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Am 21. Mai 1999 war es soweit: Wir haben einen meisterlosen Spielabend versucht. Das ganze Spiel dauerte nur etwa 1.5 Stunden, war also erstaunlich kurz. Auf das Spiel vorbereitet hat sich niemand. Danach haben noch etwa eine Stunde über das Spiel selber geredet.
Übersicht:
Die Geschichte beginnt mit Gen (gespielt von Alex), der im Zentrum des bekannten Universums, der Stadt Go, dem Wohnsitz des Gottkaisers, zusammen mit seinen beiden Kollegen den Tempel des Azuro besuchen möchte. Die Bevölkerung ist unruhig, da Sonnenkrieger den Gottkaiser in seinem heiligen Elfenbeinturm zu bedrängen scheinen: sie fordern Bannkreise des Ki und andere Wunderdinge.
Gen ist ein junger, asiatisch aussehender Mann in einfacher Kleidung mit einem langen, gebogenen Schwert auf dem Rücken. Er wird sowohl von einem namenlosen, normal aussehenden Bürger begleitet (gespielt von Chris), sowie von Babal, einem weiteren Schwertträger (gespielt von Zeno). Der namenlose Mann bemerkt, dass die drei den Auftrag annehmen sollten, da es um viel geht. Babal ist einverstanden und so betreten die drei den dunklen Tempel.
Im einem dunklen Gang im Tempel, links vor dem grossen Altar, der sich
vor grossen Orgelpfeifen auftürmt, begegnen die drei dem überraschend
aus dem Dämmerlicht auftauchenden Meister Gens, Sun-Tsu, dem Meister
der Schule des Grünen Drachens - der Kampfschule, der alles Leben
heilig ist. Sun-Tsu warnt die Gruppe vor dem Auftrag: Die neun
Elemente treffen sich am Nadir des Mittags, die Welt ändert sich, und
Ihr werdet sein wie Blätter im Wind.
In der Audienzhalle des
glorreichen Hohepriesters David wird der Gruppe eine Vision eines
goldenen Drachen gewährt. Dieser sei im Norden zu finden.
Für diese Reise führt uns der namenlose Mann in die Unterstadt von Go,
zum Weisen Shamir, der offensichtlich unseren namenlosen Kumpanen
kannte, denn er nannte ihn einen Spross der Semir Familie. Der Semir
Sohn offenbarte, dass ihm eine Perl für eine magische Kette fehle,
welche er bei dem Drachen zu finden hoffe. Shamir führte uns nach
langer Diskussion zu einem Raum mit vier Türen. Für einen
Diamantsplitter nennt er uns eine der Türen, welche nicht zum
Ziel führen. Nachdem der Sohn des Semir ohne mit der Wimper zu zucken
mit 2 Diamantsplitter gezahlt hat, öffnete Shamir zwei Türen: Die
erste führte in einen Wald wo König Eborn jagte, die zweite führte in
eine Eiswüste. Die beiden anderen Türen wurden nur als warm,
scherzlich und schnell
und kalt, bequem und langsam
beschrieben. Wir nahmen die warme Türe und landeten in einem von
rotem flackern erleuchteten Gang unter der Erde.
Semirs Sohn legt irgendeinen roten Glanz über die Gruppe. Der Gang
führt in eine grosse Höhle, wo im Hintergrund schwarze Gestalten
grosse Essen bedienen. Gen fährt zusammen, als er entdeckt, dass sie
direkt neben einer riesigen Wand aus Schuppen stehen. Kämpft!
rief der Sohn des Semir; Babal stürzte sich zu einer Treppe auf eine
Galerie; Gen hechtete in die Mitte des Raumes und wandte sich dem
Drachen zu, beginnt mit der Verteidigungsform des Kranich. Der Drache
speit Feuer, welches Gen umfliesst, ohne ihn zu berühren, obwohl die
Hitze ihn fast stürzen lässt. Semirs Sohn wirft eine Ampulle auf den
Drachen, welche seine goldene Farbe in einen wuchernden Grünspan
verwandelt. Gen springt auf und auf des Drachen Kopf zu; Babal wirft
sich von der Galerie auf den Rücken des Drachen. Semirs Sohn wirft
eine Ampulle auf Babal, welche ihn in ein rotes Licht hüllt; Babals
Kling bohrt sich wiederholt in den Drachen. Auch Gens Klinge
durchbohrt den Drachen -- im letzten Moment allerdings hat Gen eine
Vision, welche ihm zeigt, dass der Drache zu unrecht getötet ward.
Der Zusammenbruch des Drachen lockt die schwarzen Gestalten an, welche anfangen den sterbenden Drachen zu zerreissen. Sein Kopf dreht sich von innen nach aussen, Lava quillt aus ihm hervor, sein Körper zerfällt zu rotem Kirschen-Kavier, der den Höhlenböden bedeckt. Die Haut des Drachen verfärbt sich schwarz und verschwindet. Alles zerfällt zu Asche. Aus der Asche erhebt sich wie eine Vision eine graue Perle. Als Semirs Sohn diese ergreift und an seine Kette hängt, wird Gen von der Ahnung drohenden Unheils ergriffen. Er versucht Semirs Sohn zu stoppen, er schleudert ihm sein Schwert in den Rücken, doch zu spät: Die Kette hat sich selbstständig gemacht, lässt Semirs Sohn nicht an der Wunde zugrundegehen, lässt sich Semirs Händen nicht entreissen.
Plötzlich wird das Dach der Höhle weggesprengt, Sonnenkrieger auf Streitwagen, schleudern Kugelblitze und fegen uns alle gegen den Himmel.
Auf dem Mond der Sonnenkrieger werden wir in einem Amphitheater dem
König Solaris vorgestellt. Die goldenen Drachen bekämpfen sich und
benutzen arme Auserwählte wie Euch um ihr dreckiges Werk zu
verrichten. Ihr habt einen weiteren friedfertigen goldenen Drachen
getötet. Bald wird es nur hasserfüllte goldene Drachen geben, wie
zB. den Hohepriester David. Wir versuchen den Gottkaiser von Go zu
warnen, doch man lässt uns nicht zu ihm. Ihr müsst den Gottkaiser aus
seinem Elfenbeinturm holen und ihn vom wahren Sachverhalt
verständigen.
Wärend dem Spiel haben wir meistens der Reihe nach erzählt. Nur in ein paar wenigen Szenen war der Drang, in den Lauf der Geschichte einzugreifen, so stark, dass wir darum baten, den Faden übernehmen zu dürfen. Es gab ein paar Momente, wo derjenige, der gerade am erzählen war, sich Bedenkzeit ausbitten musste. Genauso gab es Momente, wo wir alle ratlos waren und keiner weiter wusste. Nach einem kurzen Moment ergriff dann einer von uns das Wort und führte die Geschichte weiter.
Wir hatten erwartet, dass endlose Monologe ein Problem sein würden. Dies ist nicht eingetreten: Oft waren wir am Limit unserer Fantasie und waren froh, wenn wir den Ball den anderen zuspielen konnten. Beispiel:
Alex sagt: Ich betreten die Halle. Plötzlich bewegt sich die Wand
zu meiner Rechten. Die ganze Wand besteht aus Schuppen, welche das
rote Glühen der Feueröfen reflektieren. Erschrocken blicke ich hoch
und was ich nun sehe darfst Du sagen,
und übergibt Zeno das Wort.
Wir haben alle drei noch nie ein Abenteuer gespielt, welches in so kurzer Zeit so viel Action bot und soviele verschiedene fantastische Bilder beschwor. Dieses Gefühl ist vielleicht entstanden, weil wir alle sehr involviert waren, schliesslich mussten wir jederzeit darauf vorbereitet sein, die Geschichte fortzuführen -- wir mussten uns die Szenen laufend sehr intensiv vorstellen.
Dieses herumspringen und hetzen hat Zeno als unangenehm empfunden: Er vermisste einen roten Faden. Dies empfanden Chris und ich als positiv, denn so wussten wir nicht, was uns erwartete. Chris und ich wechselten sich in unserer Gruppe fast immer als Meister ab; vielleicht erklärt dies die unterschiedliche Reaktion.
Dies Unsicherheit im Inhalt der Geschichte führte auch zu einem dramatischen Defizit: Da wir nicht wussten, wohin sich die Geschichte entwickelte, überschlugen sich die Ereignisse. Der Klimax wurde erst erreicht, als keiner mehr wusste, was nun -- im Angesicht der Sonnenkrieger -- geschehen sollte.
Vielleicht sollte man hier im Laufe der Zeit einen Mechanismus finden, der solche Leitplanken für die Geschichte vorgibt -- und sei es nur eine Abmachung, welche besagt, dass wir in etwa zwei Stunden am Ziel ankommen sollten, dass der Höhepunkt eine halbe Stunde zu dauern hat und dass wir dann in der letzten halben Stunde alle Fäden wieder sammeln würden um nach drei Stunden einen würdigen Abschluss zu finden. Dies liest sich zwar extrem bescheuert und nicht-kreativ, an diesem ersten Abend litt das Ende aber vielleicht an dem übersteigerten Höhepunkt und dem abrupten Ende.
Clemens Schmitz cschmitz@geo.uni-jena.de
schlug vor, dass man sich auch direkt auf ein Ende einigen könnte.
Man könnte beispielsweise den Ort und die Personen vorgeben, an dem
der showdown
stattfindet: So erkennen die Spieler, dass das
Ende gekommen ist, weil alle Personen am richtigen Ort sind, bzw. die
Spieler können das Ende hinausschieben, in dem bestimmte Personen
wider erwarten nicht auftauchen. Beispiel: Am Ende wird es zu
einer Konfrontation zwischen der Gruppe und Silaia-von-den-Klingen im
Kristall-Saal von Tirelin geben.
-- ohne dass die Spieler am
Anfang wissen, wer Silaia-von-den-Klingen ist. Hiermit wäre nicht
einmal klar, ob Silaia-von-den-Klingen ein Drahtzieher oder ein Opfer,
ein Verräter oder eine helfende Person ist. Es nicht einmal gesagt,
dass Silaia menschlich ist. Und doch gibt es der Sache mehr Struktur.
Am zweiten Abend zeigte sich allerdings, dass sich derartige Schwachpunkte bei einem etwas anderen Spiel nicht ergeben: Im Spiel diskutierten ein paar (mächtige) Personen untereinander die möglichen Interpretationen der Ereignisse und legten so in der Rolle den Rahmen der Geschichte fest.
Ohne das wir es merkten, fielen viele Dialoge unserer Charakteren mit der Umwelt weg. In den wenigen Fällen übernahm zwar einer der anderen Spieler den Gesprächspartner, doch kam es selten zu reinem Rollenspiel. Hierzu ist allerdings zu sagen, dass unsere Gruppe noch nie gut darin war: Wir waren nie grosse Rollenspieler, es langweilte uns auch sehr schnell, wenn einer der anderen Spieler sich in einen endlosen Dialog mit dem Meister verstrickte.
Meisterloses Rollenspielen sollte uns eigentlich die Gelegenheit geben, dies doch zu machen: Sobald es einem Spieler langweilig wird, kann er ja etwas interessantes einwerfen oder geschehen lassen. Mal sehen ob sich das bewährt.
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