'N AUTO IS' AUCH NUR 'N MENSCH!
von Sachsen über Bayern nach Italien
oder: von Bitterfeld nach Neapel
Peter Timm: GO TRABI GO!
Was tut ein Ossi-Deutscher, nachdem die Mauer gefallen ist, am liebsten? Das gleiche wie ein Wessi-Deutscher: er setzt sich in sein heiß geliebtes Auto und geht auf Reisen. So auch die Ossi-Familie Struutz: Vater Udo (Wolfgang Stumph), Mutter Rita (Marie Gruber - die uns in "Kubaner küssen besser" als putzsüchtige Hausfrau wieder begegnen wird) und die 17-jährige Tochter Jacqueline (Claudia Schmutzler - die für die Rolle eigentlich schon ein paar Jährchen zu alt ist), genannt "Jacki" - aus Bitterfeld. Was ein echter Ossi ist, der kauft sich natürlich kein West-Auto, sondern behält seinen "Trabi", jenen fahrbaren Untersatz aus Plastik und Pappe aus dem Hause "Trabant", laut, stinkend, umweltschädlich, unbequem und dennoch für den DDR-Bürger weder leicht noch gar billig zu bekommen: Wenn man weder West-Märker noch Beziehungen zur Nomenklatura (Ost) hatte, mußte man lange warten und ansparen (fast wie auf den KdF- pardon "Volkswagen" im Dritten Reich :-), bis man das gute Stück endlich hatte, dann gab man ihm einen Namen (der Trabi im Film heißt "Schorsch") und hegte und pflegte es mehr als sich selber. Wie sagt ein Nachbar der Struutz-Familie: "In den letzten Jahren habe ich mehr unter meiner Pappe gelegen als auf meiner Alten." Ossi Udo wäscht sich erst, nachdem er "Schorsch" gründlich gereinigt hat, auch selber kurz das Gesicht - mit dem Lappen und dem Schmutzwasser von der Autowäsche. Und was nimmt man auf die Reise mit, um sie zu "dokumentieren"? Natürlich "Obas Jobåner", Großvaters neue, vollautomatische Kamera aus Japan - ein Glück, daß die west-deutsche Kamera-Industrie schon vor Jahrzehnten den Bach 'runter gegangen ist, denn deren Erzeugnisse würde ein ordentlicher Ossi ja nicht anrühren. (Tatsächlich ist auch in der Auto-Industrie, in der die Westdeutschen noch glauben, eine führende Rolle zu spielen, seit Mitte der 1970er Jahre jede vernünftige Neuerung aus Japan gekommen - sie haben also keinen Grund, über die "Trabis" der Ossis die Nase zu rümpfen - vom Gestank mal abgesehen :-)
Und wohin reist man als guter Ost-Deutscher? Auf keinen Fall nach Deutschland-West, wenn es sich vermeiden läßt, sondern auf den Spuren des Wahl-Ossis Goethe ins schöne Italien. (Zumal dort ein "Trabi" nicht weiter auffällt - der "Bambino" von Fiat ist noch kleiner; außerdem zeigt der Name, daß auch die Italiener ihre Autos vermenschlichen; die Westdeutschen tun das zwar auch, aber militaristisch, wie sie nun mal sind, verleihen sie ihnen gleich militärische Ränge, wie Kadett, Kommodore, Kapitän oder gar Admiral :-) Ganz vermeiden läßt es sich indes nicht - es sei denn, man wollte über die Tschechei fahren - aber dann wäre man ja nicht mehr auf den Spuren von Goethe. Der reiste nämlich seinerzeit via Regensburg; da trifft es sich gut, daß dort rein zufällig Ritas Schwester lebt - wie die es geschafft hat, die DDR zu verlassen, wird uns nicht verraten. Sie hat einen widerwärtigen Wessi-Fettmops geheiratet (und von ihm einen ebensolchen Sohn), der mit seinem Reichtum protzt (teure Schrankwand, eigener PC für den Sohnemann - Anfang der 1990er Jahre noch keine Selbstverständlichkeit), seinen armen Verwandten aber nicht mal ein Stück von der großen Schwarzwälder Kirschtorte gönnt, an der sich die Familie gerade gütlich tat, als die Sachsen bei ihnen klingelten. (Ja ja, liebe Ossis, die fetten, voll gefressenen Wessis sind wirklich knauserig: Nur schlappe 200 Milliarden DM haben sie Euch jedes Jahr geschenkt, bis sie selber pleite waren und die DM abschaffen mußten; und die Zahlung Eurer Renten haben sie auch anstandslos übernommen, obwohl Ihr nie einen Pfennig in die Rentenkasse eingezahlt habt, und sie jedes Jahr doppelt so stark erhöht wie die West-Renten, so daß Ihr im Schnitt heute mehr Rente habt als die Wessis - warum auch nicht, Ihr sollt ja nicht verhungern!) Statt dessen fahren sie ihnen ein paar Peanuts auf mit den cynischen Worten: "Nun langt mal ordentlich zu." Udo zückt Goethes "Italienische Reise" und zitiert aus der Eintragung vom 3. September 1786: "Das Obst ist nicht sonderlich, ich sehne mich nach Trauben und Feigen." Er zitiert unvollständig, wie Ihr hier nachlesen könnt; vollständig lautet der Satz: "Das Obst ist nicht sonderlich. Gute Birnen hab' ich gespeist; aber ich sehne mich nach Trauben und Feigen." [Will sagen: Er hat deutsches Obst bekommen, sehnt sich jedoch nach italienischem.] Aber die Ossis sehen ja immer nur das, was ihnen paßt (eine Eigenart, von der auch die Wessis nicht ganz frei sind :-); wer den Mist, den Goethe da verzapft hat, tatsächlich nachgelesen hat, der weiß, welch minderbemittelten Geistes der war. Wenn Ihr Euch etwas näher mit ihm beschäftigt, liebe Leser (was sich eigentlich nicht lohnt), auch über seine Reisetagebücher hinaus, dann werdet Ihr feststellen, daß der insgesamt etwa das intellektuelle Niveau eines durchschnittlichen Ossis hatte - nicht umsonst wanderte er nach Sachsen-Weimar-Eisenach aus, und nicht umsonst stellte er Newtons Farbenlehre in Frage, weil sein beschränkter Geist nur sehen wollte, was seine Augen sahen, nämlich Farben, kein ("weißes") Licht. Insofern ist er wirklich die ideale Reiselektüre für Ossis. (Was Dikigoros Nicht-Ossis empfiehlt? Die Italien-Bücher von Kasimir Edschmid, Anton Zischka, Humbert Fink, Paul Theroux und Joachim Fest - soweit die zeitgenössischen Autoren; über die früheren schreibt er an anderer Stelle mehr.)
Übernachten lassen die bösen Regensburger Wessis die armen Bitterfelder Ossis nicht etwa in einem schönen weichen Gästebett, sondern in der Hundehütte ("dem Puppi sei' Hütten - sicherer könnt's ja überhaupt net schlafen"). Dabei handelt es sich freilich um einen luxuriösen Wohnwagen im Garten, in dem vorher Aussiedler und türkische Asylanten gewohnt haben (was sich der fette Schwager - eine Rolle, die Otfried Fischer im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib geschrieben wurde - von der Gemeinde fürstlich hat vergüten lassen); die einzige, die das "echt deli" findet, ist Jacqueline. Die ist überhaupt schon ziemlich verwestlicht, was sich u.a. darin zeigt, daß sie eine dekadente westliche Blue-Jeans trägt (mit modisch aufgerissenen Löchern, die den halben nackten Hintern heraus schauen lassen), daß sie von den vielen West-Autos, von denen sie unterwegs überholt werden (der "Trabi" macht nur 120 km/h Spitze), ganz begeistert ist, und daß sie im Radio ständig Wessi-Musik hört. "Moch die Offen-Musik ous!" brüllt Udo ein ums andere Mal, wenn seine Tochter Neger-Jazz anmacht. Ja, die Ossis im Film sächseln alle ganz stark - wohl bewußt, denn auch die Bayern sprechen Bayrisch (und die Italiener werden Italienisch sprechen); Timm will zeigen, daß Dialekt-Sprechen eigentlich etwas ganz Normales ist (ist es ja auch - wenn das Sächsische nur nicht eine so scheußliche Mundart wäre :-).
Bei der Weiterfahrt kommt, was kommen mußte: Der Trabi hat eine Panne, und nun gerät die arme Familie Struutz in die Fänge der bösen Wessi-Autowerkstätten: 619,52 DM soll die Reparatur kosten ("schließlich bekommen Sie Original-Ersatzteile vom Sachsenwerk Zwickau!") - das sprengt die Struutz'sche Reisekasse. Da kommt irgendwem die rettende Idee: Man läßt die Wessis ein paar Runden in "Schorsch" drehen - für 5.- DM pro Minute -, und bald ist die Reisekasse wieder gefüllt. Die böse kapitalistische Inhaberin der Autowerkstatt - eine richtige Schlampe, gespielt von Barbara Valentin - zockt sie zwar noch ordentlich ab, von wegen "Platzmiete" und so, aber sie können weiter fahren, bis zum nächsten Campingplatz, wo sie in der so genannten "Pension Sachsenruh" übernachten, d.h. dem Zelt, das sie auf dem Gepäckträger des Trabi mit sich führen. Am nächsten Morgen der nächste Schock: Die unmoralischen Wessis machen aus dem Camping-Lager ein Nudisten-Camp mit FKK, laufen ganz ungeniert im Eva-Kostüm herum, während die beiden Ossinesinnen sich selbst beim Waschen züchtig verhüllen wie Musliminnen am Badestrand. Und bei der Fahrt durch München fährt ihnen ein böser Wessi-Müllkutscher die Stoßstange ab. "Ein Auto ohne Stoßstange ist wie ein Mensch ohne Nose," meint Udo und fährt auf den Schrottplatz, um eine neue zu besorgen. Dort trifft er Dieter Hildebrandt wieder, den Halsabschneider von der Reparatur-Werkstatt, der Ersatzteile aus Trabi-Wracks ausbaut. "Oho, Originool-Dswiggou," bemerkt Udo, schon wieder einem Betrug der bösen Wessis an den armen Ossis auf die Spur gekommen. Aber nun ist er großzügig - denn er ist eigentlich emigrierter Ossi, nur seine böse Wessi-Chefin hatte ihn gezwungen, so schlecht an seinen Mit-Ossis zu handeln - und schenkt Udo die Stoßstange. Unterdessen gehen Rita und Jacqueline in einem Münchner Kaufhaus einen Badeanzug kaufen - und wieder wird uns ein Beispiel vorgeführt, wie die armen Ossis von den bösen Wessis über den Tisch gezogen werden: "Sündhaft teuer" ist das Modell, für das sich Rita schließlich entscheidet, "feinste Pariser Seide", wie die Verkäuferin behauptet. "Was?" empört sich Rita, "der ist von uns, Chemiefåser!" Ja, liebe Leser, daran ist sogar ein Kern Wahrheit: Die Westdeutschen hatten lange Zeit die DDR als Billiglohnland ausgenutzt, wenn es um einfache und einfachste Klamotten ging, wie z.B. Unterwäsche (Badeanzüge normalerweise nicht, aber wer weiß, vielleicht bestätigten einige Ausnahmen ja die Regel); nach der "Wieder"-Vereinigung, genauer gesagt nach der Währungsunion und der Umstellung der Löhne 1:1 - also der Zwangsaufwertung des ossinesischen Alu-Chips um 500% - brachen die export-orientierten Zulieferer-Betriebe sofort zusammen, denn nun waren sie der Billiglohn-Konkurrenz aus Fernost (dort, wo noch der wahre Sozialismus herrschte, wie in Rotchina oder Vietnam) nicht mehr gewachsen. So ruinierten unfähige und kriminelle Politiker (aus Ost und West - vor allem aus West-Deutschland, da hatte Timm schon Recht!) die DDR-Wirtschaft bzw. das, was noch von ihr übrig geblieben war, vollends.
Weiter geht die Reise der Familie Struutz; über den Brenner nimmt sie ein Kölner Brummi-Fahrer (gespielt von Diether Krebs, dem Schwiegersohn aus "Ekel Alfred") mit seinem Auto-Transporter Huckepack. Ja, im Grunde genommen ist und bleibt es eine Reise von Deutschland (Ost) nach Deutschland (West), auch dort, wo sie vordergründig in Italien oder auf dem Weg dorthin spielt. (Deshalb fällt es den meisten Zuschauern wohl auch gar nicht auf, daß die Szenen nicht in Rom oder Neapel gedreht sind, sondern in Brescia - die Ansichten der beiden anderen Städte sind dann irgendwie hinein geschnitten :-) Bis zur "Wiedervereinigung" war zum Thema "deutsch-deutsche Klischees" ein anderer Film Kult, nämlich "Das kann doch unseren Willi nicht erschüttern" von Rolf Ohlsen aus dem Jahre 1970, mit Heinz Erhardt in der Hauptrolle, der fast so nervig war wie Wolfgang Stumph, und in Sachen Italien "Eine Reise ins Glück" von 1958. Aber da waren jeweils beide Seiten aus West-Deutschland, und es gab ein Happy-end mit Versöhnung - also etwas, wovon Ossis und Wessis weiter entfernt sind denn je, im Film zumal. Denn auch der kölsche Fernfahrer - der übrigens breitesten rheinländischen Dialekt spricht - hilft seinen armen Landsleuten aus der Ex-DDR natürlich nicht aus Nächstenliebe (schließlich ist er Wessi :-), sondern aus purer Bosheit, um sich über ihren guten "Schorsch" lustig machen zu können; stundenlang werden Trabi-Witze durchgehechelt. Als sie bei dem angekommen sind, wo der Kuhfladen zum Trabi, der im Straßengraben gelandet ist, sagt: "Wenn Du 'n Auto bist, bin ich 'ne Pizza" wacht Jacqueline auf: "Bidso?!?" Ja, nun sind sie glücklich in Italien, oder, wie der doofe Udo den doofen Johann Wolfgang zitiert: "Ouch ich in Orkåhdien" (daß Arkadien in Wirklichkeit in Griechenland liegt wußten die beiden Deppen halt nicht). Ganz so idyllisch nimmt sich das freilich nicht aus - merke: Auch die Italiener sind Wessis, italienische Wessis halt, und so erfahren wir über Italien denn nicht viel mehr als daß es dort von Dieben, faulen Beamten und heim gekehrten Gastarbeitern wimmelt: Gleich in der ersten Nacht werden "Schorsch" die Reifen abmontiert, und beim ersten Stadtbummel durch Rom wird Rita von einem Motorradfahrer überfallen, der ihr "Obas Jobåner" entreißt. Aber die gelernten DDR-Bürgerinnen, nicht faul, nehmen zu Fuß die Verfolgung auf durch die engen Gassen Roms, stellen den "Mofioso" und entreißen ihm nicht nur die Kamera, sondern auch eine Brieftasche mit gestohlenem Geld. Ehrlich, wie Ossis nun mal sind, wollen sie die gleich auf dem nächsten Kommissariat abliefern (na ja, Jacqueline, die wie gesagt schon etwas westlich angehaucht ist, will das Geld eigentlich lieber behalten), aber dort macht der faule Hund von italienischem Kommissar (der sie eh nicht versteht, weil er unerhörterweise nur Italienisch spricht) gerade Feierabend und wirft sie hinaus. Also latschen Rita und Jacqueline (Udo haben sie im Verkehrsgewühl verloren) ins nächste Luxushotel - Geld haben sie ja nun genug - und filosofieren darüber, ob sie nicht den Zimmerkellner flach legen sollten (der das als gelernter Gastarbeiter aus Berlin versteht, was ihnen dann sehr peinlich ist) und freuen sich, daß Rita nach 17 Jahren wieder schwanger ist - "noch so'n überflüssiges Bolschewiken-Baby..." hätte McNamara in Wilders "Eins, Zwei, Drei" gesagt.
Unterdessen hat sich Udo von vier leichtfertigen Italienerinnen abschleppen und zum Sekt-Trinken verführen lassen, woraufhin er "Schorsch" kaputt fährt. Zum Glück haben die vier einen Freund, der ihn notdürftig wieder herrichtet - mit Buntmetall. "Sieht 'n bißchen aus wie 'n Gonorienvogel," meint Udo. Auf der römischen Treppe trifft sich die Familie wieder - frühstücken tun sie dann aber keine Pizza, sondern - als gute Deutsche - Espresso mit Hörnchen. Weiter geht's nach Neapel ("Neåbol") - von dem wir freilich nichts mehr zu sehen bekommen; denn kaum sind sie auf einen Hügel gegenüber vom Vesuv gefahren, um ein Foto zu machen, macht sich "Schorsch" selbständig (ja ja, die Handbremsen...) und rollt rückwärts die Böschung hinunter. Udo hält bereits eine rührende Grabrede - gewissermaßen von der Wiege bis zur Bahre -, die "Schorsch" als treues Familien-Mitglied ausweist, in dem sie Jacqueline gezeugt, Rita zur Entbindungsklinik gefahren haben usw., weil er denkt, die Kiste wäre in den Golf von Neapel gestürzt, da finden sie ihn doch noch wieder, etwas verbeult und ohne Dach, aber noch fahrtüchtig. So fährt Familie Struutz denn wieder "hejme" gen Ossiland, und der Film endet - wie könnte es anders sein - mit einem Goethe-Zitat:
"Das ist das angenehme auf Reisen:
Daß auch das Gewöhnliche
Durch Neuheit und Überraschung
Das Aussehen eines Abenteuers gewinnt."
Nach dem unerwartet großen Erfolg von "Go Trabi Go" drehte Reinhard Klooss 1992 die Fortsetzung. [Peter Timm wandte sich anderen Projekten zu und sollte drei Jahre später mit der saublöden Komödie "Rennschwein Rudi Rüssel" einen Riesenerfolg landen.] Er nannte sie "Go Trabi Go II" (von Ossis, Wessis und Gartenzwergen - inoffizieller Untertitel von Dikigoros; der offizielle lautet: "Das war der wilde Osten"); aber er hätte sie besser "Go Trabi Go 1/2" nennen sollen, denn sie weist leider nur halb so viel Humor auf wie der erste Teil, dafür noch mehr abgehalfterte Wessi-Schauspieler in Nebenrollen und eine doppelte Portion ossinesischen Selbstmitleids. Sie spielt in Landwitz, einem Kaff bei Dresden (das es - im Gegensatz zu Freythal, dem Kaff bei Dresden aus Wer zweimal lügt - nicht wirklich gibt, sondern eine Erfinduung des Drehbuchautors ist; die Aufnahmen wurden in Sinsheim an der Elsenz gedreht, einem Kaff zwischen Heidelberg und Heilbronn). Dort hat Udo Struutz die "Rote Mütze" geerbt, eine Fabrik zur Herstellung von "Ziergarten-Kleineinheiten" (so, liebe Wessi-Leser, die Ihr bisher nur den Ausdruck "geflügelte Jahresendzeitfigur" für Weihnachtsengel kanntet, hießen die Gartenzwerge auf Ossinesisch), die rote Jakobiner-Mützen tragen. Das ist auch gut so, denn böse Wessi-Kapitalisten, allen voran der amerikanischen Milliardär William Buck - haben das alte Heim der Familie Struutz in Bitterfeld platt gemacht, um einen Golfplatz zu bauen (auch der befindet sich in Sinsheim :-), nachdem sie dort alle Fabriken still gelegt haben; und wie zum Hohn steht in der Schlagzeile einer bekannten Boulevard-Zeitung auch noch ein Spruch des bösen US-Kapitalisten: Man müsse den wirtschaftlichen Erfolg nur wollen... A propos wollen: Die bösen Wessi-Bürokraten (personifiziert durch den korrupten neuen Wessi-Bürgermeister Kuhn [Uwe Friedrichsen], der zu allem Überfluß auch noch versucht, dem Udo die Rita auszuspannen - von deren Schwangerschaft keine Rede mehr ist) wollen auch das schöne alte VEB-Erbe in Landwitz platt machen und die "Rote Mütze" durch eine überdimensionierte Autobahn-Raststätte ersetzen - gewissermaßen der Wessi-Dolchstoß in den Rücken der Gartenzwerg-Ossis, pardon der Ossi-Gartenzwerge.
Das Amt für Abwicklung der DDR-Wirtschaftsunternehmen - so nennt Klooss im Film die "Treuhand" - macht der Familie Struutz wenig Hoffnung: "Ihr Betrieb ist in Anbetracht der Lieferantenschulden, der rückständigen Lohnkosten und der übrigen Altlasten (zu denen auch die alten Ossi-Direktoren gehören, die dem neuen, kapitalistischen Wessi-Bürgermeister treu ergeben folgen wie Schoßhündchen :-) nicht mal mehr eine Mark wert; und Sie haben im Gegensatz zu Herrn Kuhn auch kein schlüssiges Sanierungskonzept." - "Und warum will dann der Bürgermeister soviel investieren?" fragt Rita, "den Wessi möchte ich mal sehen, der so blöd ist, eine Million in einen Betrieb zu stecken, der bloß eine Mark wert ist!" Ach, liebe Leser, das denkt sich eine Ossinesin so - und mit Recht: Wie kann man nur so blöd sein...? Das glaubt doch kein halbwegs normal denkender Mensch! Und doch war es so: Rechnet selber nach, wie oft unfähige Polit-Bonzen und Nieten in Nadelstreifen der "Treuhand" Millionen DM westdeutscher Steuergelder in Betriebe der Ex-DDR gesteckt habe, die nichtmal mehr eine Mark wert waren und z.T. noch idiotischere, sprich unverkäufliche Dinge produziert haben als Gartenzwerge mit Stumph-Nase und roter Mütze! Die Wessis hat das beinahe an den Bettelstab gebracht - aber die Ossis sind auch nicht reich geworden dabei, weil sie die geschenkten Billionen ohne Sinn und Verstand in meistenteils überflüssige Konsumgüter gesteckt, sprich verpraßt haben. [Von alledem erfahren wir im Film freilich nichts; da verprassen ganz im Gegenteil die bösen Wessis und ihre Handlanger, die zu "Managern" gewendeten alten Ossi-Direktoren, die Reichtümer der "Roten Mütze", u.a. eine imaginäre "Rentenkasse" (als ob die Renten der DDR-Bürger nicht schon immer von der BRD bezahlt worden wären!) im Puff, den ein smarter Jung-Unternehmer im ehemaligen Gebäude der SED-Bezirksleitung aufgemacht hat, und wo vorübergehend auch Jacki jobbt.]
Zum Glück trifft es Udo im Film besser als der durchschnittliche Erbe von Ex-DDR-Betrieben in der Realität: In Dresden lernt er rein zufällig Charly kennen, einen verkrachten Wessi-Aussteiger, der eigentlich schwarz-rot-goldene Kondome in Übergröße mit Bananengeschmack auf den Ex-DDR-Markt bringen wollte. [Er wird gespielt von dem Ex-Amon-Düül-Sänger und Heroin-Junkie Rolf Zacher, von dem kaum noch jemand weiß, daß auch er gebürtiger Ossi, genauer gesagt Ost-Berliner, ist.] Ein Quartett primitiver, glatzköpfiger Neo-Nazis in Springerstiefeln und Bomberjacken (sowas gab es in der guten alten DDR nicht!) wirft sowohl die Kondome als auch "Schorsch" in die Elbe.
"Kismet," meint Charly ganz gelassen. "Was solls, Alter, Du hast Deine Pappe verloren, und ich meine Gummis!" Also müssen sie notgedrungen die "Rote Mütze" retten: Udo - der sich inzwischen einen neuen Anzug zugelegt und seinen Job als Deutsch-Lehrer gekündigt hat - holt sich zwar beim miesepetrigen Kreditsachbearbeiter [Heinrich Schafmeister] einer Wessi-Bank (Ossi-Banken gibts ja nicht :-) eine Absage ("Was haben Sie denn für Sicherheiten? Was haben Sie gelernt?" - "Ich bin gelernter DDR-Bürger!"); aber irgendwie schafft er es, bei einem Büffet in der Dresdner Staatsoper dessen Chef, Bankdirektor v. Hohenstein [Dietmar Schönherr] kennen zu lernen und mit einer Reihe von Goethe-Zitaten zu beeindrucken, woraufhin ihm der prompt einen Millionen-Kredit der Wirtschaftsbank zusagt - vorausgesetzt, er kann entsprechende Aufträge nachweisen.
Kein Problem für Udo: Er geht mal eben ins Casino - wo er beinahe die Bank sprengt -, dann düst er mal eben nach New York City; und hier versäumt Klooss die vielfältigen Möglichkeiten, die dem Film den Untertitel "von Dresden nach New York" hätten eintragen können: Stumm trotte[l]t der Ossi Stumph durch die US-Metropole (wie er schon im ersten Teil durch Italien getrotte[l]t ist - Ossis will be Ossis :-), wir erfahren nicht einmal, was er denkt. (Wahrscheinlich gar nichts, denn auf die Frage Charlys, was denn bloß in seiner Sachsenrübe stecke, antwortet er: "Da ist nichts, außerm Faust" :-) Wie dem auch sei, da der einzige US-Unternehmer, den Udo wenigstens dem Namen nach kennt, jener William Buck ist, der den Golfplatz in Bitterfeld baut (was muß das für ein Volltrottel sein, seinem mutmaßlichen Vorbild, dem Milliardär William Buck aus Sydney/Australien, wäre das sicher nicht passiert), steigt er gleich mit Hilfe eines Krans in dessen Büro-Palast ein (durch die Eingangstür hat ihn der Hauswächter nicht 'rein gelassen :-) und trifft auf dem Gang tatsächlich den Super-Unternehmer persönlich. Als der ihn nicht anhören will, wirft Udo ihm vor Wut einen von zwei Muster-Gartenzwergen (die er die ganze Zeit mit sich herum trägt) vor die Füße, wobei er in tausend Scherben zerspringt. William Buck tut es ihm mit dem zweiten Exemplar gleich und findet das so lustig, daß er gleich 30.000 davon bestellt. Was die kosten sollen, macht Udo ihm mit Hilfe einer russischen Putzfrau klar: "1 Million." (Er meint Märker, aber der Ami schreibt ihm zu seiner Überraschung prompt einen Scheck über 1 Mio US-$ aus :-) Dieser Millionenauftrag rettet nicht nur die "Roten Socken", pardon, die "Rote Mütze", sondern auch die Ehre der "gelernten DDR-Bürger": Alsbald läuft die Gartenzwerg-Produktion wieder an. In der Zwischenzeit hat Jacki "Schorsch" bergen und reparieren lassen (von einem waschechten Neger - auch sowas gab es in der guten alten DDR nicht :-), Rita gibt dem bösen Wessi-Bürgermeister den Laufpaß und kehrt zu Udo zurück; und so herrscht denn in ganz Landwitz wieder Friede, Freude, Eierkuchen, wie in guten alten DDR-Zeiten. Der Film endet damit, daß Charly, der Kondom-Händler a.D., sich in sein altes Auto setzt und zu ebenso alter Musik der britischen Rockband seligen Angedenkens Slade ("Look what you've dun to me" - "Far, far away", das viel besser gepaßt hätte, hat Klooss schon im Mittelteil des Films verbraten) nach Sibirien aufbricht, denn dort sei nun der wahre "wilde Osten", während Ossiland ja nun in den Westen integriert sei. Na, wenn er sich da mal nicht getäuscht hat...
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