ZUR KUNSTGESCHICHTE DES KLOSTERS
DONIN (1935) zählt das Kloster am Riederberg zur Gruppe der unter der Kapistran-Bewegung gegründeten Anlagen, wie z. B. jene von Katzelsdorf bei Wr. Neustadt, Eggenburg bei Horn, St. Pölten und Graz. Diesen Observanten-Kirchen ist die bewußte Wahl schlichter Architekturdetails und der Verzicht auf komplizierte Bautypen gemeinsam. Der Rückgriff auf stilistische Formen des 13. u. 14. Jhdts. erweist sich nach DONIN (1935, 279ff) als ein Charakteristikum der Bauten unter der Kapistran-Bewegung. So weist etwa die Langenloiser Franziskanerkirche aus der Mitte des 15. Jhdts. im Prinzip Formen der Bettelordensarchitektur des 13. Jhdts. auf. Auch in Ried sind solche Rückgriffe festzustellen. Hierzu gehören die sehr breiten, unprofilierten Fensterlaibungen und der nahezu gänzliche Verzicht auf eine Gliederung des Außenbaues durch Strebepfeiler. Solche unverzierten Schräglaibungen und relativ hochliegende Fenster finden sich unter anderem bei der Bettelordenskirche in Bruck a. d. Mur aus der Zeit vor 1300 (DONIN 1935, 30).
Die asymmetrische Anlage des Chores vergleicht DONIN (1935, 291) ebenfalls mit Bettelordenskirchen der Frühzeit, doch dürfte in Ried für diese Sonderform das Gelände verantwortlich sein. Die Lage des Klosters außerhalb einer Siedlung ist für Bettelordenskirchen, welche in der Regel am Stadtrand errichtet wurden, ungewöhnlich. Zwar steht das Kloster von Katzelsdorf auch abseits der Siedlung, doch spielt in Ried die Funktion des Klosters als Ausbildungsstätte eine wesentliche Rolle. Daraus kann entnommen werden, daß das Kloster vom Beginn an als Ausbildungsstätte geplant war und nicht, wie sonst üblich, der seelsorgischen Tätigkeit des Bettelordens innerhalb einer größeren Siedlung dienen sollte.
Das Franziskaner-Observanten-Kloster bei Ried am Riederberg
wurde um 1455 anstelle einer älteren, wohl aus dem 14. Jhdt.
stammenden Laurentius-Kapelle errichtet und diente als
Ausbildungsstätte der durch Kapistran ins Leben gerufenen
österr. Ordensprovinz. In einer ersten Phase bis zum Brand 1509
dürfte man die ältere Kapelle als Klosterkirche benützt haben.
Danach renovierte man die Anlage und veränderte sie vor allem im
Westteil der Kirche. Aus der gleichen Zeit stammt ein weiteres
großes Gebäude oberhalb der Kirche, wohl ein Wirtschaftstrakt
nahe beim Klosterbründl. Nach der Zerstörung des Klosters durch
die Türken im Jahre 1529 dürfte am Ort weiterhin eine kleine
Laurentius-Kapelle bestanden haben, welche im 19. Jhdt. bereits
in Vergessenheit geraten war. Zu diesem Zeitpunkt begann die
umliegende Bevölkerung die Kirchenruine als Steinbruch
abzutragen, bis sie im 20. Jhdt. unter Schutz gestellt wurde.
Die Ergebnisse der historischen und architektonischen
Untersuchungen ergeben in der Zusammenschau mit den
archäologischen Funden einen Einblick in die noch wenig bekannte
Geschichte des mittelalterlichen Klosterlebens von S. Maria in
Paradyso.