R. Koch, Die mittelalterlichen und vorbarocken Klosteranlagen von Mauerbach aus bauhistorischer Sicht
Aufgrund der baulichen Reste sind in Mauerbach mindestens zwei größere mittelalterliche Bauepochen festzustellen - die erste aus dem frühen 14. Jahrhundert, welche die Kirche und die Klosteranlagen um die beiden Kreuzgänge betrifft, und eine zweite im ausgehenden 15. Jahrhundert.
Die Zerstörungen im Zuge des Türkenkrieges von 1529 und die Renovierungsmaßnahmen von 1554 - 1575 unter dem Prior Johann IV. sind am bestehenden Bauwerk nur schwer lokalisierbar oder fielen dem barocken Neubau zum Opfer. Die Wiederherstellung der durch Brand arg betroffenen Klosterbauten zog sich aus Geldmangel jahrelang dahin. Der Gottesdienst mußte teilweise in der aus der Zeit um 1409 stammenden Schauer'schen Kapelle abgehalten werden <27>; 1569 erhielt die Kirche ein neues Dach.
Substanziell besser faßbar sind die Instandsetzungsarbeiten nach dem Erdbeben vom 7. September 1590. Die Bauschäden dürften enorm gewesen sein. Es wird überliefert, daß die Gewölbe und der Dachreiter einstürzten, ebenso große Teile der Klosterbauten und die Umfassungsmauer <28>. Für die Wiederherstellung wurde unter anderem die Spende der Witwe Margarethe Neudecker ("Freiin von Neudeck") aus Hütteldorf herangezogen, welche, durch den Prior Sebastian II. (1597 - 1916) vom Luthertum bekehrt, die Kartause Mauerbach als ihre Universalerbin einsetzte. Die baulichen Maßnahmen um die Kirche sind vor allem archäologisch näher erschlossen.
Das gotische Chopolygon aus dem 14. Jahrhundert wurde durch relativ großzügig dimensionierte Strebepfeiler verstärkt und am Triumphbogen wurden Veränderungen vorgenommen, insbesondere an der westlichen Wandvorlage. Der neu errichtete Dachreiter ruhte jetzt auf einem statisch besser abgesicherten Chorbau auf. Sinngemäß hat man sich auch eine entsprechende Erneuerung der Schiffswölbung vorzustellen.
Als vollständigen Neubau errichtete man an der Westseite der Kirche jenen Längstrakt, der bis zur Kirchenfassade vorreichte und teilweise in den bereits vorhandenen quergelagerten Südtrakt aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert, der später zur Prokuratur umgebaut werden sollte, eingriff. Gleichzeitig erhielt dieser Quertrakt seine heute noch bestehende Tonnenwölbung.
Der Längstrakt aus der Zeit nach 1590 dürfte in das ältere hofartige System um den Totenhof einbezogen worden sein. Er war ursprünglich tonnengewölbt und benütze die Kirchenlanghauswand als Kommunmauer. Beim barocken Neubau des Klosters unter Prior Georg Fasel behielt man diesen Baukörper und sein Gewölbe bei, obwohl man nun die Kirche nach Westen erweiterte.
Wie schon beim Bau der barocken Bibliothek und bei der Aufstockung des spätmittelalterlichen Quertraktes um die Prokuratur beschrieben, ist die Einbeziehung des Längstraktes von 1590 in die Kirchenerweiterung als technische Sonderleistung anzusehen. Man stützte zunächst das Gewölbe von 1590 durch schräg an die mittelalterlichen Kirchen-Westwand anlaufende Balken ab, mauerte dann die neue barocke Längswand hoch, wobei die Stützbalken mitvermauert wurden, und trug anschließend die alte Kirchenwand und einen Teil des Gewölbes von 1590 ab.Auf diese Weise konnte man die Längstonne des Traktes von 1590 zu einer Dreivierteltonne verkürzen und beibehalten. Die schräg verlaufenden Balkenkanäle der Stützkonstruktion sind noch heute in der barocken Kirchen-Westmauer im ehemaligen Konversenchor zu sehen.
Wie schon eingangs angedeutet, stellt die Wiederverwendung älterer Mauerzüge und die teilweise materialbedingte Beibehaltung mittelalterlicher Mauerungstechniken gerade für die Zeit zwischen 1590 und dem barocken Neubau ab 1615 ein bauanalytisches Problem dar. Möglicherweise gehen auch Teile der Wirtschaftsgebäude südlich des Klosters auf vorbarocke Bauten zurück <29>. Die Kellergeschosse dieses im Barock mehrfach umgestalteten Wirtschaftstraktes zeigen nämlich ein Bruchsteinmauerwerk mit netzförmig ausgezwickten Stoß- und Lagerfugen, wie es ab dem 15. und bis ins späte 16. Jahrhundert in Niederösterreich allgemein üblich ist. Das Obergeschoß mit seinen aus Ziegeln gemauerten Schlüssellochscharten hingegen besteht aus barockem Mischmauerwerk. Eine Mitverwendung vorbarocker Baustrukturen im Kellerbereich wäre nicht auszuschließen.
Auch vereinzelte Mauerzüge im Keller- bzw. Erdgeschoßbereich um die südwestliche Ecke des großen Kreuzganges und unter der ersten Ostzelle zeigen für den frühbarocken Neubau auffallend altertümliche Strukturen. Dieser Kellerraum unter der ersten Ostzelle war ursprünglich ein zweischiffiger, dreijochiger Raum, der erst später durch Zwischenmauern in den Keller der ersten Ostzelle und das Stiegenhaus für die Kaisertreppe unterteilt wurde. Weiters weist das große Rundbogenfenster im Kreuzgang gegen den Prälatenhof Gewändeprofile auf, die an spätgotisch- frühneuzeitliche Formen gemahnen. Hier konnte während der Putzsanierung von 1994 eine bis ins Obergeschoß durchlaufende Gebäudekante mit Eckquaderritzung festgestellt werden, die noch ins 16. Jahrhundert datiert werden kann und von der Verputzlage der Bautätigkeit um die Mitte des 17. Jahrhunderts überlagert wird <30>.
Zukünftige Bauforschungen und archäologische Untersuchungen werden hier sicher noch einiges zur Differenzierung der komplizierten Bauetappen zwischen dem spätgotischen und dem frühbarocken Klosterbau beitragen können. Derzeit laufende archäologische Untersuchungen im Bereich des Kreuzgartens erbrachten erste Anhaltspunkte für die bauliche Disposition des mittelalterlichen großen Kreuzgangs. Daraus ist zu schließen, daß sich die Schauer'sche Kapelle innerhalb des mittelalterlichen Kreuzgartens befand, während die Befunde eines Renaissancegartens möglicherweise einer Mönchszelle am großen Kreuzgang zuzuordnen sind <31>.