Referat - Frage des Krieges

Politischer Diskussionszirkel Rheinland

Referat zum Treffen im März 2003

Frage des Krieges


Thema heute: Frage des Krieges.

Mein Referat: genauerer Blick auf ein wichtiges Werk der Arbeiterbewegung. Rosa Luxemburgs "Zur Krise der Sozialdemokratie" auch genannt die Juniusbroschüre. Mitten im 1. Weltkriege 1916 geschrieben und illegal veröffentlicht.

Referate in 2 Teile gegliedert:

  1. Achse: historische Entwicklung hin zum 1WK. Gründe. Viele Starken und ein paar Schwächen in der Argumentation.
  2. Achse: Bezug zu heute: Bedeutung der Schrift, der Methode, der Lehren aus dem Text!

Warum geht’s?
Ausgehend von dem Verrat der Sozialdemokratie geht es hauptsächlich um eine Suche nach Ursachen des imperialen Krieges und damit um ein wirkliches Verständnis des Wesens "Krieg" in verschiedenen historischen Phasen. Einer klaren theoretischen Grundlage kann eine vorwärtspeitschende Praxis folgen.


A: Historische Entwicklung hin zum 1WK:

Zu1: Verrat der Sozialdemokratie

Der erste Punkt zu den Thesen der Juniusbroschüre:

"Der Weltkrieg hat die Resultate der 40jährigen Arbeit des europäischen Sozialismus zunichte gemacht, indem er die Bedeutung der rev. Arbeiterklasse als eines politischen Machtfaktors und das moralische Prestige des Sozialismus vernichtet, die proletarische Internationale gesprengt, ihre Sektionen zum Brudermord gegeneinander geführt und die Wünsche und Hoffnungen der Volksmassen in den wichtigsten Ländern der kapital. Entwicklung an das Schiff des Imperialismus gekettet hat."

Was war passiert?

Die sozialdemokratische Fraktion im Reichstag am 4. August 1914 die Kriegskredite!

Mit den Worten: "Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich. Wir fühlen uns im Einklang mit der Internationale, die das Recht jedes Volkes auf nationale Selbstständigkeit und Selbstverteidigung jederzeit anerkannt hat (...) und so bewilligen wir die geforderten Kriegskredite."

Eine Schwäche der Schrift: Erklärt nicht den Grund für diesen Verrat. Scheint urplötzlich gekommen zusein. Aber: Lenin wies zu Recht in seiner Kritik darauf hin, dass dieses Produkt des Opportunismus sich schon seit Jahren in der Sozialdemokratie entwickelte. Stichwort: "Revisionismusdebatte" Teile um Bernstein: Vorstellung, dass der Kap. nicht auf seinen Untergang zusteuert, im Gegenteil. Daher Revolution keine Notwendigkeit, sondern Reform innerhalb des Kapitalismus!

Was bedeutete diese Annahme der Kriegskredite durch die Sozialdemok.?

Dabei: Ist das "wirksamste Zügel der herrschenden Klassen bei ihren Kriegsgelüsten stets die Angst vor den inneren Unruhen, vor dem Grimm des notleidenden Volkes gewesen."

Ihre Begründung für die Bewilligung: Es ist ein Verteidigungskrieg Ds.. Ein Freiheitskrieg gegen den russischen Despotismus! Beriefen sich hier auf Marx, der Russland 1848 als "Hort der Reaktion" bezeichnet hatte. Dies ein Bsp. Wie man es nicht machen sollte: Völlig dogmatische und a-historische Herangehensweise! 1848: Revolution in Westeuropa, zaristische Truppen zur Niederschlagung der Rev. entsandt. Marx selbst machte über Russland die Einschränkung: Russland reaktionär, "sofern nicht dort die Revolution ausbricht. 1914 völlig andere Situation. 1905 brach in R. die Rev. aus. Russland also "Hort der Revolution". Völlig einseitige und starre Betrachtungsweise. Stichwort: Nationale Verteidigungskriege. Schwäche in Argumentation

Zeigt Bedeutung, eine klare Analyse zu haben. Notwendigkeit als Marxisten eine historisch-dialektische Methode zu haben, um die Natur des Krieges zu erklären. Die Rückschlüsse daraus sind in der Praxis von eklatanter Bedeutung. Fehleinschätzung hat dann fatale Folgen! Wie der Verrat der sozialdemok. Reichstagsfraktion am 4.8.1914.

Sie machte also aus dem Weltkrieg einen Verteidigungskrieg des dt. Reiches gegen den russ. Despotismus, obwohl schon bekannt war, dt. Truppen in Belgien einmarschiert.


Was aber ist der Grund für den Krieg?

Luxemburg hat sich damit nicht zufrieden geben wollen. Kam er so plötzlich, so unerwartet? Wieso kam er überhaupt?

Analyse:Zum wirklichen Verständnis muss man weiter zurückgehen als den 4. August und auch die Frage in einen breiteren historischen Rahmen stellen:

Machen wir das doch gemeinsam mit Rosa.

Der Kapitalismus ist ein System, das auf Profit aus ist, eine Gier, die unstillbar ist. Ein System, das zudem auf Konkurrenz beruht.

Rückschauend, aber auch Rosa erkannte schon: 2 Phasen des Kapitalismus. Bis 1914: aufsteigende Phase des Kap. ab 1914: niedergehende Phase des Kap.

Phase 1: Bis 1914 war der Kap. ein aufsteigendes, wegen seiner Suche nach Profit und neuen Märkten stets ausdehnendes System. Kap. muss unaufhörlich expandieren, um Profit zu erhöhen. So begann vor allem ab der 2.Hälfte des 19.Jh. ein regelrechter Wettlauf der alten, bereits etablierten kap. Staaten (GB, F, Bel.), um die Eroberung der restlichen, nichtkapitalistischen Welt.

Deutschland gutes bsp. Für diese Entwicklung, gerade weil ein Spätzünder. Kompakte und komprimierte Entwicklung. Nationale Einigung spät. Ermöglicht durch die Kriege Bismarcks. 1871. Zunächst Konzentration auf die nationale, innere Politik, d.h. Erschließung des eigenen Marktes. Z.B. überließ man F. Marokko, um von Elsaß-Lothringen abzulenken. Auf Dauer ist aber der nationale Markt zu eng. Notwendigkeit der Expansion über die nationalen Grenzen wurde auch in D. erforderlich, wie zuvor schon in den älteren kap. Staaten.

Daher ab 1890er radikaler Umschwung in der Außenpolitik. Aggressiv und hungrig auf Kolonien! Äußert sich im Flottenbauprogramm. Militärisches Wettrüsten begann. D. Herausforderer; GB 1.Weltmacht.

Warum kam es dazu? Es war das historische Dilemma Ds. Zu spät auf der historischen Weltbühne zu erscheinen. Der Weltkuchen war, bis auf ein paar Krümel unbedeutender Kolonien bereits aufgeteilt. Der Drang Ds. Nach Profit und Expansion aber natur bzw. systemgemäß ungebrochen, wie der anderen kap. Staaten, die aber bereits ihren Hunger vorrübergehend in Kolonien gestillt haben.

Es wird immer deutlicher: Es geht um die nationale Konkurrenz der führenden kap. Staaten, welche aber die ganze Welt umspannt. Ob willig, oder unfreiwillig, jede Region, Kolonie oder kl. Nation wird mit in diesen imp. Konflikt oder besser, Konkurrenzkampf mithineingezogen.

Die Welt ist bereits aufgeteilt. Also muss der Konkurrenzkampf notwendigerweise aggressiver werden. Man kämpft um die bereits aufgeteilten und beherrschten Gebiete, greift also andere imp. Großmächte nun direkt und unmittelbar in ihren Interessen an. Interessenkollision unvermeidlich!!

Luxemburg zeigt sehr ausführlich und klar die verschiedenen imp. Konfliktzonen, und die jeweiligen Interessen der imp. Mächte. Dafür Karte mitgebracht. Kurzer Blick. Marokko, Türkei, Naher Osten.

Dies macht deutlich: Der Krieg kam nicht plötzlich, sondern der Weltkrieg war auf Jahre hin vorbereitet und ergab sich notwendigerweise aus der Notwendigkeit zu Expandieren, auch auf Kosten anderer Staaten. In den 8 Jahren, bevor der Krieg tatsächlich ausbrach, kam es bereits 5x beinahe zum Krieg: 1905 Marokkokrise, 1908 Makedonische Frage, 1909 österreichische Anexion Bosniens, 1911 Marokko, 1913 Armenien.

Vorübergehender Rückzieher dann nur, weil das jeweilige Land noch nicht mit den Kriegsvorbereitungen fertig war. 1914 waren D. Kriegsvorbe. Fertig. Aufrüsten allgemein schon 25 Jahre.


2.Rückschlüsse über das Wesen des Krieges seit 1914

Zusammenfassung von Rosa

Auf seinen objektiven historischen Sinn reduziert, ist der heutige Weltkrieg als Ganzes ein Konkurrenzkampf des bereits zur vollen Blüte entfalteten Kapitalismus um die Weltherrschaft, um die Ausbeutung der letzten Reste der nichtkap. Welt!!

Was aber ist darüber hinaus noch neu an diesem Krieg in der niedergehenden Phase des Kap.?


B: Bedeutung für heute:

Die Juniusbroschüre wurde 1916 geschrieben. Seither sind knapp 90 Jahre ins Land gegangen. Welche Bedeutung, welche Lehren ergeben sich aus ihr für die heutige Einschätzung der aktuellen Lage und besonders bezogen auf die Frage des Krieges?

Wie steht es also mit der Analyse Rosas bezogen auf die weitere Entwicklung des Krieges in der niedergehenden Phase des Kapitalismus?

Rückschauend können wir festhalten:

Was wird deutlich? Krieg ist Teil des kap. Systems. Heute, auch 90 Jahre später steht der interimp. Konflikt noch immer auf der Tagesordnung. So hat die Analyse Rosas nach wie vor zentrale Bedeutung für die heute Lage.

Natürlich kann man nicht alles 1 zu 1 damals auf heute ummünzen. Situation heute schwerer greifbar, z.B. weil es heute keinen direkten Kolonien gibt. Ökonom. Und politische Abhängigkeiten weitaus schwieriger zu erkennen. (Bsp. Ägypten, Suezkanal)

Auch steht ein 3. Weltkrieg heute nicht auf der Tagesordnung. Auf militär. Ebene kann niemand die USA herausfordern. Heißt aber nicht, dass der Grundwiderspruch des kap. Systems sich aufgelöst hätte. Seinen Widerspruch kann nur der vom Kap. selbst geschaffene Totengräber lösen: das weltweite Proletariat!

Wir leben in einer Zeit, wo der Krieg ein permanentes Phänomen geworden ist.

Aber gerade in den letzten Wochen wird immer deutlicher, was sich als allgemeine Tendenz schon seit dem 1.Golfkrieg 1991 andeutet. Auf politischer Ebene werden die USA von zahlreichen Ländern herausgefordert. Zufall, dass es sehr offen auch von D. ausgeht? (potentieller Blockführer).


Blick auf den mögl. Irakkrieg:

Man muss sich heute fragen, was sind die Gründe für den mögl. Krieg. Geht es wirklich nur gegen den "bösen Sadaam"? Oder geht es hauptsächlich oder gar ausschließlich ums "Schmiermittel" Öl? Oder muss man nicht, wie es Rosa für den 1WK tat, diesen mög. Krieg nicht besser in einen breiteren historischen rahmen stellen, als Ausdruck der niedergehenden Phase des Kapitalismus.

Argumentation 1WK: Verteidigungskrieg. Ähnliche Argumentation USA: Wir sind bedroht, also verteidigungs- bzw. Präventivkriege. Oder handelt es sich doch etwa um imp. Kriege? Um eine Machtdemonstration der USA, gegen die immer offensiver werdenden imp. Rivalen wie D., Fr.?

Die Methode, die Herangehensweise an solche Fragen ist von größter Wichtigkeit. Hier liefert die Juniusbroschüre ein sehr gutes Bsp.


C: Was tun?

Nun habe ich euch ausgehend von Rosas Schrift versucht, ein wenig das wesen des Krieges in der niedergehenden Phase des Kap. zu vermitteln. Doch kann man hier nicht stehen bleiben. Sondern: Man muss sich fragen: Welche Schlussfolgerungen muss die Arbeiterklasse daraus ziehen, der einzigen Kraft, die den Kapitalismus überwinden kann:

"Nichts wäre verhängnisvoller, als wenn sich das Proletariat selbst aus dem jetzigen Weltkriege die geringste Hoffnung und Illusion auf die Möglichkeit einer idyllischen und friedlichen Weiterentwicklung des Kapitalismus knüpfen würde.!"


Was also tun?:

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