DIE GESCHICHTE DES KLOSTERS "S. MARIA IN PARADYSO"
Sowohl KEIBLINGER (1864) als auch KERSCHBAUMER (1875) hatten zwei Quellen zur Verfügung, die sie im wesentlichen aus dem Lateinischen übersetzten: die "Cosmographia" der Österr. Franziskaner-Ordensprovinz der strengen Observanz von HERZOG (1740) und die um einige Quellenangaben erweiterte Geschichte des Deutschen Franzsikanerordens von GREIDERER (1777). Über das Schicksal des Klosters weiß HERZOG (1740, S. 63ff) zu berichten, daß das Kloster auf Veranlassung von Johannes Kapistran durch den späteren Generalvikar der österr. Ordensprovinz, Gabriel von Verona, als Ausbildungsstätte und Studieranstalt für den in Österreich neu entstandenen Franziskanerorden der strengen Observanz gegründet wurde. Für die Platzwahl abseits der großen Siedlungen war die weltferne Abgeschiedenheit des Ortes ausschlaggebend, der Gabriel von Verona von frühen Reisen her bekannt war. Nicht unwesentlich ist der Umstand, daß hier bereits eine ältere Kapelle, dem Heiligen Laurentius geweiht, bestand.
1464 wählte die Kongregation den Gründer im neu errichteten Kloster auf ihrem Provinzialkapitel zum Generalvikar. Nach LAUTINGER (1941, S. 241) verlegte man das Noviziat und die Studieranstalt der Österr. Ordensprovinz erst später hierher, "sodaß noch 1473 an dem Hause gebaut wurde." 1509 brach im Klosterbereich ein Brand aus, der auch die Kirche betraf und einen gewissen Pater Zacharias, welcher beim Altar Zuflucht gesucht hatte, das Leben kostete (HERZOG 1740, 488; GREIDERER 1777, 401). Der Terminus "ad summum Altare" läßt darauf schließen, daß die Klosterkirche bereits mehrere Altäre besaß.
Die zweite Katastrophe ereignete sich 1529, als am 26. September die Türken das Kloster überfielen, die Anlage niederbrannten und die Mauern soweit wie möglich dem Erdboden gleichmachten. Dabei wurden 18 Fratres teils ins Feuer geworfen, teils fanden sie durch das Schwert den Tod; vier weitere fielen auf der Flucht. Wer den Überfall überlebte, soll im nahegelegenen Schloß Neulengbach Aufnahme gefunden haben. Wegen der unsicheren Zeit wurde schließlich auf der Provinzialsynode von Langenlois 1530 beschlossen, das Kloster endgültig aufzugeben.
Sowohl HERZOG (1740, 489) als auch GREIDERER (1777, 401) berufen sich auf die Klostertradition und meinen, daß der Konvent in Neulengbach seine Fortsetzung fand. Das Franziskanerkloster in Neulengbach wurde jedoch nach längeren Streitigkeiten erst rund hundert Jahre später, 1623-1627, erbaut (vgl. DEHIO 1972, 227), sodaß an einer Kontinuität im Klosterleben zu Zweifeln ist.
Ob nach 1529 im "Paradies" weiterhin kirchliches Leben bestand, ist auch aus den Quellen nicht eindeutig zu erschließen. Während HERZOG (1740, 63) schreibt, daß lediglich vor der Klostergründung eine Laurentius-Kapelle vorhanden war ("antea ad S. Laurentium compellatus"), gibt GREIDERER (1777, 401) bei der Ortsangabe der Ruinen des Klosters an: "ubi adhuc Sacellum S. Laurentii ad Sylvarn visitur...", woraus man schließen könnte, daß die Laurentius-Kapelle weiter benützt oder revitalisiert wurde.
KOLLER (1983) hat in seiner Arbeit über die St. Laurentius-Kirche als Klosterkirche die Behauptung aufgestellt, daß um 1436 die Kapelle St. Laurenz als habsburgisches Eigentum an die Franziskaner bzw. den damaligen Vikar, Gabriel von Verona, verschenkt wurde. Der Klosterbau soll in die Zeit zwischen 1436 und 1442 fallen. HERZOG (1740, 63) macht jedoch deutlich, daß das Kloster "S. Maria in Paradyso" als Gründung der reformierten Franziskaner unter der Kapistranbewegung anzusehen ist. Diese Reformbewegung entstand innerhalb des Franziskanerordens im 15. Jhdt. aus dem Bedürfnis, sich wieder dem Armutsideal und der Eigentumslosigkeit des Gründers Franz von Assisi anzuschließen. Die Bewegung fand unter dem berühmten Prediger Johannes Kapistran weitere Verbreitung (vgl. HUNDSBICHLER 1982, 200 ff). Erst um 1451 beginnt Kapistran - auf mehrfache Bitte Friedrichs III. - mit seiner Reise nach Österreich und bezieht die erste Observantenniederlassung nördlich der Alpen in St. Theobald zu Wien. 1452 erfolgt die Gründung der Österr. Observantenvikarie; 1454 wird in Maria Enzersdorf, 1455 in Langenlois und St. Pölten ein Kloster errichtet (HUNDSBICHLER 1982, 208f). Eine Gründung des Klosters am Riederberg vor 1452, wie sie KOLLER (1983) annimmt, ist mit Sicherheit auszuschließen.
Inhalt | St. Laurentius als Vorgänger des Franziskanerklosters