HHz

Verm.Ass. Dr.-Ing. Heinrich Hinze

Abmarkung von Eigentumsgrenzen
in der Bundesrepublik Deutschland
*)

 

Einleitung und Inhalts-Überblick

Das Eigentum des Einzelnen ist ein hohes Rechtsgut in der Bundesrepublik Deutschland. Im Grundgesetz wird das Eigentum garantiert, Einschränkungen des Eigentums sind nur über Gesetze möglich (GG Art.14). Die Gewährleistung des privaten Eigentums umfasst zwei Bereiche:
- das Grundrecht, Eigentum zu besitzen und frei darüber verfügen zu können, und
- die Garantie des Privateigentums durch den Staat.

Der Eigentumsgarantie als Freiheitsrecht kommt somit in der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland eine hohe politische Bedeutung zu, denn in der Garantie des Eigentums an Grund und Boden liegt eine Absage an die Funktion des Eigentums als willkürliches Herrschafts- und Machtinstrument.
Grundstücke und Gebäude stellen einen wesentlichen Anteil des Staats- und Privatvermögens dar. Damit jedes Grundstück klar bestimmbar und eindeutig definiert ist, besteht für das deutsche Liegenschaftsrecht der Bestimmtheitsgrundsatz (Spezialitätsprinzip).

Für das in Grundbuch und Liegenschaftskataster eindeutig definierte Grundstück sollen auch in der Örtlichkeit die Grenzen klar erkennbar sein. Eine nach aussen sichtbare Kennzeichnung der Eigentumsgrenzen von Grundstücken erfolgt z.B. durch Einrichtungen auf der Grundstücksgrenze. Eine rechtlich verbindliche Kennzeichnung erfolgt jedoch nur durch Grenzpunkte, die als Punkte der Grenzlinie die Grenze festlegen.
Den Grenzpunkten kommt somit die besondere Bedeutung zu, durch ihr Vorhandensein die Grenze festzulegen und über materiell erkennbare Grenzmarken in der Örtlichkeit die Grenze für jedermann sichtbar zu machen. Grenzmarken dienen somit dem Erhalt des Rechtsfriedens und gewährleisten die Rechtssicherheit.
Der Vorgang des Einbringens von Grenzmarken wird als Abmarkung bezeichnet.

Die Einteilung des deutschen Rechts in öffentliches Recht und Privatrecht geht auf römisches Recht zurück; die Rechtsvorschriften selbst setzen sich in ihren Ursprüngen aus römischen und germanischen Recht zusammen.
Auf diesem Hintergrund aufbauend wird in Kap.1 ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung der Gesetzgebung zur Abmarkung gegeben.

Die Gesetzgebungskompetenz für das Abmarkungsrecht haben nach allgemeiner Ansicht die Länder, da das Grundgesetz (GG Art.70, 73-75) dem Bund nicht die entsprechenden Befugnisse verleiht; zudem verweist das Bürgerliche Recht auf das Landesrecht (BGB Par.919(2)). Die Abmarkung kann sowohl durch eine öffentlich-rechtliche Pflicht als auch durch einen privatrechtlichen Anspruch begründet werden.
Die Rechtsvorschriften der Länder zur öffentlich-rechtlichen Abmarkung werden in Kap.2 miteinander verglichen und es werden ihre Unterschiede interpretiert.

Das Recht, Grenzmarken einbringen zu lassen, hat der Eigentümer; und er hat zudem seinem Nachbarn gegenüber den privatrechtlichen Anspruch, dass dieser an der Abmarkung mitwirkt (BGB Par.919). Da vor Aufstellung des BGB in den deutschen Ländern bereits öffentlich-rechtliche Regelungen, die das Verfahren und die Art der Abmarkung regelten, existierten, beliess man die Durchführung der privatrechtlichen Abmarkung dem öffentlichen Recht der Länder bzw. dem Gewohnheitsrecht.
Die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen gesetzlichen Regelungen zur Kennzeichnung von Grenzen werden in Kap.3 zusammengestellt.

Gesetze sind Normen, die Menschen für sich formulieren und bei Änderung ihrer gesellschaftlichen Bedingungen mit geändert werden. Auch im Bereich des Abmarkungswesens zeigte sich dies beim geschichtlichen Überblick. Die Veränderungen in unserer Gesellschaft, die innerhalb des letzten Jahrzehnts erfolgten, und die Weiterentwicklung der Technik sind Anlass, über Änderungen auch in den Fachgesetzen nachzudenken.
In Kap.4 werden spezielle Aspekte für die Abmarkung als Teil des öffentlichen Vermessungswesens diskutiert und Vorschläge für Gesetzesänderungen unterbreitet.

 

Zusammenfassung, Bewertung und erforderliche Konsequenzen

Die Abmarkung dient dem Grenzfrieden.
Im Deutschland des späten Mittelalters erfolgte die Kodifizierung der Abmarkung im Privatrecht.
Erste öffentlich-rechtliche Regelungen zur Abmarkung wurden im 18. Jahrhundert erlassen.
Wegen ihrer wachsenden Bedeutung für Landwirtschaft, Grundsteuer- und Hypothekenwesen wurde im 19. Jahrhundert eine öffentlich-rechtliche Abmarkung in verschiedenen Ländern des Deutschen Reiches gesetzlich geregelt.

Die unterschiedlichen Landesgesetze zur öffentlich-rechtlichen Abmarkung konnten weder im Deutschen Reich nach 1871 noch in der förderalistisch aufgebauten Bundesrepublik nach 1949 nachhaltig vereinheitlicht werden; in der DDR wurden Eigentumsgrenzen praktisch nicht beachtet und Grenzmarken zum Teil systematisch entfernt. Der Beitritt des Saarlandes zur Bundesrepublik 1957 und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands 1990 erlaubte aus vielerlei Gründen keine langwierigen Gesetzgebungsverfahren, so dass man sich zunächst an die Fachgesetze aus anderen Bundesländern anlehnte.
Gegenwärtig bestehen für das Abmarkungsrecht dem förderalistischem Aufbau der Bundesrepublik Deutschland entsprechend unterschiedliche Ländergesetze. Die öffentlich-rechtliche Abmarkung hat keine konstitutive Wirkung, d.h. Grenzen werden durch sie nicht geschaffen.

In der gesetzlichen Definition der Abmarkung bestehen begriffliche Unterschiede.
Zum einen wird unter Abmarkung die zielgerichtete Tätigkeit und zum anderen der durch die Tätigkeit erreichte "ordnungsgemässe Zustand" der Kennzeichnung von Grundstücken verstanden.
Dies erklärt sich mit der geschichtlichen Entwicklung des Liegenschaftskatasters in Deutschland. In Süddeutschland bestanden bereits Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Rechtsvorschriften zur Abmarkung, so dass dort heute unter Abmarkung ein "ordnungsgemässer Zustand" verstanden wird. In Norddeutschland wurde erst nach der Einführung des Grundsteuerkatasters eine Abmarkung durchgeführt, so dass die zielgerichtete Tätigkeit der Kennzeichnung von Grundstücken als Abmarkung verstanden wird.

Die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Abmarkung und ihre Ausnahmeregelungen sind in den Bundesländern unterschiedlich gesetzlich formuliert. Die Abmarkungspflicht reicht von einer relativ scharfen generellen Pflicht zur Abmarkung (z.B. in Sachsen) über Verzicht bei Antrag (z.B. in Sachsen-Anhalt) bis zum generellen Verzicht auf Abmarkung (in Hamburg, weil dort die Grenzpunkte im Koordinatenkataster erfasst werden). Das Verwaltungsverfahren zur Abmarkung unterscheidet sich in den Ländern jedoch nicht wesentlich.

Neben der öffentlich-rechtlichen Abmarkung besteht die privatrechtliche Abmarkung nach BGB Par.919. Sie hat ebenfalls keine konstitutive Wirkung, d.h. Grenzen werden durch eine privatrechtliche Abmarkung ebenfalls nicht geschaffen.
Das Vorhandensein von öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich abgemarkten Grenzmarken oder privat durchgeführten Kennzeichnungen der Grenzpunkte kann bei einer gerichtlichen Entscheidung über den Grenzverlauf nach BGB Par.920, die konstitutiv wirkt, als Beweismittel (Urkunde) herangezogen werden. Daher kann man den Eigentümern nur empfehlen, eine Abmarkung öffentlich-rechtlich vornehmen zu lassen.

Die Abmarkung einer privatrechtlichen Grenzscheidung mit konstitutiver Wirkung nach BGB Par.920 sollte als öffentlich-rechtliche Abmarkung vorgeschrieben werden, denn durch die Übernahme und den Nachweis des rechtmässigen Verlaufs der Grenze in das Liegenschaftskataster gewährleistet nur sie die Übereinstimmung der öffentlichen Büchern mit den Rechtsverhältnissen.

Heute erlauben die modernen Messverfahren und Dokumentationssysteme bei Vorhandensein eines Vermessungszahlenwerkes oder eines Koordinatenkatasters, dass die Grenzpunkte von Grundstücken in der Örtlichkeit jederzeit reproduziert werden können. Für die Sicherung des Grenzpunktes ist seine dauerhafte Kennzeichnung in der Örtlichkeit nicht notwendig. Die Dokumentation und Sicherung des Grundeigentums in den öffentlichen Büchern kann mittels Koordinaten und Zahlenwerk des Liegenschaftskatasters erfolgen.
Diese Position wird auch in Gesetzgebung und Rechtsprechung vertreten:
- Die Abmarkungspflicht "kann unterbleiben, da sie zur Sicherung des Eigentums nicht mehr
   notwendig ist." (Begr. zu Par.16 VermG HH).
- Die "Entfernung von Grenzsteinen bei einem bereits vermessenen und katastermässig
   erfassten Grundstück (kann) den Inhalt und Umfang des hieran bestehenden
   Eigentums rechtlich nicht gefährden" (OLG RP v.12.10.1993)

Die Praxis zeigt, dass auch ohne sofortige Abmarkung Grundstücke gebildet und genutzt werden.
In öffentlich-rechtlichen Verfahren zur Bodenordnung (BauGB, FlurgB, LwAnpG, BoSoG) entstehen neue Grenzen, und sie werden (zunächst) nicht abgemarkt, aber die in den Verfahren entstehenden Grundstücke werden von den Berechtigten genutzt.

Es sollte in den Rechtsvorschriften bei der Feststellung bestehender oder zukünftiger Grenzen nach Möglichkeit auf eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Abmarkung verzichtet werden, wenn Zahlenwerk und Koordinaten der Grenzpunkte im Liegenschaftskataster die Reproduktion der Grenze in der Örtlichkeit jederzeit erlauben.

Öffentlich-rechtliche Abmarkungspflichten zur Sicherung des Grundeigentums und zur Wahrung des Rechtsfriedens erscheinen unter diesem Gesichtspunkt nicht erforderlich.

Dessen ungeachtet bleibt nicht zu verkennen, dass die öffentlich-rechtliche Abmarkung der Eigentumsgrenze dem Rechtsfrieden dient. Deshalb steht es im privaten Interesse des Eigentümers, eine öffentlich-rechtliche Abmarkung zu beantragen, um sein in den öffentlichen Büchern eingetragenes und gesichertes Grundeigentum für jedermann sichtbar kennzeichnen zu können.

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*) Grosse Staatsprüfung für die höheren technischen Verwaltungsbeamten: Häusliche Prüfungsarbeit. Vertiefungsbereich Liegenschaftskataster, Ausbildungsland Niedersachsen; Wedesbüttel, im Februar 1996


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