Das Erbe - Teil V
by Ninax



Reise in die Vergangenheit

Zusammen mit Kelihm, rauschte Mereen über das Gelände des Bockses Waisenhauses.
Das Fenster war zum Glück offen.
Sie flogen hindurch und Marcel bekam wahrscheinlich den Schock seien Lebens (wie so oft viel er vom Bett).
Als Mereen dann zurückmorphte, machte er noch größere Augen. „Aber... wie kannst du....“
Mereen unterbrach ihn mit einem Wisch ihres Halbflügels. <Das ist doch jetzt egal. Zei....->
Die Gedankenspracheverbindung unterbrach, weil Mereens Schnabel verschwand, und dafür ihre Lippen erschienen.
„...Zeig Kelihm was du entdeckt hast.“
Marcel ließ Kelihm einen Blick auf den Bildschirm werfen.
Kelihm riss die Augen ganz weit auf und tippte zögernd noch einmal über die Tasten.
Es war, als würde im Bildschirm eine helle Lampe angeknipst, dessen Licht sich im ganzen Zimmer ausbreitete.
<Es.... es funktioniert....>
Das Licht war blau. Und aus dem Blau heraus, formten sich Linien und andere Farben, die rasch ein einziges Bild ergaben.
Es war ein Andalit.
Nicht irgendeiner.
Es war Prinz Aximili.
Und er.... war lebendig.
Mereen starrte ihn mit offenen Augen an.
Aber er... sah sie nicht an. Er sah keinen an, sondern blickte immer Geradeaus.
Dann sprach er auf einmal.
<Meine Freunde.... > sagte er leise und Mereen schlug sich die Hand vor den offenen Mund. Die Stimme.... die Stimme aus ihrem Traum.....
<Meine Freunde....> wiederholte der Andalit. <Ich bin froh, das ihr meine Nachricht empfangen habt. Ich will dass ihr es wisst: Die Yirks sind noch hier. Sie sind schwach.... sie sind erkennbar.... aber sie sind hier. Und sie sind immer noch gefährlich.>
<Was? Was sagt er?> Kelihm starrte ebenso ungläubig auf den Prinzen, wie Mereen. <Die Yirks können nicht hier sein... sie wurden besiegt!>
Der Prinz sprach weiter. <Ich weiß nicht, ob ihr noch vereint seid.... ich weiß auch nicht, ob ihr mich noch erkennt. Aber für den Fall, das diese Nachricht nur an einen von euch gekommen sein sollte: Bitte erinnert euch an eure Gesichter....>
Andere Linien bildeten sich. Sie bildeten Gesichter.... von jungen Leuten...
Ein Mädchen mit langem blondem Haar.
Ein Junge, der kurzes, schwarzes Haar, und sonnengebräunte Haut hatte.
Und noch ein Junge, mit einem wirren Blondschopf.
Dann kam ein Bild, von einem Schwarzen Mädchen.
Und zu guter letzt ein Bild von einem Jungen, mit braunem Haar.
Mereen kannte den letzten irgendwo her.
Der Prinz sprach weiter.
<Falls ihr getrennt seid, müsst ihr euch erinnern. Bitte... ihr müsst euch finden. Rachel... Marco...Tobias.......>
Er stutze und machte ein schmerzvolles Gesicht. <.... Cassie.. Jake...i- ich meine.... Prinz Jake.......> Jetzt lächelte er gequält.
Plötzlich fiel Mereen ein, wer der braunhaarige Junge war. Es war der Mann aus dem Museum... Jake... Jake Collon.
<Wie ich schon sagte…> fuhr der Prinz fort <…Die Yirks sind hier. Immer noch. Und unter diesen wenigen Überlebenden ist auch... er. Wir haben ihn nicht vernichtet. Wir haben uns geirrt.... Visser Eins ist hier.... erinnert euch.....>
Die Bilder der Jugendlichen verblassten und dafür erschien ein zweiter Andalit.
Sein Fell glänzte metallisch blau und seine Augen waren voll von Hass, Spott und Hohn.
„Ist er das....?“ hauchte Mereen „Dieser Visser Drei... von dem du mir erzählt hast....?“
<Muss er wohl....> entgegnete Kelihm, zitternd vor Aufregung.
Jetzt sprach wieder der Prinz. <Er hat diesen Körper nicht mehr. Er ist im Besitz eines Menschenkörpers... ein Mann... >
Aus dem Andalitenkörper des Vissers wurde ein menschlicher... ein alter Mann.... mit langem, zerzausten Haaren, hervorstehenden Wangenknochen und Aschfahler Haut..... und eiskalten, leeren Augen.
„Moment mal!!!“ rief Marcel plötzlich aufgebracht. „Das ist doch.... nein... das kann nicht sein!“ Was ist denn?“
fragte Mereen verdattert. „Dieser Mann da... Mereen, erinnerst du dich noch als ich hierher gebracht wurde? Erinnerst du dich noch an den Mann, der mich hergebracht hatte?“
Marcel starrte wieder auf das kalte Gesicht. „Er ist es. Ich kenne ihn noch älter. Aber er ist es. Kein Zweifel.“
„Was? Bist du dir sicher?“ „Ganz sicher.“
Gebannt schauten die beiden zurück, als der Prinz weiter redete.
<Ich habe nicht mehr viel Zeit. Ich sage euch aber eines: Die Yirks wollen stärker werden. Sie hatten die ganze Zeit über ein winziges Kandrona. Und wenn es stärker wird.... werden auch die Yirks stärker.... Achtet immer auf die Augen eurer Mitmenschen. Achtet immer darauf. An ihnen könnt ihr erkennen... wer.... was... ist...>
„Die Augen...“ wiederholte Mereen.
<Ich werde euch nun meine letzten Erinnerungen aufspielen. Ich will, das ihr wisst, was mit mir passiert ist.
Ich will, das ihr wisst, das ich euch noch kenne. Und ich will, das ihr mir einen Gefallen tut.....>
Plötzlich verblasste das Bild des Prinzen und das des Mannes. Statt ihrer erschien langsam eine verschwommene, undeutliche Landschaft...
Eine alte, verlassene Scheune, deren Dach durchlöchert war. Überall standen leere Tierkäfige und auf dem Boden lag fauliges Stroh. So sah es jedenfalls aus.
Die Scheune schien leer zu sein. Doch ganz weit hinten bewegte sich noch etwas.
Die Stimme des Prinzen erklang wieder in Mereens Kopf. <Damals.... als ich erfahren hatte, dass der Visser noch am Leben war, war ich ziemlich geschockt. Nach so vielen Jahren. Und ich wusste, dass das Versprechen, meinen Bruder zu rechen immer noch galt. Ich musste ihn töten.
Aber ich hatte keine Ahnung wo er zu finden sei.
Es kam mir sehr gelegen, als gerade der Abschaum eine Nachricht an mich aussandte. Er wollte mich treffen, denn auch er, so sagte er, wollte Rache. Ihr wart nicht mehr aufzufinden. Also hatte er es nur auf mich „abgesehen“. Der Treffpunkt war die Scheune. Cassie. Deine Scheune.>
Er hörte auf zu sprechen und das Bild wurde schärfer.
Hinten in der Scheune, wo sich etwas bewegt hatte, saß ein Mann... der Mann. Der Visser. Er fingerte an irgendeinem Kasten rum, an den viele Kabel und Drähte angeschlossen waren. In seiner Reichweite lag eine kleine Pistole.
Plötzlich ging die Tür auf. Vorsichtig streckte sich ein Kopf hindurch.
Es war der Prinz. Aximili.
Der Visser, der ihn bemerkt hatte, ging in Deckung.
Leise und vorsichtig trat der Prinz ein. Bis auf seine Schwanzklinge war er unbewaffnet. Seine Stielaugen schwangen überall herum und seine Hauptaugen suchten jede Eck in der Scheune ab.
<Yirk!> rief er in die Stille <Zeig dich! Ich habe euch gesehen!>
Eine plötzliche Bewegung hinter ihm, lies ihn zusammenfahren.
Eine Frau steckte ihren Kopf durch den Türspalt.
Mereen hielt die Luft an.
Und dann erkannte sie die Frau. „Mutter.... das.... das ist meine Mutter!“ keuchte sie.
Der Prinz drehte sich herum.
<Was machst du hier? Es könnte gefährlich werden. Und warum hast du Mereen mitgebracht?>
„Was.....?“ flüsterte Mereen „Sie.... sie kannten sich?“
Die Frau trat völlig in die Scheune ein, in ihrem Arm ein Bündel tragend.
„Ich konnte dich nicht allein gehen lassen.... ich konnte einfach nicht. Ich... ich hatte so Angst das dir etwas passieren könnte...“
Ein Knacken, hinten in der Scheune wo auch der Visser verborgen war.
<Geh jetzt.... schnell. Bitte!> flüsterte der Prinz hastig Mereens Mutter zu.
Diese sah im traurig in die Augen. Dann wandte sie sich um.....
„Oh nein! Sie bleiben wo sie sind!“ Der Visser hatte sich aufgerichtet und hielt die Pistole in der Hand. Sie war auf Mereens Mutter gerichtet. „Ihr werdet zusehen, wenn ich sie umbringe.“
<Yirk...!> stiess der Prinz wütend hervor.
Der Visser grinste boshaft. Dann flüsterte er: „Ihr werdet zusehen, wenn ich sie umbringe.... und dann werdet ihr selber sterben.... ich weiß wer sie ist. Und ich weiß auch wer das da, in ihren Armen ist....“ er lachte kalt.
„Das heißt... ich würde sie am Leben lassen.... sie beide.... wenn ihr, Prinz, mir sagt wo eure Freunde sind.“
<So selbstsicher, Yirk? So davon überzeugt, der Sieger in diesem Kampf zu werden?>
„Ich kann gar nicht verlieren. Euch... Prinz Aximili... euch werde ich so... oder so niederstrecken. Ich bin vielleicht nicht mehr so stark wie früher... aber diese Hände können immer noch töten. Heute. Gleich.... Sagt mir wo eure Freunde sind.... und ich lasse sie...“ er deutete auf Mereen und ihre Mutter „...sie gehen.“
<Lasst sie in Ruhe! Sie haben nichts mit der Geschichte zu tun!>  Doch der Visser lachte wieder spitz und kalt.
Der Prinz sah Mereens Mutter in die Augen. <Lena.... ich will nicht, das ihr in Gefahr geratet...> Doch sie schüttelte den Kopf. „Sag nichts. Sag einfach nichts.....“
Der Prinz  setzte wieder einen gequälten Gesichtsausdruck auf und schloss die Augen. <Ich sage euch nichts! NIEMALS! >
„Gut....“ der Visser lächelte „dann werden sie sterben.“  <Ich werde das nicht zulassen!> „Ich sagte doch bereits, ich werde gewinnen.... dann fangen wir jetzt einfach an....“
Er schritt auf Mereens Mutter zu. Die Pistole hielt er immer noch auf sie gerichtet. Auf seinem Weg schritt er an dem Prinz vorbei. Aximilis Schwanz zuckte in die Richtung des Vissers, doch er duckte sich unter der Klinge hinweg und sagte dann : „Versucht das lieber nicht. Sonst stirbt... wie habt ihr sie genannt... Lena.... vor euren Augen.“
Vor Wut bebend stand der Prinz jetzt still.
Kalt lächelt streckte der Visser die Hand nach Mereens Mutter aus. „Zeig mir doch einmal eure Tochter.“
Mereen runzelte die Stirn. Aus dem Augenwinkel sah sie, das auch Marcel die Stirn in Falten gelegt hatte und das Kelihm verdattert die Augen zu Schlitzen verengte.
Mereens Mutter drückte das Bündel an sich. „Bitte....“
Doch die mageren Finger des Visser griffen nach der Decke und zogen sie bei Seite.
Angewidert warf er einen Blick auf das Gesicht eines schlafenden Kindes. Dann streckte er die Finger abermals aus.
<Lass Mereen in Frieden!> Der Prinz war einen Schritt vorgetreten. Aber er wagte es nicht anzugreifen. Er wollte auf keinen Fall, das Mereens Mutter und Mereen selber etwas passiert. Aber der verzweifelte Ausdruck in den Augen des Prinzen, verrieten dass er wusste, dass ihnen, wenn er nicht eingriff, etwas passieren w ü r d e.
Der Visser berührte Mereens Gesicht.
Davon wachte das kleine Kind auf. Es sah ihn aus grossen Augen an. Die Augen sahen in diesem kleinen Kopf so riesig aus, dass es schon grotesk wirkte.
Und plötzlich schloss der Visser die Hand um den Hals des kleinen Wesens, das Mereen einmal gewesen war.
Die damalige Mereen und auch ihre Mutter fingen an zu schreien, und letztere versuchte dem Visser das kleine Kind aus seinem Griff zu winden. Es nütze nichts.
Mereen, die echte Mereen biss sich auf die Lippe. Es war schwer, einfach nur zusehen zu können.
Aber da...
<MEREEN!!!> Der Prinz hatte einen verzweifelten Satz nach Vorne gemacht.
Der Visser drehte überrascht den Kopf und hob die Hände vors Gesicht.
Doch diese kurze Sekunde der Unaufmerksamkeit, hatte ihn einiges gekostet – nämlich die Pistole. Diese flog durch die Luft und verschwand irgendwo im fauligem Stroh.
Im Nu schwang der Prinz seinen Schwanz wieder in Richtung Visser, und wieder verfehlte er ihn.
Das Blatt hatte sich gewendet. Der Prinz trieb den immer wieder ausweichenden Controller vor sich her.
Und irgendwann schaffte er es ihm seine Klinge gegen den Hals zu drücken.
Die beiden Gegner standen genau über dem Kasten, an dem der Visser vorhin herumgebastelt hatte.
Der Prinz hatte ihn noch nicht bemerkt: Alle vier Augen waren auf das Gesicht des Controllers gerichtet. Selbst wenn er den Kasten bemerkt hätte, hätte er sich nichts dabei gedacht, denn der Kasten sah aus wie ein ganz normaler Karton.
Der Controller atmete schwer. Ihm rann der Schweiss übers Gesicht. <Immer noch so siegessicher?> fragte der Prinz herablassend. Seine Klinge schnitt in die Haut des Vissers, so das ein kleines Blutrinnsal an seinem Hals strömte.
„Bitte lasst uns verschwinden.....“
Mereens Mutter hatte es endlich gewagt sich zu bewegen.
Der Prinz drehte seine Stielaugen zu ihr herum. <Aber....ich habe ihn jetzt. Wir werden gehen... aber erst erfülle ich mein Versprechen.>
„Bitte..... Du hast doch selbst gesagt, das du nichts mehr mit diesem Krieg zu tun haben willst..... bitte.... ich kann es nicht sehen, wenn jemand umgebracht wird.... und ich will nicht das du Blut an deinen Fingern kleben hast...“
Prinz Aximili starrte sie durchdringend an.
Der Visser sah ungerührt zu. Er sank langsam auf die Knie. Sein rasselnder Atem klang unnatürlich laut in der Stille.
Der Prinz machte keine Anstalten ihn wieder aufzurichten. Plötzlich zog er die Klinge zurück. Der Visser griff sich mit der einen Hand an den blutigen Hals.
Mit der anderen langte er nach dem Kasten auf dem Boden. „Ihr werdet jetzt doch nicht feige sein Prinz? Ihr tötet mich nicht.... auf den Befehl eines Menschen hin?“
<Gut, Yirk!> flüsterte der Prinz <Ich werde dich noch am Leben lassen...... noch.... Verschwinde von hier. Aber denk daran: Wenn ich dich noch einmal sehen sollte..... egal wo..... dann bist du tot....Ich denke nicht nur an mich, im Gegensatz zu euch...>
„Ihr wollt mir ein schlechtes Gewissen machen?“
<Halt den Mund, Yirk, sonst werde ich meine Worte vergessen...>
Der Visser öffnete den Deckel des Kastens und griff mit der Hand hinein. Der Prinz überwachte alles und zuckte bei jeder Bewegung des Controller, die ihm zu schnell erschien mit dem Schwanz. <Was tust du, Yirk?>
Als Antwort zog der Visser die Hand wieder hervor – und hielt drei seltsame Dinge darin.
Zwei davon erkannt Mereen: Das eine war die Blue Box, und das andere war die serra..... aber das dritte Ding....
Es sah aus wie eine Fernbedienung, hatte aber weder Knöpfe, noch sonstige Unebenheiten.
Der Visser warf die Blue Box und die serra vor die Hufe des Prinzen.
„Da.“ Sagte er dann leise „Ich habe geglaubt, ich könne sie eines Tages brauchen. Aber ich habe mich geirrt.... ich habe keinen Nutzen mehr für sie....“
Der Prinz kniff misstrauisch die Augen zusammen.
Aber dann hielt der Visser die vermeintliche Fernbedienung in die Luft. „Aber das hier..... wird seinen Nutzen für mich erfüllen....“
Die Augen des Prinzen weiteten sich wieder. Der Schreck war deutlich in ihnen zu erkennen.
Sein Schwanz zuckte nach vorn, doch der Visser zog die Hand zurück, so dass die Klinge ihr Ziel verfehlte.
<Lena! Lauf weg, schnell!>
Aber wieder war Mereens Mutter vor Angst wie gelähmt.
„Oh, jetzt zeigt ihr Angst?“ höhnte der Visser, als Prinz Aximili in seiner Panik immer wieder daneben traf.
<LENA!!!> Endlich drehte sich Mereens Mutter herum, griff nach der Tür.........
Der Visser zerschmetterte die „Fernbedienung“ mit einem gewaltigen Schlag. Und irgend etwas in der Kiste glühte auf.
Für einen Moment schien die Zeit stehen geblieben zu sein..... Und dann ging alles in einer Flut von Licht unter.
Die heutige Mereen schlug instinktiv die Hände vors Gesicht.... aber sie spürte nichts. Also sah sie wieder hin.
Sie wünschte sich, sie hätte es nicht getan.  Vor ihr bot sich eine Szene, die in jeden Horrorfilm gepasst hätte.
Die Kiste war explodiert, und diese Explosion war einfach gewaltig. Der Visser wurde nach hinten in die fauligen Strohballen geschleudert. Die Wände barsten auf. Das morsche Holz wurde zu Spiessen.
Die Strohballen flogen einfach weg.
Mereen sah, wie ihre Mutter durch die Luft flog. Sie schlug direkt vor Mereens Füssen auf. Es knackte. Es gehörte nicht viel dazu um zu sehen, das sie tot war. Ihre Augenhöhlen.... ihr ganzes Gesicht.... ihre Hände... und dieses grauenvolle Knacken... Mereen spürte wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Der Prinz wurde auch durch die Luft geschleudert. Aber er schlug nicht einfach nur am Boden auf. Er hatte so unglücklich gestanden, das er in die splitternden Wände fiel.
Er scheuerte an den scharfen, spitzen Kanten der zerborstenen Latten, die einmal die Scheunenwand gebildet hatten, entlang. Sein Schrei hallte in Mereens Kopf nach.
Der Prinz prallte hart auf dem Boden auf. Er atmete stockend. Man konnte deutlich sehen, welche Anstrengung es für ihn war, seine Lungen mit Luft zu füllen.
„Nein.....“ flüsterte Mereen. Ihre Wangen waren heiss. „NEIN!“
Der Prinz hob seinen Kopf. Er zitterte. Der Boden um ihn herum hatte sich verfärbt. Er starb in seinem eigenen Blut.
Der Prinz versuchte aufzustehen. Als er zitternd auf seinen Hufen stand, konnte Mereen die Wunde sehen, die auf seiner Seite klaffte. Aus ihr quoll unablässig Blut. Einige Fetzen seiner Haut hingen einfach herunter, wie Tücher.
Der Prinz tat einen Schritt. Einen zweiten. Mit einem stöhnenden Laut sank er dann wieder zu Boden.
Unter noch grösserer Anstrengung blickte er auf die Leiche von Mereens Mutter. Der Anblick schien ihm Kraft zu geben. Langsam zog er sich näher zu ihr heran. Er gab kaum einen Laut von sich. Noch nicht einmal dazu hatte er genug Kraft. Endlich hatte er sein Ziel erreicht. Seine Hände schoben sich hoch zu Mereen und den Händen ihrer Mutter.
Dann griff er hinter sich. Mit seinen Stielaugen blickte er schwach um sich.
Seine Finger schlossen sich um die serra, die dort im Dreck lag. Es gab ein seltsames leises Zischen....  dann legte der Prinz die kleine Platte in die Hände der damaligen Mereen.
Er hielt fest umschlossen mit ihr und ihrer Mutter. Dann sah er hoch zum Himmel. Er wartete auf den Tod, der ihn von seinen Qualen erlösen sollte.
Plötzlich schleppte sich eine Gestalt aus einer Ecke hervor. Mereen wusste wer es war. Sie spürte es.
Der Visser war entstellt. Sein Gesicht blutete aus zahllosen kleinen Wunden, und einer seiner Hände war nur noch ein blutiger Stumpf.
„Seht ihr..... Prinz...“ schrie er und schüttelte seinen zerstörten Arm. Er schien keinen Schmerz zu spüren.
„Ich habe euch gesagt, das ich gewinnen würde!“ Er lachte kalt und schallend. Das Lachen eines Verrückten.
In Mereens Kopf entstand ein schwacher, verzweifelter Ruf. Sie meinte schon zu spüren, wie der Prinz um Hilfe schrie. Sein Schwanz zuckte in die Höhe, sackte aber gleich wieder zurück. <Nein......> hauchte der Prinz. Er hatte versucht sich gegen den Tod aufzubäumen..... ein letztes Mal.... „Jetzt sind eure Freunde nicht mehr da Prinz. Ohne sie seid Ihr ein Nichts! Habt ihr gehört Prinz? EIN NICHTS!!!“ Wieder lachte der Visser.
<...... nein...... > wiederholte der Prinz. Er atmete nur noch schwach. <Ich habe es nicht....... geschafft...... nein.....>
Sein Schwanz erschlaffte und seine Züge entspannten sich. Es war vorbei. Er hatte den Kampf verloren.
In Mereen flammte Hass auf. Die Tränen liefen ihr nun haltlos über das heisse Gesicht.
Dann schüttelte sie den Kopf.
„WAS HAST DU GETAN!!!“ schrie sie. Sie hatte keine Kontrolle mehr über ihre Wut, ihre Trauer, ihren Hass. Darüber vergass sie, dass das alles nur ein Hologramm war...
Sie sprang über die Leblosen Körper hinweg und rannte auf den Visser zu. Den Mörder....
Aber sie erreichte ihn nicht. Sie rannte gegen eine unsichtbare Wand.
Das Bild um sie herum wurde unscharf. Nur der Visser war zu sehn. Nur sein verrücktes Lachen war zu hören.
Mereen schlug gegen die Wand, die sie von dem Mörder trennte.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. <Es ist nur ein Hologramm....> sagte Kelihm mit einem Zittern in der Stimme.
Plötzlich erschallte wieder die Stimme des Prinzen. Sie war schwach. <Nun wisst ihr, was geschehen ist..... meine Freunde.>  Er erschien vor dem Visser, der immer noch lachte. Ohne Wunde. Unversehrt.
<Ich will euch darum bitten..... auf meine Tochter auf zu passen. Sie war noch am Leben, als ich ihr diese Botschaft in die Hand legte.>
„Aber..... das kann nicht sein.... er hat sie mir in die Hand gelegt....“ flüsterte Mereen. Kelihms Hand auf ihrer Schulter verkrampfte sich.
<Ja, ihr habt richtig gehört.... meine Tochter. Ich wünschte, ich hätte es euch damals..... damals noch sagen können.... Meine Tochter... ist menschlich.....>
„Aber..... a.... aber....“ stammelte Mereen. „Ich....“ sie sank an der Wand herunter. Auf einmal war ihr kalt. So kalt das sie zitterte. Sie glaubte den Worten nicht. Sie glaubte ihnen nicht.... aber das war eine Lüge. Sie w o l l t e nicht glauben.... aber tief in sich drin, wusste sie, dass die Worte des Prinzen stimmten. <Mereen.... bitte beruhige dich...bitte> sagte Kelihm leise. Seine Stimme bebte jetzt.
Der Prinz sprach weiter. <Bitte findet sie. Bitte findet meine Tochter Mereen. Und wenn sie noch am Leben ist.... bitte kümmert euch um sie.... meine Freunde>
Die Konturen verblassten. Auch die Darstellung des Prinzen. Nur seine Stimme hallt gespenstisch nach.
Als die Hologramm – Welt um sie herum verschwand, erkannte Mereen, das sie vor ihrer Zimmerwand hockte. Kelihm hatte sich neben sie gekniet. Er hielt Kopf und Stielaugen gesenkt. Seine Hand lag immer noch auf Mereens Schulter.
Marcel hatte sich auch auf den Boden gesetzt. Mit offenem Mund starrte er Mereen an.
„Du.......“ flüsterte er „....du stammst also von ihnen ab..... aber wie..... oh Gott!“
Mereen vergrub das Gesicht in den Händen. „Das ist doch alles nicht war...“
„Mereen, du hast es eben selbst ge...“ „ICH HAB NICHTS GEHÖRT!“ schrie Mereen jetzt. Ihre Angst, ihre Wut.... das alles kam jetzt raus.
Sie schlug Kelihms Hand bei Seite, rannte zum Fenster stellte sich auf den Sims... und stiess sich ab. Noch während sie fiel, spürte sie die Veränderungen an sich. Kurz bevor sie auf dem Boden aufprallte spannte sie ihre Flügel auf.... und ein Wanderfalke flog weit.... weit.... in Richtung Wald davon....
 
 

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