Einleitung zum Treffen des Diskussionszirkels Rheinland im Dezember
Wie ist der Lokführerstreik in Deutschland einzuschätzen?
Trotz mangelhafter Verfolgung des Streiks folgt ein Versuch den Streik zu verstehen.
Fragen: - Wie war die allgemeine aber auch spezieelle Situation in der, der Streik ausbrach? - In welcher Weise wurde dieser Streik bekkannt? - Was bewirkte und bewirkt der Streik bzw. was davon in den Medien berichtet wurde? Wie kam der Streik bei der Bevölkerung, bei Arbeitern aus den verschiedenen Bereichen an? - Was ist das Ziel der "Lokführergewerkschaft" GDL, der anderen Eisenbahnergewerkschaften Transnet und des DGB bei diesem Streik? - Warum spricht die Unternehmensleitung der Deutschen Bahn von Solidarität? - Was steckt dahinter? - Welche Rolle spielt die Regierung, der Staat dabei?
Und die wichtigste Frage: - Worum ging es den Eisenbahnern?
Die Mediendarstellungen des Streiks liefen dem Streik anscheinend voraus. Jeden Tag gab es neue Meldungen über die Frage „Wird gestreikt oder nicht, fahren die Bahnen oder nicht? Ist der Streik noch gerechtfertigt? Sollen ‚unparteiische Schiedsrichter’, die Regierung, der Staat oder die Gerichte eingreifen?“
Aber warum ging es den Eisenbahnern? Aufgrund der sich allgemein und international verschlechternden Lebensbedingungen durch die verschärften Angriffe der Unternehmen und des Staats, der Regierung ist für viele auch die Situation der Eisenbahner zu verstehen und deshalb gab es trotz der Zugausfälle und des dadurch verursachten größerem Zeitaufwands (für die, die auf die Bahn angewiesen sind oder die, die durch die Zugausfälle in vermehrte Autostaus gerieten) innerhalb der Bevölkerung und insbesondere innerhalb der Arbeiterklasse, ansatzweise Solidarität und Verständnis für den Streik der Eisenbahner. Laut offiziellen Befragungen waren zeitweise über 60% für den Streik.
Eine Reallohnerhöhung von 30% ist unter den heutigen Bedingungen unrealistisch, aber was an Nettolohnerhöhung herauskäme bei einer Bruttolohnerhöhung, wie sie die GDL fordert, würde gerade die Lebenskostensteigerungen der letzten Jahre ausgleichen. Die Forderung nach einer Reallohnerhöhung von 30% wäre nur unverschämt, wenn man sich auf den Standpunkt der Gerechtigkeit und der Konkurrenz stellt. Nur dann kann man der Auffassung sein, dass der Staat, die Gerichte so etwas nicht zulassen dürfen. Vom Standpunkt der Arbeiter aus ist es immer gut, wenn ein Teil der Klasse einen Sieg erringt. Das verbessert das Kräfteverhältnis zu Gunsten der Arbeiter allgemein.
Der gleichzeitig aufgekommene Streik der Eisenbahner in Frankreich gegen die gegen die Erhöhung des Rentenalters zeigt wie international die Verschlechterung der allgemeinen Arbeitsbedingungen und damit Lebensbedingungen der Arbeiterklasse geworden ist.
Die GDL hält an ihrer Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag fest und stärkt dadurch die durch die Konkurrenz vermittelte Sichtweise.
Beim Kampf der Lokführer konnte der Anschein entstehen, wenn der herrschenden Meinung Glauben geschenkt wird, dass kleine Spaltengewerkschaften wirklich die Interessen der Arbeiter vertreten, wie auch der Anschein, die Arbeiter würden nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sein und nur der Staat könne Gerechtigkeit herstellen und solidarische Zusammenleben gewährleisten, indem wir alle auf unsere Ansprüche zu Gunsten des ‚Allgemeinwohls’ verzichten.
Dadurch dass die große Gewerkschaft DGB, die Transnetgewerkschaft, die Regierung, der Staat und die Unternehmensführung in den Medien davon sprechen, dass Solidarität unter den Bahnbediensteten nötig ist, wobei sich die Regierung hier offiziell heraushält, bewirkt dies, wenn dem Glauben schenkte, dass wir uns mit der sich für uns verschlechternden Situation eher abfinden, wenn die anderen auch nicht mehr kriegen. Also einerseits Empörung über die „unverschämten Forderungen“ der als Konkurrenten zu sehenden Lokführerinnen und Lokführer, die auf Kosten anderer unfaire Forderungen stellen und andererseits, dass von oben eingegriffen werden soll, wir alle die allgemeinen Verschlechterungen ‚solidarisch’ hinnehmen. Also in Wirklichkeit nicht solidarisch, sondern staatsgläubig und über die Konkurrenz vermittelt. Damit knebeln wir uns selber.
Die interne Situation von SPD, DGB, CDU, der Linken und der GDL usw. ist heute aufgrund der zunehmenden Konkurrenz widersprüchlich, zeigt aber auf, wie sich der demokratische Machtapparat in der Streiksituation auf Koste“ der Arbeiterklasse organisiert .
Dadurch dass der Streik so lange auf die Lokführer begrenzt blieb, konnte eine Konkurrenz vermittelte Vorstellung überhaupt entstehen, ansonsten wäre bei einer Ausbreitung des Streiks auf andere Bereiche zunehmend klarer geworden, dass wir alle von den Verschlechterungen betroffen sind und uns nur gemeinsam dagegen wehren können, wie dies die Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung klar machen und nur dies kann für uns eine zukünftige Perspektive sein.
Dass die Gewerkschaften wie nun die Spartengewerkschaft GDL eine "egoistische" Haltung gegenüber anderen Bediensteten des gleichen Unternehmens einnehmen, ist relativ neu (der Marburger Bund hat eine solche Haltung schon bei den Klinikärzten eingenommen).
Warum tun sie das und warum können sie dies tun?
Der GDL geht es den Verhältnissen entsprechend um das Überleben und ihr Prestige als Gewerkschaft der Lokführer (nachdem diese keine Beamten mehr sind und streiken dürfen) gegenüber den Konkurrenzgewerkschaften DGB und Transnet die ihren eigenen etablierten Anspruch, vertreten. Diesen Anspruch können sie aber nur innehaben, wenn sie die von Staat und Regierung langfristig geforderte Aufgabe der Kontrolle der Beschäftigten erfolgreich durchsetzen. Die Kontrolle der Beschäftigen ist nur möglich, wenn diese isoliert bleiben und nicht Betriebs, Branchen und Länder übergreifend solidarisch werden.
Daraus geht hervor, dass die GDL, indem sie die Lokführer isoliert, die aufgrund der immer unzumutbareren Arbeitsbedingungen eskalierte Unzufriedenheit und Kampfbereitschaft der Lokführer weitgehend kanalisieren konnte.
Noch bevor deren Abwehrkampf auf andere Bereiche übergreifen konnte, hat der Staat, wie die GDL selber, den „Kampf der Lokführern“ über die allgemeinen Medien instrumentalisiert, eben um jegliche Ausdehnung der Streikbewegung zu verhindern und präventiv eine Bewusstwerdung dieser Möglichkeit zu unterbinden, die Reaktionen auf Hunderten von Internetseiten sind Ausdruck der Wirksamkeit der allgemeinen Medien, die wiederum Ausdruck der herrschenden Verhältnisse sind.
Dadurch dass noch Beamte bei der Deutschen Bahn an den Streiktagen eingesetzt wurden bzw. dass mit der Privatisierung gedroht wird, konnten die Streikenden unter Druck gesetzt werden, da so gezeigt werden sollte dass das Unternehmen nicht auf die Streikenden angewiesen ist, das sie auch mit weniger Bediensteten auskommen können. Umgekehrt aber die Arbeiterinnen und Arbeiter vom Unternehmen abhängig sind, da sie sonst arbeitslos werden.
Im Streik zeigte sich also auch darin verstärkt die durch die allgemeine Konkurrenz bedingte Tendenz zur Verbilligung und vermehrten Vernutzbarkeit der Arbeitskraft. Durch den internationalen Mangel an kaufkräftigen Absatzmärkten führt dies zu immer verschärfteren Arbeitsbedingungen, Armut und Arbeitslosigkeit.
Durch die erneuten Privatisierungsankündigungen soll die Belegschaft eingeschüchtert und erpresst werden, indem gezeigt wird: Streiken lohnt sich nicht. Der Markt bestimmt, was mit euch passiert. Nur wenn alle noch mehr Opfern bringen, geht es der Wirtschaft und damit uns allen besser. Doch nur in der Situation der effektiven Isolation kann diese über Konkurrenz und damit Angst vermittelte Vorstellung wirksam werden.
Die Solidarität mit den Abwehrkämpfen in Frankreich und anderen Ländern kann durch die Gleichzeitigkeit der Verschlechterungen stärker werden. Auch wenn zu hören ist, dass "die Franzosen ja wegen allem streiken, ein Volk des Streiks sind" und über die Lokomotivführer und Lokomotivführerinnen hergezogen wird, "das diese ja kaum was zu tun hätten bei der Arbeit und dann noch unverschämte Forderungen stellen".
Habe selber in meinem Umfeld keine direkte Solidarität zu den Streiks erfahren, aber es doch Sympathie mit den LokführerInnen zu spüren, denn die allgemeine Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter lässt die vorläufig nicht direkt wahrnehmbare Solidarität, Bewusstwerdung und Abwehrhaltung immer wieder auftauchen.
Möchte um den Meldungen der Medien, den Standpunkt der Arbeiterbewegung entgegenzuhalten und um eventuell die folgende Diskussion anzuregen einige Zitate aus einem Internetforum vorlesen, Positionen, die neben Hunderten von Aussagen, die der herrschenden Meinung entsprechen, zu finden sind:„[…] es ist ein grober Fehler zu glauben, dass die GDL, nur weil sie plötzlich radikal wird, die Interessen ihrer Mitglieder wahren möchte. Dieses tot geglaubte Fossil aus grauer Eisenbahnvorzeit, das den Standesdünkel deutscher Lokomotivführer Jahrhunderte lang hochgehalten hat, wird unverhofft wieder zum Leben erweckt. Nur weil die ArbeiterInnen vom Solidargeschwafel von Transnet und Co die Nase voll haben, wird der erbärmliche Beamtenbundverein auf einmal zum Strohhalm für unzufriedene Lokführer und sogar Zugbegleiter. Die unzufriedenen Lohnabhängigen vertrauen nicht mehr den großen Einheitsgewerkschaften, die im Zweifelsfall auf der Seite des Kapitals stehen.“ Ein Beispiel wie auf falsche Positionierung von Kollegen eingegangen wird: „Der oben genannte Lokführer scheint auch ein wenig von Neid und Missgunst zerfressen. Wie er ja schreibt, ist er Beamter und wird von dem ausgehandelten Tarifvertrag, ob nun 4% oder 40%, nichts haben. Seine Bezüge richten sich nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst und da gibt’s eben nur Kürzungen und Abschlüsse weit unter dem Inflationsausgleich. Aber ein wenig Solidarität mit den Kollegen würde ihm gut zu Gesicht stehen.“
Ein Beispiel wie der Zusammenhang der allgemeinen Situation zur Solidarität erkannt wird und damit die Falschheit der herrschenden Argumente:„Im Öffentlichen Dienst wurden bereits vor vielen Jahren Stellen, die wegen Fluktuation frei wurden, Monate lang aus Kostengründen nicht besetzt, und die Mehrarbeit anderen aufgebürdet. Die Beschäftigten (Arbeiter, Angestellte und Beamte gleichermaßen) hat man viele Jahre nicht an der allgemeinen Einkommensentwicklung beteiligt. Es gab Nullrunde um Nullrunde mit dem Argument: ‚Ihr habt ja einen sicheren Arbeitsplatz.’ Was sind die viele sicheren Arbeitsplätze angesichts vieler Privatisierungen oder Vergabe von Arbeiten an Unternehmer wert? Nichts!!! Das muss man mal klar betonen. Es gab Übergangstarifverträge und weg war danach die Arbeitsplatzsicherheit. Arbeitsplätze wurden vom größten Arbeitsplatzvernichter gestrichen und das Personal wurde und wird herumgeschoben und muss es ertragen. Wem es nicht gefällt, der kann ja gehen (so heißt es!). Urlaubsgeld - gestrichen. Weihnachtsgeld - vor Jahren eingefroren, ständig gekürzt; bald ganz weg. So springt der Öffentliche Dienst mit seinen Bediensteten um. Wie sieht der Arbeitstag von Krankenpflegern/Schwestern aus? Was verdienen sie? Hat mal jemand einen Postboten gefragt, was er verdient? Ich bin nicht im Öffentlichen Dienst, aber da gibt es sicher noch einiges zu erwähnen, was ich nicht weiß. Und dann äußern sich gerade solche ganz unverfroren, die von allem überhaupt keine Ahnung haben, was beim Öffentlichen Dienst seit Jahren abgeht. Für das Geld, für das die Mitarbeiter beim Öffentlichen Dienst mit dessen Tarifstruktur begonnen haben, sind sie früher nur müde belächelt worden. Was haben Sie heute von Ihrem Verzicht in jungen Jahren? Nichts! Ich habe nur noch auf dumme Äußerungen über die Faulenzer im Öffentlichen Dienst gewartet. Jedenfalls haben die im Öffentlichen Dienst Beschäftigten und Streikenden meine Unterstützung und Solidarität. Auch wenn sich die Müllberge vor meinem Haus häufen würden. Ich wünsche mir, dass ich einmal erlebe, dass sich die Masse der Menschen nicht einfach auf der Nase herumtanzen lässt. In die Situation, in der sich nicht nur viele im Öffentlichen Dienst Beschäftigten befinden, sondern alle die, die man auslutscht, wie ein Bonbon und die Arbeitslosen, wurden sie durch andere gebracht. Und denen, die aus Feigheit, Neid, oder Egoismus den Streikenden in den Rücken fallen, sollte man mal die Zähne zeigen.“
Ein Beispiel, wie sich das sich langsam ändernde Kräfteverhältnis zwischen Arbeiterklasse und herrschender Klasse äußert: „In Frankreich und Italien sind die Menschen deutlich gelassener, wenn im Öffentlichen Dienst gestreikt wird, obwohl oder gerade weil? das in diesen Ländern viel öfter der Fall ist. Ganz im Gegenteil, die Menschen solidarisieren sich mit den Streikenden. Warum das in Deutschland nicht möglich ist, bleibt mir ein Rätsel. Wenn die Menschen hierzulande doch endlich begreifen würden, dass jede Entlassung und Lohnkürzung, egal in welcher Branche, Rückwirkungen auf uns alle hat. Tja, das Bild vom Deutschen Michel im Schlafhemd und mit Schlafmütze kommt eben doch nicht von ungefähr.“
Weiter eine Antwort auf den folgenden Ausspruch „Es ist schon grotesk, wenn wegen 18 Arbeitsminuten an nur fünf Arbeitstagen ein so hoch gespielter Aufstand mit Millionenschaden ungeniert in Kauf genommen wird. So eine verantwortungslose, um Posten schachernde Gewerkschaft brauchen wir wirklich nicht.“
Die Antwort: „[…] eigentlich kann ich Ihre Äußerung nicht nachvollziehen (und nicht nur ich alleine). Es geht nicht nur um 18 Minuten täglich (das sind wöchentlich „nur“ 1 ½ Stunden und vierteljährlich „nur“ 18 !!! Stunden usw.) Es geht um mehr! Man sagt nicht umsonst: „Wehret den Anfängen!“ Was hier mit der Erhöhung der Arbeitszeit abgeht, ist typische Arbeitgeberphilosophie. Sie nehmen nicht alles auf einmal, sondern tun es immer scheibchenweise, damit kein Grund zu Protesten besteht. Und wenn man dann mal später alles in der Summe sieht, gehen einem die Augen über. Wie lief es denn die ganzen letzten Jahre? Schleichende Lohnkürzungen - Weihnachtsgeld gekürzt, noch etwass gekürzt, bis es ganz weg ist – Urlaubsgeld ganz gestrichen. Personalabbau, und zusätzliche Mehrarbeit dem verbliebenen Personal auf's Auge gedrückt. Man könnte noch weiter aufzählen. Was muss eigentlich passieren, bis Arbeitnehmer Grund dazu haben, sich zu wehren? (Wann hat man Grund zum Streiken?). Wenn jemand in der Situation ist, dass ihm das alles nicht widerfährt, dann hat das mit Fleiß und Tüchtigkeit alleine nichts zu tun, sondern da hat man ganz einfach einen große Portion Glück. Haben es nicht deshalb die Arbeitgeber (ganz gleich, welcher Art) so leicht, mit den Massen so herumzuspringen, weil sich die Masse nicht einig ist? Wer nicht vom gleichen Schicksal betroffen ist, fällt nämlich dem Betroffenen mit Unverständnis in den Rücken.“
Beispiel der Unterstützung der Idee des Massenstreiks: „Gute Idee! Aber, so viel ich weiß, ist ein Generalstreik in Deutschland gar nicht gestattet, was uns schon nachdenklich stimmen sollte. Ich lasse mich aber auch gern vom Gegenteil überzeugen. Aber, selbst wenn ich recht habe, ist das noch kein Grund es nicht dennoch zu versuchen. Erst wenn die selbsternannte Elite merkt, dass sich die Leute nicht mehr gegeneinander ausspielen lassen, werden sie uns wieder ernst nehmen (müssen).“
Hier ein Beispiel auf welche Art von Konter wir gefasst sein müssen, mal abgesehen davon ob der Ausgangsstandpunkt des Forumteilnehmers hier so richtig ist:
„Solidarität ist, wenn sich KEINER mehr zur, wenn es auch nur eine Minute pro Tag ist, Mehrarbeit verpflichten lässt. Jede Arbeitszeitverlängerung kostet weitere Arbeitsplätze.“
Konter: „Schon wieder jemand der die Theorie der konstanten Menge an Arbeit in einer Gesellschaft vertritt: Arbeit wird durch eine dynamische Wirtschaft geschaffen und nicht durch Gewerkschaften.“
Darauf folgt ein weiterer Forumteilnehmer mit einem scheinbar nationalistischen Standpunkt: „Danke, denn genau das ist der Punkt. Wo kommen wir denn hin, wenn die einen ( Ärzte, Verkäufer etc.... ) 45 Stunden und mehr arbeiten müssen und die Anderen ( im öffentlichen Dienst oder z.B. bei Volkswagen lächerliche 28,8 Stunden ) immer weniger und dann noch rumheulen, wie schlecht es ihnen geht. Ich glaube die Mehrheit der deutschen Bevölkerung hat jegliches Verständnis für die eigene Gesellschaft verloren und schiebt die Verantwortung weit weg von sich. Es geht hier nicht um 18 min Mehrarbeit, es geht um eine Grundsatzfrage: Wollen wir Deutschen dafür sorgen, dass unser Land endlich anfängt die vorhandenen Probleme zu beseitigen oder nicht? Wer ernten will, muss auch etwas sähen und dies bedeutet: alle müssen mehr arbeiten oder die Arbeitgeber stellen mehr Leute ein. Nur kann es natürlich weiterhin nicht sein, dass Arbeitnehmer weniger arbeiten bei vollem Lohnausgleich, purer Schwachsinn. Ich bin kein Gewerkschaftsfeind oder Freund, ich denke nur, dass die Parolen der Gewerkschaften ausgelutscht sind und NULL Substanz haben, wenn es um die Frage geht, wer soll denn die immer weniger arbeitenden Angestellten bezahlen? Arbeitsplätze schafft man nicht, indem Gewerkschaften es vermiesen, Arbeitsplätze zu schaffen, sondern in dem Gewerkschaften brauchbare wirtschaftlich umsetzbare Vorschläge unterbreiten wie Arbeitgeber und dass Arbeitnehmer vernünftig miteinander umgehen, doch da fehlt es meiner Meinung nach.“
Die Beiträge in einem „politisierenden“ Internetforum zeigen in begrenztem Umfang das Kräfteverhältnis zwischen proletarischen Positionen und herrschender Meinung auf.
In kampflosen Zeiten ohne Streikbewegungen werden proletarische Positionen in den verschiedensten Foren sehr schnell überrannt, in Zeiten der Abwehrkämpfe und noch mehr in Zeiten des Massenstreiks nehmen die proletarischen Positionen zu und entwickeln sich weiter.
Diese Veränderungen werden auch über Meinungsumfragen von den öffentlichen Medien erkannt, so waren zwischenzeitlich über 60% der Befragten für den Streik und einer der Chefredakteure des deutschen Staatsfernsehens äußerte sich wie folgt: „Die Stimmung in der Bevölkerung sei in den letzten paar Jahren ‚gekippt’. Bis dahin habe man die Notwendigkeit der ‚Lohnmäßigung’ hingenommen, wenn auch mit Widerwillen. Inzwischen herrsche aber eine breite Verärgerung und ein ‚Ungerechtigkeitsgefühl’ gegenüber der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. Man begrüße den Streik der Eisenbahner vor allem deshalb, weil man sie sozusagen als Vorkämpfer betrachtet, den man am liebsten nachmachen möchte. Und während die ‚Politik’ schon länger eine allgemeine und wachsende Empörung gegenüber den Angriffen auf die Sozialleistungen für Arbeitslose registriert habe (die sie nunmehr durch kleinere Korrekturmaßnahmen zu beschwichtigen versucht), habe man bislang unterschätzt, wie groß der Unmut vor allem angesichts der Lohnentwicklung in den letzten Jahren inzwischen geworden ist.“
Die Verschiebung des Kräfteverhältnisses ist auch daran zu erkennen, dass die Gerichte sich auf einmal für das Streikrecht im Güterverkehr entschieden, ehe der Streik außer Kontrolle zu geraten drohte.
Denn entgegen den allgemeinen Darstellungen der Medien, sind nicht nur Lokomotivführer, sondern auch Bordpersonal in die GDL eingetreten, um damit ein Kampfmittel zu finden, da sie sich unabhängig von den Gewerkschaften noch zu schwach fühlen. Mit Ausdehnung der Solidarität, wird dieses Gefühl der Schwäche weichen.