Referat - Barbarei oder Sozialismus?

Politischer Diskussionszirkel Rheinland

Refarat zum Treffen im August 2005

"Ist Barbarei oder Sozialismus die einzige Alternative?"

Während des 1. Weltkrieges formulierte Rosa Luxemburg die Alternative: "Sozialismus oder Barbarei".

Ist das die Alternative, oder ist dies Ausdruck einer Endzeitstimmung?

Der Kapitalismus entstand als eine neue Produktionsform, um die feudale Produktionsform, die den weiter entwickelten Produktivkräften nicht mehr entsprach, zu ersetzen.

Der Kapitalismus entsprach geschichtlich gesehen den Produktionsverhältnissen einer bestimmten Epoche. Er wandelte die mittelalterliche Einzelproduktion zu einer gesellschaftlichen Produktion um, trieb die Arbeitsteilung voran, trennte die Produzenten von den Produktionsmitteln und führte die Lohnarbeit, die im Mittelalter erst eine Ausnahme war, als Regel und als Grundlage der kapitalistischen Produktion ein. Damit waren auch die Hauptklassen in der neuen Gesellschaft entstanden, die Kapitalistenklasse und das Proletariat. Zwischen diesen beiden Klassen besteht ein Verhältnis von gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Die gesellschaftliche Produktion entsprach den weiter entwickelten Produktivkräften und ist durch das Proletariat vertreten, die private Aneignung aber verhielt sich denen gegenüber anachronistisch und ist durch die Kapitalistenklasse vertreten. Das ist der Grundwiderspruch des Kapitalismus. Ferner ist der Kapitalismus im Unterschied zu früheren Produktionsformen ein System, in dem produziert wird, um möglichst viel Profit zu erwirtschaften und nicht um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Aber um möglichst viel Profit zu erzielen, steht der einzelne Kapitalist zwangsläufig in Konkurrenz zu den anderen und ist davon abhängig, möglichst große Marktanteile für sich in Anspruch zu nehmen. Der Kapitalist muss bei Strafe seines Untergangs einen Teil seines Profits wieder investieren, er muss immer mehr und immer kostengünstiger produzieren. Dies alles bedeutet, dass die Produktivkräfte im Kapitalismus in noch nie da gewesener Art und Weise entwickelt worden sind, dass gleichzeitig Lohnkosten eingespart werden müssen, indem vor allem Arbeiter durch Maschinen ersetzt werden. Irgendwann sind die Märkte gesättigt, es kommt zu einer überproduktionskrise. Je weiter der Kapitalismus in dieser Richtung geht, die Lohnkosten senkt, Arbeiter weltweit entlässt, desto krasser wird die überproduktion, weil die Arbeiter immer weniger kaufen können, so dass man sagen kann, jeder Schritt des kapitalistischen Systems in seiner Entwicklung und Verbreitung über die ganze Welt ist auch gleichzeitig ein Schritt zu seinem eigenen Untergang.

Zu der Zeit, als Rosa Luxemburg die These "Sozialismus oder Barbarei" entwickelte, trat der Kapitalismus in seine Niedergangsphase ein. Der Kapitalismus war über die ganze Welt verbreitet. Die Nationalstaaten, die größten Einheiten des Kapitalismus, waren weltweit auf der Suche nach neuen Märkten und Kolonialländern. Es war eine Situation eingetreten, dass die Märkte, die ein Kapitalist dazugewann, einem anderen verloren gingen. Die Welt war unter den Nationalstaaten, die jeweils die Vertreter der nationalen Bourgeoisien waren, aufgeteilt. In Deutschland war erst zu dieser Zeit die Entwicklungsstufe erreicht, auf der das Kapital gezwungen war, zu expandieren und sich weltweit Macht und Einfluss zu schaffen. Um diese Neuverteilung der Welt zu erreichen, gibt es im Kapitalismus nur ein Mittel, den Krieg. Rosa Luxemburg konnte auf Grund ihrer Analyse in der Junius Broschüre (Die Krise der Sozialdemokratie) die Gründe für den 1. Weltkrieg im Imperialismus, der die höchste Zuspitzung der kapitalistischen Konkurrenz ist, entdecken. So konnte sie auch ganz klar sehen, dass dem 1. Weltkrieg notwendiger Weise der 2. Weltkrieg folgen würde. Rosa Luxemburg kam zu der Schlussfolgerung, dass der Imperialismus nicht eine Politik eines bestimmten Landes oder einer bestimmten Gruppe von Ländern ist, sondern einen Reifegrad des Kapitals darstellt, der von Zuhause aus international ist. Der erste Weltkrieg bedeutete eine völlige änderung der Weltlage, die Kriege hörten auf, nationale Verteidigungs- oder Befreiungskriege zu sein, von nun an gab es nur noch imperialistische Kriege. Die Welt wurde für die imperialistische Beuteteilung in Brand gesteckt, der Verfall, die Zerstörung, die Vernichtung der Kultur und Ermordung von Millionen Menschen war auf eine noch nie da gewesene Stufe erhoben.

Besteht die Alternative, "Sozialismus oder Barbarei" aber heute noch? Mit anderen Worten, die Alternative, ob entweder die Arbeiterklasse eine Revolution macht oder die Welt des Kapitalismus in der Barbarei versinkt. Ist es vielleicht möglich, den Kapitalismus soweit zu verbessern und zu reformieren, dass alle Menschen in dieser Welt gut und in Frieden leben könnten? Dass es diese Möglichkeit gäbe, will uns auf jeden Fall die Bourgeoisie glauben machen. Wir sollen glauben, das alles besser wird, wenn erst Mal die Demokratie überall eingeführt ist. Wenn wir diejenigen wählen, die angeblich unsere Interessen vertreten, dann würden wir angeblich selbst darüber bestimmen, was in der Politik und in der Wirtschaft geschehen soll. Alle Missstände und Ungerechtigkeiten hätten ihren Grund in der falschen Politik, in den Irrtümern der Machthabenden oder aber in deren Dummheit, Habgier oder Herrschsucht. Also bräuchte man nur die unfähigen Politiker und Manager auszutauschen und mit Reformen diese Welt allmählich menschenwürdiger zu gestalten.

Was nach der Propaganda heute vor allem den Wohlstand und den Frieden verhindert, sind der islamische Fundamentalismus und der Terrorismus. Sie bedrohen die westliche Zivilisation. Alle diese Behauptungen sind nur Versuche der Bourgeoisie, unseren Blick dafür zu trüben, was in der Welt vor sich geht. In Wirklichkeit ist das ganze Schreckenszenario vor unseren Augen, die ganze Barbarei, von der Rosa Luxemburg spricht, ein Ausdruck der inneren Widersprüche des seit dem Ersten Weltkrieg in seine Niedergangsphase eingetretenen Kapitalismus. Durch die weltweit zunehmende Arbeitslosigkeit und die sinkenden Löhne, können die Arbeiter immer weniger eine zahlungskräftige Nachfrage für die kapitalistische Produktion darstellen. Große Teile der Weltbevölkerung stürzen direkt in Elend und Hunger. Gleichzeitig gibt es eine überproduktionskrise, es gibt zu viel von allem. Die Produktivkräfte sind so weit entwickelt, dass man die Bedürfnisse aller im überfluss befriedigen könnte. Der Standard der Technik und Medizin ist auf einem Niveau, dass alle gut versorgt werden könnten. Es werden aber nicht die Bedürfnisse großzügig befriedigt, es werden nicht die Menschen medizinisch gut versorgt, es wird nicht behutsam mit der Umwelt umgegangen, sondern umgekehrt, die Spirale des Elends und der Zerstörung nimmt nur zu. Es gibt auch keine Lösung innerhalb des Kapitalismus für die weltweiten Probleme, vor denen die Menschheit heute steht. Der Kapitalismus ist ein System, in dem der Kapitalist aus Geld über den Weg der kapitalistischen Produktion und des Austausches mehr Geld macht, Profit erwirtschaftet. Den Profit bekommt der Kapitalist nur, wenn er sich die Ware Arbeitskraft kauft und diese für den Kapitalisten mehr Wert bringt, als dass sie kostet. Die vom Arbeiter geleistete Arbeit muss in Form des fertigen Produkts auf dem Markt verkauft werden, und in Geldform zu den Kapitalisten zurückkehren. Das ist die einzige Motivation für den Kapitalisten zu produzieren. Es ist klar, dass in diesem System die Produktivkräfte nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie in Kapital verwandelt werden können. Weiterhin ist es klar, dass in diesem System nicht für die Bedürfnisse produziert wird, sondern für den Profit. Wie schon vorher erwähnt, findet die Konkurrenz um die Profite den höchsten Ausdruck im imperialistischen Krieg. Es ist klar, dass der Kapitalismus die Barbarei, die schon heute statt findet, geschaffen hat, und es ist klar, dass im Kapitalismus die Barbarei nicht aufgehalten werden, sondern sich nur die Spirale nach unten ins Elend und Chaos immer schneller und steiler drehen kann, ob die Kapitalisten, böse oder gute, das wollen oder nicht.

Die Barbarei findet schon vor unseren Augen statt, und die Anzeichen stehen in Richtung noch mehr Arbeitslosigkeit, Armut, Entmenschlichung, Krieg und Terror. Es ist noch nie in der Geschichte der Fall gewesen, dass eine herrschende Klasse freiwillig ihr System aufgibt, sondern sie ist immer dazu gezwungen worden, indem die neue an die Macht strebende Klasse die Herrschaft übernimmt. So wird die Bourgeoisie an ihrem System festhalten, auch wenn am Ende die Welt dabei untergeht.

Das kapitalistische System hat aber selbst die Bedingungen für ihre eigene überwindung geschaffen, nämlich das Proletariat und die gewaltig entwickelten Produktivkräfte. Der moderne Kommunismus kann nur funktionieren, wenn die Produktivkräfte so weit entwickelt sind, dass im überfluss produziert werden kann, so dass alle gut leben können, weil sonst nur die Not verallgemeinert werden würde. Und warum ist es die Arbeiterklasse, die den Kapitalismus durch die proletarische Revolution stürzen kann? Der Kapitalismus ist allgemeine Warenproduktion, wo auch die Arbeitskraft zur Ware geworden ist. Durch die Lohnarbeit ist die Arbeitskraft des Arbeiters zur Ware geworden. Das Produktionsverhältnis im Kapitalismus ist gesellschaftliche Produktion und private Aneignung, das bedeutet, dass in diesem System zwei Klassen in einem unlösbaren Widerspruch zu einander stehen. Dieser Widerspruch kann nur geändert werden, indem das Verhältnis so geändert wird, dass der gesellschaftlichen Produktion auch die gesellschaftliche Aneignung folgt. Die neue Produktionsweise bedeutet den Kommunismus. Diese änderung kann nur die Arbeiterklasse bewirken, weil sie die Klasse ist, die in dem kapitalistischen Produktionsverhältnis gegen die Kapitalistenklasse, die Bourgeoisie, steht. Für eine Revolution reichen aber diese objektiven Tatsachen nicht aus, die Arbeiterklasse muss bewusst und selbständig handeln. Wie sieht denn die Situation der Arbeiterklasse heute aus. Durch die weltweite Konterrevolution nach dem 1. Weltkrieg war die Arbeiterklasse geschlagen. Die Auswirkungen halten bis heute an, indem die Klasse ihre Geschichte vergessen und ihr Klassenbewusstsein in starkem Maße verloren hat. Als selbständige Klasse war sie wieder Ende 60er Jahre auf die Weltbühne getreten. Aber die großen Kämpfe bis zu den späten 80er Jahren, als der Ostblock zusammenbrach, reichten trotzdem nicht aus, dass es zu einer revolutionären Situation gekommen wäre. Die erste revolutionäre Welle ab 1917 entwickelte sich schnell und gewaltig während eines Krieges, des 1. Weltkriegs. Heute wird die Revolution aus einer Krise hervorgehen, langsamer und weniger spektakulär als die erste revolutionäre Erhebung, aber sie wird und muss tiefgehender sein. Die Krise, in der Kapitalismus seit nunmehr 30 bis 40 Jahren steckt, wird die Arbeiterklasse zwingen, nachzudenken, das System in Frage zu stellen. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Gefahr für die Arbeiterklasse in der heutigen Situation des Zerfalls der Gesellschaft, des Jeder-gegen-Jeden, der Sinnlosigkeit. Durch die Verelendung hat sich eine Schicht entwickelt, die aus dem Arbeitsprozess raus ist, von kleineren kriminellen Delikten oder auch von Prostitution lebt. Je schlimmer die Zustände in der Welt werden, um so mehr Menschen müssen zu dieser Art von überlebensstrategie greifen. Es kann der revolutionäre Kampf der Arbeiterklasse in Frage gestellt werden, wenn die Arbeiterklasse selbst durch diese Verfallserscheinungen der Gesellschaft verseucht wird. Vor allem ist es die Aufgabe der revolutionären Organisation, der Arbeiterklasse diese Gefahr vor Augen zu führen und sie in ihrem Kampf gegen diese Lumpenisierung zu unterstützen.

Es ist aber trotz aller kaputtmachenden Einflüsse um die Arbeiterklasse herum zu spüren, dass die Arbeiter anfangen, auch selbst sich gegen diese Verfallserscheinungen zu wehren und über ihre Lage sich Gedanken zu machen. Wer offen dafür ist, kann dies in Gesprächen und im Verhalten in verschiedensten Situationen unter Arbeitern wahrnehmen. Die Illusion, dass es eines Tages allen besser geht, ist stark angeschlagen. Es tauchen politische Minderheiten im Proletarischen Milieu auf. Man kann sagen, dass sich unterirdisch etwas in der Klasse tut. Die objektiven Bedingungen für den Kommunismus existieren und die subjektiven Bedingungen kommen langsam dazu, so dass sich wieder eine revolutionäre Perspektive auftut.

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