Referat I zum Treffen im August 2004
Was ist die Antiglobalisierungsbewegung, oder die andere Globalisierung, wie sie sich heute nennt?
Die Antiglobalisierungsbewegung mit ihren Slogans wie "Eine andere Welt ist möglich" und "Die Welt steht nicht zum Verkauf da" gibt es seit den 90er Jahren. Die Hauptkritik dieser Bewegung richtet sich gegen die neoliberale Politik, die ab den 80er Jahren praktiziert wurde, und zwar angeblich von den großen transnationalen Konzernen praktiziert, gegen die die nationalen Regierungen sich immer schlechter durchsetzen könnten und die die Demokratie weltweit schwächen würden. Dieser Neoliberalismus soll der Grund für das zunehmende Elend, für den Hunger und die Kriege in der heutigen Welt sein. Die Antiglobalisierungsbewegung ist eine politische Bewegung, an der sich unterschiedliche Bewegungen und Gruppen beteiligen, wie Attac, Gewerkschaften, autonome, anarchistische und linke Gruppen und Einzelpersonen von Christen bis hin zu Indianern. Es ist klar, dass auch die Forderungen dieser buntgemischten Bewegung unterschiedlich sind. Da findet sich also jeder zu Hause, der irgendetwas an dieser Welt zu kritisieren hat.
Es ist natürlich völlig berechtigt, die Welt, wie sie ist, zu kritisieren. Es ist sicherlich eine schöne Vorstellung, dass wir alle gesund, zufrieden und gut leben könnten. Wer will das nicht? Doch können wir glücklich und zufrieden in jener "anderen Welt" leben, die uns von den Alternativglobalisierern in Aussicht gestellt wird? Wir sind uns mit den Antiglobalisierern darin einig, die heutige Welt abzulehnen, in der alles zur Ware geworden ist: Bildung, Gesundheit, ja, wir selbst, die unsere Arbeitskraft zu Markte tragen. Die Antiblobalisierer sagen: Durch den globalen Handel ist etwas Neues in der Welt entstanden: die multinationalen Konzerne, Finanzgeschäfte, Spekulationen. Wir als Marxisten wissen jedoch, dass dies nichts Neues in der Welt von heute ist. Der Trend zum Welthandel war schon immer ein Teil des Kapitalismus, der Kapitalismus kann nicht im Rahmen eines selbstgenügsamen lokalen Austausches funktionieren. Das, was wir heute vorfinden - die Zunahme von Konkurrenz, Hunger, Arbeitslosigkeit, Kriege und Elend, das Versinken ganzer Länder in Elend und Barbarei - ist eine Stufe in der Entwicklung des Kapitalismus, nämlich seine dekadente Phase, die am Anfang des vorigen Jahrhunderts angebrochen war. Das, was für die Antiglobalisierer angeblich so neu in der Welt ist, ist für uns Marxisten ein alter Hut. Bereits im vor über 150 Jahren verfassten Kommunistischen Manifest steht: "Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Worte, sie schafft sich eine Welt nach ihrem Bilde."
Die andere Globalisierungsbewegung fordert Maßnahmen, wodurch die Welt wieder in Ordnung gebracht und menschenwürdig werden soll. So verlangt sie eine Steuer für internationale Transaktionen (die sog. Tobin-Steuer), Schuldenerlass für die Länder der Dritten Welt und Protektionismus für deren Landwirtschaft und Industrie. Sie fordert Schutzmaßnahmen für kleine Bauern und Händler. Und wer soll ihrer Ansicht nach das alles verwirklichen? Der Nationalstaat, der laut dieser Bewegung in Opposition zu den mächtigen Konzernen steht, der wieder für mehr Demokratie und für das Wohlergehen der Bürger sorgen soll. Das soll die "andere Welt" für uns sein? Sollen wir uns nach den "guten alten Zeiten" zurücksehnen, so als sei der Kapitalismus in der Vergangenheit etwas Gutes gewesen? Ihnen gemäß könne man die schlimmsten Auswüchse des Kapitalismus von heute einfach mit einigen Reformen aufheben, indem wir die Demokratie und damit den Staat stärken. So sollen wir angeblich bewirken können, dass er zu unseren Diensten steht.
Wir als Marxisten können aber mit einem wieder aufgewärmten Reformismus nichts anfangen, genauso wenig wie mit einem Nationalstaat, der dafür da ist, den Kapitalisten vor uns zu schützen, und nicht umgekehrt. Wir haben nicht vergessen, dass es die Nationalstaaten gewesen sind, die die Menschheit schon zwei Mal in einen Weltkrieg geführt haben. Wir wissen, dass der Kapitalismus nicht reformierbar ist, dass es keinen sozialen oder humanen Kapitalismus gibt. Wir begehen nicht die Torheit, in irgendwelchen Bewegungen unsere Kräfte zu verschleißen, indem wir von den Kapitalisten verlangen, nicht mehr Kapitalisten zu sein. Im Gegensatz zu den Antiglobalisierern sehen wir die Lösung für die Rettung dieser Welt in der vollständigen Zerstörung des kapitalistischen Systems, nicht in dessen vielfältigen Versuchen, den Kapitalismus "auszubessern", statt ihn abzuschaffen. Ein weiterer wichtiger Gegensatz zwischen uns Marxisten und den Vertretern der alternativen Globalisierung ist, dass wir unsere Aufgabe, die Revolution, in die eigenen Hände nehmen müssen und wollen und dass die Revolution eine weltweite bewusste und solidarische Aktion sein muss. Die Antiglobalisierer bleiben in einer Welt befangen, wo Untertanen etwas vom Staat fordern, wo Illusionen über die Demokratie herrschen und wo der Solidarität enge Grenzen gesetzt sind, weil der Vorteil des einen immer ein Nachteil des anderen sein wird. Ihre "neue Welt" ist nichts anderes als..... der Kapitalismus. Den brauchen wir uns nicht zu erträumen und nicht zu erkämpfen. In dem befinden wir uns bereits. Wir als Marxisten haben das Ziel, den kapitalistischen Staat zu stürzen und eine wirklich andere Welt zu schaffen, nämlich eine weltweite kommunistische Gemeinschaft, wo keine Steuern, Zölle, nationale Grenzen oder sonstige "Schutzmaßnahmen" mehr nötig sind.
Was steckt aber hinter der Antiglobalisierungsbewegung? Ist sie eine Bewegung, die von weltfremden Träumern geführt wird, für die wir nur ein müdes Lächeln übrig haben? Wir wissen, dass die Antiglobalisierungsbewegung ihre eigenen Theoretiker hat, die den Anspruch haben, die Wirtschaft und die Finanzwelt zu kennen. Wir wissen außerdem, dass die öffentlichen Medien ihr großen Raum in der Berichterstattung gewähren, dass die Bourgeoisie sie finanziell unterstützt. Die Bourgeoisie wird in der Zukunft wegen der weltweiten Krise immer mehr gezwungen sein, die Arbeiterklasse anzugreifen. Sie weiß, dass diese Angriffe, die auch von linken Regierungen geführt werden müssen, provozieren und Empörung hervorrufen werden. Hier verbirgt sich für die herrschende Klasse die Gefahr, dass die Menschen immer mehr den Glauben an die Demokratie verlieren, daran, dass sie wirklich zwischen verschiedenen Möglichkeiten wählen könnten. Es wird immer mehr Leute geben, die angesichts der schlimmen Lage anfangen, Antworten zu suchen, und den Kapitalismus in Frage stellen. All dem will die alternative Globalisierung zuvorkommen, indem sie Scheinlösungen anbietet. Sie poliert die angeschlagene Linke auf, fördert Illusionen über die Demokratie, fordert mehr Staat, und das Wichtigste: Sie hindert die Arbeiterklasse daran, die Realität des Kapitalismus zu erkennen.
Es kann wohl kein Zufall sein, dass das, was die alternative Globalisierung anzubieten hat, und was die Bourgeoisie braucht, so wunderbar zusammenpassen. Wer steckt also hinter dieser Bewegung? Die Antwort kann nur heißen: die Bourgeoisie. Das macht die Antiglobalisierungsbewegung für die Arbeiterklasse auch so gefährlich. Wir als Marxisten müssen bemüht sein, die Wirklichkeit hinter der "anderen Welt" der Antiglobalisierer zu zeigen, dass sie nichts anderes als neu aufgewärmten Reformismus, kleinbürgerliche Träumerei und Nationalismus bedeutet. Wir müssen darum bemüht sein, den Arbeitern zu zeigen, dass in jener "anderen Welt" die Lohnarbeit, das Grundübel im Kapitalismus, nicht abgeschafft ist.
Letztere
kann man nur in einer wirklich anderen Welt abschaffen, in einer
weltweiten klassenlosen Gesellschaft, im Kommunismus.
20.August 2004