R. Koch, Die mittelalterlichen und vorbarocken Klosteranlagen von Mauerbach aus bauhistorischer Sicht


Die mittelalterlichen Klostertrakte östlich der Kirche

Schematischer Baualterplan der Klostertrakte östlich der Kirche

Kirchenostmauer, Reste des kleinen Kreuzgangs

Der kleine Kreuzgang schloß östlich an die Kirche an und hatte annähernd quadratischen Grundriß. Im aufgehenden Mauerwerk haben sich entlang der östlichen Kirchenmauer die Reste von vier abgeschlagenen gestelzten Rippenkonsolen erhalten, die ursprünglich gekehlte Rippen trugen. Die Ansatzstellen der dazugehörigen, nahezu gänzlich erhaltenen, halbkreisförmigen Schildbögen konnten bei der jüngsten Putzsanierung freigelegt werden. Vier weitere Konsolen befinden sich an der gegenüberliegenden Westmauer des barock aufgestockten Kanzleitraktes. Die Parapetmauern der inneren Kreuzgangmauern und der nördliche Kreuzgangarm konnten nurmehr archäologisch erfaßt werden. Die komplizierten Befunde des westlichen Kreuzgangarmes, der vermutlich mit einem polygonalen Brunnenhaus (?) ausgestattet war, sind in Bearbeitung. Der kleine Kreuzgang maß demnach jeweils sechs Joche im Quadrat. In der Nordwestecke schob sich der bereits erwähnte Kapitelsaal kapellenartig neben dem Chor hinaus, daran reihten sich unter dem späteren Küchentrakt mehrere Nebenräume.
Traiteurhof, Kanzleitrakt mit Konsolen des ehem. kleinen Kreuzgangs

Traiteurhof, Westwand des Kanzleitraktes mit Ortsteinkante

Der Ostarm des kleinen Kreuzgangs schloß an einen großen dreijochigen Baukörper an, der im Barock aufgestockt, in drei Einzelräume unterteilt wurde und zuletzt als Kanzleibau diente. Seine Südwest-Ecke ist an einer Ortsteinkette ablesbar und markiert gleichzeitig die Außenflucht des südlichen Kreuzgangarmes, der hier vermutlich mit einer nach Süden offenen Bogenstellung endete. Dem Ostarm und diesem Gebäude ist eine weitere mittelalterliche Mauer vorgelagert, welche in der Flucht der mittelalterlichen Kirchenfassade die Südmauer des sogenannten "Traiteurhofes" bildet und sich bis in den Trakt der barocken Prälatur verfolgen läßt.

Dem Südarm des kleinen Kreuzganges war also im Mittelalter ein Korridor vorgelagert, der auf das Konversenportal zuführte und sich nach Osten über den Prälaturtrakt hinaus fortsetzte. Erst mit der Aufstockung des barocken Kanzleitraktes wurde dieser Durchgang abgemauert und zum Stiegenhaus umfunktioniert.

Ehem. Kanzleitrakt, barockes Stiegenhaus und Portal des 14. Jh. Von diesem vorgelagerten Korridor gelangte man durch ein annähernd mittig in der Südwand des Baukörpers situiertes Portal in den dreijochigen Erdgeschoßtrakt. Soweit nicht durch das barocke Treppenhaus verdeckt, zeigt das Portal einfach gekehlte Gewändekanten, die in der Sockelzone in Form von Hornabläufen zur vollen Werkform übergehen. Diese aus frühgotischen Zierformen weiterentwickelte Portalprofilierung belegt, daß der Erdgeschoßtrakt, welcher baulich mit dem Kreuzgang-Ostarm verbunden ist, noch aus der ersten Bauphase des 14. Jahrhunderts stammt.
Kanzleitrakt, Innenansicht mit got. Gewölbekonsolen

 

Kanzleitrakt, Innenansicht mit got. GewölbekonsoleVom Erdgeschoßtrakt blieben nach der Barockisierung lediglich die drei kreuzgangseitigen Mauerzüge erhalten. Die Ostmauer gegen den Prälatenhof wurde entfernt und verlief wahrscheinlich ursprünglich etwas weiter nach Osten verschoben. Vom gotischen Kreuzrippengewölbe sind die tief herabgezogenen Gewölbefüße mit den Rippenansätzen erhalten. Die sich kapitellos aus der Wand entwickelnden gestelzten Gewölberippen entsprachen stilistisch jenen des kleinen Kreuzganges.
Kanzleitrakt, gotisches Schulterbogenportal Das gotische Portal in der Südwand führte vor dem Einbau des barocken Stiegenhauses in jenen Korridor, welcher dem Südarm des Kreuzganges vorgelagert war und von dem sich die jetzige Begrenzungsmauer des sogenannten "Traiteurhofes" zwischen Kirchenfassade und Prälaturtrakt erhalten hat. Hier führte gleichsam als Pendant zum gegenüberliegenden gotischen Südportal ein Schulterbogenportal in einen Trakt, der sich im Bereich der barocken Prälatur nach Süden erstreckte. Heute befindet sich dort der Westdurchgang vom barocken Prälatenhof in einen kleinen Nutzgarten. Wieviel an mittelalterlichem Mauerwerk bei der barocken Überbauung des Prälatentraktes mitverwendet wurde, müßte noch untersucht werden.
Kanzleitrakt, Durchgang zum Prälatenhof mit 3 vorbarocken Portalen Westlich neben dem vermutlich spätgotischen Schulterbogenportal befindet sich der Rest eines vorbarocken Segmentbogenportals, im Osten ein zum barocken Westdurchgang orientiertes Rechteckfenster mit Steinrahmung aus Architekturspolien. Das Schulterbogenportal belegt, daß die Westgrenze der mittelalterlichen Verbauung um den kleinen Kreuzgang nicht mit der Bauflucht der Kirchenfassade endete, sondern sich hier zumindest im 15. Jahrhundert bereits Gebäudetrakte gegen Süden vorschoben. Vorbehaltlich weiterer Befunde darf vermutet werden, daß die Gelenkstelle zwischen den mittelalterlichen Trakten um den kleinen Kreuzgang und dem barocken Prälatenhof durch die nach Süden vorgeschobenen spätgotischen Baukörper initiiert wurde.
Traiteurhof, spätmittelalterliche Mauer mit Portalen Der durch das Schulterbogenportal faßbare Südtrakt war nicht das einzige Gebäude jenseits der gotischen Begrenzungsmauer des späteren Tratteurhofes. Drei zeitlich aufeinanderfolgende Portalöffnungen führten durch diese Begrenzungsmauer. Zum mittelalterlichen Baubestand gehört ein Rundbogenportal aus Werkstein, dessen unprofilierte Ecken gegen den Tratteurhof bzw. gegen den Korridor vor dem kleinen Kreuzgang einen Anschlagfalz für das Türblatt zeigen. Der Bogenrücken und die Gewändepfosten sind nicht ausgearbeitet. Das dazugehörige Gebäude erstreckte sich im Bereich des heutigen Nutzgartens und war vermutlich sekundär an die gotische Begrenzungsmauer angebaut. Ein mit dem Scheitel etwas tiefer liegendes Segmentbogenportal dürfte älter sein, eine ebenfalls segmentförmige aber bereits neuzeitliche Portalöffnung blieb gartenseitig als Nische bestehen. Zu den Öffnungen in der Südmauer ist weiters ein querliegendes Rechteckfenster mit Steinrahmung zu erwähnen, welches sich zwar in einem bereits stark durch barocke und jüngere Umbauten gestörten Bereich befindet, das jedoch ähnliche technische Merkmale wie das Rundbogenportal aufweist.

Soweit ohne archäologischen Befund ersichtlich, bestand das nach Süden vorgeschobene Gebäude frühestens ab dem 15. Jahrhundert und verschwand - da es auf den barocken Ansichten fehlt - spätestens mit dem Neubau des 17. Jahrhunderts.


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