Skizze zur Subjekt-Objekt-Beziehung bei Hegel:
Die Erzeugung des Objekts durch das Subjekt, dargestellt an einigen Passagen aus der Einleitung zur „Phänomenologie des Geistes"
 

                         erstellt von:
                                              Iris Bühler
 

Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg im Breisgau
Philosophische Fakultät I
Dozentin: Prof. Dr. Guzzoni
Proseminar: Hegel. Phänomenologie des Geistes. Einleitung.
Sommersemster 1997

                         Inhaltsverzeichnis

I. Vorwort          3

II. Einleitung          5

III. Kurze „Standortbestimmung" Hegel’s und seiner Philosophie   6

IV. Die Erzeugung des Objekts durch das Subjekt, dargestellt an
           einigen Passagen aus der Einleitung zur „Phänomenologie
           des Geistes"          8

 1. Selbstentwicklung des EINEN Prinzips, des Geistes    8
 2. Methode und Gegenstand als zwei Seiten derselben Sache 11
 3. Bewußtseinsgrade und ihre Kompetenzen    12
 4. Das An-und-für-sich-Bestimmte     14
 5. Grade der Wahrheit und ihre Beschränkung    16
 6. Primat der Idee und „Mangel im Materiellen" als Kern der
               Dialektik         17
 7. Das Anliegen der Phänomenologie     17
 8. Begriff und Gegenstand, Momente des Bewußtseins  18
 9. Die Prüfung: Entspricht der Begriff seinem Gegenstand und
               umgekehrt?        20

V. Schlußbetrachtung        23

VI.       Literaturverzeichnis        25
 
 

I.    Vorwort

Es gilt überhaupt „die Anstrengung des Begriffs auf sich zu nehmen" , in anderen Worten: „Nehmen Sie einen Begriff, einen Satz oder einen Abschnitt aus der Einleitung zur Phänomenologie, und machen Sie sich eigene Gedanken darüber", so lautet - hinsichtlich der Erstellung einer Hausarbeit im Rahmen des Proseminares über Hegels Einleitung zur Phänomenologie des Geistes - die vorgegebene Aufgabenstellung, womit bereits die Frage nach den Grundbedingungen und Grenzen derselben aufgeworfen ist.
Eigene Gedanken, um sich ernsthaft mit Hegel auseinanderzusetzen, setzen strenggenommen erstens eine umfassende Kenntnis der Philosophie Hegels, und zweitens eine eigene Philosophie zumindest auf der Höhe derjenigen Hegels voraus. Eine „voraussetzungslose" Auseinandersetzung mit Hegel, bzw. mit „etwas" von Hegel, einem Abschnitt, Satz oder Begriff aus der Einleitung zur Phänomenologie, ist nach dem Ermessen der Verfasserin nicht möglich, da sich Hegels Gedanken nicht allein durch die Sprache - welche nicht mit Denken identisch ist, ssondern lediglich u.a. als Denken vermittelntes Werkzeug fungiert - erschließen,  sondern es ist das Verständnis grundlegender Problemstellungen der Philosophie vonnöten, sowie eine gewisse Vorkenntnis, auf welche unterschiedliche Weise die Grundfrage der Philosophie nach dem Verhält-nis von Denken und Sein, Subjekt und Objekt beantwortet werden können, er-forderlich.
Hegel beantwortet die Frage des Verhältnisses vom Denken zum Sein objektiv-idealistisch, das heißt, Hegel trennt „Denken", „Bewußtsein", „Geist" von ihrer natürlichen und gesellschaftlichen, also historischen Grundlage ab, womit sich „Denken", „Geist", [„Bewußtsein", „Begriff"] etc. verselbständigen, zu einer „objektiven Wesenheit" werden, und dem Ganzen der materiellen (und geistigen) Welt als ursprüngliches Prinzip vorangestellt werden. Die materielle (und geistige) Welt erscheinen so als Produkt bzw. Bewußtseins-Inhalt einer geistigen Einheit.
Diese und andere philosophische Voraussetzungen, namentlich eine zumin-dest grobe Kenntnis der Hegelschen Philosophie, scheinen der Verfasserin als das Minimum erforderlich, um eine sinnvolle Auseinandersetzung mit Hegels Einleitung zur Phänomenologie des Geistes zu gewährleisten.
Eine detaillierte Auseinandersetzung mit Hegel sprengt in jedem Falle den Rahmen einer Hausarbeit, also sollen in der vorliegenden Arbeit, basierend auf der dem Erstdruck folgenden Ausgabe: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, Reclam, Stuttgart 1996, lediglich einige grundsätzliche Überlegungen angestellt werden. Es wird um das Verständnis der Dozentin gebeten, wenn die Verfasserin aus den genannten Gründen etwas „orthodoxer" in ihrem Versuch vorgeht, die eigentliche Analyse einiger Abschnitte aus der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes in einen kohärenten Rahmen zu stellen.

II.    Einleitung

Die vorliegende Arbeit hat die Darstellung der Subjekt-Objekt Beziehung bei Hegel zum Thema, die anhand einiger entsprechender Passagen aus der Einleitung zur „Phänomenologie des Geistes" erläutert wird. Hegel bezeichnet die Spitze des (deutschen) Idealismus, derjenigen Hauptströmung der Philosophie, die als von Platon und Aristoteles begründet gilt, und deren Bezeichnung von der spezifischen Beantwortung der Frage nach dem Wesen aller Dinge herrührt - der Setzung eines geistigen, ideellen Prinzips (Idee, Form, Geist etc.). Das Moment der Vorherrschaft des Subjekts - des ideellen, geistigen Prinzips - über das Objekt, diese Subjekt-Objekt Beziehung findet philosophisch ihren Ausdruck in der Ableitung des Objekts, als un- oder nicht-wesentliches Element, aus dem Subjekt. Das  Subjekt in der griechischen, idealistischen Philosophie weist, bedingt durch den Hintergrund der spezifischen gesellschaftlichen Verhältnisse der griechischen Antike, ein entsprechendes Charakteristikum auf, es ist nicht ein Erzeugendes, sondern Empfangendes, Schauendes:

„Es ist die griechische Sperre, die Sperre der Sklavenhaltergesellschaft, die keine Arbeit reflektiert, die keine Erzeugung kennt, keine Tätigkeit des Erkennens, keinen subjektiven Faktor als tätigen Faktor, sondern nur ein Hinnehmen, eine Schau, ein Empfangen."

Insofern „der Prozeß der Erzeugung als eines erkenntnistheoretischen Grundphänomens [...] erst entdeckt worden [ist, d. A.] mit dem Aufkommen des Bürgertums im 16. Jahrhundert [...]" , müßte (im Unterschied zur griechischen, idealistischen Philosophie) der Faktor des Erzeugens in der Subjekt-Objekt- Beziehung bei Hegel als zentrales Moment vorfindbar sein. Anhand einiger Ab-schnitte aus  Hegels Einleitung zur „Phänomenologie des Geistes" zu veranschaulichen, daß der Faktor des Erzeugens zentrales Moment der Subjekt-Objekt Beziehung bei Hegel ist, im Verlaufe der Diskussion verschiedener Gesichtspunkte herauszuarbeiten, und auf mehreren Ebenen darzustellen, wie es insgesamt um den von Hegel formulierten Bezug zwischen Subjekt und Objekt bestellt ist, ist somit, nochmals detaillierter formuliert, Thema der vorliegenden Arbeit.
 

III.    Kurze „Standortbestimmung" Hegels und seiner Philosophie

Es gibt durchaus vielfältige, und in ihrem jeweiligen Kontext - der einer Analyse zugrundeliegenden philosophisch-wissenschaftlichen Geschichtsauffassung, die eines präzisen Begriffes von „Geschichte" bedarf - gültige Möglichkeiten einer Einordnung Hegels und seiner Philosophie; im folgenden werden lediglich in groben Zügen diejenigen zentralen Momente, welche nach dem Ermessen der Verfasserin  zum  Verständnis von Hegels Philosophie beitragen, und hinsichtlich einer Einordnung derselben in einen Gesamtkontext dienlich sein können, kurz skizziert.
So läßt sich Hegels Philosophie als Überbau-Synthese eines Prozesses, der üblicherweise als „Geschichte" bezeichnet wird, darstellen, als zusammenfassende Reflexion und theoretische Widerspiegelung des Arbeitsprozesses des westlich-abendländischen Systems, namentlich des Kapitalismus. Was entsprechend im Unterbau durch alle Epochen der sogenannten „Menschheitsgeschichte" hindurch stattgefunden hat, diesen progressiven Entfremdungsprozess (Arbeitsprozess) der Gesellschaft in seiner Totalität, sowie die konstitutiven Grundpfeiler desselben, nämlich die den jeweiligen Epochen jeweils eigentümlichen Erscheinungsformen seiner ineinander verflochtener und sich gegenseitig bedingender Elemente ökonomischer Ausbeutung, politischer Unterdrückung und sozialer Diskriminierung, arbeitet Marx aus.
Ein zentraler marxistischer Aspekt Hegels ist hierbei genau die Tatsache, daß Marx die Gesamtheit der gesellschaftlichen Verhältnisse unter Anwendung derselben dialektischen Methode Hegels analysiert,  von welcher er sagt, er habe sie nicht grundsätzlich verändert, sondern nur „vom Kopf auf die Füße gestellt", in anderen Worten: Das  Erzeugungsmotiv bei Hegel (Subjekt erzeugt sich selbst und das Objekt durch fortschreitendes Erkennen und Begreifen), erscheint infolgedessen insofern „umgekehrt" als zentrales Moment bei Marx, als ihm das die „Geschichte" erzeugende Subjekt nicht ein sich entäußernder „Weltgeist", sondern der Mensch ist, welcher sich selbst und seine Umwelt (Objekt) durch seine Arbeit erzeugt.
Bezüglich des eben angesprochenen Erzeugungsmotivs bei Hegel soll abschließend noch kurz auf die Retrospektive der gesamten Hegelschen Philosophie hingewiesen werden. „Entwicklung" und „Werden" können nur rückblickend nachvollzogen werden, da das Ganze des geschlossenen Systems, der „Weltgeist", schon bei sich angekommen, zur Ruhe gekommen ist, ein wichtiges Moment, auf welches Ernst Bloch aufmerksam macht:

„Sie finden also, wenn sie die Phänomenologie durchwandern, die selbst nichts anderes ist als eine Wanderung mit Fausts Zaubermantel oder mit den Siebenmeilenstiefeln des Begriffs, wie Hegel selber sagt, hintereinander die memorierten Stationen des Bewußtseins auf der Reise zu sich selbst, die memorierten Stationen des Menschenbewußtseins, des Geschichtsbewußtseins, den erarbeiteten Weg des Weltbewußtseins auf der Reise zu sich selbst."

Und noch schärfer formuliert Bloch an anderer Stelle:

„Hegel hat das große Pathos der Ruhe, den Primat der Ruhe [...]. Er hält die Welt an bis zu der fast psychopathischen Groteske, daß die Weltgeschichte und der Weltprozeß mit der Hegelschen Philosophie in dem Jahr aufhören, wo Hegel sie liest. 1831 ist die Welt verschwunden, vorher schon stand sie still, es kommt nichts Neues mehr."

                                     (FORTSETZUNG)
 
 

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