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3.3.4. Der Friedhofszwang
In Deutschland herrscht grundsätzlich Friedhofszwang. Aus diesem Grund dürfen Erdbestattungen und Aschenbeisetzungen nur auf öffentlichen, also kirchlichen oder kommunalen, Bestattungsplätzen erfolgen (vgl. Gaedke 1997: 20). Obwohl Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern bis jetzt kein eigenes Bestattungsgesetz hat, aus welchem sonst der Friedhofszwang explizit hervorgeht, heißt das nicht, dass dieser hier nicht relevant wäre. So muss zunächst ein Unterschied zwischen der Feuerbestattung und Erdbestattung gemacht werden. Für erstere ist das Gesetz über die Feuerbestattung von 1935 bestimmend. In § 9 dieses Gesetzes ist festgelegt, dass die Aschenreste jeder Leiche in einer Urne aufzunehmen und in einer Urnenhalle, einem Urnenhain, einer Urnengrabstelle oder einem Grabe beizusetzen sind (vgl. § 9 Gesetz über die Feuerbestattung), was mit dem Friedhofszwang identisch ist. Für die Körperbestattung gibt es keine direkte gesetzliche Regelung (vgl. Dr. Schiffaus), obwohl in Nordrhein-Westfalen in diesem Sinne das "Allgemeine Landrecht" und das "Décret du 23 prairial XII sur les sépultures" maßgebend sind. Das Preußische Allgemeine Landrecht vom 5.2.1794 macht in Teil II über die Anlegung neuer Begräbnisplätze, den Anspruch eines jeden Gemeindemitglieds unabhängig seiner Konfession auf einen Begräbnisplatz der Dorf- oder Kirchengemeinde und die Verlegung von Begräbnisplätzen Angaben. Im Prairial - Décret werden bezüglich der Beerdigungen und den Begräbnisplätzen, der Anlage neuer Friedhöfe, der Abtretung von Gelände auf den Friedhöfen und der Aufsicht über die Begräbnisplätze Regeln aufgestellt. Im Hinblick auf die Bestimmungen im Allgemeinen Landrecht und im Prairial - Décret existiert ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW, aus welchem hervorgeht, dass private Begräbnisplätze genehmigt werden müssen die Anlegung neuer Friedhöfe nur aus erheblichen Gründen des öffentlichen Interesses geschehen kann und folglich über privaten Interessen steht (vgl. OVG NRW vom 17.1.1997). Dies alles bedeutet letztendlich einen Bestattungszwang auf dem öffentlichen Friedhof (vgl. Dr. Schiffaus).
Der Friedhofszwang ist aber nicht identisch mit dem Bestattungszwang (vgl. Gaedke 1997: 114). Da bestattet werden muss, wird durch den Friedhofszwang gewährleistet, dass dies auch wirklich nur auf dem Friedhof geschieht. Der Friedhofszwang bietet also einen Schutz für das Wohl der Allgemeinheit im gesundheitlichen, sittlichen und religiösen Sinne. Somit ist der Friedhofszwang durch Art. 2 Abs. 2 des GG (Grundgesetz) legitimiert, obwohl dadurch die Handlungsfreiheit der Person eingeschränkt wird. Weil Bestattungszwang herrscht, hat jeder Mensch das Recht auf ein ordentliches Begräbnis. Im Rahmen des Bestattungszwangs wird im Todesfall jedem Einwohner auf dem jeweiligen Bezirksfriedhof ein Reihengrab bereitgestellt, wodurch der Friedhofszwang vollkommen erfüllt ist. Der Bestattungsanspruch auf ein sogenanntes ordentliches Begräbnis ist damit ebenso erfüllt, da für alle die gleichen Vorraussetzungen gelten (vgl. Gaedke 1992: 152).
Wer sich hingegen in Deutschland an einem ausgefallenen Ort oder im eigenen Garten bestatten lassen möchte, oder die Urne einer geliebten Person in den eigenen vier Wänden wissen möchte, scheitert an den Gesetzen des Friedhofszwangs. Einziger Ausweg ist es bis jetzt, die deutsche Bürokratie z.B. über die Niederlande oder Guatemala zu umgehen. Dort wird die Asche des Verstorbenen auf einem Friedhof ausgeschüttet, mit Erde vermischt und wieder nach Deutschland geschickt. Sie gilt nun als dem Andenken des Toten geweihte Friedhofserde, womit die Angehörigen nach Belieben verfahren dürfen (vgl. der Spiegel Heft 17/ 1998).
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