Vom Wind der Erinnerung

Ich bin überwältigt von der Kraft der Erinnerung. Ich verweile nicht nur in diesem klaren, flüchtigen Moment, sondern in der Ansammlung aller meiner Momente, die so weit in die Vergangenheit zurückreichen, wie mein menschliches Gedächtnis reicht. Ich bin meine Vergangenheit, und das Leugnen der Vergangenheit würde bedeuten, mich selbst zu verleugnen, denn das Leben, das ich bis zumheutigen Augenblick geführt habe, definiert, wer ich bin. Mein Leben ist nicht in mir; es ist in dem, woran ich mich erinnere – und das, woran ich mich erinnere, besitze ich nicht so sehr, wie es mich besitzt.

Ich bin kein isoliertes Wesen, keine auf mich selbst begrenzte Insel, abgeschnitten von meinen Vorfahren; meine Vergangenheit und meine Gegenwart sind ein Kontinuum, und es ist mir nicht möglich, die Grenze dazwischen zu ermitteln. Das Jetzt fliegt vorbei; während ich spreche, ist das Jetzt, in dem ich zu verweilen meinte, bereits entschwunden, und die Worte, die ich vor einem Herzschlag gesagt habe, leben nur in der Behausung meines Innern, die Erinnerung heißt.

Das Verlangen, die Vergangenheit zu vergessen, ist eine Art Selbstmord. (…) Er betrog sich selbst durch seine hartnäckige Weigerung, seine Vergangenheit zu akzeptieren.

Nach meiner Meinung fürchten die meisten von uns, nie mehr die Fassung zu gewinnen, wenn sie sich ihrem Kummer über das vergangene Leben hingeben, doch diese Angst ist unbegründet. Wirklich fürchten sollten wir, daß wir die Gabe verlieren könnten, uns an das Leben zu erinnern, das wir geführt haben, denn sie schenkt uns die Verbindung mit uns selbst. Unsere schrecklichsten Krankheiten sind nicht jene, die uns das Leben kosten; es sind jene, die uns in ein wüst und leer daliegendes Meer schleudern, indem sie uns die Erinnerung rauben.