Madras

1986

 under construction…

REQUEST CONCERT

Opening in Madras

Direct/Designer

 

25. Apr 86

Wir treffen uns am Nachmittag. Unser Gespräch beginnt zögernd. Der aufgehende Mond unterbricht uns für 1 ½ Stunden. Dann ist es Zeit für meinen Bus.

Wie soll ich die Sache mit Chandra in den Griff bekommen? Sie ist eine Tänzerin, eine Künstlerin, eine Frau die sich um das Anliegen der Frauen kümmert. Sie reist viel zu Konferenzen nach Dhaka, Varanasi, Dehli, besucht Frauengruppen, macht Postkarten und Posters. Sie meditiert jeden Morgen bei Sonnenaufgang und den Mond am Abend.

Wir reden über RC. Ihr Bedürfnis, als Tänzerin zu abstrahieren ist gross. Die Geschichte von RC ist detailfreudig und präzise. Wie soll das gehen? Sie interessiert sich für die Beengung und Unterdrückung der Persönlichkeit durch die Rituale des täglichen Lebens. Sie will diese Rituale abstrahieren um diese Unterdrückung hervorzubringen. Wieweit ist es nötig, fragt sie, dem Text zu folgen? Der Text und sein Ansatz und Chandra’s Ansatz sind gegensätzlicher Natur. Sie fragt mich dann nach den fünf Teilen in die das Stück eingeteilt ist. Ich versuche zu antworten. Sie ist nicht an den Details interssiert. Sie will wissen: Frau kommt nach Hause von der Arbeit, - Frau wäscht sich, -wechselt die Kleider, - macht es sich gemütlich im Haus, (dazu gehört Tee, Fernseher, etc.), - Frau kocht ihr essen und isst, (dazu gehört Geschirrspülen, kochen,’ puja’ etc.) - und so fort. Sie versucht aus der Gesamtsituation eine Szene, eine Darstellungsweise zu entwickeln, die den gesamten Inhalt und Bedeutung: Frau kocht und isst,- umfasst.

Studien über die Eigenheiten Tamil Nadu’s, der Frau in Madras, ihre Biographie, sozialer Stand, was sie essen, Nachforschungen über die spezifischen Brauche in Tamil Nadu, all das scheint nicht der Ausgangspunkt dieser Arbeit zu werden. Es interessiert sie nur am Rande. aber wir werden nicht darum herumkommen zu fragen woher diese Frau kommt, wie sie in dieses Situation gekommen ist, was sie arbeitet, verdient, welcher Klasse sie zugehörig ist, was sie isst und welche Handarbeiten sie macht.

Wenn Rustom der Meinung ist, das es wichtig sei eine Aufführung in Calcutta, Bombay und Madras zu haben, so sollte diese Aufführung eine Madras spezifische Aufführung sein und keine generell indische, künstler-ische Verarbeitung einer individuellen Künstlerin. Ausserdem habe ich grosse Angst vor diesem freien Umgang mit dem Text. Ich denke mit Schrecken an Alleque Padamsee’s Aufführung in Bombay.

Andererseits stellt sich durch die Wahl dieser Schau-spielerin ein ganz anderes Problem für mich als in Calcutta. Könnte ich meinen Spass aus dieser Tatsache ziehen? Ich entkomme der Situation sowieso nicht mehr. Die Frage auch, will ich wirklich wieder in die Haushalte untertauchen und dieselbe Arbeit wie in Calcutta machen? Kann ich mir nicht eine andere Aufgabe stellen, bedingt durch die hiesige Situation. Chandra ficht für die Frauensache. Es wird in ihrem ureigensten Interesse sein diese Arbeit für ihre Sache zu benützen. Ich brauche hier nicht für Kroetz zu kämpfen. Vielleicht sollte meine Fragestellung eine andere sein? In Calcutta war die Frage wie man diesen Text von deutscher Gegenwart und westlichen Gedanken auf indische Situation übertragen kann und ob es möglich ist. Wir haben ihn übertragen und es war möglich. hier sollte sich die Frage stellen, wie kann man einen absolut realistischen Text, eine realistisch genaue Situation abstrahiert erzählen, umsetzen in Tanz, sich nur inspirieren lassen von den Ausgangspunkten der Situation, (wir müssen faierweise sagen, inspiriert bei F.X.Kroetz) und dabei trotzdem den Inhalt erzählen. Wie geht man aber mit den realistischen Aktionen mit dem realen Raum um? Kommt man überhaupt darum herum reale Möbel, Requisiten zu benützen, - und wenn nicht wie verhält sich die Spielweise zu diesen Elementen wie Topfe, Pfannen, Kleiderschränke und Toilette? Ich habe grosse Angst vor Pantomime! Ich habe grosse Angst vor Chandralekha! Wie stark ist sie wirklich? Als klassische Tänzerin, - als moderne Choreographin?

Nichts wäre schlimmer als eine selbstgefällige, sich selbst bemitleidende stumme Pantomime über das Leben einer geknechteten Frau, die sich romantisch umbringt. Ich habe Angst vor Rudolf Steiner’s Bewegungstherapie und Körperrhythmus. Was immer das heisst.

Ich könnte Spass aus der Tatsache ziehen das ich mich nicht in die Tiefen der Frau in Tamil Nadu vorarbeiten muss. Ich könnte Spass aus der Tatsache ziehen ein realistisches Stück abstakt zu erzählen, als Experiment, als ‘workshop’. immerhin stellt sich die Frage was ich mir aus diesem Erlebnis positives ziehen kann, so fern der Heimat. Eine Wiederholung der Arbeit in Calcutta interessiert mich eh nicht so besonders.

 Project description | New York | Bombay | Madras | Jakarta | Seoul | Tokyo

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