Unsere Broschüre "'Gegen den Strom!' (Band 2) Dokumente der Revolutionären Kommunisten Deutschlands"

Vorwort

„Gegen den Strom! - das ist und bleibt unsere Losung.“ in Bulletin Oppositionnel, Mai 1939

„Wenn imperialistische Kriege ausbrechen, ergreifen wir nicht die Flucht, sondern bleiben an Ort und Stelle, um den Massen beizustehen, die imperia­listischen Kriege in Bürgerkriege zu verwandeln. Wenn Ausnahmezustand und Judenpogrome ausbrechen, laufen wir nicht davon, son­dern bereiten die Gegenoffensive vor. Wenn auf illegale Schriften der Tod steht, verbessern wir die Schutzmaßnahmen und vervielfa­chen die illegale Publizistik. Wenn auf Waffenbesitz der Tod steht, sammeln wir erst recht Waffen, um uns zu verteidigen. Wenn unsere Genossen ins Gefängnis wandern, hauen wir nicht ab, sondern berei­ten ihre Befreiung vor. Wenn unsere Genossen hingerichtet werden, bereiten wir die Rache vor. Auf Stoß gibt es einen Gegenstoß, ge­gen den schlimmsten Polizeiterror gibt es noch wirksamere Gegen­mittel. Und wenn wir fallen, so fallen wir nicht für Wallstreet, sondern für die kommende Diktatur des Proletariats.“ aus Entwicklung und Ende der deutschen Emigration, in RK-Bulletin Nr. 13, November 1942

„Wir sind weder Sozialdemokraten, noch Stalinisten, noch Trotzkisten - die Prestigefragen interessieren uns nicht - ; wir sind revolutionäre Kommunisten, Spartakisten.“ aus Unser Programm, in Spartakus, Mai 1943

In diesem Band haben wir einige Texte der Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD) zusammengefaßt, um sie der Öffentlichkeit erneut oder erstmals zugänglich zu machen. Es handelt sich hierbei um Artikel, Briefe, Interviews und Schriften der RKD. Versammelt haben wir hier Originaldokumente der Revolutionären Kommunisten aus der Zwischenkriegs-, der Kriegs- und Nachkriegszeit (1936-1947), die für sich selbst sprechen. Neben ausgesuchten Flugblättern und Artikeln aus den Zeitungen Bolschewik, Der Einzige Weg, Juniusbriefe, Der Marxist, Spartakus und RKD-Bulletin und des neuen Spartakus veröffentlichen wir hier einige sehr aufschlußreiche Briefe und Interviews. Wir mußten zwar - notgedrungen - eine Auswahl treffen, denken aber, daß die von uns ausgewählten Dokumente einen guten Überblick über die Geschichte und Entwicklung der RKD geben.

Die Revolutionären Kommunisten Deutschlands sind einer der weißen Flecken in der Geschichte der sozialrevolutionären Minderheiten und des sozialrevolutionären Widerstandes im 2. Weltkrieg. (1) Über bürgerliche Widerstandsgruppen wie die Rote Kapelle und die Weiße Rose, den parteikommunistischen und sozialdemokratischen Widerstand oder den militärischen Widerstand oppositioneller Nationalsozialisten gibt es Unmengen an Literatur. Selbst über die deutschen Trotzkisten ist mit dem Buch Trotzkisten gegen Hitler von Peter Berens erneut ein Beitrag zur Geschichte des trotzkistischen Widerstandes geleistet worden. (2) Wenn sie nicht durchweg gemieden wurden und werden, so begegnet(e) die Historikerzunft ihnen mit Unbehagen und Unverständnis. (3) Als der französische Historiker Maurice Rajfus in seinem Buch "L'an prochain la révolution. Les communistes juifs immigrés dans la tourmente stalinienne. 1930-1945." (Editions Mazarine, Paris 1985) das auch in unserer vorliegenden Broschüre enthaltene Flugblatt der RKD Jüdische Arbeiter, Genossen aus dem Mai 1943 veröffentlichte, bemerkte er, daß dieses Flugblatt „jenseits der Terminologie“ der stalinistischen Komintern formuliert sei und es ein „merkwürdiges Dokument“ darstelle, da es nicht von Vertrauen in die Alliierten geprägt sei. Dies ist der Grund, warum so lange Jahre Schweigen um die RKD, ihre Positionen und ihre Taten herrschte. Sie ließen sich nicht vereinnahmen, weder von stalinistischer noch von leninistisch-trotzkistischer Seite, weder von anarchistischer noch von partei“kommunistischer“ Seite, und schon gar nicht von demokratisch-antifaschistischer oder faschistischer Seite. Unsere Broschüre versteht sich als Beitrag die RKD, ihr Wirken, ihre Positionen und ihre Geschichte dem vorherrschenden Vergessen zu entreißen.

Kurzer historischer Abriß

Die hier vorgefundenen Diskussionen und Erfahrungen der Revolutionären Kommunisten Deutschlands werfen ein ganz anderes Licht auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts und vor allem die Zeit des 2. Weltkrieges.

Alles begann 1935, als einige junge revolutionäre KommunistInnen im österreichischen Kommunistischen Jugendverband (KJV) als Reaktion auf die Billigung der Vaterlandsverteidigung durch Stalin (französisch-russischer Militärpakt; die französische KP stimmte damals für Kriegskredite, nachdem Stalin der KP in Frankreich die Eingliederung in eine „nationale Front“ für Aufrüstung befohlen hatte) eine geheime Fraktion bildeten und Ende 1935 eine eigene Organisation namens Revolutionäre Kommunisten Österreichs (RKÖ) gründeten und mit dem Stalinismus brachen. Unter den Gründungsmitgliedern waren Karl Fischer, Josef Hindels und Georg Scheuer. U.a. traten zwei ganze Bezirksorganisationen des KJV zu den RKÖ über: Wien-Margareten und Wien-Leopoldstadt. Sie brachten im austrofaschistischen Ständestaat 1936-1937 ihre Zeitung Bolschewik heraus und traten für die Schaffung einer neuen Internationale ein. Devise ihrer Zeitung war Karl Liebknechts Ausspruch „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“. Die große Anziehungskraft der RK veranlaßte das Internationale Sekretariat der Bewegung für die IV. Internationale die RK als österreichische Sektion anzuerkennen bzw. zu umwerben (die zuvor anerkannte österreichische Sektion, die Bolschewiki-Leninisten, verlor Mitglieder an die RK und war beinahe inaktiv).

In der Folge erlebten die RK Anfeindungen, Denunziationen und Diskussionsverbote von Seiten der stalinistischen KPÖ und des KJV (die Texte Schluß jetzt mit den Drohungen und Sind wir „Trotzkisten“? veranschaulichen die damals herrschende Atmosphäre (4). 1936 wurden etliche Genossen vom austrofaschistischen Staat verhaftet und im August 1937 im „Wiener Trotzkistenprozeß“ wegen ihrer revolutionär-kommunistischen Tätigkeit teilweise zu langen Haftstrafen verurteilt (siehe hierzu Ein Aufruf aus dem Wiener Gefängnis und Trotzkisten gestehen). 1938, unmittelbar vor dem „Anschluß“ Österreichs an Nazideutschland, wurden die inhaftierten Genossen (u.a. Karl Fischer und Georg Scheuer) aufgrund einer Generalamnestie aus der Haft entlassen und gingen am Vorabend des 2. Weltkrieges ins europäische Ausland ins Exil. Die österreichische Haftzeit war „Vorbereitung“ auf die Tage, die sie im französischen Exil erwarten sollten.

Die RK beteiligten sich 1937-1938 an der trotzkistischen Zeitung Der Einzige Weg, die von den RK gemeinsam mit schweizerischen und tschechoslowakischen GenossInnen herausgegeben wurde. Im September 1938 waren die zwei RKler Fischer und Scheuer als Delegierte auf dem Gründungskongreß der trotzkistischen IV. Internationale in Perigny bei Paris zugegen und verweigerten der „Scheinproklamation“ der IV. Internationale ihre Zustimmung. Ihre Kritik an der sich anbahnenden IV. Internationale und den trotzkistischen Positionen formulierten sie 1938 in ihren Juniusbriefen (Ein Beitrag zur Kritik der Broschüre “Die Vierte Internationale und der Krieg“; die Juniusbriefe wurden u. a. auf der Gründungskonferenz der IV. Internationale verteilt). Kritisiert wurden die Positionen und Halbheiten in Bezug auf den nahenden 2. imperialistischen Weltkrieg. In einem später veröffentlichten Bericht über die Konferenz hieß es: „Auf der 'internationalen Konferenz' 1938, auf der 15 Trotzkisten die '4. Internationale' zu 'proklamieren' versuchten, bekämpfte unsere Delegation diese falschen Perspektiven und den Proklamierungsschwindel. Wir verlangten, daß die Kriegsgefahr an erster Stelle diskutiert werde, aber sie wurde erst an letzter Stelle, am Ende der 'Konferenz' gestreift. Die bürokratische Mehrheit stimmte alle unsere Vorschläge und Resolutionen nieder. Wir erklärten, daß der 'Anschluß' Österreichs kein isoliertes Geschehen, sondern der mögliche Beginn der zweiten imperialistischen Neuaufteilung Europas sei; wir wurden von den Trotzkisten ausgelacht. - Die 'Konferenz'teilnehmer hatten sich noch nicht verlaufen, als der deutsche Imperialismus in der ehemaligen Tschechoslowakei einbrach.“ (RK-Bulletin 5/1942)

Während alle Seiten (auch die „kommunistischen“ Parteien und trotzkistischen Grüppchen; so forderte z.B. die US-amerikanische Sektion der IV. Internationale, die SWP, die allgemeine Wehrpflicht „unter Gewerkschaftskontrolle“) ihren Beitrag zum 2. imperialistischen Weltgemetzel leisteten, vertraten die RK die Position des revolutionären Defätismus. Im Motto ihres zweisprachigen Bulletin Oppositionnel (im Mai 1939 zusammen mit belgischen und französischen TrotzkistInnen herausgegeben; damals verstanden sich die RK noch als - linke - Opposition innerhalb der IV. Internationale) war diese Position klar formuliert: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch für die Niederlage Eurer eigenen imperialistischen Bourgeoisien!“ Die Position des revolutionären Defätismus bedeutet(e) einerseits, im imperialistischen Krieg keine imperialistische Macht zu unterstützen. Andererseits bedeutet(e) diese Position aber auch, den Klassenkampf gegen die eigene Bourgeoisie zu führen und den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg, in einen Kampf gegen die „eigene“ herrschende Klasse weiter zu entwickeln – d.h. die Niederlage der „eigenen“ Bourgeoisie nicht nur zu wünschen, sondern auch tatkräftig zu fördern. Statt die eine (faschistische) oder andere (anti-faschistische) Seite im imperialistischen 2. Weltkrieg zu unterstützen, forderten die RK die Soldaten auf zu meutern und die Gewehre umzudrehen. Nach dem Krieg formulierten einige ehemalige RK-GenossInnen in Unsere Stellung, daß es darum ginge, „zur Schaffung der 'dritten Front' aller unabhängig für ihre eigenen Arbeiterinteressen kämpfenden Menschen [einzutreten – R.D.]. Diese 'dritte Front' ist die Klassenfront, die quer durch alle Blocks und alle Länder geht.“ Dieser Position blieben die RK bis zuletzt treu, während andere bereits das eine oder andere imperialistische Lager unterstützten und ins Lager oppositioneller Nazi- Offiziere oder alliierter Generäle geflohen waren und Hoffnungen in diese setzten, also mit der einen Fraktion des Kapitals Frieden schlossen, um die andere zu bekämpfen.

Mit Kriegsbeginn im September 1939 wurden in Frankreich Zigtausende deutsche und österreichische Staatsbürger – unabhängig von ihrer politischen Einstellung und konkreten Haltung zum von Nazideutschland begonnenen Krieg und gegenüber Nazideutschland - zu „feindlichen Ausländern“ erklärt und in Lagern interniert: unter ihnen „Anti-FaschistInnen“, FaschistInnen, JüdInnen und auch RK-GenossInnen. Im französischen Exil, nach Internierung und Flucht, beteiligten sich die RK - unter den Bedingungen der Illegalität - nicht am nationalistischen Widerstand der Resistance gegen die „Boches“ (Schimpfwort für „Deutsche“, etwa gleichbedeutend mit „Schweine“), sondern leisteten ihren „anderen Widerstand“ (Georg Scheuer (5)) auf der Grundlage des revolutionären Defätismus, getreu dem Motto „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“. Im Gegensatz zu vielen anderen entschieden sie sich bewußt dafür, in Europa zu bleiben, da sie den Untergang des deutschen Imperialismus, zu dessen Ende sie das ihrige beizutragen versuchten, hautnah erleben wollten: „Wenn unsere Organisation Europa verlassen hätte, hätte sie sich selbst aufgegeben und gegen die kommende Revolution ein furchtbares Verbrechen begangen. Wir wollten und wir wollen zugegen sein, wenn der deutsche Impe­rialismus in seinen letzten Zügen um sich schlägt; nur unter den Schlägen des weißen Terrors wächst und stählt sich die rote Par­tei. Nur unter diesen Schlägen können wir so stark und unbarmher­zig werden, um den morgigen Tag nicht wieder ungenützt vergehen zu lassen.“ (Entwicklung und Ende der deutschen politischen Emigration)

1940 brachten Karl Fischer und Franz Lederer im belgischen Antwerpen die Zeitung Der Marxist (An alle Revolutionäre!) heraus. Der Marxist war von den Positionen her der US-amerikanischen linkstrotzkistischen Revolutionary Workers League (RWL; „Oehler-Gruppe“) nahestehend. Die Absage an den Trotzkismus manifestierte sich in dieser Zeit(ung).

Unter den Bedingungen der Denunziation, der materiellen Entbehrungen, des Exils, der Illegalität, des allgegenwärtigen Krieges und Nationalismus, der Verfolgung durch Stalinisten, Nazis und andere Nationalisten schärften sie ihre Positionen und die Kritik an den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und dem deutschen Exil in Frankreich (Entwicklung und Ende der deutschen politischen Emigration) und an den gesellschaftlichen Verhältnissen in Rußland. In der südlichen Zone Frankreichs (u.a. in Grenoble, Lyon, Marseille, Montauban, Montpellier, Toulouse, Valence) entfalteten sie eine rege Propagandatätigkeit unter deutschen Wehrmachtssoldaten, lebten und leisteten Widerstand im Untergrund und erhofften die Beendigung des 2. imperialistischen Weltkrieges durch eine revolutionäre Welle, ähnlich der am Ende des 1. imperialistischen Weltkrieges, statt eines Sieges der alliierten imperialistischen Mächte. Von ihrer regen „Soldatenarbeit“ zeugen eine Menge Flugblätter: u. a. Deutsche Arbeiter im Soldatenrock, Kameraden!, Brot, Freiheit, Frieden! und Arbeiter, Soldaten!. Während die bürgerlichen Kräfte des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD), wie in einem Flugblatt der Soldatenorganisation „Freies Deutschland“ für Südfrankreich, den geordneten Rückzug und Friedensverhandlungen forderten, forderten die RK die Verbrüderung der ArbeiterInnen und ihre Selbsttätigkeit, um den Krieg zu beenden. Die bürgerliche Soldatenorganisation forderte u.a.: „den Krieg sofort abbrechen, die deutschen Truppen geschlossen und mit den Waffen an die Reichsgrenzen zurückführen, um Friedensverhandlungen einzuleiten“, um „ein freies und unabhängiges Deutschland“ zu sichern; hingegen forderten die RK im November 1942 in ihrer Flugschrift Arbeiter, Soldaten!: „Arbeiter und Soldaten, vertraut keiner dieser imperialistischen Räuberbanden, die Euch, um ihre Geldbeutel zu füllen, in den Tod schicken! Weder Amerika-England, noch Deutschland, noch Rußland kann Euch retten! Vertraut auf Eure EIGENE Kraft! GREIFT ZU DEN WAFFEN UND BEREITET DIESEM IMPERIALISTISCHEN MASSENMORDEN SELBST EIN ENDE!“

Die RK brachten ihre anti-nationalistischen Flugblätter außer in deutscher und französischer auch in englischer, flämischer, italienischer und spanischer Sprache heraus (u.a. Arbeiter und Soldaten aller Länder). Dieses Flugblatt wurde gemeinsam mit der Linkskommunistischen Fraktion Frankreichs herausgegeben, mit der die RK am Ende des Krieges nicht nur diskutierten, sondern auch zusammenarbeiteten. Ein weiteres Beispiel war ihr auf Jiddisch verfaßtes und an die jüdischen ArbeiterInnen gerichtetes Flugblatt Jüdische Arbeiter, Genossen.

Im Juli 1941 erschien die erste Nummer des RK-Bulletin (Entwicklung und Ende der deutschen politischen Emigration); bis zum August 1943 erschienen 17 Bulletins mit insgesamt 618 Seiten. Von 1943-1945 brachten die RK ihre Zeitung Spartakus heraus (Der Verräter Ilja Ehrenburg und Brief französischer Arbeiter an deutsche Arbeiter).

Ihre revolutionäre Kompromißlosigkeit bezahlten die RK im Exil mit vielen inhaftierten (u.a. Melanie Berger, Karl Fischer, Edith Kramer) und toten GenossInnen (u. a. Ignaz Duhl, Franz Lederer, Arthur Streicher); dennoch schreckten sie nicht davor zurück, eigene GenossInnen aus den Klauen der Nazi-Gestapo zu befreien: 1942 wurde Melanie Berger in Toulouse wegen Tätigkeit für die Organisation zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt und ein Jahr später durch ein RK-Kommando in Marseille befreit. 1943 fiel Edith Kramer in Valence der Gestapo mit Unterlagen der RK in die Hände, wurde in Lyon zum Tode verurteilt, aber vor der Hinrichtung von der Resistance befreit.

Nachdem 1941 einige ehemalige TrotzkistInnen der Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD) zu den RKÖ gestoßen waren, benannten sich die RKÖ in Revolutionäre Kommunisten Deutschlands (RKD) um. 1941 erfolgte der endgültige Bruch mit dem Trotzkismus, der sich schon in den Jahren zuvor (siehe u. a. Juniusbriefe, Bulletin Oppositionnel, Der Marxist) angedeutet hatte: Die RKD betrachteten Rußland als staatskapitalistisch und lehnten seine Verteidigung ab. Hierbei ist der Einfluß des Buches Im Land der großen Lüge – Das russische Rätsel von Ante Ciliga nicht zu unterschätzen. (6) 1942 entstanden Gruppen französischer Communistes Revolutionnaires (CR), deren wohl bekanntestes Mitglied Daniel Mothe, das spätere Mitglied von Socialisme ou Barbarie gewesen sein dürfte (7). Die GenossInnen der CR brachten verschiedene Zeitungen heraus: Fraternisation Proletarienne („Proletarische Verbrüderung“/ 1943/44), L' Internationale („Die Internationale“), Pouvoir Ouvrier („Arbeitermacht“/ 1944), Rassemblement Communiste Revolutionnaire („Revolutionär-kommunistische Sammlung“), Le Proletaire (Toulouse 1944/45) ... und im August 1944 nahmen die CR an der Betriebsbesetzung und dem Streik bei Renault in Bouologne-Billancourt teil und waren an den Renault-Arbeiterkomitees aktiv beteiligt. CR und RK waren unabhängig voneinander, arbeiteten aber eng zusammen im Untergrund und vertraten gleiche Positionen.

An der Abfassung der heute von trotzkistischen Gruppen abgefeierten Erklärung der internationalistischen Kommunisten Buchenwalds war im April 1945 neben Ernst Federn auch Karl Fischer beteiligt; diese Erklärung war das Ergebnis eines Kompromisses kommunistischer Dissidenten. Dieses zeitgeschichtliche Dokument, das uns heute von trotzkistischen Organisationen als “Erklärung der Buchenwalder Trotzkisten” angepriesen wird und von dem meist nur der 3. Punkt zitiert wird (wir hingegen drucken es hier vollständig ab!), spricht nicht von der Sowjetunion, sondern ausschließlich von Rußland, das „Schulter an Schulter mit den imperialistischen Mächten eine Politik des Nationalismus betreibt“; indirekt leugnet das Manifest die Existenz einer Vierten Internationale, heißt es doch, daß der „Aufbau einer neuen revolutionären Internationale vorzubereiten“ sei. Die trotzkistische IV. Internationale allerdings existiert(e) seit 1938!

Die „Befreiung“ nach 1945 (8) erlebten die RK-GenossInnen anders als sie uns die antifaschistische Geschichtsschreibung heute anpreist: So wurde z.B. der Genosse Karl Fischer, der bereits im Austrofaschismus im Gefängnis gesessen hatte und von den Nazis ins KZ Buchenwald verschleppt worden war, 1947 vom russischen NKWD nahe Linz gekidnappt und wegen „trotzkistischer Tätigkeit“ für 8 Jahre nach Rußland deportiert, wo er in verschiedenen Lagern inhaftiert war (ähnlich erging es dem Rätekommunisten Alfred Weiland oder dem Trotzkisten Oskar Hippe). Zensur und Beschränkungen der Pressefreiheit ließen es anfangs nur zu, daß das RK-Bulletin lediglich als internes Bulletin erscheinen konnte, stand doch das Innenministerium der provisorischen französischen Regierung unter stalinistischem Einfluß. Linkskommunistische und trotzkistische Gruppen durften nicht öffentlich auftreten. Die Besetzung großer Teile Europas durch alliierte Truppen und die Machtstellung stalinistischer Organisationen wie der KPF und der CGT ließen oftmals offenes Auftreten nicht zu: so verblieben die RK anfangs in „vollständiger Illegalität“. (9)

Nach Kriegsende fanden die RKlerInnen Zugang zu den Erfahrungen der deutschen und italienischen kommunistischen Linken (RätekommunistInnen bzw. BordigistInnen) und es wurden Fragen wie Kronstadt, die NÖP, der Friede von Brest-Litowsk oder der Leninismus selbst diskutiert: Ein Teil von ihnen schloß sich bordigistischen Gruppen an und einige andere (u.a. Georg Scheuer) gründeten eine neue Spartakusbewegung (Warum Spartakus?!, Unsere Stellung), welche sich nicht nur auf Deutschland erstreckte, wovon z.B. die Kontakte nach Großbritannien zeugen (Brief an John [Olday]) (10). Über die Entwicklung der Positionen und die geführten Diskussionen sowie über die Lage im Europa der Jahre 1945 bis 1948 geben die von uns abgedruckten Briefe Aufschluß (Brief(e) an „Lieber Freund“ und Brief an John [Olday]). Der Artikel Lenin, Liebknecht, Luxemburg aus dem Januar 1946 deutet den weiteren Weg der RK-GenossInnen an. Eine erste, fast noch zaghafte Kritik an Lenin, der zuvor stets – gegen StalinistInnen und TrotzkistInnen - verteidigt worden war, wird hier geäußert. „Unser Lenin, der Lenin der proletarischen Weltrevolution, der Verfasser von 'Staat und Revolution', der Führer der proleta­rischen Oktoberrevolution 1917, ist nicht erst im Januar 1924 ge­storben, sondern lange vorher, spätestens in jenen blutigen Tagen des Jahres 1921, in denen sein Bruch mit den Grundsätzen der prole­tarischen Weltrevolution und sein Bündnis mit dem kapitalistischen Klassenfeind, ihn auf die andere Seite der Barrikade gegen die aufständischen Kronstädter Matrosen, gegen jene Avantgarde der rus­sischen Revolutionen von 1905 und 1917 führte“, heißt es dort als eine Art Fazit.

Die (ehemaligen) RK-GenossInnen nahmen an zwei internationalen Konferenzen teil: zum einen Pfingsten 1947 an einer Konferenz mit rätekommunistischen und bordigistischen Gruppen in Brüssel und zum anderen Pfingsten 1948 an der europäischen Anarchistenkonferenz in Paris. Den RKlerInnen ging es darum, den „alten Sektengeist“ zu überwinden und „zu gemeinsamen Schritten gegen eine gemeinsame Gefahr, gegen einen gemeinsamen Feind“ (Spartakus, Nr. 1, Oktober 1947) zu kommen. Im Brief an John [Olday] wird es noch deutlicher, welche Entwicklung einige der ehemaligen RKlerInnen bis 1948 durchlaufen hatten und worum es ihnen ging: „Eigentlich verläuft die Scheidelinie zwischen Traditionalisten und konservativen Revolutionären einerseits und radikalen Neuerern andererseits quer durch die marxistische als auch die anarchistische Bewegung. Wir haben einerseits im anarchistischen Lager sowohl ausgesprochene Reformisten und Opportunisten als auch wirklich konsequente Revolutionäre, und wir finden dasselbe im sogenannten links-marxistischen Lager. (...) Im Grunde genommen sind wir also für eine allgemeine Erneuerung der gesamten Arbeiterbewegung, sowohl der anarchistischen als auch der spartakistischen, für eine Synthese der revolutionären Elemente beider, für die Überwindung aller reformistischen, opportunistischen, syndikalistischen, zentralistischen, autoritären Tendenzen oder Überbleibsel beiderseits. Und wir glauben, daß der Strom der künftigen revolutionären Ereignisse in dieser Richtung gehen wird.“ (Zitat aus Brief an John [Olday], 4. September 1948) Zu kämpfen hatten sie aufgrund ihrer non-konformistischen Anschauungen mit engstirnigem Verhalten, was sie zu folgenden Gedanken zum 30. Jahrestag der Russischen Revolution von 1917 veranlaßte: „Ansätze zu einem derartigen Bruch mit einer toten und überholten Vergangenheit und zu einer solchen Neugeburt der revolutionär-kommunistischen Ideologie existieren sowohl im marxistischen als auch im anarchistischen Lager. Sie werden von den herrschenden Bürokratien ungern gesehen und von den marxistischen Bürokratien als 'anarchistisch', von den anarchistischen Bürokratien als 'marxistisch', von den politischen Bürokratien als 'syndikalistisch', von den Gewerkschaftsbürokratien als 'Parteipolitik' abgetan. Sie sind weder das eine noch das andere, sie sind der ideologische Ausdruck einer neuen Bewegung, mit der die sterbende Gesellschaft schwanger geht und in der die Arbeiterklasse zum erstenmal selbst auf den Plan zu treten beginnt.“ (Spartakus, Nr. 1, Oktober 1947) Ähnlichkeiten zu heutigen Vorwürfen und heutigem Treiben sind wohl rein zufällig oder eingebildet ...

In den beiden von uns abgedruckten Interviews („Gegen den Strom!“ - Interview mit einem ehemaligen RKÖ-Militanten und Fragen und Antworten) schildern zwei ehemalige RK-Genossen ihre Erfahrungen und leisten einen Beitrag dazu, die weißen Flecken, die RK betreffend, zu beseitigen.

Die Bedeutung der Revolutionären Kommunisten

Die Eigenständigkeit und Vielseitigkeit der RK-GenossInnen macht sie interessant für jede/n, die/ der nicht auf ausgefahrenen Wegen wandelt, nicht mit dem Strom schwimmt und sich nicht mit abgedroschenen Phrasen zufriedengibt. Mit den RKÖ/ RKD kann ein bisher verschütteter Reichtum an Diskussionen, Entwicklungen, Erfahrungen und Geschichte(n) entdeckt werden – links vom Trotzkismus. Die hier versammelten Dokumente sind wahrlich ein Beleg für den Kampf der RKlerInnen: die RK-GenossInnen schwammen gegen den allgegenwärtigen, aber nicht allmächtigen Strom des Opportunismus, der Kriegstreiberei und des Nationalismus an.

Dieser Band 2 wird in den nächsten Monaten durch einen Band 1 zu „Geschichte und Wirken der Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD)“ in der Bibliothek des Widerstandes ergänzt werden (Haltet die Augen offen – wer den Band 1 automatisch nach Erscheinen zugesandt haben möchte, schicke uns bitte Euro 5 im Voraus!).

Die Revolutionären Kommunisten Deutschlands (RKD) waren kompromißlos gegen den imperialistischen Krieg und den imperialistischen Frieden, kompromißlos gegen den Faschismus und gegen die Demokratie. Kurz: Sie waren kompromißlos gegen den Kapitalismus, egal in welcher politischen Herrschaftsform er auch daherkommen mochte. Diese Kompromißlosigkeit spricht aus ihren Flugblättern und Analysen. Das sind Positionen, die heute von vielen AnhängerInnen der verschiedenen Nuancen linker Politik als „steril“ und „theoretisch“ abgelehnt werden. Wer heute ähnliche Positionen äußert, dem wird entgegnet, daß ihm/ ihr prinzipiell zugestimmt werde, nur sei das nun mal nicht so vereinbar mit der Wirklichkeit. Die RKD belegen, daß es sehr wohl möglich war bzw. ist, dies mit der Wirklichkeit „zu vereinbaren“ und diesen Positionen praktische Konsequenzen folgen zu lassen – und das unter ganz anderen Bedingungen und Verhältnissen als den heutigen, unter Bedingungen wie Denunziation, Exil, zweitem Weltkrieg, nationalistischer Hetze und Verfolgung. Ihr „anderer“ Widerstand, wie der ehemalige RK-Genosse Georg Scheuer den Widerstand der RKD charakterisierte (5), ist dafür das beste Beispiel. Die Position der KritikerInnen der von den RK-GenossInnen vertretenen Positionen des revolutionären Defätismus führt bis heute zur Unterstützung und Rechtfertigung von Massenmorden wie dem 2. Weltkrieg oder den neuen Kriegen der NATO und der USA und zur Logik und Politik des „kleineren Übels“.

Die RK leisteten jenseits von Kapitulation und Kollaboration, jenseits von Opportunismus und Pazifismus, jenseits von Passivität und Nationalismus Widerstand gegen Faschismus und Krieg – allerdings auf einer klaren Klassengrundlage. Mit ihrer Kritik an Demokratie und Antifaschismus haben sie gegen die Regeln der bürgerlichen Politik verstoßen, woraus die ihnen entgegenschlagende Ignoranz und Feindschaft zu erklären ist.

Die Versuche, die RK-GenossInnen und ihre Position des revolutionären Defätismus zu verleumden, haben bis heute nicht geendet: Wir selbst sind wegen ähnlicher Positionen zum 2. Weltkrieg des öfteren angegriffen worden. Die RK-GenossInnen haben unter Beweis gestellt, daß sie den deutschen und anderen Faschisten und Nationalisten kompromißlos gegenüber standen: das haben viele von ihnen mit ihrem Leben und ihrer Unversehrtheit bezahlt und mit ihrem „anderen“ Widerstand zur Genüge unter Beweis gestellt. Während die Stalinisten sogar einen Pakt mit Nazideutschland schlossen, gegen „Plutokratien“ hetzten, die Vaterlandsverteidigung unterstützten (siehe auch den französisch-russischen Militärpakt von 1935) und ebenso wie ein Teil der Trotzkisten von „nationaler Befreiung“ schwafelten und die Steigbügelhalter der Nazis, die Demokraten und nichtfaschistischen Kapitalisten, als Verbündete im Kampf gegen den „Feind Nummer eins“, den Faschismus, ansahen, blieben die RK-GenossInnen ihren Grundsätzen treu und leisteten Widerstand – jenseits jeglichen Nationalismus, jeglicher Kollaboration und jenseits jeglicher Kriegstreiberei und Vaterlandsverteidigung (11).

Wenn wir davon reden, daß die RK bisher größtenteils ignoriert wurden, weil sie sich nicht vereinnahmen ließen, so heißt dies noch lange nicht, daß wir uns nun eine „Tradition“ zurechtschustern wollen, die sich in unsere Positionen einreihen läßt. Wir haben nicht nur unsere Bauchschmerzen mit den Positionen der RK Anfang der 1940er Jahre, als die RK die „revolutionäre Partei“ schmieden und zurück zu Lenin wollten (siehe z.B. Ein Beitrag zur Kritik der Broschüre “Die Vierte Internationale und der Krieg”). Ebenso wissen wir zwar die Erkenntnisse und Entwicklungen der RK zu würdigen, was die Beschäftigung und Aneignung der historischen Erfahrungen der deutschen und russischen Revolution unter den äußerst schlechten Bedingungen und Verhältnissen der Vorkriegs-, der Kriegs- und der Nachkriegszeit angeht, sehen aber dennoch ihren späteren positiven Bezug auf den Anarchismus kritisch (wobei die ehemaligen RKlerInnen nicht ohne Kritik am Anarchismus waren (12). Die Entwicklung ihrer Positionen und ihre „Leistungen“ - gerade angesichts der zeitlichen „Begleitumstände“ - sind beachtlich, ihre Offenheit Neuem gegenüber, ihre Unbefangenheit und ihr Wille, ihre Positionen zu (über)prüfen und Selbstkritik zu üben, sind erstaunlich. Dennoch denken wir, daß die RKlerInnen, die sich dem „Räteanarchismus“ zuwandten, zwar in vielem eine konsequente und nachvollziehbare Kritik entwickelten, nur daß sie – vielleicht mangels Rückhalt und vielleicht auch aus Angst isoliert zu sein, sich dem anarchistischen Milieu so sehr näherten, daß sie ihre Eigenständigkeit verloren. Dennoch ist ihr Kampf nicht umsonst gewesen, ist ihr Kampf nicht vergessen.

Zu den Texten

Sämtliche hier vorgelegte und von uns ausgewählte Texte der Revolutionären Kommunisten wurden von uns unverändert von den Originalen übertragen (ein Teil der Texte und Zeitungen, Flugblätter, etc. lag uns im Original vor, ein Teil nur in Kopie). Wir haben uns lediglich erlaubt, offenkundige grammatikalische und syntaktische Fehler zu korrigieren bzw. dem heutigen Sprachgebrauch anzugleichen. Desgleichen haben wir, da die meisten der RK-Texte auf französischen Schreibmaschinen getippt wurden, „ss“ in „ß“, „ue“ in „ü“, „oe“ in „ö“ usw. umgeändert. Auslassungen – aus Platz- oder anderen Gründen - in Texten haben wir mit „(...)“ kenntlich gemacht. Einfügungen von uns sind mit „[- R.D.]“ kenntlich gemacht.

Die Auswahl der Texte haben wir selbst vorgenommen. Uns ist sehr wohl bewußt, daß wir mit den Dokumenten der Revolutionären Kommunisten Deutschlands etliche weitere Bände füllen könnten. Wir behalten uns vor, diesem Band weitere mit Dokumenten folgen zu lassen. So könnten wir allein ganze Broschüren zu den Themen Die RKD und die IV. Internationale, Die Soldatenarbeit der RKD, Die RKD und die Rußlandfrage oder Die RKD und der imperialistische Krieg füllen. Wir haben aus einer Unzahl uns vorliegender Texte der RKD diejenigen Texte ausgewählt, die unseres Erachtens nach sowohl einmalige Dokumente und klare Analysen darstellen als auch diejenigen, welche die Entwicklung der RK und ihrer Positionen nachvollziehen lassen. Dabei sind wir uns sehr wohl der Widersprüchlichkeit der Positionen bewußt, stellen doch die Texte der RK oft den Stand einer Debatte (z.B. Rußlanddebatte oder Frage der Partei) dar oder spiegeln die Meinung gewisser Tendenzen innerhalb der RK (z.B. Der Marxist) wieder – auf jeden Fall waren die Positionen einer ständigen Weiterentwicklung unterworfen (am krassesten ist der Unterschied zwischen den Positionen am Anfang und Ende).

Was die Geschichte der RKD und weitere Hintergrundinformationen angeht, verweisen wir auf den ersten Band dieser Veröffentlichung, in dem wir uns hiermit ausführlich auseinandersetzen werden. Dort wird es eine ausführliche Darstellung von Geschichte und Wirken der RK, weitere Texte der RK, ein ausführliches Verzeichnis aller bekannten RK-Schriften, Kurzbiographien der RK-GenossInnen und vieles mehr geben.

Fußnoten

(1) Uns ist sehr wohl bewußt, daß es möglich ist, daß auch andere Gruppen von sozialrevolutionären ArbeiterInnen und Menschen zu ähnlichen Positionen wie denen der RKD gekommen sind bzw. gekommen sein dürften und es ihnen ähnlich geht wie den RKD: ihr Kampf ist noch dem Vergessen zu entreißen. Mitunter mögen solche Gruppen oder Einzelpersonen aber nicht immer über – wenn auch geringe - Mittel wie die der RK-GenossInnen verfügt haben – ihnen, den unbekannten sozialrevolutionären GenossInnen und ArbeiterInnen, die sich nicht von der Pest des Nationalismus und der Kriegstreiberei haben anstecken lassen, sei diese Broschüre gewidmet. Erinnert sei an die holländischen RätekommunistInnen und die italienische kommunistische Linke, welche beide eine ähnliche unversöhnliche Haltung wie die RKD gegenüber dem 2. imperialistischen Weltkrieg einnahmen. Ein bedeutendes Dokument in diesem Zusammenhang ist das im Juni 1944 ver­öffentlichte Manifest der Kommunistischen Linken an die Proletarier Europas. Auf unserer Homepage ist dieses Dokument in unserem Textarchiv links- und rätekommunistischer Tex­te hier zu finden: www.oocities.org/revolutiontimes/mankomlinke.html . Interessante andere Beispiele sind u.a. in Lutz Schulenburg (Hg.), Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche. Rebellische Widerworte, Edition Nautilus, 2004 und Hellmut G. Haasis, Spuren der Besiegten (Band 3), Rowohlt Verlag, 1984 zu finden.

(2) In besagtem Buch kommt der Autor nicht umhin nebenbei kurz auf die RKD einzugehen (so z.B: auf S. 139), ohne allerdings für genügend Klarheit zu sorgen, so daß nicht deutlich wird, wer die RKD eigentlich waren und wofür sie standen. Es heißt, sie hätten Kritik geäußert. Welche? Woran? Nicht nur die Beantwortung dieser Fragen bleibt dieses Buch schuldig. Auf S. 133 wird die Zeitung Der Einzige Weg lediglich als „deutschsprachiges Konkurrenzprodukt zu Unser Wort“ charakterisiert. Klare Analyse – Fehlanzeige!

(3) Einzig der österreichische Autor und Historiker Fritz Keller hat sich Ende der 1970er/ Anfang der 1980er den RKÖ/RKD in zwei Büchern gewidmet: Gegen den Strom. Fraktionskämpfe in der KPÖ – Trotzkisten und andere Gruppen 1919-1945, 1978 erschienen im Europaverlag Wien, und In den Gulags von Ost und West. Karl Fischer. Arbeiter und Revolutionär, September 1980 im ISP Verlag Frankfurt am Main erschienen. Siehe auch La Saga des RKD in Christophe Bourseiller, Histoire generale de l' ultra-gauche, Editions Denoel, 2003

(4) Vergessen werden sollte nicht, daß der stalinistische Terror etlichen trotzkistischen Genossen und kommunistischen Linksdissidenten das Leben kostete: u.a. Rudolf Klement (1938), Kurt Landau, Ignaz Reiß (1936), Erwin Wolf (1937), ... erinnert sei an Barcelona 1937, an den Mord an Trotzki selbst (1940) ... (5) siehe hierzu Georg Scheuer, Der „andere“ Widerstand in Frankreich (1939-1945), in Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 14, Germinal Verlag, 1996, S. 209-232 und Pierre Lanneret, Third Camp Internationalists in France during the Second World War, Phoenix Press, 1994 (zu finden im Internet unter Third Camp Internationalists in France during the Second World War)

(6) Das Buch von Ante Ciliga erschien 1938 in Paris bei Gallimard. 1940 ließen die Nazis das Buch im besetzten Frankreich sofort beschlagnahmen und einstampfen. Die erste deutsche Auflage erschien 1953 in gekürzter Fassung unter dem Titel Im Land der verwirrenden Lüge. Darin berichtet Ciliga, einst hoher jugoslawischer KP-Funktionär über seine Gefängnishaft und seine Erlebnisse als politischer Gefangener in Rußland und seine Entwicklung zum linkskommunistischen Dissidenten. Das Buch ist auch heute noch sehr lesenswert, da es viele Diskussionen der politischen Gefangenen der 1930er Jahre darstellt und auch die krassen Gegensätze zwischen den Gefangenen zeigt. Ciliga charakterisiert den Trotzkismus als linke Strömung des Stalinismus: „Trotzki und seine Anhänger sind dem bürokratischen Regime in der UdSSR zu eng verbunden, um den Kampf gegen dieses Regime bis zur äußersten Konsequenz führen zu können.“ (S. 140) Trotzki sei „im Grunde der Theoretiker eines Regimes, dessen Verwirklicher Stalin ist“. Trotzki habe „niemals von Streiks, von einem Aufruf der Arbeiter zum Kampf gegen die Bürokratie“ (S. 120) gesprochen. Interessant zu Cilga sind die Beiträge im Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Band 13, Germinal Verlag, 1994 und zur Trotzki-Kritik Willy Huhn, Trotzki – der gescheiterte Stalin, Karin Kramer Verlag, 1973

(7) siehe hierzu Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit, Nr. 16, Germinal Verlag, 2001, S. 407

(8) siehe hierzu unseren Text 8. Mai 1945-2005: Die eigentliche Befreiung steht noch aus!, in Red Devil, Widerworte. Gegen die kapitalistische Verfaßtheit der Gesellschaft (2000-2005), der den demokratischen Befreiungsmythos auf den Boden der geschichtlichen und materiellen Tatsachen zurückholt

(9) Erinnert sei an die vielgestaltige Repression der Stalinisten. Henri Simon hat in seinem Interview in unserer, in der Bibliothek des Widerstandes erschienenen Broschüre Frankreich 1968: Rebellion im Herzen der Bestie u.a. auf Seite 77 folgendes dazu geäußert: „Da diese Organisationen [PC = KPF und die unter ihrem Einfluß stehende Gewerkschaft CGT – R.D.] seit 1944 an der politischen Macht beteiligt waren, spielten sie ihre Rolle beim Wiederaufbau des Kapitalismus in Frankreich, indem sie die Arbeiter, welche versuchten ihre eigenen Interessen zu vertreten, bändigten. (...) Diese Politik wurde manchmal mit äußerster Gewalt aufgezwungen. Im Jahre 1947, als ein wilder Streik in der Renault-Fabrik in Billancourt ausbrach, mit einem Streikkomitee außerhalb des Einflusses der CGT, war die Reaktion der PC/CGT ein physischer Angriff auf seine Mitglieder. Einige seiner Mitglieder wurden in die Seine geschmissen (...) gerade auch das Verteilen von Flugblättern vor den Toren war eher gefährlich.“ Diese Politik war eine direkte Fortsetzung zum Terror der Vorkriegs- und Kriegsjahre. So wurden z.B. während des 2. Weltkrieges die Trotzkisten Sadek, Reboul, Salini und Pierre Tresso von der Resistance mit etlichen anderen Gefangenen aus dem Gefängnis Puy befreit und verschwanden danach: wahrscheinlich wurden sie wie andere Trotzkisten und Linksdissidenten erschossen. Die Rolle der „roten“ Kapos in den KZs ist ebenfalls sehr zweifelhaft. Keller berichtet ins einem Buch über Karl Fischer über die Fortsetzung des stalinistischen Terrors im KZ. So ergänzten sich oft stalinistischer, demokratischer und faschistischer Terror.

(10) „John Olday (1905-1977), deutsch-englischer Cartoonist, Zeichner, Bühnenautor, Schriftsteller und Kabarettist, wurde als Jugendlicher in Hamburg wegen 'anarchistischer Abweichungen' aus der kommunistischen Jugend ausgeschlossen und engagierte sich fortan in rätekommunistischen Gruppen. 1938 emigrierte er nach London. Um dem Kriegsdienst im britischen Heer zu entgehen, lebte er ab 1944 unter neuer Identität im Untergrund.“ Olday gab die Zeitungen Der Anarchist und Räte-Anarchist heraus, wobei die Zeitung Räte-Anarchist als Organ der „Spartacus League, British Section“ herausgegeben wurde. (siehe hierzu Holger Jenrich, Anarchistische Presse in Deutschland 1945-1985, Trotzdem Verlag, 1988)- „Pfingsten 1948 wurde an einem ungenannten Ort in Deutschland – wahrscheinlich in Düsseldorf – der neue deutsche Spartakusbund ins Leben gerufen. Entgegen Holland und Italien befanden sich hier die eigentlichen Anarchisten in der Minderheit. Die vorherrschende Strömung bildeten ehemalige Mitglieder der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD). Eine dritte Fraktion setzte sich aus Rätekommunisten zusammen.“ Spartakus-Gruppen entstanden 1948 u.a. auch in der Schweiz, im Saarland und in England (siehe hierzu Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland, Band I, 1945-1965, S. 126/127, Fackelträger-Verlag, 1972).

(11) Erinnert sei an die unrühmliche Rolle des Trotzkismus im 2. Weltkrieg: die „Verteidigung der UdSSR“ und des „demokratischen“ Imperialismus bedeutete die Verteidigung der kapitalistischen Ausbeutung, ebenso hatte die „kritische“ Unterstützung des Krieges nichts mit einer sozialrevolutionären Haltung und Perspektive zu tun. Ebenso bedeutet die Position des Antifaschismus die Verteidigung des demokratischen, vor-/nichtfaschistischen Status Quo, des kapitalistischen Staates und der kapitalistischen Ausbeutung und somit die Aufgabe jeglicher eigenständigen – zumal der sozialrevolutionären - Position. 1940 trat die französische trotzkistische Gruppe POI für die französische „Nation“ und das „Vaterland“ ein. Die Rolle der deutschen TrotzkistInnen, der IKD, ist von den RK klar kritisiert worden. Andere Trotzkisten kämpften neben den Stalinisten und Gaullisten in der patriotischen Resistance. Von den Ausfällen und dem Bankrott der Stalinisten und anderen Sozialdemokraten ganz zu schweigen! Dabei geht es um die objektive Rolle des Trotzkismus, etc. - wir stellen keineswegs den persönlichen Mut und die erbrachten Opfer in Abrede, wie wir z.B. den Einsatz von Paul Wendelin, einem der Genossen, welcher zusammen mit anderen Trotzkisten die Zeitung Arbeiter und Soldat im besetzten Frankreich herausbrachte und dafür mit seinem Leben bezahlte.

(12) Z.B. im Brief an John [Olday] wird der „Bankrott des Syndikalismus“ erwähnt und in den freien sozialistischen blättern ist – ohne Illusionen in „den“ Anarchismus - viel Zutreffen­des über den Etikettenstreit Anarchsimus-Marxismus geschrieben)


Weitere Broschüren sind in der Bibliothek des Widerstandes in Vorbereitung: u.a. "Widerworte. Gegen die kapitalistische Verfasstheit der Gesellschaft (2006-2007)" und "Worum geht es? Interview mit dem französischen Kollektiv Troploin (Gilles Dauve, Karl Nesic)". - V.i.S.d.P.: G. Ketter/S. Enkel Dezember 2007

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