referat zum Treffen im Dezember 2004
Ist es notwendig aus der Geschichte zu lernen, um die
Gegenwart zu verstehen und die zukünftige Gesellschaft zu gestalten?
Wenn man sich für die neue klassenlose Gesellschaft einsetzt, wenn man die Revolution will, dann ist es nicht eine fixe Idee, die man da verfolgt, sondern das Handeln muss auf einem theoretischen festen Fundament fußen. Dieses Fundament heißt Marxismus.
Als sich während des 19. Jahrhunderts die kapitalistische Produktionsweise allmählich zur Großindustrie entwickelte, brachte sie gleichzeitig zwei Klassen hervor, die Bourgeoisie und das Proletariat. Am Anfang des Jahrhunderts war die Großindustrie und mit ihr der Widerspruch zwischen der Bourgeoisie und des Proletariats noch sehr unentwickelt. Das Proletariat war eine unterdrückte Klasse, noch unfähig zu selbständigen politischen Aktionen, unfähig sich selber zu helfen. Dementsprechend sahen auch diejenigen, die die Lage der Arbeiter zu verbessern suchten, nur Missstände, Armut und Elend. Diese Leute z.B. Saint-Simon, Fourier, Owen, nannte man Utopisten. Weil sie den Grund für die missliche Lage der Arbeiterklasse nicht erkennen konnten, konnten sie auch nicht die richtigen Mittel entdecken, um die Missstände zu beheben. So gingen sie davon aus, dass die Lösung im Kopf eines einzelnen zu finden war. Man brauchte es nur zu entdecken, unabhängig von Zeit und Raum, unabhängig von der geschichtlichen Entwicklung. Alle Versuche, neue, vollkommene Systeme zu erfinden und sie von außen in die Gesellschaft hineinzuführen, waren zum Scheitern verurteilt.
Im weiteren Laufe des 19. Jahrhunderts trat der Klassenkampf in den Vordergrund der Geschichte der fortgeschrittensten Länder Europas. Man musste die Geschichte neu untersuchen, und man fand heraus, dass die bisherige Geschichte die Geschichte der Klassenkämpfe war. Mit den Worten Engels: “Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte einfache Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können; dass also die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnittes die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen,die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus der sie daher auch erklärt werden müssen – nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt.“ (Grabrede von Engels beim Begräbnis von Marx) Marx untersuchte den Kapitalismus und fand heraus, dass das Grundübel in diesem System, der Widerspruch zwischen der gesellschaftlichen Arbeit und der privaten Aneignung ist. Er fand ferner heraus, dass der Unternehmer gezwungen ist, fortwährend seine Produktionsmittel zu entwickeln, und je entwickelter die Produktionsmittel, je mehr Reichtum der Arbeiter produziert, desto mehr häuft sich die Armut. Der Kapitalismus ist eine Konkurrenzgesellschaft, in der der Unternehmer ständig die Produktivität erhöhen muss. Dies bedeutet: Überarbeitung des einen und Arbeitslosigkeit für den anderen. Also ist der Kommunismus auf Grund der existierenden objektiven Tatsachen eine Möglichkeit und eine Notwendigkeit. Gerade dadurch, dass die Produktionsmittel weit genug entwickelt sind, ist der Kommunismus eine Möglichkeit und auch deswegen, weil es eine Klasse gibt, die den Kommunismus verwirklichen kann. Weil die Produktionsmittel in ihrer Entwicklung den Stand erreicht haben, dass sie nicht mehr der kapitalistischen Produktionsweise entsprechen, wirken sie zerstörerisch. Deshalb ist der Kommunismus eine Notwendigkeit. Im Gegensatz zu den Utopisten konnte Marx die Lösung des Widerspruchs zwischen der Bourgeoisie und des Proletariats in dem letzteren selbst finden. Marx konnte auch sehen, dass das Proletariat selber das ureigenste Produkt des Kapitalismus ist und das Potenzial hat, die kommunistische Revolution zu machen. Marx hat den wissenschaftlichen Sozialismus begründet, indem er die Geschichte materialistisch erklärt und das Geheimnis des Mehrwerts entdeckt hat.
Wenn man sagt, die Vergangenheit interessiert mich nicht, mich interessiert nur die Gegenwart und was jetzt geschieht, dann kann man nicht begreifen, was eine Arbeiterklasse ist, wie und wann ist sie entstanden, was sie schon im Laufe der Jahre erreicht hat, was ihre Niederlagen sind und welche die Gründe für die Niederlagen sind. Wenn man sich aber mit Hilfe des dialektisch historischen Materialismus mit der Geschichte auseinandersetzt, kann man erkennen, dass die Arbeiterklasse die revolutionäre Klasse ist. Wenn die Arbeiterklasse in ihrem jetzigen Zustand statisch betrachtet und nicht in ihrer geschichtlichen Entwicklung, kann man ihr revolutionäres Wesen nicht sehen. Dadurch, dass die Geschichte studiert, kann man überhaupt erst Bewegungsgesetze erkennen. Und ohne diese zu erkennen, ist keine revolutionäre Tat möglich. Um etwas ändern zu können, muss man die Gesetzmäßigkeiten der geschichtlichen Entwicklung verstehen, um sie für sich ausnützen zu können. Um die Welt zu verstehen, muss ich sie in ihrem Werdeprozess verstehen.