Kostbare Momente 17 |
Mit einem schweren Seufzen schlüpfte Sydney in die idyllische Stille seines Büros,
schloß die Tür hinter sich und lehnte sich erschöpft an das glatte Holz. Was
für ein Morgen! Wie von selbst schlossen sich seine Augen, doch er riß sie
sofort wieder auf, wollte auf keinen Fall riskieren, daß die Bilder, die sich
unauslöschlich in sein Gedächtnis eingeprägt hatten, vor seinem geistigen
Auge erschienen. Denn wenn das passierte, würde auch die Übelkeit
wiederkehren, und er hatte für heute nun wirklich schon genug von seinem
Mageninhalt gesehen.
Er war fast eine Stunde früher ins Centre gekommen, um sich mit Broots zu
treffen und gemeinsam mit dem Techniker die Ermittlungen im Fall Lyle weiterzuführen.
Sie hatten sich darauf geeinigt, daß es am besten wäre, die Spurensuche außerhalb
der Arbeitszeiten zu betreiben, dabei aber trotzdem die Ressourcen des Centres
zu nutzen. Allerdings waren sie an diesem Morgen nicht dazu gekommen, irgend
etwas herauszufinden - zumindest nichts, was mit Lyle zu tun hatte. Obwohl...
Sydney war sich nicht so ganz sicher, ob Lyle nicht vielleicht doch in
Verbindung stand zu dem grausigen Fund, den er vor nicht einmal zwei Stunden
gemacht hatte.
Sein Herz begann schneller zu schlagen, als er sich sehr widerwillig noch einmal
an die Ereignisse erinnerte, die ihm wohl für eine Weile den Schlaf rauben würden.
Ob er es wollte oder nicht, die entsetzliche Entdeckung, die er gemacht hatte,
lief wieder und wieder vor seinem inneren Auge ab, wie ein makaberer, Übelkeit
erregender Film.
Auf seinem Weg zum Technikraum hatte sich Sydney kurzfristig entschieden, einen
Abstecher in den neuen Forschungstrakt zu machen, um noch einmal mit Raines zu
reden. Er war nie dort angekommen.
Kurz nachdem er die Eingangshalle durchquert und den Korridor Richtung Neubau
betreten hatte, war ihm der Geruch aufgefallen, der allein schon genügt hätte,
um ihm den Magen umzudrehen. Trotz seines unguten Gefühls war er
weitergegangen, war mit jedem Schritt langsamer geworden, um schließlich
stehenzubleiben, als er die Blutspuren auf dem dicken Teppich gesehen hatte, der
in allen neuen Korridoren lag. Nach zwei weiteren zögerlichen Schritten hatte
er in einem Seitengang dann die Ursache für den leicht süßlichen Geruch
gefunden, der einer Drohung gleich in dem geradezu unheimlich stillen Korridor
gehangen hatte. Als genau das hatte er den Fund später empfunden; eine Drohung
an alle, die sich im Centre auf verbotenen Pfaden bewegten oder vielleicht zu
ambitioniert waren. Doch im Moment seiner Entdeckung war ihm das noch nicht in
den Sinn gekommen; zu sehr war er damit beschäftigt gewesen, einen Kampf gegen
die in ihm aufsteigende Übelkeit zu führen, den er schließlich doch verloren
hatte.
Mit zitternden Händen und wackeligen Knien war er schließlich aus der kleinen
Nische auf der anderen Seite des Korridors zurückgekehrt und hatte sich neben
Brigittes Leiche gekniet. Zögerlich hatte er seine Finger ausgestreckt und der
Frau, für die er nie etwas übrig gehabt hatte, die Augen geschlossen. Ein
seltsamer Ausdruck hatte darin gelegen, ein Ausdruck, der ihn noch immer
verfolgte, wenn er die Augen schloß. Bedauern, vermischt mit Angst und Mitleid.
Tiefe Atemzüge hatten Sydney geholfen, nicht die Beherrschung zu verlieren und
seinen Schock zu überwinden. Als er geglaubt hatte, sich wieder im Griff zu
haben, hatte er den Fehler begangen, einen näheren Blick auf Brigittes Leiche
zu werfen. Stumme Tränen waren ihm über die Wangen geströmt, als er die
klaffende Wunde in ihrem Unterleib bemerkt hatte. Wie in Trance hatte er sich
aufgerappelt und war noch einmal hinüber zur gegenüberliegenden Fensternische
gestolpert, um unter schmerzhaften Krämpfen auch noch die traurigen Reste
seines Mageninhaltes loszuwerden.
Nur sehr langsam war ihm das volle Ausmaß seiner Entdeckung bewußt geworden.
Der Schnitt, mit dem Brigittes Bauch geöffnet worden war, ließ nur zwei Schlüsse
zu. Erstens, das Baby war aus ihrem Leib entfernt worden - ob sie zu diesem
Zeitpunkt noch gelebt hatte oder schon tot gewesen war, wollte Sydney lieber
nicht wissen. Zweitens, Form und Aussehen der Wunde ließen darauf schließen,
daß jemand mit medizinischen Kenntnissen die 'Operation' durchgeführt hatte.
Wer, vermochte Sydney nicht zu sagen, obwohl er durchaus eine Vermutung hatte.
Mit langsamen Schritten ging Sydney zu seinem Schreibtisch, umrundete das
klobige Möbelstück und ließ sich in seinen weichen Ledersessel sinken. Wenn
doch bloß Broots dieser Anblick erspart geblieben wäre! Nie würde er den
Ausdruck auf Broots' Gesicht vergessen, als der Blick des Technikers auf die
blutüberströmte Fraueneiche gefallen war. Eigentlich hatte er Sydney nur
entgegengehen wollen, doch statt dessen hatte er etwas gesehen, das ihm einen kräftigen
Schock verpaßt hatte. Broots hatte sich gar nicht erst mit dem Zwischenstadium
der Übelkeit aufgehalten, sondern war bei Brigittes Anblick kalkweiß im
Gesicht geworden und hatte ein paarmal nach Luft geschnappt, um dann die Augen
zu verdrehen und bewußtlos zu Boden zu fallen.
Sydney war nichts anderes übriggeblieben, als die Sache in seine Hände zu
nehmen. Er hatte ein paar Sweeper verständigt und außerdem dafür gesorgt, daß
Broots von einem Arzt der Krankenstation untersucht und dann von Sam nach Hause
gefahren worden war. Danach hatte er die unangenehme Pflicht übernommen, Mr.
Parker vom Tod seiner Frau zu unterrichten. Es hatte ihn nicht übermäßig
erstaunt, daß Miss Parkers Vater nicht gerade mit Bestürzung auf die
Neuigkeiten reagiert hatte, aber er hatte doch zumindest etwas mehr Anteilnahme
erwartet. Ein seltsames Flackern in den Augen des alten Mannes hatte Sydney
einen kalten Schauer über den Rücken gejagt, aber er hatte es auf den Schock
geschoben. Mr. Parker hatte eine lange Zeit geschwiegen, offenbar tief in seine
Gedanken versunken, dann hatte er sich nach dem Baby erkundigt und nur abwesend
genickt, als Sydney ihm gesagt hatte, daß er nichts über den Verbleib des
Kindes wußte. Da Mr. Parker nichts weiter gesagt oder Sydney um Unterstützung
gebeten hatte, hatte der Psychiater Parkers Büro mit einem dumpfen Gefühl der
Erleichterung, vermischt mit Abscheu, verlassen.
Während er zurück zu seinem eigenen Büro gegangen war, hatte er darüber
nachgedacht, warum vor ihm niemand die Leiche entdeckt hatte, und er war zu dem
Schluß gekommen, daß er nicht der erste gewesen sein konnte, der diesen Fund
gemacht hatte. Zu viele Leute waren - auch nachts - im Centre unterwegs, als daß
eine so grausam zugerichtete Leiche stundenlang unbemerkt in einem der
Hauptkorridore liegen konnte. War die Leiche also wirklich eine Warnung gewesen?
Eine Warnung für wen? Und von wem?
All diese Fragen bereiteten Sydney einiges Kopfzerbrechen, und er wurde sie auch
nicht los, als er mit halbgeschlossenen Augen hinter seinem Schreibtisch saß.
Leichte Kopfschmerzen machten ihm das Denken nicht gerade einfacher. Er öffnete
die unterste Schublade seines Schreibtischs und zog eine Whiskeyflasche sowie
ein kleines Glas daraus hervor. Nachdem er das Glas in einem Zug geleert hatte,
fühlte er sich zumindest ein bißchen besser. Realer. Ja, das traf es. Er fühlte
sich, als wäre er in einem Alptraum gefangen, nur daß es aus diesem Traum
leider kein Erwachen geben würde. Gerade, als er überlegte, ob er sich
vielleicht noch ein zweites Glas gönnen sollte, klingelte das Telefon und riß
ihn aus seinen trüben Gedanken. Untenschloßen starrte er auf das Handy. Sollte
er rangehen? Und wenn es der alte Mr. Parker war? Er glaubte nicht, daß er noch
eine weitere deprimierende Viertelstunde im Büro von Miss Parkers Vater
ertragen könnte. Beim Gedanken an Miss Parker seufzte er schwer und rang sich
schließlich dazu durch, das Gespräch anzunehmen. Vielleicht war es ja Jarod,
der Neuigkeiten von ihr hatte.
"Sydney", war alles, was er sagte, erschrocken über den rauhen Klang
seiner Stimme. Am anderen Ende der Leitung herrschte nur Stille. Sydney räusperte
sich.
"Hallo?" fragte er, diesmal etwas kräftiger. Noch immer Stille; nur
das Geräusch leiser, regelmäßiger Atemzüge verriet, daß überhaupt jemand
in der Leitung war. Sein Herz schlug schneller, als ihn eine irrwitzige, aber
hoffnungsvolle Ahnung erfüllte.
"Mi... Miss Parker?" wisperte er ungläubig. Ein leises Seufzen. Dann
endlich eine Antwort.
"Es ist schön, Ihre Stimme zu hören, Syd."
"Mein Gott, Sie sind es wirklich! Ich..." Er brach mitten im Satz ab,
unfähig weiterzusprechen. Mühsam verdrängte er den Kloß in seinem Hals, aber
er konnte nichts gegen die stummen Tränen tun, die langsam über sein Gesicht
rannen. Hatte sie überhaupt die geringste Ahnung, was ihr Anruf ihm bedeutete?
Ihm schossen Tausend Fragen durch den Kopf, aber er wußte, daß er die meisten
davon nicht stellen durfte, wollte er verhindern, daß sie gleich wieder
auflegte. Schließlich begnügte er sich mit: "Wie geht es Ihnen?"
"Eine einfache Frage", beschied Miss Parker. Bildete er sich das nur
ein, oder ging ihr Atem etwas schneller? "Aber die Antwort ist kompliziert.
Sagen wir, ich komme zurecht."
"Ich freue mich, daß Sie angerufen haben, Miss Parker. Sie ahnen ja gar
nicht, wieviel mir das bedeutet. Wir... Ich meine, ich habe mir Sorgen gemacht
um Sie, große Sorgen sogar."
Ein kaum hörbares Schnauben von ihr, als er sich selbst verbesserte und statt
der Pluralform auf das unverfänglichere 'ich' auswich. Wußte sie also, daß
Jarod auf der Suche nach ihr war? Nur Augenblicke später beantwortete sie seine
unausgesprochene Frage.
"Es tut mir leid, daß ich Ihnen Sorge bereitet habe - das wollte ich
nicht. Aber ich konnte einfach nicht in Blue Cove bleiben - ich hatte das Gefühl,
ich würde langsam ersticken, und es gab nichts, was ich dagegen tun konnte.
Also ging ich fort." Wieder ein Seufzen, dann: "Jarod hat mich aufgespürt.
Wir haben... geredet. Nun, eigentlich hat hauptsächlich er geredet."
Sydney runzelte die Stirn; sein Herz schlug noch etwas schneller. Etwas stimmte
nicht. Miss Parkers Zögern bedeutete nichts Gutes. War etwas zwischen Jarod und
ihr passiert?
"Ist er jetzt bei Ihnen?" erkundigte er sich vorsichtig. Er kam sich
beinahe vor wie ein Seiltänzer auf einem Hochseil, der mit verbundenen Augen
und ohne Auffangnetz langsam seinen Weg ertastete, dabei keinen Millimeter breit
von seinem Weg abweichen durfte. Ein falsches Wort, und er würde verlieren, was
sein geduldiges Warten ihm eingebracht hatte: Miss Parkers Vertrauen.
Ein leises Lachen, das nicht humorvoll, sondern viel eher schmerzerfüllt klang.
"Ich bin bei einem Freund. Die Begegnung mit Jarod war... nicht einfach für
mich. Dieses Gefühl zu ersticken war fast noch stärker als in Blue Cove",
erklärte sie leise.
'Und stärker als in Maine', fügte Sydney in Gedanken hinzu. Er hatte längst
erkannt, daß Miss Parkers emotionaler Zustand noch immer nicht sehr stabil war,
daß das Gefühl des langsamen Erstickens, das sie ihm beschrieben hatte, in
Wirklichkeit ihre Angst vor emotionaler Nähe und Verletzung war. Und sie floh
davor, ob sie es sich nun eingestand oder nicht. Wenigstens war sie nicht länger
allein. Doch wer war der Freund, der bei ihr war? Konnte er sie das fragen? Er
entschied sich dagegen und seufzte schwer, ohne sich dessen bewußt zu sein.
"Es tut mir sehr leid, Sydney", hörte er Miss Parkers sanfte Stimme
vom anderen Ende der Leitung. Sie machte ein Geräusch, das er nicht ganz
zuordnen konnte - es klang ein wenig wie eine Mischung aus einem Seufzen und
einem trockenen Schluchzen, aber es hatte etwas merkwürdig Tröstendes an sich.
"Es geht Ihnen nicht sehr gut, habe ich recht? Ist etwas passiert? Oder
liegt es an mir?"
"Nein!" beeilte sich Sydney zu sagen. "Es liegt nicht an Ihnen,
bestimmt nicht. Ganz im Gegenteil, Ihr Anruf macht diesen Morgen um einiges erträglicher."
Sollte er ihr sagen, was hier im Centre passiert war? Wie würde sie es
aufnehmen? Sydney rang mit sich selbst.
"Es ist etwas passiert", schloß Miss Parker ganz richtig. Manchmal
erstaunte sie ihn mit ihrem feinen Gespür für die Stimmungen anderer Menschen,
besonders deshalb, weil sie fast nie im Einklang mit diesem Gespür handelte.
"Sie können es mir ruhig sagen; ich werde nicht gleich zusammenbrechen
deswegen. Glauben Sie mir, ich habe in der letzten Zeit soviel durchgemacht, da
wirft mich so schnell nichts mehr um."
Es war nicht wirklich eine Lüge, aber Sydney erkannte nicht allein am leichten
Zittern ihrer Stimme, daß sie selbst nicht von ihren Worten überzeugt war. Sie
hatte Angst, fürchtete sich davor, daß seine Neuigkeiten sie Lüge strafen und
doch aus der Bahn werfen würden.
"Brigitte ist tot", sagte Sydney endlich, nach langem Zögern.
"Sie wurde heute morgen ermordet aufgefunden. Hier im Centre." Seine
Stimme wurde immer leiser, schien langsam zu verblassen, doch er konnte nichts
dagegen tun.
"Mein Gott", hauchte Miss Parker entsetzt. Ihre Stimme klang erstickt,
verriet ihr Mitleid für eine Frau, die sie bestenfalls nicht hatte leiden können.
"Weiß man schon, wer..."
"Nein", erwiderte Sydney ruhig, erfüllt mit einer absurden
Erleichterung. Miss Parker schien die Nachricht einigermaßen gefaßt
aufzunehmen.
"Wer hat sie gefunden? Wie geht es meinem Vater? Und was ist mit... mit dem
Kind?" Die Fragen sprudelten nur so aus ihr hervor, und auch das wertete
Sydney als ein gutes Zeichen. Alles war besser als die stumme Zurückgezogenheit,
die sie früher des öfteren an den Tag gelegt hatte. Er holte tief und zitternd
Luft.
"Ich habe sie gefunden, vor gut zwei Stunden", informierte er Miss
Parker, nicht im mindesten erstaunt über den brüchigen Klang seiner Stimme.
Diese Sache hatte ihn mitgenommen, das ließ sich nicht bestreiten.
"Oh, Sydney..."
"Ihrem Vater scheint es den Umständen entsprechend... gut zu gehen."
Sydney machte sich nicht die Mühe, seine Abneigung für Mr. Parker aus seiner
Stimme herauszuhalten. "Er hat den Tod seiner Frau äußerst gefaßt
aufgenommen." Er hörte, wie Miss Parker leise schluckte, doch sie sagte
nichts.
"Was mit dem Kind ist, kann ich nicht sagen", fuhr er fort und wieder
zitterte seine Stimmte, stärker diesmal, "denn es ist verschwunden."
"Verschwunden? Wie kann es verschwunden... Oh. Nein. Sagen Sie bitte nicht,
daß..." Sie führte den Satz nicht zu Ende, sondern holte ein paarmal tief
Luft.
"Jemand hat das Baby aus ihr herausgeschnitten." Sydney mußte sich
zwingen, diese Worte laut auszusprechen. Allein der Gedanke daran war schon
schrecklich genug. "Vielleicht war das überhaupt nur der Grund, warum
Brigitte ermordet wurde", überlegte er laut.
"Raines", wisperte Miss Parker.
"Wie bitte? Wollen Sie damit sagen, daß Raines sie ermordet hat?"
"Nein. Ich weiß nicht, ob er es getan hat. Aber es muß ihm sehr zupaß
gekommen sein, daß Brigitte im Centre - und damit praktisch auf seiner Türschwelle
- ermordet wurde. Dieses Baby ist etwas Besonderes, da bin ich mir ganz
sicher", erklärte Miss Parker mit fester Stimme.
Sydney schwieg kurz, dachte über ihre Worte nach. Sie ergaben durchaus einen
gewissen Sinn. Es tat ihm gut, Miss Parker so zu hören - sie klang fast so
entschlossen und bestimmt wie in alten Zeiten, wenn sie eine neue Spur
aufgenommen hatte. Egal, ob sie es nun zugab oder nicht, sie hatte eine gewisse
Begabung dafür, Zusammenhänge und Motive intuitiv richtig zu erkennen. Sydney
öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen, als ein lautes Rauschen ihn
zwang, das Handy von seinem Ohr fort zu halten. Nach ein paar Sekunden wagte er
es, wieder zu lauschen.
"Miss Parker, sind Sie noch da?" erkundigte er sich mit vor Spannung
klopfendem Herzen.
"Ja, das bin ich", erwiderte sie, und ihre Stimme klang mit einemmal
traurig. "Sydney, ich muß jetzt leider Schluß machen."
Für einen Moment wußte er nicht, was er sagen sollte. Es gab doch noch soviel,
das er sie fragen wollte!
"Wenn Sie irgend etwas brauchen, egal was, dann rufen Sie mich bitte an,
Miss Parker. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich etwas für Sie tun könnte."
Erneut seufzte sie.
"Ich glaube nicht, daß ich noch einmal anrufen werde", sagte sie sehr
leise. "Dieser Anruf war als Abschied gemeint. Ich wollte nur, daß Sie
wissen, daß es mir gut geht. Sie sollen sich keine Sorgen um mich machen. Es...
es gibt jemanden, der sich um mich kümmert, und ich... ich..." Sie
stockte, suchte offenbar nach den richtigen Worten. Was immer sie ihm auch sagen
wollte, sie brachte die Worte einfach nicht über ihre Lippen.
"Ist schon gut, Miss Parker", antwortete Sydney sanft. Er wußte nun,
was sie ihm sagen wollte, und auch wenn sie die Worte nicht sagen konnte, so
verriet ihr Tonfall ihm doch, was sie auf dem Herzen hatte. Für einen Moment
dachte er an das letzte 'richtige' Gespräch zurück, das sie geführt hatten,
als Miss Parker die Hütte in Nebraska verlassen hatte, um nach Maine zu fahren.
'Aber egal, was passiert ist, ich hatte immer Sie. Dank Ihnen weiß ich heute,
was ein guter Vater ist.' Ja, im Lichte dieser Worte wurde ihm klar, was sie ihm
zwar gerne sagen wollte, aber nicht konnte. "Ich kann nur hoffen, daß Sie
Ihre Meinung noch ändern werden. Meinem Leben würde etwas fehlen, wenn ich den
Kontakt zu Ihnen ganz verlieren würde."
Auch wenn er sich nicht ganz sicher war, so glaubte er doch, sie weinen zu hören.
Sie bemühte sich zwar sehr, es vor ihm zu verbergen, aber ihre Atmung und der
Klang ihrer Stimme verrieten sie.
"Es tut mir sehr leid, Sydney", brachte sie hervor. Dann, zwischen
zwei trockenen Schluchzern: "Leben Sie wohl, mein Freund."
"Für den Moment, Miss Parker, für den Moment", gab er mit einer
Zuversichtlichkeit zurück, die er nicht empfand. Sollte dies wirklich ein
Abschied für immer sein? Er hoffte es nicht. Gab es vielleicht etwas, das er
sagen konnte, damit sie sich anders entschied? Während er überlegte, lauschte
er ihren Atemgeräuschen.
"Sind Sie noch da?" fragte er nach einer Weile, doch er erhielt keine
Antwort.
"Miss Parker?" Seine Frage wurde durch ein Klicken, gefolgt vom
Freizeichen, beantwortet. Und so endete das Gespräch, wie es begonnen hatte -
mit der Ausnahme, daß Sydney nun noch deprimierter war. Nachdenklich starrte er
auf das leere Whiskeyglas vor sich und entschied, daß er sich einen zweiten
Drink redlich verdient hatte. Während er das Glas leerte und das angenehme
Brennen in seiner Kehle genoß, fragte er sich zum ersten Mal seit langem
wieder, was ihn eigentlich noch in diesem Höllenloch hielt.
***
Nicht zum ersten Mal in den letzten 48 Stunden fragte sich Major Charles, ob er
sich richtig entschieden hatte. Doch als er das strahlende Lächeln seines
Sohnes sah, erinnerte er sich wieder, warum er dem Jungen erlaubt hatte, den
Hund zu behalten, den sie vor nicht ganz zwei Tagen angefahren hatten. Jay hatte
den Labrador Eddy getauft und war ganz vernarrt in den schwarzen Wirbelwind. Und
die Zuneigung schien auf Gegenseitigkeit zu beruhen.
Eigentlich hatte der Major geplant, den Hund zum nächsten Tierarzt zu bringen
und es dann dem Doktor zu überlassen, die Besitzer ausfindig zu machen oder das
Tier in ein Tierheim zu bringen. Doch als sich herausgestellt hatte, daß der
Hund weder eine Tätowierung noch einen eingepflanzten Identifizierungschip
hatte, hatte er es einfach nicht übers Herz gebracht, Eddy zurückzulassen.
Dazu war dann noch Jays seelenvoller Blick gekommen, und diese Kombination hatte
sich als äußerst wirkungsvoll erwiesen.
Nun war Eddy also das neueste Mitglied der Familie. Der Tierarzt hatte sie
beruhigen können, daß dem Tier nichts Ernstes fehlte. Nur ein paar seiner
Rippen waren leicht geprellt, ansonsten hatte er Glück gehabt. In mehr als
einer Hinsicht, dachte der Major bei sich. Denn daß der Hund unterernährt war,
hatte er auf den ersten Blick gesehen. Niemand konnte sagen, wie lange der arme
Kerl schon in der Wildnis auf seine Besitzer gewartet hatte. Doch zum Glück war
die Leidenszeit für Eddy nun vorbei.
Vom Tierarzt hatten sie außerdem noch erfahren, daß Eddy nicht viel älter als
ein Jahr sein konnte, was auch seinen ausgeprägten Spieltrieb erklärte. Major
Charles lächelte, als er Jay und Eddy dabei zusah, wie sie gemeinsam über den
Hinterhof des kleinen Motels in Maine tollten, in dem sie für ein paar Tage
wohnen würden. Sein Lächeln verblaßte, als sein Blick auf seinen anderen Sohn
fiel, der im Schatten einer Platane auf dem Rasen lag und durch die Blätter den
wolkenlosen Himmel betrachtete.
Jarod war am Morgen in Maine angekommen und hatte sich gegen Mittag hier mit
ihnen getroffen. Jay war überglücklich gewesen, seinen großen Bruder wieder
bei sich zu haben, doch Charles' Herz war nach einem Blick in Jarods dunkle
Augen schwer geworden. Nachdem Jay seinen Bruder ausgiebig begrüßt und ihn mit
Eddy bekannt gemacht hatte, hatte sich Charles mit Jarod zusammengesetzt und die
ganze Geschichte aus ihm herausgeholt. Es betrübte ihn ebenso wie Jarod, daß
Miss Parker sich nicht hatte helfen lassen, aber anders als Jarod konnte er auch
verstehen, warum sie ihr Heil in der Flucht gesucht hatte. Wenn es um Miss
Parker ging, schien sein Sohn eine Art blinden Fleck zu haben - er verstand
einfach nicht, warum es ihr so schwer fiel, ihn in ihre Nähe zu lassen oder gar
eine emotionale Bindung zu ihm einzugehen. Zwar kannte Major Charles Catherine
Parkers Tochter nicht so gut wie sein Sohn, aber er besaß eine gute
Menschenkenntnis und konnte zumindest erahnen, was in Miss Parker vorging.
Sein Lächeln verschwand ganz, als er an das Gespräch mit Sydney dachte, das er
gegen Mittag geführt hatte. Was er da erfahren hatte, gefiel ihm ganz und gar
nicht. Ein ungutes Gefühl sagte ihm, daß die Mordfälle Ben Miller und
Brigitte Parker in einem Zusammenhang standen, den er noch nicht erkennen
konnte, der sich aber schon bald als wichtig erweisen könnte. Sein ganzes
Mitleid galt dem unschuldigen Leben, von dem keiner wußte, ob es die grausame
Ermordung seiner Mutter unbeschadet überstanden hatte. Was war das Centre nur für
ein Ort, daß dort nicht einmal ungeborenes Leben geachtet wurde?
Was ihn aber fast noch mehr belastete, waren die Informationen über Miss
Parker, die er erhalten hatte. Sein schlechtes Gewissen regte sich, als er daran
dachte, daß er Jarod zwar von Brigittes Ermordung erzählt, aber ihm
verschwiegen hatte, daß Miss Parker sich bei Sydney gemeldet hatte, um sich von
ihm zu verabschieden. Wie sollte er seinem Sohn beibringen, daß Miss Parker
sich offenbar darauf vorbereitete, endgültig ein neues Leben zu beginnen? Er
war sich sicher, daß Jarod diese Neuigkeit in seiner momentanen Stimmung
bestimmt nicht gut aufnehmen würde.
Der Major war von Natur aus kein trübsinniger Mensch, aber in letzter Zeit häuften
sich die schlechten Nachrichten so sehr, daß sogar er langsam seinen Optimismus
verlor. Es fiel ihm schwer, einen Weg zu sehen, der sie alle in eine angenehmere
Zukunft führen würde. Der einzige, der ihm zur Zeit keine Sorgen bereitete,
war Jay. Eine Zeitlang hatte es ja so ausgesehen, als würde der Junge einen
schwierigen Start ins 'normale' Leben haben, aber mittlerweile fand er sich
prima zurecht und schien die Jahre im Centre wenn auch nicht verarbeitet, so
doch hinter sich gelassen zu haben.
Charles schüttelte den Kopf, verließ das kleine Zimmer, das er mit Jay und
Eddy teilte, und schlenderte durch den Sonnenschein hinüber zur Platane. Er
setzte sich neben Jarod ins Gras, den Blick unverwandt auf Jay gerichtet.
"Glaubst du, ich hätte sie aufhalten sollen, Dad?"
Nur mit Mühe gelang es Charles, einen Seufzer zu unterdrücken. Diese Frage
stellte ihm Jarod heute nicht zum ersten Mal.
"Sohn, selbst wenn du sie hättest aufhalten können, war es richtig, es
nicht zu tun", bemerkte der Major trocken. Jarod richtete sich halb auf und
sah ihn an.
"Du glaubst, ich hätte sie gar nicht aufhalten können?" fragte er
verwundert.
"So ist es", bestätigte Charles und grinste, als Jay über Eddy
stolperte und zusammen mit dem schwarzen Wirbelwind durchs Gras kugelte. Er
wurde jedoch wieder ernst, als er fortfuhr. "Jarod, was hattest du denn
vor? Du kannst niemanden gegen seinen Willen festhalten, schon gar nicht, wenn
dir etwas an ihm - oder ihr, in diesem Fall - liegt. Sie gehen zu lassen, war
das einzig richtige in dieser Situation. Miss Parker braucht jetzt ihren
Freiraum. Ich glaube sogar, daß sie dir und sich selbst keinen Gefallen getan hätte,
wenn sie geblieben wäre."
"Wie kannst du so etwas nur sagen, Dad?" fragte Jarod entrüstet und
setzte sich kerzengerade auf. Diesmal gestattete sich der Major ein Seufzen.
"Lebenserfahrung, Jarod", erklärte er ruhig. "Ich weiß, du
wirst das nicht gern hören, aber du kannst im Moment kein Teil ihres Lebens
sein. Nicht so, wie du es vielleicht gerne hättest."
"Ich habe ihr meine Freundschaft angeboten", murmelte Jarod und ließ
sich wieder ins Gras sinken.
"Solange sie nicht weiß, woran sie mit sich selbst ist, wird sie mit
diesem Angebot nicht viel anfangen können, fürchte ich", fuhr der Major
ungerührt fort. "Selbstfindung ist keine einfache Sache, selbst unter den
besten Umständen nicht. Gib ihr etwas Zeit, und dann werdet ihr beide sehen,
was die Zukunft bringt. Wenn sie zurückkehrt, wird es die Wartezeit wert
gewesen sein - und wenn nicht, dann ist es für euch beide besser so."
Jarod schloß die Augen, aber der Major wußte auch so, daß es seinem Sohn
nicht gefiel, diese Worte von ihm zu hören. Der Ausdruck auf seinem Gesicht
sprach Bände.
Charles lehnte sich zurück, bis sein Rücken vom Stamm der mächtigen Platane
gestützt wurde und beobachtete Jay, der gerade versuchte, Eddy das Konzept des
Apportierens verständlich zu machen. Für ein paar Minuten verbannte der Major
alle trüben Gedanken aus seinem Bewußtsein, erlaubte sich die Illusion von
Frieden und Sorglosigkeit. Doch es dauerte nicht lange, bis seine Ängste,
Sorgen und Wünschen einen Weg in die friedliche Oase seiner Gedanken fanden.
Wie immer manifestierte sich der Grund für seine Grübeleien als das Gesicht
seiner Frau, das er zuletzt vor so vielen Jahren vor sich gesehen hatte. Wo sie
wohl war? Was sie wohl gerade tat? Ein zweites Gesicht gesellte sich zu dem von
Margaret; ein jüngeres, unbesorgteres Gesicht - Emily. Auch sie hatte er schon
viel zu lange missen müssen.
"Was ist los, Dad?"
Der Major blinzelte überrascht und sah seinen Sohn an. Erst jetzt wurde ihm
bewußt, daß er wohl mit einem schweren Seufzer Jarods Aufmerksamkeit auf sich
gezogen haben mußte. Eine Idee nahm ganz langsam Gestalt an in seinem Kopf, und
als Charles den Blick seines Sohnes erwiderte, breitete sich ein Lächeln auf
seinem Gesicht aus. Ja, wieso eigentlich? Es würde nicht nur sein Herz
beruhigen, sondern auch Jarod beschäftigt halten.
"Jay und ich werden in den nächsten Tagen mit der Aufklärung des Mordes
an Ben Miller beschäftigt sein. Ich weiß, du wolltest uns dabei helfen, aber
ich denke, wir werden das auch allein schaffen. Was würdest du davon halten,
statt dessen nach deiner Mutter und Schwester zu suchen?"
Jarod starrte ihn an, als habe er gerade den Verstand verloren, schien das
Ablenkungsmanöver zu durchschauen, doch dann erhellte sich sein Gesicht. Die
Idee gefiel ihm offenbar, und er schien der Ablenkung nicht abgeneigt zu sein.
Mit einem Nicken erhob sich Charles' Sohn.
"Eine gute Idee, Dad."
Er hielt den Blick seines Vaters noch ein wenig länger, ließ den Major wissen,
daß das Thema Miss Parker damit für ihn noch lange nicht erledigt war, und
ging dann hinüber zu seinem Zimmer. Major Charles sah ihm nach, bis er im Motel
verschwunden war, dann stand er ebenfalls auf, um zu Jay und Eddy zu gehen. Es
war Zeit, daß sie mit ihren Ermittlungen begannen.
***
"Alles in Ordnung, Parker?"
Sie sah auf, als Tommy Tanakas leise Stimme sie aus ihren Gedanken riß. Hastig
wischte sie sich über die Wangen, um auch die letzten Spuren ihrer Tränen zu
entfernen. Tommy sah höflich zur Seite, doch ein halb besorgtes, halb amüsiertes
Lächeln spielte um seine Lippen.
"Nein", gab sie zu, erntete dafür einen überraschten Blick von ihrem
Ex-Geliebten. Er setzte sich neben sie und sah sie erwartungsvoll an. Miss
Parker machte eine unwillige Geste mit ihrem Kopf, ließ ihren Blick für einen
Moment aus dem Fenster des Jets und über die Wolkenberge unter ihnen schweifen.
Während der letzte zwei Tage hatte sie viel über alles - besonders über ihre
Begegnung mit Jarod in New York - nachgedacht, doch nun war sie diese Grübeleien
leid und hatte beschlossen, mit der Bewältigung ihrer Gefühle zu warten, bis
sie in Tommy Tanakas Heimat angekommen war. "Ich habe mich gerade von einem
alten Freund verabschiedet. Für immer, wie es scheint."
"Das dürfte Sydney nicht gefallen haben", vermutete Tommy, während
er ganz leicht an den Fingern ihrer rechten Hand zupfte, um ihre Aufmerksamkeit
wieder auf das Hier und Jetzt zu lenken. Ein widerwilliges Lächeln breitete
sich auf Miss Parkers Lippen aus.
"Der Lauscher an der Wand, Tanaka", erinnerte sie ihn, dann drehte sie
den Kopf und sah ihn an. Seine braunen Augen leuchteten, doch der Ausdruck in
ihnen war undeutbar für sie.
"Oh, aber ich habe nicht gelauscht. Ich habe nur zufällig gehört, wie du
seinen Namen erwähnt hast", erwiderte er mit einem warmen Lächeln, das
noch an Intensität zunahm, als er fortfuhr. "Seit wann bin ich für dich
wieder bloß Tanaka?"
Auch wenn sie es selbst nicht sehen konnte, so spürte Miss Parker doch, wie
sich ein Schatten über ihr Gesicht legte. Sie schluckte.
"Du weißt von Thomas Gates?"
Tanakas Lächeln verblaßte, doch seine Augen verloren nichts von ihrer Wärme.
"Natürlich. Entschuldige, daran hatte ich nicht gedacht", murmelte er
in einem Tonfall, der sie früher immer beruhigt hatte - er erinnerte sie an das
leise Tropfen von Regen auf einem Ziegeldach.
Miss Parker holte tief Luft.
"Es tut mir leid, aber ich kann dich nicht Tommy nennen - nicht mehr. Das würde
zu viele... Erinnerungen wachrufen."
Er drückte ganz leicht ihre Hand, brachte damit sein Verständnis zum Ausdruck.
Seine Lippen verzogen sich zu einem schelmischen Grinsen.
"Ich fürchte allerdings, ich werde dir nicht erlauben können, mich Tanaka
zu nennen - die Leute glauben sonst noch, wir stünden uns nicht nahe",
sagte er in einem verschwörerischen Tonfall.
Fast gegen ihren Willen lachte Miss Parker leise, dann verzog sie in gespielter
Überlegung ihr Gesicht und tat, als denke sie angestrengt nach.
"Hmmm, aber wie soll ich dich statt dessen nennen?"
Tanaka öffnete den Mund, um einen Vorschlag zu machen, doch Miss Parker schüttelte
lächelnd den Kopf. Für den Moment waren alle trüben Gedanken vergessen, und
sie nahm Tommys Hand zum Zeichen ihres Dankes in ihre Hände, drückte sie
sanft.
"In Anlehnung an alte Zeiten werde ich dich... Okami nennen.
Einverstanden?" Sie neigte ihren Kopf leicht zur Seite und wartete seine
Antwort ab, obwohl das Leuchten seiner Augen ihr eigentlich schon Einverständnis
genug war.
Der Mann neben ihr gab sich den Anschein zu überlegen, doch auf seinen Lippen
lag bereits das wölfische Grinsen, das ihm seinen Spitznamen eingetragen hatte.
Er sah ihr tief in die Augen, schien etwas darin zu suchen. Nach ein paar langen
Sekunden nickte er schließlich.
"In Ordnung", meinte er und dann, nach einem Herzschlag des Zögerns:
"Aber nur, wenn ich dich dafür kon-yakunin nennen darf."
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Miss Parker die Übersetzung aus den Tiefen
ihres Gedächtnisses hervorgeholt hatte. Das konnte er doch wohl nicht ernst
meinen?!
"Verlobte?" vergewisserte sie sich. Tanaka nickte ernst.
"Hai, sou desu."
Miss Parker war lange Zeit sprachlos, starrte Tanaka einfach nur an. Mal ganz
abgesehen von der Wahl des Zeitpunktes kam dieser 'Antrag' doch sehr überraschend.
Nun, es stimmte, sie hatten vor langer Zeit einmal von der vagen Möglichkeit
einer Heirat gesprochen, aber eigentlich war ihnen beiden klar gewesen, daß die
Beziehung zwischen ihnen nicht mehr gewesen war als eine Affäre. Eine
leidenschaftliche und erfüllende Affäre, ja, aber nicht ganz die richtige
Basis für ein gemeinsames Leben. Oder vielleicht doch?
Tommy Tanaka schien ihr Schweigen zu verstehen. Sanft löste er seine Hand aus
den ihren und erhob sich.
"Antworte noch nicht. Sieh es als... eine Möglichkeit für die
Zukunft", sagte er lächelnd, dann ging er in den rückwärtigen Bereich
des Jets.
Miss Parker sah ihm nach und schüttelte ganz leicht den Kopf, ungläubig und
fassungslos. Das war wirklich typisch Tommy Tanaka; er machte immer dann seinen
Zug, wenn niemand damit rechnete.
Während sie über die Worte ihres Freundes nachdachte, schlich sich ein Lächeln
auf Miss Parkers Lippen, zeugte davon, daß sie zum ersten Mal seit langem weder
an das Centre noch an all die Personen dachte, die verhinderten, daß ihre
Zukunft endlich den Platz ihrer Vergangenheit einnahm.
Ende Teil 17
Fortsetzung folgt...
Nun warte ich gespannt auf euer Feedback! Hinterlaßt es bitte hier: missbit@web.de
Teil 16 | zurück zur Übersicht | Teil 18 |
© 2001 Miss Bit