Entspricht der Kommunismus der Menschennatur und kann er überhaupt funktionieren?
In der Frühgeschichte der Menschheit lebten die Menschen im Urkommunismus, in einer Gemeinschaft, wo es kein Privateigentum und keine Klassen gab. Die Stammesgrenze war auch die Grenze, wo die Welt für den damaligen Menschen aufhörte. Diese Enge musste aber überwunden werden, damit die Entwicklung der Menschheit überhaupt weitergehen konnte. Und das konnte nur durch die Entwicklung der Produktivkräfte durch die Arbeitsteilung vonstatten gehen. Die Entwicklung der Produktivkräfte und die Arbeitsteilung führten aber zur Spaltung der Menschheit in Klassen, in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, in eine herrschende und eine unterdrückte Klasse. So lange die Klassengesellschaft existiert, so lange wird es auch immer wieder den Traum von einer kommunistischen klassenlosen Gesellschaft geben, einer Gesellschaft, in der die freie Entfaltung eines jeden Einzelnen die Bedingung der freien Entfaltung aller ist, in der es weder Elend noch Unterdrückung, weder soziale Ungleichheit noch Privateigentum gibt. Notgedrungen konnte dieser Traum nur ein Traum, eine Utopie oder eine schöne Idee bleiben, so lange wie die Produktivkräfte noch nicht so weit entwickelt waren, dass man mit wenig täglicher Arbeit die Bedürfnisse aller gut befriedigen konnte.
Heute ist dieses Stadium erreicht. Der Kapitalismus hat durch den enormen Fortschritt in der Arbeitsproduktivität, durch die systematische Anwendung der wissenschaftlichen Entdeckungen, durch die Ausdehnung der assoziierten Arbeit, durch den Einsatz der natürlichen Reichtümer der gesamten Welt die materiellen Grundlagen des Kommunismus geschaffen. Indem der Mensch zum "Beherrscher" der Natur wurde, hat er die Bedingungen geschaffen, damit er sein eigener "Herr" werden kann. Allerdings ging das einher mit einer bislang nie erreichten Intensivierung der Ausbeutung. Der Kapitalismus hat die Vergesellschaftung der Produktion herbeigeführt und den Träger dieser kollektiven Produktion, die Arbeiterklasse, hervorgebracht. Aber eine Vergesellschaftung in der perversen Form einer allumfassenden und universellen Warenwirtschaft, wobei auch der Mensch zur Ware und zum Sklaven der Gesetze der Wirtschaft wurde. Weil die Arbeiterklasse der Träger der kollektiven Produktion ist, kann sie einen Ausweg aus der kapitalistischen Misere anbieten, der in der weltweiten kollektiven Aneignung der Produktivkräfte zum Zweck der Bedürfnisbefriedigung besteht. Zum ersten Mal in der Geschichte sind die Produzenten radikal von den Produktionsmitteln getrennt und ist die individuelle durch die vergesellschaftete Produktion ersetzt. Ihr Befreiungskampf ist durch die Tatsache gekennzeichnet, dass der Kampf gegen die Folgen der Ausbeutung stets mit der Entwicklung einer Vision der überwindung der Ausbeutung verknüpft gewesen war.
Innerhalb des Kapitalismus gibt es keinen Ausweg mehr, alle versuchten Wege erwiesen sich als Sackgassen, alle verabreichten Medikamente wirken nicht mehr. Weder Staat noch Markt, weder Ideologie noch Gewalt können helfen. Die weltweite Krise schlägt jetzt auf die bisherigen Gewinner, die Kernländer des Kapitalismus, zurück. Den Wirkungen der Weltmarktgesetze kann sich kein Staat entziehen. Die Welt ist eine geworden und deshalb kann die Lösung auch nur eine weltweite sein. Der Kommunismus kann nur weltweit entstehen. Der Kapitalismus ist eine gesellschaftliche Totalität. Er durchdringt alle gesellschaftlichen Bereiche. Wer ja sagt zum Profit, zum Privateigentum, zur Nation, zur Lohnarbeit, der sagt ja zur mörderischen Konkurrenz, zur Entzweiung der Menschen, zur Zerstörung der Natur. Der Graben zwischen den enormen Möglichkeiten, die die Gesellschaft bereithält, und dem katastrophalen Einsatz und der riesigen Verschwendung dieser Mittel, verbreitert sich. Wenn der Mensch also den Kapitalismus nicht überwindet, wird die Menschheit in Elend und Barbarei versinken. Der Kapitalismus muss überwunden werden, damit die Menschheit weiter entwickeln kann.
Eine neue Gesellschaft muss dazu in der Lage sein, die Widersprüche zu überwinden, die die gegenwärtige Gesellschaft zerreißen. Damit sie keine utopische Konstruktion ist, müssen die Voraussetzungen und der Träger der Umwälzung schon in de alten Gesellschaft vorhanden sein. Und das ist jetzt geschehen. Die Charakteristika des Kommunismus werden also das Gegenteil der Gesetze sein, die die heutige Gesellschaft in Fesseln halten und in den Abgrund führen. Der Kapitalismus gerät in die Krise, weil er für den Markt produziert, und letzterer immer gesättigter wird, weil der Kapitalismus auf der Ausbeutung der Lohnarbeit beruht und der durch diese Ausbeutung geschaffene Mehrwert keine Verwertungsmöglichkeiten findet.
Im Kommunismus werden nicht Tauschwerte, sondern Gebrauchswerte für die Bedürfnisse der Menschen produziert. Die Menschen hören auf Konkurrenten untereinander zu sein, sie brauchen nicht mehr um ihren "Marktwert" besorgt zu sein. Die private Aneignung der Produkte, die im Kapitalismus der gesellschaftlicher Produktion folgt, wird im Kommunismus aufgehoben sein. Die Produktionsmittel werden der ganzen Gesellschaft gehören, also folglich wird auch die Aneignung der Produkte gesellschaftlich sein und es wird keinem mehr möglich sein, über die Arbeit anderer zu verfügen.
Es wird gesagt, dass das Bedürfnis nach Eigentum ein Grundbedürfnis des Menschen sei und dieses Bedürfnis im Kommunismus nicht befriedigt werden könne. In der Tat sind die Menschen Hunderttausende von Jahren ohne Privateigentum ausgekommen. Die Indianer in Amerika konnten früher ganz und gar nicht begreifen, dass das Land jemanden gehören könnte, für sie galt umgekehrt, dass sie selber dem Land gehörten. In der kapitalistischen Gesellschaft gilt einer, der eine Schallplatte stiehlt, als kriminell und muss bestraft werden. Begeht aber einer den Diebstahl im Rahmen der bestehenden Gesetze, in dem er sich in ganz anderem Maße Produkte fremder Arbeit aneignet, ist er gesellschaftlich hoch angesehen. Was als Diebstahl eingestuft wird, ist gesellschaftlich bestimmt. Der Kommunismus ist eine Gesellschaft des überflusses, wo die materiellen Güter jedem zur Verfügung stehen. Es wird kein Geld geben, jeder nimmt sich, was er braucht, etwas horten zu wollen wäre unsinnig, weil jeder jederzeit mit allem Nötigen versorgt wird. Auf diesem Wege wird irgendwann der ganze Begriff Eigentum verschwinden.
Ein häufiger Einwand, warum der Kommunismus an der Menschennatur scheitern würde, ist auch, dass der Mensch einfach zu egoistisch für den Kommunismus sei. In einer Ausbeutergesellschaft gibt es einen Interessengegensatz. Das Interesse der herrschenden Klasse steht in einem unlösbaren Widerspruch zum Interesse der ausgebeuteten Klasse. In einer Konkurrenzgesellschaft, wie dem Kapitalismus steht auch das Interesse des Einzelnen im Gegensatz zum Interesse der Gemeinschaft. In so einer Gesellschaft für das Wohl der anderen zu wirken, bedeutet stets seinen eigenen Egoismus zu überwinden, Mildtätigkeit oder christliche Nächstenliebe auszuüben. Die Widersprüche der Klassengesellschaft löst man aber dadurch nicht. Wenn die Arbeiterklasse anfängt, für ihre materiellen Interessen zu kämpfen, muss sie nicht zuerst ihren Egoismus ablegen, im Gegenteil. Die Gemeinsamkeit ihrer Interessen ist die materielle Basis ihrer Solidarität. Durch die Weltrevolution wird es der Arbeiterklasse möglich sein, sich selbst und die ganze Menschheit zu befreien, indem sie eine neue Gesellschaft aufbaut, die eine wirkliche weltweite Gemeinschaft ist. Mit den Klassen verschwindet auch die Unvereinbarkeit der Interessen des Einzelnen und der der Gemeinschaft. Erst innerhalb der kommunistischen Gemeinschaft wird es dem Menschen möglich sein, sich als wirkliches Individuum zu entfalten.
Im Kapitalismus, der eine Klassengesellschaft mit Konkurrenz und Gegensätzen ist, besteht der Zwang, menschliche Bedürfnisse mit Füßen zu treten, kann man ohne Staatsmacht nicht auskommen. Die Staatsmacht ist die Macht der jeweils herrschenden Klasse über andere Klassen. Die Macht der herrschenden Klasse fußt darauf, dass sie das ganze Potenzial der Gesellschaft, die Universitäten, die Fabriken, die Arbeitskraft in ihrem Besitz hat. Diese Macht braucht Chefs, Polizei und Gefängnisse. Die Bourgeoisie ist trotzdem selber den blinden Mächten der kapitalistischen Produktionsweise unterworfen. Da die Ideologie der Herrschenden auch die herrschende Ideologie ist, hält man es für ein menschliches Bedürfnis, Macht über andere auszuüben und hält es für selbstverständlich, sich auch dieser Macht zu fügen, also zu herrschen und sich beherrschen zu lassen. Also ist Machtgefühl im Grunde genommen Ohnmachtgefühl. Der Kommunismus ist eine Gesellschaft, wo die Menschen selber ihre Geschicke lenken, wo sie gemeinsam, solidarisch und im Einklang mit der Natur produzieren. Sie haben gelernt die Bewegungsgesetze der Welt zu verstehen und sie zu ihrem eigenem Nutzen zu gebrauchen. Sie spüren ihre Macht in sich selbst als Kollektiv, sie sind Herrscher ohne Sklaven und werden keinen Ersatz für ihre nicht vorhandene Macht brauchen, indem sie andere beherrschen.
Eine grundlegende Eigenschaft des Menschen ist sein Bewusstsein. Die Fähigkeit des Menschen zur bewussten Arbeit lässt ihn zum Menschen werden und ist das, was ihn von allen anderen Geschöpfen unterscheidet. Aber unter den Bedingungen der Entfremdung wird dieser Fortschritt zu einem Rückschritt. Die Fähigkeit des Menschen, das Subjekt vom Objekt zu trennen, das ein grundlegendes Moment in dem spezifisch menschlichen Bewusstsein ist, wird in eine Beziehung der Feindschaft zur Natur, zu der sinnlichen objektiven Welt pervertiert. Gleichzeitig hat die entfremdete Arbeit, insbesondere die kapitalistische Lohnarbeit die grundlegendsten Eigenschaften des Menschen – seine spontanen, freien, bewussten Aktivitäten – zu bloßen Eigenschaften für sein überleben werden lassen. Ja seine Arbeitskraft ist zu etwas geworden, was auf dem Markt gekauft und verkauft werden kann und muss. Nun wird aber behauptet, dass wenn es den Profit als Anreiz für die Produktion nicht mehr gäbe, wenn der Lohn für einen Arbeiter nicht gerade der gerechte Ausgleich für die erbrachten Mühen und Leistungen wäre, würde niemand mehr arbeiten und produzieren. Tatsächlich würde niemand mehr auf kapitalistische Weise produzieren, d.h. in einem System, das auf Profit und Lohnarbeit beruht, in dem die geringste Erfindung rentabel sein muss, wo die Arbeit auf Grund ihrer Dauer, ihrer Intensität, ihrer unmenschlichen Form zu einem Fluch für die Mehrheit der Proletarier geworden ist. In Wirklichkeit wird die Arbeit, wenn sie nicht entfremdet, absurd, erschöpfend ist, wenn ihre Produkte keine dem Arbeiter gegenüber feindlichen Kräfte mehr sind, sondern Mittel, um wirklich die Bedürfnisse der menschlichen Gemeinschaft zu befriedigen, zum ersten menschlichen Bedürfnis. Also ist eine nichtentfremdete, kollektive Arbeit eine der Hauptformen der Entfaltung der menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten.
Für viele Leute ist es fast schier unmöglich, sich vorstellen zu können, dass der Mensch dazu geeignet wäre im Kommunismus, in einer weltweiten, klassenlosen Gesellschaft ohne Geld und ohne den Staat mit seinen Gesetzen, Gefängnissen und Polizisten zu leben. Der Kommunismus ist nicht irgendein System, das plötzlich eingeführt wird, sondern das Ergebnis eines langen Kampfes der lebendigen und revolutionären Arbeiterklasse. Zu diesem Kampf gehört auch die Weltrevolution, die größte und gewaltigste Tat, die die Menschheit bis jetzt jemals vollführt hat und die erst den Weg hin zum Kommunismus ermöglicht. Die Weltrevolution ist also ein Werk des Weltproletariats, das in seinem Kampf massenweise ein kommunistisches Bewusstsein entwickelt und sich verändert. Je kleiner unser eigener Blickwinkel ist, je weniger können wir uns den Kommunismus vorstellen. Wenn wir aber auf die Geschichte der Menschheit schauen, sticht es ja geradezu ins Auge, dass der Mensch unter unterschiedlichen Bedingungen und in unterschiedlichen Gesellschaften gelebt hat, und sich die Menschen demgemäss auch unterschieden haben. Wenn es eine grundliegende Eigenschaft der Menschen gibt, dann wohl die Wandelbarkeit ihrer Natur.
Damit die Menschen sich zu Menschen entwickeln und in der feindlichen Umwelt überleben konnten, mussten sie schon früh soziale Instinkte entwickeln. Die Solidarität und der Gemeinsinn sind uralte menschliche Eigenschaften, die das Leben der Menschen in der Urgesellschaft ermöglichten. In die Urgesellschaft, in den primitiven Kommunismus will und kann die Menschheit nicht zurückkehren, aber sie kann auf einer höheren Ebene auf die guten Merkmale der Urgesellschaft zurückgreifen. Der Kommunismus wird ein Beginn der wirklichen menschlichen Gemeinschaft werden, wo der Mensch ein allseitig entwickeltes Individuum wird, dessen Arbeit sich zusammensetzt aus geistigen, physischen, künstlerischen Aktivitäten; befreit vom Arbeitszwang, wird der Weg frei für eine neue Sicht und Erfahrung der Welt mit allen Sinnen.