Referat - Die Theorie der Dekadenz

Politischer Diskussionszirkel Rheinland

Referat zum Treffen im Februar 2005

Die Theorie der Dekadenz


Der Kapitalismus befinde sich der Theorie der Dekadenz zufolge seit dem 1. Weltkrieg in seiner Niedergangsperiode, wo der Kapitalismus keine fortschrittliche Rolle für die Menschheit mehr spiele und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu Fesseln der gesellschaftlichen Produktivkräfte geworden seien. Die ganze Misere und die gesellschaftlichen Katastrophen, die wir direkt oder indirekt erleben, seien auf diesen Niedergang zurückzuführen. Was die Arbeiterbewegung angesichts der heutigen Weltlage betrifft, hätten jegliche alten Strategien aus der kapitalistischen Aufstiegsperiode wie z. B., Parlamentarismus, Gewerkschaften und Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegung ihre Gültigkeit verloren. Gegenüber all diesen Fragen spüre ich ein starkes Klärungsbedürfnis. Worum handelt es sich bei dieser Theorie?

Die Theorie der Dekadenz könnte wie folgt zusammengefasst werden:

Eine richtige Theorie sollte auf die genauen Beobachtungen und deren tiefgehenden Analysen des Geschehens basieren und wiederum bei den weiteren vertiefenden Analysen helfen können. Die Theorie der Dekadenz stellt schon eine kohärente Erklärung der Ereignisse dar, die die Menschheit im vergangenen Jahrhundert erlebte: einerseits zwei Weltkriege mit bis dahin nie da gewesenen großen Zerstörungen, mehrere große Weltwirtschaftskrisen, gelegentliche Wirtschaftsbooms, zahlreiche lokale Kriege, andererseits die Russische Revolution, darauf folgende zahlreiche angebliche Revolutionen, der Aufstieg und der Untergang der sogenannten "kommunistischen" Länder. Aber um herauszufinden, ob der Theorie der Dekadenz eine kohärente und richtige Analyse eines umstrittenen Zeitraums gelungen ist, benötigt man eine genauere Untersuchung dieser Theorie und ihrer Analyse, die dieses Referat der Diskussion überlassen will. Um zur Diskussion beizutragen, möchte ich die beiden folgenden Punkte betonen:

Es gibt einige Kritiker, die behaupten, dass die Theorie der Dekadenz nichts anders als Fatalismus verbreitete. Aber diese Behauptung ist bestenfalls ein Missverständnis. Die Kernidee, die die Theorie der Dekadenz unterstützt, ist letztendlich, dass für die Überwindung des Kapitalismus durch den Sozialismus der Kapitalismus nicht nur objektive und subjektive Bedingungen (die Produktivkräfte und die revolutionäre Klasse) für seine Überwindung geschaffen haben sollte, sondern auch er sich selbst im Verfallszustand befinden sollte, und dass sein Eintritt in die Dekadenzperiode aufgrund des grundlegenden Widerspruches unvermeidlich ist und der Eintritt schon geschehen ist. Das heißt zwar, dass die Überwindung des Kapitalismus durch das Proletariat nun nicht nur eine Notwendigkeit wie früher sondern auch eine Möglichkeit ist, aber das bedeutet auf keinen Fall, dass seine Überwindung unvermeidlich ist. Die Tatsache, dass der Kapitalismus sich nun in seiner Dekadenzperiode befindet, bestätigt die Reifung der objektiven Bedingung für seine Überwindung. Was die subjektiven Bedingungen angeht, weist sie darauf hin, dass eine der typischen Erscheinungssymptome der Dekadenzperiode, nämlich die ständige Verschärfung der Krisen, das Proletariat durch die unerträglich sich verstärkende Ausbeutung dazu zwingt, sein Schicksal als die revolutionäre Klasse zu begreifen und dem entsprechend zu reagieren. Schließlich zeigt die Theorie der Dekadenz, dass die Entscheidung über die Zukunft der Menschheit, nämlich ob der Kapitalismus durch den Sozialismus überwunden wird oder die Menschheit die von dem dekadenten Kapitalismus verursachte Barbarei weiter hinnehmen muss, nun hauptsächlich von der Arbeiterklasse abhängig ist. In der Hinsicht hat die Theorie der Dekadenz nicht nur mit dem Fatalismus gar nichts zu tun, sondern sie wendet sich gar stärk gegen den Fatalismus.


Es ist nicht einfach, eine so umfassende Theorie ohne Missverständnisse richtig zu begreifen, wie die Theorie der Dekadenz mit ihrer eigenen Entwicklungsgeschichte und vielen politischen praktischen Schlussfolgerungen, die die Arbeiterbewegung seit dem Entstehen des Konzepts der Dekadenz und dieser Theorie selber begleiteten. Wenn man die Theorie der Dekadenz mit ihren letzten Konsequenzen verstehen will, bleiben viele weitere vertiefende Untersuchungen und Diskussionen sicher unumgänglich. Die heutige Diskussion dient hoffentlich als ein mutiger Anfang eines Prozesses. Es ist doch klar, dass die durchgeführten Diskussionen wiederum diese Theorie bereichern werden, und dass diese Theorie die ganzen Bemühungen verdient, wenn man die Welt verstehen und zu ihrer Umwälzung beitragen will. Feb. 2005




Literatur

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