Das Eigentum des Einzelnen ist ein hohes Rechtsgut in der Bundesrepublik
Deutschland. Im Grundgesetz wird das Eigentum garantiert, Einschränkungen
des Eigentums sind nur über Gesetze möglich (GG Art.14).
Die Gewährleistung des privaten Eigentums umfasst zwei Bereiche:
- das Grundrecht, Eigentum zu besitzen und frei darüber verfügen zu
können, und
- die Garantie des Privateigentums durch den Staat.
Der Eigentumsgarantie als Freiheitsrecht kommt somit in der Rechts- und
Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland eine hohe politische
Bedeutung zu, denn in der Garantie des Eigentums an Grund und Boden liegt
eine Absage an die Funktion des Eigentums als willkürliches Herrschafts-
und Machtinstrument.
Grundstücke und Gebäude stellen einen wesentlichen Anteil des Staats- und
Privatvermögens dar. Damit jedes Grundstück klar bestimmbar und eindeutig
definiert ist, besteht für das deutsche Liegenschaftsrecht der
Bestimmtheitsgrundsatz (Spezialitätsprinzip).
Für das in Grundbuch und Liegenschaftskataster eindeutig definierte
Grundstück sollen auch in der Örtlichkeit die Grenzen klar erkennbar sein.
Eine nach aussen sichtbare Kennzeichnung der Eigentumsgrenzen von Grundstücken
erfolgt z.B. durch Einrichtungen auf der Grundstücksgrenze. Eine rechtlich
verbindliche Kennzeichnung erfolgt jedoch nur durch Grenzpunkte, die als
Punkte der Grenzlinie die Grenze festlegen.
Den Grenzpunkten kommt somit die besondere Bedeutung zu, durch ihr
Vorhandensein die Grenze festzulegen und über materiell erkennbare
Grenzmarken in der Örtlichkeit die Grenze für jedermann sichtbar zu machen.
Grenzmarken dienen somit dem Erhalt des Rechtsfriedens und gewährleisten
die Rechtssicherheit.
Der Vorgang des Einbringens von Grenzmarken wird als Abmarkung bezeichnet.
Die Einteilung des deutschen Rechts in öffentliches Recht und Privatrecht
geht auf römisches Recht zurück; die Rechtsvorschriften selbst setzen sich
in ihren Ursprüngen aus römischen und germanischen Recht zusammen.
Auf diesem Hintergrund aufbauend wird in Kap.1 ein kurzer Überblick
über die historische Entwicklung der Gesetzgebung zur Abmarkung gegeben.
Die Gesetzgebungskompetenz für das Abmarkungsrecht haben nach allgemeiner
Ansicht die Länder, da das Grundgesetz (GG Art.70, 73-75) dem Bund nicht
die entsprechenden Befugnisse verleiht; zudem verweist das Bürgerliche
Recht auf das Landesrecht (BGB Par.919(2)). Die Abmarkung kann sowohl durch
eine öffentlich-rechtliche Pflicht als auch durch einen privatrechtlichen
Anspruch begründet werden.
Die Rechtsvorschriften der Länder zur öffentlich-rechtlichen Abmarkung
werden in Kap.2 miteinander verglichen und es werden ihre Unterschiede
interpretiert.
Das Recht, Grenzmarken einbringen zu lassen, hat der Eigentümer; und er hat
zudem seinem Nachbarn gegenüber den privatrechtlichen Anspruch, dass dieser
an der Abmarkung mitwirkt (BGB Par.919). Da vor Aufstellung des BGB in den
deutschen Ländern bereits öffentlich-rechtliche Regelungen, die das
Verfahren und die Art der Abmarkung regelten, existierten, beliess man die
Durchführung der privatrechtlichen Abmarkung dem öffentlichen Recht der
Länder bzw. dem Gewohnheitsrecht.
Die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen gesetzlichen Regelungen
zur Kennzeichnung von Grenzen werden in Kap.3 zusammengestellt.
Gesetze sind Normen, die Menschen für sich formulieren und bei Änderung
ihrer gesellschaftlichen Bedingungen mit geändert werden. Auch im Bereich
des Abmarkungswesens zeigte sich dies beim geschichtlichen Überblick. Die
Veränderungen in unserer Gesellschaft, die innerhalb des letzten Jahrzehnts
erfolgten, und die Weiterentwicklung der Technik sind Anlass, über Änderungen
auch in den Fachgesetzen nachzudenken.
In Kap.4 werden spezielle Aspekte für
die Abmarkung als Teil des öffentlichen Vermessungswesens diskutiert und
Vorschläge für Gesetzesänderungen unterbreitet.
Die Abmarkung dient dem Grenzfrieden.
Im Deutschland des späten Mittelalters erfolgte die Kodifizierung der
Abmarkung im Privatrecht.
Erste öffentlich-rechtliche Regelungen zur Abmarkung wurden im 18.
Jahrhundert erlassen.
Wegen ihrer wachsenden Bedeutung für Landwirtschaft, Grundsteuer- und
Hypothekenwesen wurde im 19. Jahrhundert eine öffentlich-rechtliche Abmarkung
in verschiedenen Ländern des Deutschen Reiches gesetzlich geregelt.
Die unterschiedlichen Landesgesetze zur öffentlich-rechtlichen Abmarkung
konnten weder im Deutschen Reich nach 1871 noch in der förderalistisch
aufgebauten Bundesrepublik nach 1949 nachhaltig vereinheitlicht werden;
in der DDR wurden Eigentumsgrenzen praktisch nicht beachtet und Grenzmarken
zum Teil systematisch entfernt. Der Beitritt des Saarlandes zur
Bundesrepublik 1957 und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands 1990
erlaubte aus vielerlei Gründen keine langwierigen Gesetzgebungsverfahren,
so dass man sich zunächst an die Fachgesetze aus anderen Bundesländern
anlehnte.
Gegenwärtig bestehen für das Abmarkungsrecht dem förderalistischem Aufbau
der Bundesrepublik Deutschland entsprechend unterschiedliche Ländergesetze.
Die öffentlich-rechtliche Abmarkung hat keine konstitutive Wirkung, d.h.
Grenzen werden durch sie nicht geschaffen.
In der gesetzlichen Definition der Abmarkung bestehen begriffliche
Unterschiede.
Zum einen wird unter Abmarkung die zielgerichtete Tätigkeit und zum anderen
der durch die Tätigkeit erreichte "ordnungsgemässe Zustand" der Kennzeichnung
von Grundstücken verstanden.
Dies erklärt sich mit der geschichtlichen Entwicklung des
Liegenschaftskatasters in Deutschland. In Süddeutschland bestanden bereits
Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Rechtsvorschriften zur Abmarkung, so
dass dort heute unter Abmarkung ein "ordnungsgemässer Zustand" verstanden wird.
In Norddeutschland wurde erst nach der Einführung des Grundsteuerkatasters
eine Abmarkung durchgeführt, so dass die zielgerichtete Tätigkeit der
Kennzeichnung von Grundstücken als Abmarkung verstanden wird.
Die öffentlich-rechtliche Pflicht zur Abmarkung und ihre Ausnahmeregelungen
sind in den Bundesländern unterschiedlich gesetzlich formuliert.
Die Abmarkungspflicht reicht von einer relativ scharfen generellen Pflicht
zur Abmarkung (z.B. in Sachsen) über Verzicht bei Antrag (z.B. in
Sachsen-Anhalt) bis zum generellen Verzicht auf Abmarkung (in Hamburg,
weil dort die Grenzpunkte im Koordinatenkataster erfasst werden).
Das Verwaltungsverfahren zur Abmarkung unterscheidet sich in den Ländern
jedoch nicht wesentlich.
Neben der öffentlich-rechtlichen Abmarkung besteht die privatrechtliche
Abmarkung nach BGB Par.919. Sie hat ebenfalls keine konstitutive Wirkung, d.h.
Grenzen werden durch eine privatrechtliche Abmarkung ebenfalls nicht
geschaffen.
Das Vorhandensein von öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich abgemarkten
Grenzmarken oder privat durchgeführten Kennzeichnungen der Grenzpunkte kann
bei einer gerichtlichen Entscheidung über den Grenzverlauf nach BGB Par.920,
die konstitutiv wirkt, als Beweismittel (Urkunde) herangezogen werden.
Daher kann man den Eigentümern nur empfehlen, eine Abmarkung
öffentlich-rechtlich vornehmen zu lassen.
Die Abmarkung einer privatrechtlichen Grenzscheidung mit konstitutiver
Wirkung nach BGB Par.920 sollte als öffentlich-rechtliche Abmarkung
vorgeschrieben werden, denn durch die Übernahme und den Nachweis des
rechtmässigen Verlaufs der Grenze in das Liegenschaftskataster gewährleistet
nur sie die Übereinstimmung der öffentlichen Büchern mit den
Rechtsverhältnissen.
Heute erlauben die modernen Messverfahren und Dokumentationssysteme bei
Vorhandensein eines Vermessungszahlenwerkes oder eines Koordinatenkatasters,
dass die Grenzpunkte von Grundstücken in der Örtlichkeit jederzeit
reproduziert werden können. Für die Sicherung des Grenzpunktes ist seine
dauerhafte Kennzeichnung in der Örtlichkeit nicht notwendig.
Die Dokumentation und Sicherung des Grundeigentums in den öffentlichen
Büchern kann mittels Koordinaten und Zahlenwerk des Liegenschaftskatasters
erfolgen.
Diese Position wird auch in Gesetzgebung und Rechtsprechung vertreten:
- Die Abmarkungspflicht "kann unterbleiben, da sie zur Sicherung des
Eigentums nicht mehr
notwendig ist." (Begr. zu Par.16 VermG HH).
- Die "Entfernung von Grenzsteinen bei einem bereits vermessenen und
katastermässig
erfassten Grundstück (kann) den Inhalt und Umfang des hieran
bestehenden
Eigentums rechtlich nicht gefährden" (OLG RP v.12.10.1993)
Die Praxis zeigt, dass auch ohne sofortige Abmarkung Grundstücke gebildet
und genutzt werden.
In öffentlich-rechtlichen Verfahren zur Bodenordnung (BauGB, FlurgB, LwAnpG,
BoSoG) entstehen neue Grenzen, und sie werden (zunächst) nicht abgemarkt,
aber die in den Verfahren entstehenden Grundstücke werden von den
Berechtigten genutzt.
Es sollte in den Rechtsvorschriften bei der Feststellung bestehender oder
zukünftiger Grenzen nach Möglichkeit auf eine öffentlich-rechtliche Pflicht
zur Abmarkung verzichtet werden, wenn Zahlenwerk und Koordinaten der
Grenzpunkte im Liegenschaftskataster die Reproduktion der Grenze in der
Örtlichkeit jederzeit erlauben.
Öffentlich-rechtliche Abmarkungspflichten zur Sicherung des Grundeigentums
und zur Wahrung des Rechtsfriedens erscheinen unter diesem Gesichtspunkt
nicht erforderlich.
Dessen ungeachtet bleibt nicht zu verkennen, dass die öffentlich-rechtliche
Abmarkung der Eigentumsgrenze dem Rechtsfrieden dient. Deshalb steht es im
privaten Interesse des Eigentümers, eine öffentlich-rechtliche Abmarkung
zu beantragen, um sein in den öffentlichen Büchern eingetragenes und
gesichertes Grundeigentum für jedermann sichtbar kennzeichnen zu können.
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Grosse Staatsprüfung für die höheren technischen Verwaltungsbeamten: Häusliche
Prüfungsarbeit. Vertiefungsbereich Liegenschaftskataster, Ausbildungsland
Niedersachsen; Wedesbüttel, im Februar 1996