Comandantina-Kolumnen der Falter 1 bis 51/2000
sowie die zwei Kolumnen, die 2001 erschienen sind
.

Yep. Diese Seite wurde am 23. Mai 2002 runderneuert.
Die Comandantina :)


Endlich vorbei!
Falter 1,2/2000

Okay: Strenggenommen haben wir gar kein Millennium absolviert, sondern nur den Deckel vom Buch der Zeiten, Band 1999 zugeklappt und ein neues Etikett mit einem hochmodischen Zweier und drei atemberaubenden Nullen beschriftet. Und erst wenn ? folgen wir den Argumentationen von Günther Feuerstein und Umberto Eco ? erst wenn auch dieses Buch mit Erlebnissen und Erinnerungen volldokumentiert ist, ja erst dann können wir uns satt in unsere Lehnstühle und Schlabbercouchen fallen lassen und das Jahrtausend endgültig ins Archiv stellen. Ein bedrückender Gedanke also, noch gute 50 Wochen in einem Jahrtausend zu verbringen, das wir, ganz ohne Weihtuhkäi-Käfer-Invasion, erfolgreich ins Bett der Geschichte gebracht zu haben glauben. Bei schlimmen Kindern aber, solchen nämlich, die partout nicht Schlafen gehen wollen, empfiehlt schon der heilige Phanthomas von Aquin neglectio benigna, die wohlwollende Ignorierung. Ich habe also beschlossen, mich nicht weiter in kalendarischen Elfenbeintürmchen zu versteigen und das neue Jahrzehnt (ja auch das haben wir diesmal!) als angebrochen zu betrachten, und auf den zündenden Namen The Zeros zu taufen. Und ich bin mir sicher, daß wir in den Zeros ganz schön viel Zinnober erleben werden!


Billies Bilder
Falter 3/2000

Die Welt ist elendiglich grausam. Wenn es stimmt, was unlängst ruchbar wurde, dann fehlen mir die Worte. Der reichste Mann der Welt, (und vermutlich reichste aller Zeiten) William Gates der Zweite, allgemein als Billie the Nerd bekannt, ist im Besitz einer technischen Modetorheit, die sämtliche gängigen Standards der Kategorien ?Geschmacklos? und ?Gaga? sprengen dürfte. In seiner protzigen Villa am Lake Washington (die in etwa so aussieht, als hätte man Hannes Androschs Altausseeer Haus mit einer Festplatte gekreuzt) beherbergt der $oftware-Imperator die scheußlichste Erungenschaft der Menschheitsgeschichte. An den Wänden sämtlicher Wohnräume (und sicherlich auch aller Nasszellen) hat Billieboy überformatige LC-Bildschirme applizieren lassen. Sie werden von Zwergenweichprogrammen solcherart bedient, dass sie sich, von MS-Armbändern angesteuert, nach den gespeicherten Kultur-Voreinstellungen der jeweils Eintretenden chamäleonisieren. ?So sehen die Leute immer nur das, was sie sehen möchten?. Das ist mit Abstand das unsymapthischste was mir je zu Ohren gekommen ist! Ein Haus, das dekoriert ist wie die Hompage von Microsoft! Wehe, Otto Rau, der Innenarchitekt vom Meinl am Graben bekäme diese Technik einmal zugespielt! 


Finis Miraculorum
Falter 4/2000

Die Welt ist elendiglich grausam. Wenn es stimmt, was unlängst ruchbar wurde, dann fehlen mir die Worte. Der reichste Mann der Welt, (und vermutlich reichste aller Zeiten) William Gates der Zweite, allgemein als Billie the Nerd bekannt, ist im Besitz einer technischen Modetorheit, die sämtliche gängigen Standards der Kategorien ?Geschmacklos? und ?Gaga? sprengen dürfte. In seiner protzigen Villa am Lake Washington (die in etwa so aussieht, als hätte man Hannes Androschs Altausser Haus mit einer Festplatte gekreuzt) beherbergt der $oftware-Imperator die scheußlichste Erungenschaft der Menschheitsgeschichte. An den Wänden sämtlicher Wohnräume (und sicherlich auch aller Nasszellen) hat Billieboy überformatige LC-Bildschirme applizieren lassen. Sie werden von Zwergenweichprogrammen solcherart bedient, dass sie sich, von MS-Armbändern angesteuert, nach den gespeicherten Kultur-Voreinstellungen der jeweils Eintretenden chamäleonisieren. ?So sehen die Leute immer nur das, was sie sehen möchten?. Das ist mit Abstand das unsymapthischste was mir je zu Ohren gekommen ist! Ein Haus, das dekoriert ist wie die Hompage von Microsoft! Wehe, Otto Rau, der Innenarchitekt vom Meinl am Graben bekäme diese Technik einmal zugespielt! 


Luzifer Rising
Falter 5/2000

Irgendwie werde gerade Geschichte geschrieben. Das zeige sich nicht zuletzt an einem neuen Umgang mit Journalisten, meinen bürgerliche Kommentatoren voll entfesselter Zuversicht. Ja, Marantjosef, sogar Kipferl und Krapfen gäbe es, berichten die Verblüfften stauend! Hätte man Tee und Kaffee bisher schal aus billigen Tassen schlürfen müssen, so dampfe er jetzt frisch und froh aus hochpoliertem Republiksporzellan. Und drinnen, hinter Parlamentstüren, so transparent wie nie, würde endlich und zügig verhandelt werden ? professionell natürlich und gut vorbereitet, transparent, nicht durchsichtig. Im neuen Stil eben, mit Kipferl und Krapfen, wie gesagt, mit Stil, das Ganze. So bürgerlich beginnen nur Albträume. Eine Technik, durch die Abgründe des Angstschlafs zu navigieren, ist das luzide Träumen. Dämonen begegnet man da mit der simplen Frage ?Wer bist Du?? Mit so einer Frage kann man Dämonen nämlich so furchtbar wütend machen, dass sie vor Zorn zerspringen. (Dämonen haben ja meist nur eines im Sinn: Beachtet zu werden) Zu dieser Technik riet ich auch meinem lieben alten Compañero Jacques Chirac, mit dem ich erst gestern ein längeres Teleffonat hatte. Auch ihn plagten zur Zeit haiderianische Albträume, beichtete er. Ich empfahl die interrogatio absoluta ?Wer sind Sie, Jörg Haider??


O5
Falter 6/2000

Nichts ist mehr, wie es war. Die zweite Republik ist untergegangen. Menschenrechte müssen präambliert werden, weil es nicht genügt, daß sie in der Verfassung stehen. Ein Nationalratspräsident und Milliardär verspielt seine Ernennung zum Finanzminister, weil er sich nicht verbeten hat, dem Bundespräsident einen blutigen Kopf anzudrohen. Worte gelten viel und dann doch wieder nichts in diesen Tagen. Die Dorfposse um einen kleinen, bis zum Zerspringen ehrgeizigen DKT-Spieler hat sich zur Staatskrise ausgewachsen. ?Die Welt is globaler geworden?, hat die mitunterzeichnende Politpopcobra erkannt. Und der Verfall der Worte repräsentiert dabei nur den Verfall der Werte. o5, ist ein kleines, für die Existenz der zweiten Republik lebenswichtiges Zeichen. o5 stand für den Österreichischen Widerstand in diesem Land. o5 und den Menschen, die in seinem Namen gegen die verbrecherische Nazidiktatur kämpften, verdankt Österreich das Wiedererlangen seiner Souveränität nach dem zweiten Weltkrieg. Nicht der schönen Landschaft und nicht des guten Weines wegen durfte Leopold Figl ?Österreich ist frei? vom Belvederebalkon verkünden. Der Existenz eines veritablen Widerstandes wegen. Dieser Widerstand ist wieder tätig. Das Anbringen des Symbols o5 wurde von der Polizei als Schmiererei und Sachbeschädigung bezeichnet.



Bandiera Rossa
Falter 7/2000

Noch vor einem Monat hätte ich gelacht, hätte mir die Glaskugel Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler prognostiziert, ein Kind als Finanzminister und den Landeshauptburschen von Kärnten auf den Covern von Time und Newsweek! Weil nun diese Wende nicht nur die komischen Züge des Wolfgang Schüssel, sondern auch die tragischen des Goiserers trägt, gehen wir auf die Strasse. Ja dürfen die des überhaupt, ereifern sich die Tüchtigen, so ein Wahlergebnis hat doch, bittesehr, eingehalten zu werden! Jetzt, wo uns das Ausland mit feindlichen Argusaugen betrachtet und der nationale Schulterschluss ein Gebot der Stunde ist! Jetzt wo es gilt, wie ein Mann zusammenzustehen! Glaubt das linkslinke, grüne und liberale Sozi-Gesindel, daß wir uns von bezahlten Chaoten und professionellen Berufsdemonstranten einschüchtern lassen! Ja, das glauben wir ?linkslinkes Gesindel? tasächlich. Wir glauben auch, dass Demokratie mehr ist, als Wahlarithmetik und Scheinpatriotismus. Wir glauben an so revolutionäre Ideen wie die Menschenrechte und wir gehen auf die Strasse, damit nicht nur den Tüchtigen und Anständigen Recht widerfährt, sondern den Schwachen, den Bedürftigen, den ?Unanständigen?. Im Geiste der Solidarität, der Zärtlichkeit zwischen den Völkern.


Palast Antenne
Falter 8/99

"Mir wehren nicht zulasen, das die linken sich über all breitmachen und ihre barolen sogar auf die palast antenne dem höchsten denkmal der demokratie der republik hin schmieren!? Von der Hitze rechten Volkszorns zeugt diese, in einem Internet-Forum deponierte Kritik. Auch der freiheitliche Demokrat und ?law and order?-Protagonist der kleinen Löte, Michael Krüger empörte sich gegen das unschöne Bild roter Fahnen am Rocksaum der Dame vor dem Parlament. Erst 1902 wurde das vier Meter hohe Standbild der griechischen Göttin der Weisheit auf dem, um 1870 von Theophil von Hansen entworfenen Brunnen aufgestellt. Die Pallas Athene wird links von der Allegorie der ?Gesetzgebenden Gewalt?, rechts von jener der ?Vollziehenden? flankiert. Vor ihr befinden sich die Donau, dargestellt als Frauengestalt und der Inn als Männergestalt; hinter der griechischen Göttin umschlingen einander in höchst lesbischer Art die ganz und gar ?ausländischen? Flußgöttinnen von Labe und Vltava. Die Allegorien der Flüsse speisen einen also durchaus internationalen Brunnen. Ursprünglich war daran gedacht worden, hier eine imposante plastische Darstellung der ?Austria? aufzustellen, ein Plan, der vermutlich erhebliche Proteste des Fußballclubs Rapid nach sich gezogen hätte.



Fortgehfrühling
Falter 9/2000

Erst kommen die Gefühle, dann der dazu gehörende Frühling. Das soll mit dem Längerwerden der Tage zu tun haben, habe ich irgendwo gelesen. Sei es wie es ist: Die Frühlingsgefühle spriessen wie Parktulpen aus den aschfahlen Beeten unserer politischen Depressionen. Wolfgang Schüssel, der Mann den sie Kanzler nennen, hat die Rechnung ohne den Frühling gemacht. Die demonstrante Fortgehlust der 2000er wird unter lauen Lüften nicht leiden. Wolfgang Schüssel wird beunruhigt das Gegenteil dessen beobachten dürfen, was er als letztes Aufbäumen vereinzelter Verstörter mißverstand. Er wird auf dem, zum Provinzfest verkommenen Opernball aus der Kanzlerloge winken, mit einem ehernen Lächeln, das ein stilles ?endlich? flüstert. Er wird ganz im Einklang mit seinem brillianten Ego die Opernballdemonstrationen als mißratenen Applaus begreifen und den Unmut der ?Randallierenden? für eine chaotischen Inszenierung internationaler ?Kreise?. Ja, Wolfgang Schüssel würde selbst den Frühling als überzogene Reaktion mißverstehen. Wolfgang Schüssel, ein Klassensprecher, der Mitschüler, aber keine Freunde hat, ein Fußballer mit gebügelten Schuhbändern, ein Jazzmessenministrant, der sich vor Charlie Parker fürchtet: ?Danke für diesen schönen Morgen?? 


Bal Macabre
Falter 10/2000

Ein Tanz auf dem Bulkan.? richtete der Josefstädter Theaterdirektor die Inszenierung seine Frau aus, ?aber Mühe hat sie sich, die ganzen Blumen?? Die Sacherwirtin zischte giftig aus dem Kelch ihres Kleides: ?Du bist hier der einzige mit deiner Meinung!? Wer zischt, irrt. Der Opernball konnte mit ganz anderen solipsistischen Kalibern aufwarten. Mein erklärter Liebling unter den Leuten mit ?deiner Meinung? ist der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew. Ein bescheidener Staatsmann, kein gieriger Ämterkumulierer. Ein Nursultan eben. Einer, der auch dann kommt, wenn nicht einmal mehr Dolly Buster kommt. Dolly Buster, die, die immer kommt. Nursultan Nasarbajew also, Nursultan war da. Nursultan rettete die Ehre der Unrettbaren, ganz wie es ein Pflaster bei einem Schädelbasisbruch tut. Mitten in der Präserloge lauschte Nursultan dem Knarzen des Parketts, über den sich gerade das bleierne Naturschauspiel der Fächerpolonaise schob. Nursultan war flankiert von seinem, als Gattin getarntem Lieblingsleibwächter Nurwachta und den österreichischen Staatskräften Nurthomas Klestil (mit Nurfirst Lady Margret), Nurwolfgang Schüssel (gefrierend begleitet von Göttergattin Nurgigi) und einer topfenfarbenen Frau im nurgrünen Taft. Ein Tanz auf dem Vulkan. Fürwahr!


Die kleinen Löte
Falter 11/2000

Langsam geht?s ans Eingemachte! Die Generation der Nachkriegspolitiker, allesamt Diktatoren der Gemütlichkeit sprachen zu uns noch als ?Liebe Östarreicherinnen und Östarreicher?. Mit dieser Anrede wurden Saatgutmessen, Rodelweltmeisterschaften und nationale Klapprad-Wandertage eröffnet. Der Redebeginn ?Liebe Österreicherinnen und Österreicher? hatte wenigstens semantisch mit Liebe zu tun, in Liebe Österreicherinnen und Österreicher? schwang das grosse historische Etwas mit. Zu solch butterweicher Diktion griffen heute nicht einmal mehr Landpfarrer. ?Ich sage Euch?, heisst das heute. Oder ?ich werde nicht schweigen?. Mit ?Das sage ich Euch? werden Jahnturnhallen ideologisch beschickt. Sätze wie ?ich sage Euch? sind geeignet, die Fähnchen der Verführten nach dem Wind des Führers auszurichten.? Kleine Löte können sich bekanntlicherweise alleine von Bier und Hoffnung ernähren. Im Bewusstsein, das der Chef eigentlich auch einer mit Bier und Hoffnung ist, darfs schon auch ein bissl Porsche sein, ein bissl Hubschrauberfliegen, ein bissl in Kanada im Luxushotel liegen. Kleine Löte neiden eher dem Asylanten den Gratisbleistift, als dem Chef einen ganzen Wald. Denn der Chef, das ist einer von uns, mit einer schneidigen Pappen, ein Demokrat und Biertrinker.


The Birth Of The Cool
Falter 12/2000

Ich habe ein massives Problem mit Jazzmusik. Jahrezehntelang war ich in Stücke gerissen zwischen den rezeptorischen Antipoden schrankenlose Hingebung und miselsüchtige Verachtung. Platten, die gerade eben im Plattengeschäft noch vom gnadenvollen Zauber der Einzigartigkeit überzuckert waren, schleppten sich, daheim auf den Plattenteller gelegt, müde und saftlos durch den Abend. Jazzgötter, die eben noch Schulstangeln vergoldet hatten, schrumpften zu Filialleitern der blechernen Beliebigkeit, sobald der letzte Sonnenstrahl hinter Pressbaum verschwunden war. Was war da los, warum war das so, hatte ich einen Klescher? Wie konnte Miles Davis? Horn bei Tag euphorisieren wie die Posaunen von Harlem, nächtens aber Depressionen auslösen, wie sie Karl Hodinas Ziehharmonika nicht grimmiger verursachten! Lag es an einer unheilbaren Gefühlsiversion, die es mir verunmöglichte, mir Jazzfestivals zu ersitzen, wie es das Reglement der Diktatoren des Intellekt vorsah? Ja ich habe einen Klescher, und zwar einen gewaltigen. Er heisst Walter Richard Langer. Eine spätkindliche Prägung hat seine, mit Basstimbre moderierten Jazzsendung in die Vormittags-Lappen meiner Grosshirnrinde geschnitzt. In dessen Falten schlummern Endorphine, die nur Tagesjazz auszulösen vermag.


Sommerzeit
Falter 13/2000

Wie wir alle wissen, ist die Zeit etwas relatives. Bemühen wir dazu ein bekanntes kulturelles Paradigma: Während die Turmuhren im fernen Rankweil noch zum Käsknöpfleessen läuten, stellen Wiener Kellner schon den Espresso auf den Tisch. Und obwohl die Sonne eine gute Stunde später in den abendlichen Bodensee sinkt, als ins Schilf des Neusiedler Sees zwingt uns ein nationaler Schulterschluss zum Gebrauch einer gemeinsamen Zeit. Milch, die um sechs Uhr morgens im kleinen Walsertal gemolken wurde, kann deshalb gefahrlos mit Milch gemischt werden, die um sechs Uhr morgens aus Oberwarter Eutern lief. Zeitgleich gezapftes gesellt sich gern. Die Kühe sämtlicher österreichischer Melkgaue wurden sogar extra auf dieses täglich zur gleichen Zeit vorgenommene Prozedere konditioniert. Ähnliches gilt für Fiebermessen im Krankenhaus, Staustehen auf Stadtautobahnen und das Verfassen von Falterkolumnen. Solche Dinge haben zu exakt vorgeschriebenen Uhrzeiten zu geschehen. Jedes Jahr werden diese Naturgesetze rüde umgestossen. Aus undurchsichtigen Gründen werden Sommerzeiten ausgesprochen, Milchkühe eine Stunde zu früh gemolken und selbstverständlich auch Patienten eine Stunde zu früh fiebergemessen. Warum nur, warum?


Wolfi hes e driem
Falter 14/2000

Hach, wie schön ist es doch in Ösenland! Schnitzelsemmerlkauer und Käsekrainerbeisser müssen sich nicht fürchten vorm scharfen Kebap, nicht hussen auf den aromatischen Döner und mit der Rechtschreibung vom würzigen ?Bosner? tut es westlich vom multikulturellen Amstetten auch nicht mehr hapern. Alle geben sich Zwickerbussi, und auch die ärgsten Oaschlöcher haben Ehrfurcht vor der fremden Kultur. Ganz im hohen Geiste der Präambel wird gerade jetzt, gerade auch vom Hinterhofhammelbraten niemals nicht gezögert, sich ein knuspriges Scherzl herabzufeiteln. Der Mann, ?den sie Brücke nennen?, der Mann, der im Bundeskanzleramt aus- und ein geht, als hätte er nie etwas anderes gemacht, als im Bundeskanzleramt aus- und einzugehen. Dieser Mann hat einen Traum. Der Mann, der am Ballhausplatz in einem bunt angemöbelten Zimmer seinen Geschäften nachzugehen trachtet, hat den Traum, dass ihn alle lieb haben. Schitzelsemmerlfreunde und Hammelbräter gleichermassen. Hetzer und Gehetzte. Niemand braucht sich zu fürchten, meint der Mann, der im Bundeskanzleramt ein- und ausgeht. Wem will er eigentlich die Angst nehmen? Den Hetzern oder den Gehetzten? Keiner weiss es, keiner, ausser dem Mann, der am Ballhausplatz ein- aber immer seltener ausgeht.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
Bundespräsident Thomas Klestil


Staub
Falter 15/2000

Stadt und Land, was seid ihr doch für ungleiche Geschwister! Von Kühen, Hendln und fruchtbaren ÖVPlern bewohnt das eine, von Hunden, Tauben und fortpflanzungsunwilligen Aufwieglern die andere. Biotopistisch verstanden ist die Stadt so was wie einen Felswüste mit Paranoia. Hier leben blecherne Käfer, Teilzeitnomaden und Tauben. In den, etwas fruchtbareren ?Beserlparks? (jede anständige Wüste hat ihre Paranoia) treiben sich alte Damen, junge Buben und kleine Hunde herum. Aber diese Oasen produzieren nichts. Weder Sauerstoff, noch Eier, keine Milch und keinen Honig. Nicht einmal Schwammerln wachsen in einer Stadt. Städte produzieren ausschliesslich Lärm und Staub. Da Lärm aber ein sehr flüchtiges Phänomen ist und strengenommen aus Nichts besteht, fällt nur Staub an. Staub im Übermass. Er senkt sich wie eine schmutzige Decke über alles. Ganz besonders gern hält sich Staub in geschlossenen Räumen auf. Woher weiss aber der geschlossene Raum, dass er in einer Wüste ist und nicht am Land? (Geschlossene Räume am Land haben nämlich mit Staub absolut null am Hut). Und wenn er schon diese Chuzpe hat, woher nimmt der geschlossene Raum den Staub, den er über alles breitet? Zersetzen geschlosssene Räume Materie und wandeln sie in Staub um?



Wien ist Morskie Oko
Falter 16/2000

In der Hohen Tatra, dem Hochgebirge an der Grenze zwischen Polen und der Slowakei liegt ein tiefschwarzer Bergsee mit Namen Morskie Oko, was auf deutsch soviel wie ?Meerauge? heisst. Der Sage nach ist der See bodenlos und hat eine unterirdische Verbindung zur Adria. Hirten beobachteten hier Ebbe und Flut wie auch Meeresungeheuer. Eine Legende erzählt von einem Kaufmann, der einst mit einem Floß über den See fuhr, und in der Tiefe eine Schatulle mit Kostbarkeiten gesehen haben soll, die er bei einem Schiffbruch im adriatischen Meer verloren hatte. Wien, das Grenzgebirge zwischen Sanktion und Schulterschluss ist voll von solchen Meeraugen, von Orten die mehr sind, zutiefst bodenlos und unterirdisch mit anderen Weltgegenden kommunizieren. Auf der Oberen Donaustrassse, gegenüber dem Flexischen Donaukanalufer gibt es eine etwa zweihundert Meter lange Örtlichkeit, die bei tiefem Sonnenstand und kalter Luft mit dem linken Fontankakai in St.Petersburg korrespondiert. Zwischen Kunsthalle und Verkehsrbüro existiert bei nächtlichem Sommerregen ein Raumzeitkontinuum zum Cooper Square in Downtown Manhattan. Und Eingeweihte wissen seit jeher, daß das Stadionbad unterirdisch mit der ukrainischen Kastanienmetropole Kiev verbunden ist.


Morskie Okologie
Falter 17/2000

Das Morskie-Oko-Phänomen, das Kommunizieren von bestimmten Örtlichkeiten mit solchen in völlig anderen, zum Teil weit abgelegenen Weltgegenden, wurde nun erstmals wissenschaftlich erörtert. Wie ein St. Petersburger Physiker unlängst nachgewiesen hat, gibt es Einstein-Rosen-Brücken, sogenannte Wurmlöcher tatsächlich. (Ein Wurmloch galt bisher als reines mathematisches Konstrukt, das wie das Postulat der absoluten Lichtgeschwindigkeit aus dem Formelwerk Albert Einsteins stammt). Wurmlöcher sind Schwarze Löcher, die über Entfernungen von Millionen Lichtjahren miteinander kommunizieren. Im interstellaren Raum umspannen solche Wurmlöcher gigantische Ereignishorizonte, in Wien messen sie dagegen oft nur wenige Meter. Ein sehr bekanntes Wurmloch befindet sich vor der Aidafiliale schräg gegenüber der Oper. Hier hat sich in einem Betontrog ein Raumzeitkontinuum zu den kaiserlichen Gärten in Kyoto etabliert und mitten Wien einen der schönsten Bonsai Japans hervorgebracht. Das nächste, allerdings meteorologische Wurmloch befindet sich an der Ecke vom Cafe Museum und kommuniziert mit dem Zattereufer in Venedig. Aufmerksame Beobachter spüren hier den salzigen Äther der Lagunenstadt.


Würstels Kraut
Falter 18/2000

Sprichwörter haben eine dämonische Qualität. Sie kommen direkt aus einer Zeit, von der wir taxfrei behaupten wollen, sie sei keine gute gewesen. Einem geschenkten Gaul schaue man nicht ins Maul, behaupten mittlerweile sogar Menschen, die ein Pferdegebiß nicht von den Barten eines Wals unterscheiden könnten. Ein grosser Aplikator bäuerlicher Sprüche ist der Herr und Landmann in Tirol Andreas Khol. Seine Verbitterung über die Entfremdung seines ehemaligen Parlamentshabibis angesichts der Wende wusste der Innsbrucker Verfassungsrechtler rural zu illustrieren: "Kostelka ist ohne Verabschiedung verschwunden - wie das Würstel vom Kraut.? Weil wir nicht annehmen wollen, daß Khol Würsteln die Gabe der Dematerialisation zugesteht, nehmen wir mal an, daß ?das Würstel? Kostelka Opfer eines Diebstahls wurde. Aber wer zum Geier sollte Khol Kostelka stehlen wollen? Und da wir Andreas Khol schon beim Sprichwort nehmen: Ist Andreas Khol gar selbst das Kraut? Und wenn dem so wäre, wär der ?Kelch? nun sauer oder wär er süß? Nun ja, ganz werden freischaffende Comandantinchen Rätsel der khol?schen Art wohl nie ganz klären können, denn, nur wem ?Gott gibt ein Amt, gibt er auch Verstand...?


Zebras und die Hypnose
Falter 19/2000

Sonntag war ich das erste Mal seit unendlich langer Zeit im Tiergarten Schönbrunn. Nüchterne Väter und Texanische Witzezeichner haben dort täglich Umgang, nicht aber einfache Comandantinas. Wie es sich für einen Tiergarten gehört, fauchte schon die Dame am Eingang durch die Gitterstäbe ihrer Kassa und zweifelte an der Seriosität meiner Mission: ?Des kennans ana ondan dazöhn, dass sie on an Sunndoch reschaschiean miassn. Die Dseidung mechat i seng?? Wer den Tiergarten Schönbrunn wie ich zuletzt als Kind besucht hat, findet sich in der kleinen Gefängnisstadt nur mehr schwer zurecht. Früher, da kannten wir schon am strengen Geruch, dass der Käfig mit den unanständigen Äffchen nicht mehr weit sein konnte. Und am Brüllen der Zebras ermassen wir deren Sensucht nach den unendlichen Steppen Afrikas. Pechlahner, der zuständige Obertierwärter arbeitet zweifelsohne mit New-Age-Methoden, denn anders lässt sich nicht erklären, dass meine geliebten Zebras sich heute stoisch wie Meerschweinchen dem Gefangensein in einem sandkistengrossen Gehege fügen. (Kann man Sehnsucht vielleicht sogar weghypnotisieren?) Toll haben?s allerdings die faulen Geparden, so fand ich, die haben einen hochmodernen Jausenlift und Panoramafenster.



Gerichte aus Liebe
Falter 20/2000

Es ist wieder Bewegung in die deutsche Zunge gekommen. Wieder hat jemand keck in das Rad der Sprache gegriffen und es auf seinem steilen Weg zur Vollkommenheit ein paar Speichen weitergedreht. ?Andalusische Pfannenidee? heisst die brandneue Kreation. ?Andalusische Pfannenidee?, das ist ein rieselfreudiges Fertiggericht, das tiefgekühlt aufbewahrt wird, und bei Bedarf in beliebiger Menge aus der ?Tüte? geschüttelt werden kann. ?Schatz, was kriege ich denn heute Leckeres?, höre ich meinen Gebieter aus dem Arbeitszimmer rufen. ?Ach ich weiß nicht??, seufze ich, habe ich doch heute schlicht aufs Schnitzelkaufen vergessen! ?Ich hab?s?, flöte ich ins Arbeitszimmer meines angestrengten Herrn und schiebe ? Luder wie ich bin ? Paco de Lucia, den Gott der brennenden Flamencogitarre in den Player. Ein Griff in den Kühlschrank und die Küche Südspaniens rieselt freudig aus aus dem Säckchen: ?Andalusische Pfannenidee? und der Abend mit meinem Meister ist gerettet! Nächstes mal zaubert Jeannie dann ?flandrische Druckkochtopfphantasie?, Geistesblitz masurischer Kasserolle? oder vielleicht sogar ?provençalische Kupferkesselerfindung? aus dem Küchenhut. Auch ?baltisches Grillplattenprojekt? wird mein Schatz nicht verachten!


Gefahrschwimmen
Falter 21/2000

Tex und Tom eint nicht nur der Brotberuf des Lohnzeichnens, sondern auch ein jährlich gemeinsam unternommener Ausflug zum Stockholmer Schwimmmarathon. Tex wird dabei traditionell Sounsovielundachtzigster und Tom Vorletzter. Ich könnte bei sowas Anstrengendem nie im Leben auch nur zwölf Meter mitschwimmen und zolle den beiden deshalb auch höchste Achtung. Ich kann dafür ganz andere Nasssachen: Am Wolfgangsee urlaubt Helmut Kohl. Seit 45 Jahren. Und dort badet er natürlich auch. Und wir können davon ausgehen, daß wenn Helmut Kohl im Wolfgangsee badet, sich Moleküle vom Exkanzler lösen und im Wolfgangsee umhertreiben (und selbst dann, wenn Helmut Kohl längst wieder in Berlin weilt, noch immer im Wolfgangsee treiben). Bis sie dann irgendwann in die Ischl treiben. (Die Ischl, ein reissender Bach, kommt nämlich aus dem Wolfgangsee und fließt bei Bad Ischl in die Traun). In dieser Ischl habe ich einmal an einem nebeligen Oktobernachmittag gebadet. Obwohl es dabei sehr kalt war, ist es nicht unwahrscheinlich, daß dabei auch Moleküle Helmut Kohls an mir vorbeigetrieben sind und ich daher taxfrei behaupten kann: An einem nebeligen Oktobernachmittag bin ich in Helmut Kohl geschwommen.



Die Lohnzeichner Tex Rubinowitz und Thomas Kussin


Schlafen ist notorisch!
Falter 22/2000

Wer schläft, den küssen die Götter, lehrt uns ein georgisches Sprichwort. Deswegen schlafen die Grusinierinnen so oft wie möglich. He, aufpassen! So oft habe ich geschrieben, nicht so viel. Die Georgierinnen schlafen nicht mehr als andere, sie schlafen nur richtiger, denn sie schlafen immer dann, wenn ihnen danach ist. Die Georgierinnen gelten schon deshalb als ausgeschlafene Damen, weil bei ihnen dem Minutenschlaf jene Ehre zuteil wird, um die in unseren Breiten noch der Achtstundenschlaf heftig kämpfen muß. Während Italienerinnen und Spanierinnen ? mit nicht mehr als einem Tässchen schwarzen Kaffees im Magen ? noch in ihren kleinen und feinen Designerkosmetikstudios zur Schönheit liegen, muß unsereine schon an Tabellenkalkulationen und Vorberichten feilen, Konzepte lackieren und Formate ondulieren. Währenddessen, während also bei uns sehr götterungeküsst gerackert wird, räkelt sich die orientalische Geschäftsfrau maximal in der kamelledernen Polstermöbelgarnitur, für deren Kauf sie sich so gegen Mittag entschieden haben wird. Auch die berühmte Vormittagsmütze Schlaf, die jeder Französin seit der Revolution zusteht, hat sich bei uns noch nicht als Menschenrechtsstandard durchgesetzt. Ein Jammer! 


Früchte vom Grund
Falter 23/2000

Unter meinem Küchenfenster entfaltet sich die fette Pracht eines Margarethner Hinterhofs. Unter die palwedeligen Blätterdächer der hochsprossenden Essigbäume ducken sich siechende Kastanien mit mottenkranken Blättern. An den Loftwänden des Architekturbüros rankt sich wilder Wein und den Parkplatz des Auspuffbastlers beschattet ein Hollerbaum von aberwitziger botanischer Nonchalance. Sein Kumpan, ein knorriges Kirschlein traut sich gerade mal mit einer Handvoll roter Bemmerl ans Licht der Öffentlichkeit. Die wahren Früchte Margrethens aber finden sich hinter einem nassen Mäuerchen. Hier, im Schatten aller Schatten lärmen die jungen Besucher des hiesigen Kindergartens. Weil die lieben Kleinen konversationstechnisch noch noch nicht von den Benimmregeln der Erwachsenen verbogen sind, lärmen sie ganz und gar ausgelassen, Laut eben. Ich weiß also all ihre kleinen Geheimnisse, wem welche Barbie-Puppe gehört und wem welches Pokemon, wer wann flennt und warum. Ich weiß, daß Samantha Bianca mehr mag als Jenifer, und daß Kevin der beste Freund von Kevin ist, mit dem dritten Kevin allerdings nicht spielen mag, weil der vierte Kevin behauptet, daß der sich für den einzigen und wahren Kevin hält. 


One-Chick Hit-Squads
Falter 24/2000

Moderne Mädchen haben gute Vorbilder. Und gute Vorbilder leben nicht im Himmel wie Lady Di oder Jean d?Arc. Gute Vorbilder sind entweder gut erfunden wie Wonderwoman oder gut gefunden wie Coffy, ?the godmother of them all?, wie auf meinem Coffy-Plakat zu lesen steht, ?the baddest One-Chick Hit-Squad that ever hit town?. Moderne Mädchen mit solch guten Vorbildern wissen natürlich längst, wie die andere heisse Braut hieß, die Pam Grier spielte, lange bevor sie von Quentin Tarantino für die Weissen entdeckt wurde, ?Don?t mess aroun? with? Foxy Brown, she?s the meanest chick in town. Moderne Mädchen haben aber nicht nur gute Vorbilder sondern selbstredend gute Vorbilder mit gutem Geschmack. Das Siebzigerjahre Chiffonwunder, das Foxy Brown zum Arbeiten trägt, ist ein scharfes Kleid von der Farbe todbringender louisianischer Chillie-Schoten. Sein Saum, der sich in Kniehöhe kräuselt, wie die Flügelenden eines karibischen Stachelrochen lässt ein unschuldiges Frühmorgenblau hervorblitzen, das dem Fetzen erst jene dämonische Unikatesse verleiht, die Pam Grier zu recht zur Heroine der modebewussten Arbeiterin modelliert. Moderne Vorbilder tragen dazu pfeilgiftfroschgrüne Sandalen mit ausreichend Stöckel.



Pam Grier

Benita passiert das nie
Falter 25/2000

Als es in Österreich noch eine Regierung gab, die auf EU-Fotos abgebildet werden durfte, gab es ein gesellschaftliches Ereignis, das sich "Kanzlerfest" nannte. M. und ich waren auch da, hatten schickeste Cocktailkleider an und hielten uns dekorativ vor einem Fliederbusch auf. Hinter dem Fliederbusch saß Viktor Klima und plauschte mit Dichtern und Denkern und mit einem kleinen, breiten Kerl. Während wir so sannen, was die wohl wichtiges zu besprechen hatten, ging plötzlich sehr viel Licht an. Fernsehlicht. M. und ich wurden nervös wie Goldfische, denen das Wasser knapp wird. lachten dumm in Kameras. Großes lag in der Luft. M. und ich sahen uns an: Nicht wir, lieber Gott, bitte nicht wir! Und da sahen wir ihn. Einen kleinen Mann, mehr breit als hoch: Gerhard Schröder. Lebend. In Echtzeit. Und dann ging alles ganz schnell. Der kleine Mann, mehr breit als hoch, mit einem Lächeln aus Stahl, und einer Stimme wie die des Synchronsprechers von Sean Connery stand vor uns. Das Lächeln kam näher, eine Hand packte zu wie ein Schraubstock, zerdrückte die meine wie frischen Spargel, und die Stimme von Sean Connery sagte: "Gerd Schröder. Guten Abend. Wie geht´s?"
So war das. 

Benita würde das nie passieren. 

Tangentiales Vorspielen
Falter 26/2000

W enn es würzig wird in Wien und die Kalenderblätter sich dem Monat Juli zu widmen beginnen, werde ich sentimental und höre verschrammtes Vinyl. ?Zappa in New York" heisst das Werk und ich habe es mir 1978  in Sichtweite der Wiener Oper gekauft. In einem Plattengeschäft namens Hannibal, das damals ungeheuer hip war, weil es ? jedenfalls habe ich das so in Erinnerung ? ein Dutzend Vorspielautomaten mit Tangentialarmen hatte. Hängende! Hängende Vorspielautomaten mit Tangentialarmen! In Kopfhörern des hippen Hannibal hörte ich zum erstenmal Jazz, der nicht klang wie alte Herrenhosen in die jemand Lulu gemacht hatte. Jazz, der sich gar nicht wie Jazz anhörte, sondern einfach und kompliziert zugleich war. (Ich habe mir in Folge der Verehrung für dieses Album sogar sämtliche Platten der Brecker Brothers gekauft.) Großartig fand ich auch das Design des Doppelalbums. (In einer Zeit, in der Platten noch groß und schwarz waren, transportierten auch Plattencover eine Message!) Die Message war ungefähr die: Wir sind jetzt hier in New York, gleich beginnen die Achtziger und da machen wir noch schnell ein paar Dinge, die wir gut können, bevor alle anfangen, sich die Haare blau zu färben und Ska auf Heimorgeln zu spielen.        
              

Weisse Nächte
Falter 27/2000

St. Petersburg ist berühmt für seine weissen Nächte. Die heissen so, weil dort jetzt die Sonne erst gegen elf Uhr abends untergeht. Das Gefühl von so einer weissen Nacht ist wie Jetlag ohne dazugehöriges Reiseerlebnis. In dieser Stimmung gingen wir runter zum Strand, damals 1997 und tranken ein bißchen Wodka. Vom Hotel, wo wir wohnten, ist es nicht weit zum Strand, denn das Hotel liegt direkt am Industriehafen. Und ein Industriehafen ist ja sowas wie ein Strand. Weil Wodka sehr von innen wärmt, wollte ich unbedingt Schwimmen gehen. Wo doch da ein Meer war. Also zog ich mich aus, bestieg ein rostiges Ladawrack und sprang nixenhaft in den finnischen Meerbusen. Nach dem Auftauchen warf ich den umstehenden Tirolern Feigheit vor dem Wasser vor. Und dass sie keine Tiroler seien. Die Tiroler aber standen bis zu den dürren Unterschenkeln im Wasser und grinsten alpin. Denn mehr noch als stolz sind die Tiroler vorsichtig. Da war der Korse aus anderem Holz. Warm war auch ihm im finnischen Meerbusen, und seltsam fluoreszierte er. Am Strand, der ganz und gar aus Beton gegossen war, tanzten wir dann auf Glasscherben bis in den sehr sehr frühen Morgen. Und seither weiß ich, daß es richtige Männer nur in Korsika gibt.                       

Landgeräusche
Falter 28/2000

Das Land, il paese, the countryside. Sie mögen noch so verschieden sein und vielfältig, noch so idyllisch, noch so trist. In einem jedoch gleichen einander die Lande aller Länder, sie haben ihre eigenen Geräusche. Geräusche die es nur am Land gibt. Ich meine natürlich nicht das Branden des Meeres, das Rauschen des Waldes oder das Gezirpe und Geschnatter der Natur, ich meine Geräusche aus Menschenhand. Um noch genauer zu sein, meine ich Geräusche von Maschinen aus Menschenhand.                           Von Maschinengeräuschen aus Menschenhand ist nämlich das Land voller als der Städter glaubt. Es ist geradezu angefüllt von man made machine music. Ein sehr typisches Landgeräusch ist das kehlige und monotone, stets aber um Entfernung bemühte Röhren einer zweisitzigen Sportflugzeuges in der nur der Pilot sitzt. Dieses Geräusch, einer leicht hängenden einmotorigen Flugmaschine hört sich in Cornwall just so ländlich an wie in der Ukraine, South Dakota oder in Kalabrien. Das Geräusch einer leicht hängenden einmotorigen Flugmaschine ist für mich das Landgeräusch schlechthin und ich wüsste kein anderes, das ihm and Ländlichkeitgleichkäme. Am ehesten noch das Geräusch eines in der Sonne gilbenden Plakates.

Hermes' Falten
Falter 29/2000

Briefe werden gemeinhin gefaltet, bevor sie in Kuverts gesteckt werden. Das hat nicht nur technische, sondern auch höchst kontemplative Gründe. Ein ungefaltetes Blatt Brief ist selbst im höchstem Zustand der Sendefähigkeit, selbst im perfektesten Zustand des Fertiggeschriebenseins noch unfertig genug, zerknüllt und damit verworfen zu werden. Briefe, die sich der Komposition bis zur Faltung hingeben konnten und den Weg bis ins Kuvert gefunden haben, können im Regelfall damit rechnenn auch abgeschickt zu werden. Das Falten, darin können wir uns einig sein, darf als der eigentliche Approbationsvorgang betrachtet werden. Das Zukleben des Kuverts, ja sogar das Aufkleben von Marken und Draufschreiben einer Addresse sind nur mehr Formsachen. Im Falten liegt der Geist des Schickens. Nun gibt es, die gängigen Formate vorausgesetzt, exakt zwei Arten, einen A4-formatigen Brief für das Einstecken in ein A6-formatiges Kuvert zu falten. Die gesamte mir bekannte Menschheit faltet dabei das Blatt in der Hälfte, dreht das entstandene Produkt um 90 Grad und faltet es nocheinmal in der Hälfte. Nur Hermes Phettberg knickt Briefe erst der Länge nach zu Hochhalbfaltungen, um sie erst dann profan zu A-sechsen.  

An Theken schlampen
Falter 30/2000

Die Qualität von Männern lässt sich gut an ihrem Thekenverhalten ablesen. Nun meine ich aber nicht das Verhalten von Männern an nachtlokalen Theken (denn dort lungert nur die Sehnsucht, nie jedoch die Erfüllung) nein, ich meine das Verhalten von Männern an ganz anderen Theken. Unter unvermählten, aber frisch vertrauten Paaren hat sich ein Rollenverhalten dahingehend etabliert, daß sich der Mann für das gemeinsame Frünstück zuständig fühlt. Es stehen also zwischen 10 und 13 Uhr vormittags sämtllche Männer in zeugungsfähigem Alter an Wursttheken und bestellen postconcubitale Proteine. Die Quaität von Männern läßt sich an ihrem Verhalten an diesen Wursttheken erkennen. Die größte Zahl der hier beobachtbaren Männer lässt sich dem Typ Bieraugenringe, Dreitagesflaum und unruhiges-Klimpern-mit-dem-Autoschlüssel-in-der-Hosenttasche zuordnen. Vorsicht: Diese Männer greifen zu Extrawurst und Edamer! Ungleich besser kommen Männer der Gattung Morgenbart, Bermudashort über Badeschlapfenwadl und fiebriges- Nesteln-am-Ohrläppchen. Dieser, ungleich seltenere Typ greift selbst blind zu Räucherlachs aus Alaska, zu Charolais und einem Tiegelchen Feigensenf, zu einer zarten Honigmelone und Prosciutto aus Langhirano.        

Von den Namen
Falter 31/2000

Im Internet gibt es einen ganzen Haufen von Seiten, die sich ausschließlich damit beschäftigen, warum und wie wer aller heißt und warum man sein Baby ausgerechnet so nennen sollte. Da wimmelt es von Namen wie Hubert und Bettina, Antal und Carmen und natürlich auch von Kevin und Jenifer. Auch weniger quietschmoderne Namen werden hier vorgestellt, Jade etwa und Summer, Rose und Hope und die besonders unter bewußseinserweiterten Eltern bevorzugten Krishna, Ajit, Shiva, und Indra. Extravagantismen wie Cleopatra und Huckleberry, oder Catapilar und Hannibal gelten als tres chic. Auch Zwillingsnamen werden nicht vernachlässigt: Peter und Paul, Maria und Magdalena, Philemon und Baucis sowie die gerade überaus coolen Itsi und Bitsi. Nirgendwo jedoch finden sich brauchbare Namen für atavistische Zwecke. Warum meine Nagelfeile, von mir liebevoll Natassibarita genannt, dort nicht vorgestellt wird, ist mir ein Rätsel. Auch meinen Polster, der auf den Namen Kapitanosophantes hört und meinen Bananenbaum Okotohoneschbol vermisse ich auf diesen etymologischen Listen. Lositenes, meinen Lieblingslöffel natürlich auch und Rumpetuss, den kleinen schwedischen Troll, von dem mir meine Mutter als Kind viel erzählt hat.                 

About the Buchstabens
Falter 32/2000

While ich, wie wenige wissen, themnext nach America auswandern werde, beschäftige ich mich schon jetzt ausgiebig mit der Kultur des amerikanischen Schreibens. Die Amerikaner haben, das ist unbestritten, nicht nur Huckleberry Finn und Onkel Tom sondern auch alte Männer am Meer und auf Siesta, allerlei Tiere auf heissen Blechdächern und nicht wenige Philip Marlows hervorgebracht.  Dies alles wäre unmöglich ohne die Leistungen der amerikanischen Handschrift. Die Amerikaner schreiben, ganz im Gegensatz zu uns, schon die Ziffer ?1? mit einem einzigen von oben nach unten gezogenen Strich. Warum wir unsinnigerweise eine simple Letter wie die Ziffer ?1? mit einem zweiten Strich ? und sei es nur dieses dämliche Dächlein ? verschindeln, ist ein Rätsel. Auch die ?großes I?- ?kleines l?-Problematik ist den Amerikanern fremd. Sie schreiben ein großes ?I? mit kleinen Strichen oben und unten und haben deshalb keine Mühe ihren Bundesstaat Illinois richtig zu schreiben. Montafoner Strassenschildermaler hingegen verzweifeln regelmässig an der Kalligraphie des Flüsschens Ill. Oh, was gäbe es nicht alles an Krankheiten der österreichischen Schönschreibung zu diagnostizieren. The slurring of ?n? to ?u? to name another one in that long list...    

Andrea in Wonderland
Falter 33/2000

Jeden Morgen schaue ich in meinen Badezimmerpiegel und jeden Morgen schaut die gleiche vertraute Andrea Dusl aus dem Spiegel zurück. Sie sieht aus wie ich, nur hat sie alles, aber auch alles verkehrt. Wir kennen das. Das ist der Spiegeleffekt. Alles ist verkehrt. Es ist in einem so ausgiebigem Masse verkehrt, daß es mich jedesmal reisst, wenn zwei Spiegel genau so stehen, dass ich nicht die verkehrte Andrea zu Gesicht bekomme sondern durch doppelte Spiegelung mich selbst! Meine Zwillingsschwester sozusagen. Die, die die Anderen (oho, drei ?die?s?!) auch sehen, beziehungsweise ein Bild von mir, das dem ähnelt, wie mich andere sehen. Während ich also solcherart über das Verkehrtsein sinniere, wünsche ich mir manchmal, wie Alice in Wonderland zur anderen Seite des Spiegels hinüberzukriechen, Tja das wär schon was, denke ich, und soweit ist ja Alice auch gekommen in ihren Überlegungen. Was aber, wenn ich die einzige wäre da drüben und sehr sehr einsam in einer liebevoll spiegelverkehrten, aber unbesuchten Welt. Und was, wenn nun ein paar Freaks auch auf die blöde Idee gekommen wären, so wie ich durch den Spiegel zu kriechen? Peter Westenthaler mit seinem Fön? Oder Conan O?Brian mit seinem? Und vielleicht sogar Brad Pittt? Was dann?       

Worum es geht
Falter 34/2000

Qualitätskolumnistinnen sind über ein weitmaschiges aber sorgfältig geknüpftes Netz solcherart miteinander verbunden, daß sie mit Hilfe ihre Kolumnen nicht nur kosumentenfreundlichen Gossip austauschen, sondern meist ganz und gar Handfestes. So ist die finnische Designer-Möbel-Kolumnistin stets über die neuesten Restroom-News ihrer kanadischen Kollegin im Bilde und mit Hilfe des weltumspannenden Myzels von Vogue-Essayistinnen verbreiten sich Neuigkeiten schneller, als über Ted Turner?s CNN mit seinen zwei Dutzend geostationären Satelliten. Wer nun glaubt, Qualitätskolumnistinnen in gerne gelesenen Farbmagazinen schrieben an den wahren Problemen dieser Welt vorbei, hat alerdings recht. Die Problemthemen Fußball und Fahrzeug gelten als nicht weltbewegend und werden unter Qualitätskolumnistinnen auf das Maß ihrer tatsächlichen Wichtigkeit marginalisiert. Autistische Ballistik und das Anschmachten von Zylinderköpfen und Gürtelreifen kommen ganz einfach nicht vor in dieser, sehr viel bunteren und sehr viel reicheren Welt. Eine italienische Kollegin brachte es unlängst auf den Punkt: Wenn Männer eine Musikcassette aufnehmen, vermerken sie minutiös winzigste Details auf dem Cover. Frauen notieren bloß: Gute Musik.                            

MusiCassettismus
Falter 35/2000

Die späten Siebzigerjahre, und erst recht die Achtzigerjahre, die Zeit also in der raukehige Popstars wie Sting und Phil Collins erstmals ihren unsäglich tränenreichen Einfluss auf Frauenherzen geltend machten, wären undenkbar ohne das kleine schwarze Ding. Das kleine schwarze Ding, das überall herumlag und überall drinsteckte. Das kleine schwarze Ding trug den superdämlichen Namen MusiCassette. Nicht Musik-Kassette, was an sich schon doof geklungen hätte, nein, MusiCassette mussten sie das Minitonbändchen nennen. MusiCassette! ?Wow! I got it, we call it MusiCassette!? hatte der pickelige Marketingheini bei Phillips ausgerufen, da machen wir aus den beiden kleinen ?c??s ein grosses und ab geht die Post mit unserem kleinen schwarzen Ding. Warum ihn die beiden kleinen ?s?? und die beiden kleinen ?t??s nicht auch zur Konsonantenfusion verführten, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Nun denn, in sämtlichen MusiCassetten-Recordern stuken ab nun MusiCassetten und nicht MusiCaSeTen und auf Milliarden dieser MusiCassetten wurde nichts anderes aufgenommen als semisurrealistische Lyrik, kehlgesungen von Sting und Pop-Dada, gehauchschrien von Phil Collins. Die MusiCassette hätte locker auch StinCollins heissen können.      

Vom Tischbürstchen
Falter 36/2000

Architekten gelten gemeinhin als Spezialisten in Sachen gutes Werkzeug. Nicht daß sie sich zur Ausübung ihrer Leidenschaft deswegen ständig in Baumärkten und Raiffeisen-Lagerhäusern herumtrieben. Architekten verstehen auch Zeichenuntensilien als Werzeug. Immerhin können sie ganze Opernhäuser mit einem einzigen abgegriffenen Minenblei durchkomponieren. Wenn es nun daran geht, mit speckigen Minenbleis durchkomponierte Opernhäuser auch betonierfertig zu planen, verwenden Architekten nicht mehr als schwarze Tusche, die sie mit, ewig vom Eintrocknungsdesaster bedrohten Tuschestiften auf halbdurchsichtiges Pauspapier auftragen. Wenn Architekten einen Fehler machen und, sagen wir einmal, ein Stockwerk zu viel einzeichnen, dann verzweifeln sie nicht wie unsereins verzweifeln würde, sondern schaben die falsche Etage ganz einfach mit einer Rasierklinge weg. Die Brösel, die dabei entstehen, Schabgut aus getuschten Pauspapierflocken, bürsten sie dann mit sogenannten Tischbürstchen auf ihre, über und über mit weggeschabten Etagen bedeckte Atelierböden. Diese Tischbürstchen sind der Architekten liebste Utensile. Baukünstler messen ihnen grössere Bedeutung zu, als Kapellmeister ihren Dirigierstäbchen.            

Die Farbe Gesund
Falter 37/2000

Ich bin der festen Überzeugung, daß sich der liebe Gott etwas dabei gedacht hat, als er die Welt erschaffen hat. Irgendwie macht es Sinn, zu wissen, daß auch das scheinbar zufällige, das offensichtlich nutzlose einem grossen Plan folgen, mit dessen zaghafter Enthüllung und bruchstückhaftem Verständnis wir uns ein Schicksal lang beschäftigen dürfen. Als der liebe Gott dieFarben schuf, und auch die Verteilung derselben auf den uns sichtbaren Oberflächen unseres Universum, hat er sich natürlich auch etwas gedacht. So hat jedes Ding seine Frabe, und das ist gut so. Orangen und Schokolade Blondinen und Goldfische, Blattwerk und Geschmeide, all das hat seinen Ton. Nur bei den Blumen und den Schmetterlingen und bei Kleidung aus dem Hause H&M hat der liebe Gott etwas mehr in der Palette gespachtelt. Damit hat er dafür gesorgt, daß es für Verliebte, Maler und junge Mädchen das gewisse bunte Etwas mehr gibt. Nur eine Farbe hat Gott der Herr geschaffen, deren Sinn mir nicht recht einleuchten will: Die Farbe, die Gesundheitsschuhe haben. Sie entspricht in etwa dem Ton, den eine Tasse Milchkaffee annimmt, wenn sie übers Wochenende stehengelassen, einen fahlen Stich ins grüngraue annimmt. Was daran bequem sein soll, weiß allein der Herr.

Spritzen ist der Mann
Falter 38/2000

Die Schergen der Aufklärung, Behavioristen wie Sozialutopisten wollen uns weissmachen, zwischen den Geschlechtern bestünde nicht mehr an Unterschied, als die Natur zum Austausch von Körperflüssigkeiten vorgesehen habe. Mann und Frau, so trichtern sie uns mit dem energetischen Potential der Sendebewussten ein, seien soziale Konstruktionen und nicht mehr. Oh nein, sage ich, ihr irrt! Mann und Frau sind gänzlich verschieden, ganz besonders der Mann. Der Mann ist völlig verschieden. Denn der Mann spritzt. Und das tut nur er. Nur der Mann spritzt. Er steht mit seinem Gartenschlauch an jeder nur erdenklichen Ecke und spritzt an diese erdenkliche Ecke. Sauberspritzen nennt er das und es gibt keine saubere Frau auf dieser Erde, die eine Ecke sauberspritzen würde. Keine Frau der Welt käme auch auf die bizarre Idee, freiwillig und an Wochenenden keiner anderen Lust zu frönen als mit und Pferdepenisgrossen Spritzen die Gegend feuerwehrmässig probezulöschen. Frauen sind auch automobilistisch spritzenlos zufriedenzustellen. Ein Wagen mit normalem Triebwerk befriedigt ihre Bedürfnisse, von A nach B zu gelangen in ausreichendem Masse. Männer tun?s nicht unter zwei Litern mit Einspritzpumpe. Und vier Spritzern intus.         

Eleganz hat Flecken
Falter 39/2000

Das Hündchen meiner Schwester ist eines der elegantesten Tiere, dessen Pfoten je unseren Erdkreis berührt haben. Das Hündchen, das eigntlich ein Hund ist stammt von der exklusiven Rasse der Dalmatiner ab. Amadea, so heißt das fesche Tier, ist gänzlich farblos, sie besteht nur aus carrarafarbenem Fell und pechschwarzen Tupfen. Jede Dame von Welt, würde sie sich ihrer Nähe erfreuen, würde in Amadea bei aller Süsse und Lebendigkeit ihres Wesens auch so etwas wie ein superschickes Accessoire erblicken. Ein Cocktailabend mit Amadea in etwas billigerem als einem schlichten Chanelkostüm wäre zwar vorstellbar aber ?mega-nono?, wie man in New York gerade sagen würde. Amadea ist bei aller gesunden Hündischkeit, die ihr innewohnen mag, Kosmen vom ruppigen, und jede Eleganz vermissenden Befinden anderer Kolumnenhunde entfernt. Weder verspeist sie Zigarettenschachteln und Wochenendbeilagen wie die nervenkranke Spanieldame Putzo, noch fleckt, sabbert, haart und lärmt sie, wie der tumbe Chefredakteurs-Köter Barolo. Und bei allem Verständnis für argentinische Doggenliebe: Einen Waffenschein braucht meine Schwester nicht, um sich mit ihrem schönen Hündchen im Licht der Öffentlichket zu bewegen. Ein Chanelkleid, wie gesagt....  

Das Geräusch von Stille
Falter 40/2000

Stille, das gebe ich zu, Stille bedeutet mir viel. Nun meine ich mit Stille nicht jene Stille, wie sie mir in saubergeschleckten südfranzösischen Kreuzgängen angeboten wird. Ähnlich dem Geräusch verfaulender venizianischer Palasthinterhöfe entspricht es nicht meinem Verständnis von Stille. Auch das Konzept, zu Jesu Geburtstag in ein dutzend Wollröcke gehüllt, und mit klammen Fingern ein flackerndes Laternchen haltend, den verschneiten Pongau zu durchstapfen, behagt mir nicht besonders. Mir gefällt hingegen die Stille, die Kairo erzeugt, wenn dort die Sonne aufgeht und noch alle 21 Millionen Kairoer auf ihren Strohmatten kleben. Erstaunlicherweise gibt es keine Stadt der Welt, die so leise sein kann, wie Kairo bei Sonnenaufgang. Die Muezzins müssen erst Tee trinken, zumindest ein Tässchen, und Tee will heiss sein, und dann müssen die Muezzins, während also ihr Tee zu kochen beginnt, in Gedanken Mekka orten und das, so weiß ich, hat still zu geschehen. Und solange nicht der Muezzin das Minarett erklommen hat, wagt auch kein ägyptische Hahn das Krähen. Das einzige Geräusch, das Kairo also bei Tagesbeginn erzeugt, ist das fauchende Brodeln der Muezzinteekessel und das kalte Schlurfen der Muezzinschlapfen. Das ist Stille.           

Vom Gemüse
Falter 41/2000

Die Sprache, das wissen wir, ist ein Museum. Ganz viel geschichtliche Leichen hängen da in unseren Sätzen herum, in den gesprochenen wie in den geschriebenen und es kümmert uns wenig, mit Bezeichnungen zu hantieren, die so gut wie nichts mehr mit den Dingen zu tun haben, auf die wir sie verwenden. Die Wände unserer Häuser, so wissen die Etymologen, waren einst aus Zweigen gewunden. Diese Korblauben waren mit Lehm verspachtelt, so lässt es sich jedenfalls rekonstruieren und mit Tierhäuten gedeckt. Ein Dach war also eine grosse Decke und ein Haus was immer unter einer Haut Platz hatte. So war das, als wir zu unserer Sprache fanden. Als ich gestern am Naschmarkt vorbeiging, fiel mir ein Schild auf, von dem der mittlere Teil heruntergefallen war, sodaß nur mehr ?OBST und ...MÜSE? zu lesen war. Und da viel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte soeben gelesen, was unsere Vorfahren in den windigen Hautsiedlungen zu sich genommen hatten: Mus. Mus hatten sie gegessen. Mus aus Grünzeug, Gemüse. Kein rohes Karöttchen wie Claudia Schiffer, kein frischgezupftes Rucculablatt wie Heidi Klum und keinen Bärlauchstingel wie ich hatten sie gekaut, sondern garstig Mus. Die Sprache ist ein Museum. Wie ich gesagt habe.     

Von den Knochen
Falter 42/2000

Eine ganze Berufssparte beschäftigt sich mit nichts anderem, als uns von der Zukunft zu berichten. Das machen sie so seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und erst ist ihnen mangels lunarer Sehenswürdigkeiten der Mond abhanden gekommen als modernes Reiseziel, dann der Mars und jetzt geht die Reise der Zukunft wieder ganz banal von einer Ortschaft zur nächsten. Da dürfe ein hochmodernes Satelitennavigationssystem natürlich nicht fehlen, machen sie uns glauben, und auch die internetgestütze Fahrtroutenplanung werde in jedem kleinen Fiat zur Mindestausstattung gehören. Na ja. An eines haben die Futurologen nämlich nicht ganz so scharf gedacht. Wie, auf welche Weise nämlich, unsere Autobahnen errichtet werden. Das geschieht, allen Maschinen zu trotz, noch immer auf eine Weise, die mit ?händisch? am besten zu beschreiben wäre. Dabei wäre es doch so einfach, liebe Futurologen, auch hier die Natur zu bemühen. Man müsste nur ein bißchen genmanipulieren und Knochenbildnerzellen, sogennannten Osteoblasten, dazu bringen, Autobahnen zu bauen. Und ihre Kontrahenten, die Osteoclasten dazu, fehlgeplante Auffahrten und alte Trassen ganz einfach abzubauen. Dürfte ja nicht so schwer sein, oder?             

Gabelidiosynkrasie
Falter 43/2000

Geschirr ist nicht Geschirr. Ganz besonders gilt diese haushaltechnische Binsenweisheit für die Art und Weise, wie bei uns daheim mit Besteck umgegangen wird. Bei uns daheim werden Messer und Gabel nämlich nicht aufgelegt, wie das sonst so Sitte ist auf mitteleuropäischen Tischen, sonder bei uns daheim werden Messer und Gabel in eine Art Metall-Mikado gestreut. Die grosse Kunst bei dieser, eher devianten Form des Tischdeckens ist nun, aus diesem Haufen just jene eine Gabel herauszufischen, die als einzige ihre Bezeichnung verdient. Sieben von acht Gabeln bei uns daheim sind nämlich Designerstücke und zu allem zu gebrauchen, nur nicht zum Aufspiessen und mundgerechtem Kurztransport von Happen und Bissen.Die sieben lausigen Designergabeln bei uns daheim könnte man nicht einmal den Wickie,Slime und Paiper-Leuten andrehen, weil sie nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit auch von denen als 60ties-Klumpert erkannt würden. Das Metall aus dem die seltsamen Stücke gestanzt wurden, erinnert an rostfreies Kryptonit und die größte Besteckphantasie von uns Kindern daheim hatte immer darin gegipfelt, Superman mit einer unserer Gabeln in den Solarplexus zu stechen. Tja, das wäre nicht sehr nett gewesesen!

Ingenieursdeutsch
Falter 44/2000

Ich bin Ing. Peter Ouestenthaler sehr dankbar. Ing. Ouestenthaler bringt Schwung in die Sprache. Schwung in die Sprache zu bringen, darin scheitern viele täglich, wöchentlich, jährlich. Jährlich können wir den Scheiterern der Sprache auf Buchmessen begegnen. Den einen, verzweifelt auf der Suche nach dem Leser, den anderen verzweifelt auf der Suche nach dem Lesbaren. Tja, wäre nicht Ing. Peter Ouestenthaler, der ingeniöse Wortbastler dieses Landes, der Schwung wäre raus aus der Deutschen Sprache. Der Schwung wäre raus und wir wären allein den Neuschöpfungen österreichischer Sportkommentatoren ausgesetzt. Deshalb dürfen wir Peter Ouestenthaler heute noch für seine weitsichtigen Versuche dankbar sein, angesichts regierungsfeindlichen Drucks von der Strasse ordentlich de zu eskalieren, wo es weniger schwungvolle vielleicht bloß beim Ausdiskutieren oder Hineininterpretieren hätten bewenden lassen. Neue Sprache kommt immer dann ins Deutsche, neue Sprache kommt immer dann in  den Ingenieur, wenn es schwungvoll wird. Und schwungvoll ist fürwahr, wie da in der Wahrnehmung Ouestenthalers haltlos drauflosdiffamiert wird. Draufflosdiffamieren, soviel steht fest, steht dem De zu eskalieren eindeutig im Wege.

Comandantina
Falter 45/2000

Muss die Comandantina aus dem Papierfalter abtippen, weil das Original X-Press-File verschwunden ist.

Comandantina
Falter 46/2000

Dieser Kolumne geht es wie der vorhergehenden.


Tumbleweed
Falter 47/2000
(geschrieben in South Dakota)

Unser kleines Haus in South Dakota steht mitten in der grosse weite Prärie. Also fast, denn um unser kleines Haus in der Prärie hat sich seit seiner Errichtung eine Menge anderer kleiner Präriehäuser geschart und flugs war auch schon das Jahrhundert in Hochblüte, die Depression und der Krieg gegen die Japsen und die Nazis absolviert und ein Walmart errichtet und eine Kentucky-Fried-Chicken-Einkehr und eine Drive-in-Bank und was sonst noch zur Aufrechterhaltung des American Way of Life vonnöten ist. Vor erklecklich langer Zeit mag es in unserem kleinen Haus hier in Hub City noch anders zugegangen sein, langsamer und endverbrauchernäher, bohnengeruchsreicher. Ein Mischung aus Schmierseife, Pferdedung und Kautabak mag damals in der Main Street gehangen haben und nicht wie heute der würzige Odor ozonangreicherten Gesundheitstrinkwassers, nicht das klopffreie Gasolin eines fetten Chevy Trucks und nicht der nussige Geruch frischgegossener Pentecostal-Peanut-Brittles. Männer wie Gary Coopers mögen in Hub City zugange gewesen sein und Damen wie Barabara Stanwyck. Und das Tumbleweed. Das heimatlos herumkugelnde Präriegstrüpp. Das ewige vazierende Rollgebüsch. The tumbling weed. Praise the Lord! 

In Schwimmen 2 Vögel
Falter 48/2000
(geschrieben in South Dakota)

1976 war nicht nur das Jahr in dem das schwedische Föhn-Fokuhila-Quartett ABBA den Welthit Knowing Me, Knowing You heraubrachte, sondern auch das Jahr meiner Einbildung, ich müsse die für damalige Erlebnis-Standards unabdingbare Sprachreise in den kühlen Highlands  Schottlands verbringen. Daß Sprachreisen in einer Region angeboten wurden, die Englisch schlechter spricht als Wiener Tramway-Chauffeure, ist an sich schon ein Rätsel. Noch rätselhafter war das Päärchen, in dessen Einfamilienhaus mich das Sprachinstitut einquartiert hatte. Bruce war trotz meiner Mädchenhaftigkeit einen Kopf kleiner als ich, studierte Pornohefte im achten Semester und war Schweßer in einer Ölplattform-Zusammenbau-Fabrik (wie sowas genau hei?t, wu?te ich schon damals nicht). Weil er in seinem früheren Leben Soldat gewesen war (mit 17 in Nordirland, bei den gefährlichen Katholiken, wie er heldenhaft erzählte, in Nordirland, wo die Kugeln "nur so pfiffen"), weil Bruce also ein ganzer Bursch war, nahm er mich unter Zurücklassung seiner teigigen Frau Janice einmal nach der Stadt Aberdeen. Zum Schwimmen. 4° Grad (vier Grad!) hatte das Wasser dort. In Aberdeen habe ich zum ersten Mal totgefroren Robben gesehen. Praise the Lord!

Refrigatorium Maximum
Falter 49/2000
(geschrieben in South Dakota)

Living in America is endverbraucherorientiert. In den grocery stores, die im allgemeinen die Audehnung des Wiener Rathausplatzes nicht unterschreiten, hat alles sein Vorhandensein. Dieses Vorhandensein richtet sich nun nicht nach den Beürfnissen der Filialleitung, wie wir das von Wiener "Supermärkten" kennen, sondern streng nach denen des Kaufpublikums. So fehlt in den Regalstrassen eines endverbraucherorientated American grocery store weder der norwegische Lutefisk noch das Berner Würstchen, weder Kalbfleisch für Wiener Schnitzel, noch frisches Basilikum für die Pasta. In einem durchschnittlichen american grocery store gibt es vom Singlesalzkorn bis zum Rekordbüffelsteak einfach alles. Das Vorurteil, die Nation George Washingtons ernähre sich auschliesslich von Hamburgern und Ketschup pflegt ausgerechnet die Nation Leopold Figls, eine Nation, die nach eigener Darstellung ausschliesslich von Burenwurst, Käsekrainer und den todbringenden Liquiden Spritzer und Schiwasser lebt. Ein winzige Anzahl internationaler Podukte müssen ernährungsbewusste Österreicher vermissen lernen. Den satanischen Nirwanatrunk Innländerrum, die giftgrünkernige Mozartkugel und das Massensedativum Schwechater. Aber wen kümmerte diese in einem Land, in dem Steaks von der Grösse eines Tischtennistisches gegrillt werden. Praise the Lord!

Comandantia
Falter 50/2000

Original-Kolumne wird noch abgetippt.


Ende hie
Falter 51/2000

Es ist nun auch für Millenniumsdebatteure endlich soweit: Das zwanzigste Jahrhundert geht dahin. Datumsmässig neigt sich damit auch das zweite Jahrtausend seinem kalenderprofiseits endgültigen Ende zu. 2001 wird das Jahr sein, in dem wir Kontakt aufnehmen, wird es heissen. So wie wir 1984 nicht entkamen, ohne von Orwell und seinem Big Brother bewatched zu werden, wird es 2001 mit Sicherheit zu lauteren und unlauteren Wortspielereien kommen, die sich am Titel zu Stanley Kubricks legendärem Science-Fiction-Film vergehen. Der große alte tote Mann der Weltraumcinematographie hat sich sicherlich besseres verdient. Überhaupt sei endlich einmal Ruhe mit Jahreswechselkalauern! Ernst trete ein, wo Witz und Spass ihre billigen Szepter schwingen! Ernst trete von mir aus wild um sich, wenn ihn Witz und Spass nicht lassen. Ich fordere ein Ende der Spasskultur, ein Ende von Wicki, Slime und Paiper, eine ausreichend ewige Ruhe vor ABBA-Revivals und lästigem Glockenhosen-und-Häkelblusen-Trends-! Es wird Zeit, die letzten Auswirkungen der unsäglichen 7ties einzusargen und rasch zu beerdigen. Das dritte Jahrtausend möge sich mit allem beschäftigen, nur nicht mit Kleidung und Lebensmitteln aus Kunststoff!    

2001 erschienen nur zwei Comandantina-Kolumnen:
Das sind sie:


Viktor, ich und die Profis
Falter 1,2 /2001

Ich besitze ein Originalkleid einer Beduinenfrau vom Sinai, das ich mir einmal im berühmten Basar Chan El Chalili in Kairo gekauft habe. Zu dem Kleid gehört ein blauer Gesichtsvorhang, mit schicken Münzketten und ein schwarzer, bestickter Schleier. In diesem Fetzen erschien ich vor einigen Jahren auf dem "Life Ball" im Rathaus. Ich hatte diese Kostümierung als Statement gegen die Unterdrückung der islamischen Frau geplant und war sicher, das ich die einzige in solch einem Kleid sein würde, und mein Statement dadurch ein gewisses Gewicht erhalten würde. Überall Männer in Gummiwäsche, aber keine einzige Frau im Antiunterdrückungskleid! Weil ich nicht wirklich wusste, wie man am Sinai die Handtäschchenfrage angeht, wählte ich einen alten vergammelten, und absolut eingetrockneten Farbkübel und verstaute darin mein wenig Geld, eine Kamera und Schönheitsallerlei. In einem Seitentrakt begegnete ich dann ihm, dem damaligen Bundeskanzler der Republik Österreich: Viktor Klima. Ich fummelte meine kleine Olympus aus dem Farbtiegel, um uns schnapp zu schiessen. Viktor, damals noch nicht Autohändler, aber gab meine Kamera zwei herumstehenden Japanern mit den Worten: Des Foto von uns zwei lass ma uns doch lieba von die Profi machen!


Es ist nun einmal
Falter 3/2001

Die Welt ist endlich dekompliziert worden. Wenn es stimmt, was unlängst bekannt wurde, dann fehlen mir die Worte. Ein Linguistenteam will den wahren Namen Gottes herausgefunden haben. Die Wissenschafter, so heisst es, mussten dazu nicht in Klöstern und Archiven forschen, nicht in Inkunabeln oder Inschriften,  sie suchten ganz einfach in unserer Alltagssprache. Wenn es Gott gäbe, so ihr Verdacht, dann müsse sein Name noch in Gebrauch sein. Ein einfacher, ja universeller Name müsse es sein, ein Wort, so kurz und gut, wie es nur Gott zustände. Und die Sprachforscher wurden fündig: Der wahre Name Gottes ist das kleine, aber unbescheidene Wörtchen Es. Es ist der wahre Name Gottes! Es schneit, nämlich ganz einfach, wenn es kalt ist. Im Sommer regnet es, wenn es sich am Himmel zusammenbraut und es schüttet dann so lange, bis es wieder aufklart. Es ist doch ganz einfach! Es steckt in allem und jedem. Es geht ums Ganze, um die Wurst oder nur so la la, es geht, weiss wer warum. Wer hätte gedacht, das es so allgegewärtig ist. Eines nur, gaben die Wissenschafter zu bedenken, könne mit ihrem Modell nicht erklärt werden. Ein simpler Hinweis der Wiener Verkehrsbetriebe nämlich: Es wird ersucht, rückwärts auszusteigen!