Nina sah ich zum ersten Mal an meinem ersten Arbeitstag in einer neuen Firma; eine aufstrebende Softwareklitsche, die mich als Drehbuchschreiber für die Unendliche Geschichte als Computerspiel gebucht hatte. Vorläufig teilte ich mir ein Büro mit zwei sehr umgänglichen Verwaltungskräften, Monika und Jörg. Das heißt, hier schwirrten dauernd irgendwelche Kollegen durch. Fragten was, suchten was, wollten was, kamen auf ein Schwätzchen. Jedem wurde ich vorgestellt.
Mir bluteten schon die Hände vom vielen Schütteln. Mir sagte kaum mein eigener Name mehr etwas, geschweige die Namen der Freaks und Nerds, Schlampen und Zuchthausmusikanten aller Formen, Farben und Größen einer ganzen Softwareklitsche. Da kam eine schlanke, hochbeinige Fee hereingeflattert. Barfuß. Das stand ihr hinreißend. Ihr Körper hing ganz anders zusammen als die all der Schuhträger, die heute schon durchgekommen waren. Barfuß in dreiviertellangen Hosen, dazu ein weißes T-Shirt mit Lucky Luke drauf, ansonsten nicht viel am Leib; wir schrieben August. Und doch hätte sie Skistiefel anhaben können, sie wäre immer noch so knallend barfuß einhergeschritten. Sogleich eilte die Barfußfee hinter Monikas Sitzplatz und vergriff sich an irgendwelchen Leitzordnern. Blätter, blätter, blätter.
"Das ist die Nina", stellte Monika routiniert vor, schon ganz ohne Hochschauen.
Nina hielt inne mit Blättern, schlängelte sich um den Schreibtisch herum auf mich zu und gab mir die Hand. Ihre Art der Fortbewegung war ein hocherotischer Mix aus Schweben und Tapsen. Artig sagte ich meinen Namen.
"Und du kommst jetzt öfter", grinste Nina.
"Ganz bestimmt", sagte ich, Nina mit einem Blick innerhalb zweier Zehntel von den Augen bis zu den Panflötenzehen erfassend, was keine kurze Strecke war.
Auf die musst du aufpassen, dachte ich mir. Nina - ein Name, den man sich merken sollte.
Die Softwareklitsche ist seit Jahren pleite.
Fassung vom 24. November 2003.