz eingeholt. Toms Bewegungen waren wie gelähmt. Das Vorwärtskommen und das Klettern machten ihm unheimliche Mühe.  Ausserdem versperrten überall Äste, lange verschlungene Wurzeln und Felsbrocken den Fluchtweg. Er stolperte einige male und konnte sich nur gebückt weiterbewegen. Dunkle gespensterhafte Schatten und fremdartige Töne verstärkten sein Angstgefühl. Nebelfetzen tanzten durch die Bäume und zauberten Traumgestalten. Tom geriet immer tiefer, in die für ihn so fremde Welt. Es gab kurze Augenblicke, wo er glaubte, einen Vorsprung zu gewinnen. Aber wenn er sich dann umsah, war das Biest auch schon wieder dicht hinter ihm. Tom schwitze. Er schlug wie wild um sich. Das zottige Ungeheuer, dieser kraftvolle Auerochse, mit seinen spitzen  Hörnen und dem schwarzen Fell, verfolgte ihn durch die Nacht. Das fahle Mondlicht liess alles noch viel unheimlicher erscheinen. Es war eine lautlose Verfolgungsjagd. Tom fühlte sich irgendwie sehr schwer und unfähig richtig schnell zu laufen. Alle seine Bewegungen musste er erzwingen. Er konnte auch nicht um Hilfe rufen. Jedenfalls hörte er seine eigenen Schreie nicht, seine Lippen und Stimmbänder gehorchten ihm nur schwerfällig. Seine Rufe: “Hilfe! Hilfe!“ erschalten ganz leise und weit weg.  Und doch wollte er, dieses unzähmbare Wildrind, immer wieder laut anschreien. „Was willst du von mir? Hau ab, hau ab, … du Biest!  Hilfe! Hilfe! “

 

Wurde Tom eigentlich von dem Auerochsen, dem Büffel, oder von der Angst gejagt?  Eigenartig war, dass Tom schon ein Schulbub von sieben Jahren war und alle Tier liebte, besonders auch die grossen.  Er wollte später einmal ein Zoologe werden.

 

Mitten in dieser Verfolgungsjagd ertönte plötzlich Lärm. Die Luft bebte förmlich. Unheimliche Geräusche wurde lauter und lauter… und dann wieder leise, bis das aufdringliche Getöse wieder verstummte.  Auch der Wald erschien nicht mehr so nebelhaft und finster. Langsam wurde es um Tom hell und freundlich. Jetzt zwinkerte der Junge mit den Augen, sprang auf und sah sich erschreckt um. Er war ja gar nicht im tiefen Wald, sondern in seinem Zimmer. Sein Pyjama klebt am ganzen Körper. Das Plumeau war nass geschwitzt und sein Bett zerwühlt. Jetzt erst merkte Tom, dass diese Verfolgungsjagd nur ein hässlicher Traum war.  Und der plötzlich Lärm? Das war natürlich der Wecker, der seine Klingeltöne jeden Morgen erschallen liess.

 

Mit grossen, angstvollen Augen schaute Tom zum Tisch hinüber. Sofort erschrak er wieder mächtig. Dort stand der kleine Auerochse, mit einigen anderen Tieren. Dieser Wildbüffel, das Plastikspieltier, war an seinem Horrortraum schuld gewesen. Er war eine ganze Nacht lang vor diesem Tier geflohen. Sofort wusste Tom auch warum. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Das so fürchterliche Tier hatte Tom gestern, am Mittwochnachmittag, im Kaufhaus aus einem Verkaufsregal gestohlen.

 

Jahre später traf ich Tom und er beichtet mir, dass er diesem Traum noch öfters geträumt hatte. Der Auerochse, dieses  grosse Traumgespenst war zu seinem eignem Fabeltier geworden. Jede Abbildung eines Büffels, erinnerte ihn an diesen fürchterlichen Traum. Das schlechte Gewissen war kein gutes Ruhekissen. Aber gestohlen habe er nie wieder.

 

 

 

 

Nepumuck

 

Schau, schau!

Da hockt die Mücke Nepumuck,

sie ist so flink und auch sehr schlau,

hau nur zu, schnell hau!

 

Nun kreist sie um die Blumenvase,

gleich landet sie auf Opa’s Nase!

Ein kleiner Stich man sieht’s genau,

hau nur zu, aber hau!

 

Schau, schau!

Dort an der weissen Wand -

schlage zu mit flacher Hand,

nun sitzt sie nicht mehr an der Wand!

 

Ihr werdet’s nicht erraten,

morgen gibt’s den Mückenbraten,

 Nepumuck, der Nepumuck,

der macht mich heut nicht mehr verruckt.

 

 

Text: Christiane Wild

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