Geheime Pläne
Der Rest des Tages war fast
genau so unruhig wie die Nacht davor.
Marcel wollte über jeden
Punkt genaustens informiert werden.
Teilweise war es gar nicht
leicht zu Erklären.
Kelihm rief Mereen ab und
an etwas zu, was Marcel aber anscheinend nicht hören konnte.
Manche Dinge erzählte
Mereen aber auch nicht, wie zum Beispiel die Sache mit der Technologie.
Kelihm hatte schon Gezögert, ihr davon zu erzählen und Mereen
war überzeugt davon dass er nicht wollte, dass noch jemand dieses
kleine Geheimnis wusste.
Als sie zum Punkt "Prinz Aximili"
kamen wurde die Unterhaltung wortkarger, so dass sie schliesslich ganz
aufhörten zu reden und nur bestürzt Löcher in die Luft starrten.
Marcel war natürlich
Feuer und Flamme.
"Also... wenn ich meint dieser
Typ aus dem Museum, dieser Andalit, könnte euer Prinz Axi.... Axi.....
wie auch immer..-"
<Aximili!> ergänzte
Kelihm etwas beleidigt <Prinz Aximili Esgarrouth Isthil!>
"Ja, gut.... Prinz Aximili
sein.... warum gehen wir dann nicht einfach zu ihm? Verwandtenbesuch, meine
ich."
<Ich bin nicht mit ihm
verwandt. Und Mereen ja wohl auch nicht!>
Mereen schwieg.
"Das sagt man doch nur so!
Ich finde, wir sollten das tun. Immerhin wissen wir dann, wen wir da vor
uns haben."
"Und wie sollen wir da hin
kommen? Es ist ganz schön weit bis dahin. Heute schaffen wir das nicht.
Geschweige denn heute Nacht!" fiel Mereen ihm ins Wort. Sie hatte beim
besten Willen keine Lust, wieder d a hin zu gehen.
<I c h kann hinfliegen!>
meinte Kelihm.
"D u kannst fliegen?" fragte
Marcel "Gibt es eigentlich etwas, was ihr Andaliten nicht könnt?"
<Oh ja, da gibt es einiges...
zum Beispiel....>
"Jaja, okay, erklär mir
lieber w i e du fliegst!"
<Ich morphe!>
"Wie? Was?"
"Das könnt ihr euch später
erzählen! Ich habe schon eine Idee wie wir in das Museum kommen!"
unterbrach sie Mereen. Dann fing sie an zu erklären.
Der Plan war bald bei allen
klar.
"Das heisst also, wir brauchen
Femrig nur zu fragen, ob wir noch mal hinkönnen um uns das "Blue"
anzusehen. Aber Mereen, du hast da etwas vergessen."
"Und das wäre?"
"Wir können Kelihm nicht
in einen Bus mitnehmen. Und Eine dunkle Sonnenbrille hilft nicht viel."
"Das weiss ich auch. Und damit
kommen wir wieder zum "morphen""
"Was ist das?" fragte Marcel
und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Morphen bedeutet, das Kelihm
sich in jedes Tier verwandeln kann, was er berührt hat." erklärte
Mereen, stolz alles verstanden zu haben Um Kelihm mit ins Museum zu nehmen,
gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, er morpht in etwas kleines,
was man in die Tasche stecken kann, oder er morpht in einen Menschen. Aber
das kann Kelihm selber entscheiden. Kelihm?"
Kelihm schüttelte den
Kopf.
<Ich weiss nicht. Beides
wären gute Methoden. Und beides wäre interessant.>
Marcel mischte sich ein. "Ich
würde sagen, er morpht in einen Menschen. Schliesslich wissen wir
nicht, wie eine Schabe, eine Maus oder sonst etwas sieht. Und sich zurückverwandeln
geht im Museum nicht."
Mereen nickte. "Ja, aber wie
kriegen wir so schnell einen anderen Menschen als uns beide her?"
"Ja, und woher wissen wir,
das dieser Mensch sich nicht am selben Tag im Museum aufhält? Oder
ein Bekannter von ihm?"
<Ähm... Entschuldigung,
wenn ich euch mal unterbrechen darf...ihr braucht mir eigentlich nur noch
einen einzigen Menschen zu beschaffen.>
"Darüber haben wir doch
gerade geredet!"
"Du kannst nicht nur einen
Menschen übernehmen, weil..."
<Nein, ich kann die DNS
mischen. Wenn ich noch DNS von euch nehme und die DNS von jemand anderem
kann ich mir einen ganz eigenen Menschenmorph erschaffen. Es würde
zwar auch nur mit der DNS von euch beiden gehen, aber ich finde, dann ähnele
ich euch doch etwas zu sehr.>
"Wirklich? Ich meine, du kannst
dir einen Mix aus verschiedenen DNS-Strukturen machen?" Mereen stützte
das Kinn in ihre Hand.
"Aber woher sollen wir noch
jemanden herbekommen, der sich übernehmen lässt ?"
Diese Frage stellte sich bald
als Problem heraus.
Die drei fanden jedenfalls
noch keine Lösung.
Nachdem sich Mereen und Marcel
von Kelihm verabschiedet hatten und wieder im Heim angekommen waren, (Kelihm
hatte fest versprochen die beiden am nächsten Morgen früh zu
wecken damit sie weiterreden konnten) lief Mereen sofort zu Professor Femrig
um ihn wegen dem Museum zu fragen.
"Was? Du willst noch mal hingehen?
Mit deinem Freund?" fragte Femrig verwundert.
"Ja, aber diesmal soll noch
ein anderer Freund von uns beiden mitkommen. Er... er findet Anda... äh...ich
meine Aliens sehr interessant."
"Hm. Das tun viele junge Leute.
Aber okay. Letztes mal hattest du kaum Zeit dir das Blue anzusehen. Also
gut. Ich werde einen Bus für euch reservieren. Wie wäre es mit
nächsten Samstag?"
Es war Donnerstag. Und passend
zum Namen es war regnerisch.
Mereen und Marcel hatten sich
bis jetzt jeden Tag mit Kelihm getroffen und Pläne geschmiedet.
Doch viel hatte es nicht gebracht.
Den Bus hatten sie, sowie
das Eintrittsticket.
Doch einen passenden Morph
hatten sie nicht gefunden.
Während die beiden Freunde
die Treppe hinunter stiegen um wieder nach draussen zum Waldrand zu gehen
um Kelihm einen Besuch ab zu statten, tuschelten sie noch über dieses
Thema.
Doch plötzlich wurden
sie unterbrochen.
"Ihr wollt jetzt raus? Bei
dem Wetter? Euch ist wohl jede Minute zum turteln lieb, wie?"
Das war natürlich Sabrina.
"Merkst du eigentlich, dass
du die einzige bist die hier an sowas denkt?" fauchte Marcel sie wütend
an "Und jetzt geh aus dem Weg!" Er schubste Sabrina bei Seite.
Doch noch bevor sie die letze
Stufe erreicht hatten, drehte Sabrina sich noch einmal um.
“Ihr werdet schon sehen! Ich
komme dahinter was ihr jeden Tag da draussen macht. Und dann....!” Sie
sprach nicht weiter. Statt dessen wendete sie sich mit einem höhnischen
Grinsen ab und ging langsam nach oben.
Während Mereen und Marcel
durch das regennasse Gras stapften, fielen die Tropfen immer schwerer vom
Himmel und ein dumpfes Grollen in der Ferne kündigte ein Gewitter
an.
„Mann, hoffentlich weiss Kelihm,
dass er sich lieber nicht unter einem Baum unterstellt. Warum bist du eigentlich
so still ?“
„Ach, nichts.“ Doch in Wirklichkeit
machte sich Mereen Gedanken über Sabrina. Das was sie gesagt hatte,
hätte zwar nur dummes Geschwätz sein können, wie fast alles
was Sabrinas Mund verliess..... oder sie könnte es genau so gut ernst
meinen.
Jedenfalls musste man vorsichtig
sein.
Sie waren am Wald angekommen.
Ein heftiger Wind kam auf.
Mereen legte die Hände
an den Mund.
„Kelihm! Wir sind da! Kel..-“
Doch plötzlich erfasste
der Wind einen Zweig und schlug ihn Mereen ins Gesicht.
„Au! Ohhhh... mein Auge...“
„Lass mal sehen!“ Marcel beugte
sich über sie. „Ist nur ein Kratzer. Das ist schnell wieder weg.“
KLICH KLICK
Blitzlicht flammte auf.
Es war aber nicht natürlich
Es kam von einer Kamera.
Und die Kamera gehörte....
„Sabrina!“
„Ha! Ich habe euch doch gesagt,
das ich was herausfinde! Diese Fotos werden in ein paar Tagen schon am
schwarzen Brett hängen! Und ihr könnt nichts dagegen machen!“
Sie lachte triumphierend.
Doch dann verzerrte sich ihr
Gesicht zu einer erschrockenen Grimasse.
Ihre Augen wurden grösser
und sie riss den Mund weit auf.
Und dann entfuhr ihr ein Schrei.
Im selben Moment zuckte ein Blitz über den Himmel und das Grollen
kehrte zurück. Und eine schnelle Gestalt mit Stielaugen, vier Hufen
und durchnässtem blauem Fell, sprang mit ein paar leichtfüssigen
Sätzen aus dem Unterholz hervor. Diese Gestalt blieb neben Mereen
und Marcel stehen.
Sabrina liess die Kamera fahren,
die auf einen Stein fiel und zerbarst. Das Mädchen selber versuchte
weg zu laufen, aber sie stürzte über eine Wurzel und fiel auf
den weichen, nassen Boden.
<Urg, ist das ein Wetter!
Man traut sich ja nicht einen Huf aufs Gras zu stellen> meinte die Gestalt,
die natürlich Kelihm war, fröhlich.
Mereen ging zu Sabrina, die
immer noch auf dem Boden lag.
„Sie ist bewusstlos.“ stellte
sie schliesslich fest. Marcel hingegen besah sich die kaputte Kamera. „Tja,
wie schade.“
meinte er und zog den Film
von der Spule „Jetzt wird doch nix aus unserem wundervollem Foto.“
„Hey.... Kelihm, komm her.
Du kannst Sabrina übernehmen. Da haben wir unsere dritte Person!“
Vorsichtig kam Kelihm näher
getrippelt. Er zögerte kurz, dann legte es seine Hand auf die Stirn
Sabrinas. Er schloss die Augen für einen Moment. Nach wenigen Sekunden
zog er seine Hand wieder weg.
< Gut. Wer von euch beiden
ist der nächste?> Mereen richtete sich auf. Kelihm sah sie kurz an,
lächelte sein mundloses Lächeln und dann streckte er die Hand
aus und berührte Mereens Wange. Ein schläfriges Gefühl hüllte
sie ein und beinahe wäre sie umgekippt, denn ihre Beine wurden weich
und müde. Doch noch im letzten Moment konnte sie sich an Kelihms ausgestrecktem
Arm festhalten. Wieder sahen sie sich an. Und wieder war es Marcel der
sie dabei unterbrach.
Nachdem auch er von Kelihm
berührt worden war (wobei er ebenfalls fast zusammenklappte...) besprachen
sie noch, das sie sich am nächsten Morgen zum Einüben von Kelihms
neuem Menschenmorphs treffen wollten.
Marcel würde dann Kleidung
mitbringen.
Dann griff Mereen nach Sabrinas
Arm und reichte Marcel den anderen.
Zusammen zogen sie Sabrina
nun über den Schlammigen Boden Nach Hause – und dort sollte die Geschichte
die das Mädchen noch am Abend erzählte (und die ihr keiner abkaufen
wollte) ein kleines bisschen verändert werden..... natürlich
nur um Sabrina vor der Klapsmühle zu bewahren.
Ach, was waren sie doch grosszügig......
Der zweite Besuch
Der nächste Tag wurde
völlig für die Organisierung des Museumsbesuches geopfert.
Kelihm hatte sich das erste
Mal in einen Menschen gemorpht und Mereen und Marcel waren ziemlich erschrocken
gewesen plötzlich einzelnen Teilen von sich selber gegenüber
zu stehen.
Zuerst einmal hatten sie Probleme
Kelihm passend anzukleiden. Sie hatten sich schnell umdrehen müssen,
um da nicht plötzlich etwas ziemlich peinliches zu sehen. Denn noch
nicht mal Shorts konnte mal einfach aus dem Nichts herbei zaubern.
Immerhin hatte Marcel es am
Ende geschafft, Kelihm genau zu zeigen wie man eine Hose, einen Polo und
ein Paar Schuhe anzieht.
Dieser Menschenmorph war etwas
extrem Erstaunliches für den Andaliten, und obwohl er doch ziemlich
viel über den menschlichen Körper wusste, war das Erste was Kelihm
nach seiner Garderobe tat..... hinfallen.
„So, das Erste was du lernen
musst, ist das Laufen auf zwei Beinen.“ Murmelte Marcel während er
den verdatterten Kelihm am Hemdkragen hoch zerrte.
„H-huch! Ich hätte nicht
gedacht, dass Laufen bei euch so schwierig ist.“ gluckste Kelihm. Dann
schlug er verdutzt die Hand vor seinen neuen Mund und betastete ihn, seine
Lippen und zuletzt seine Zunge.
„So funktioniert das Sprechen
bei euch also. Ihr Menschen habt eine ziemlich dicke Zunge.... faszinierend.“
„Darüber hast du noch
nix gelesen? Ohhhh, ein Wunder ist geschehen!“ murrte Marcel darauf
nur und verzerrte das Gesicht, denn Kelihm war ihm soeben auf den Fuss
getreten.
Den ganzen Tag übten sie,
wie Kelihm „normal“ auf zwei Beinen gehen konnte, wie er essen und sprechen
musste (was ihm besonders schwer fiel) und wie er sich umdrehen konnte
um hinter sich zu schauen.
Kelihm war ein ziemlich guter
„Schüler“.
Und trotzdem arbeiteten die
drei bis spät in den Abend.
Nächster Tag.
Samstag.
Mereen und Marcel wurden von
einem Klopfen am Fenster geweckt.
Kelihm, in seinem kafit Morph.
<Seid ihr fertig? Können
wir los?>
Mereen guckte verschlafen
auf ihren Wecker. Dann stöhnte sie auf.
Es war halb sechs am Morgen.
Marcel zog sich sein Kissen
über den Kopf.
<AUFWACHEN!!!>
Das war etwas zu laut. Mereen
sprang vor Schreck auf und stiess sich den Kopf an dem Bett über ihr
und Marcel viel von oben herunter auf den Boden.
Kelihm hatte etwas zu laut
gesprochen.
Nun, da man mit Kopfschmerzen
ohnehin nicht schlafen kann (selbst wenn, Kelihm hätte es nicht zu
gelassen...),
blieb den beiden nichts anderen
übrig als auf zu stehen, und Kelihm herein zu lassen.
Dieser morphte im Zimmer zurück.
Dann blieb ihnen nichts besseres
zu tun, als noch einmal alles was sie geübt hatten zu wiederholen.
Einige Stunden später.
Mereen, Kelihm und Marcel
sassen in dem vorgesehenen Bus. Kelihm erzählte die ganze Zeit, wie
toll es sei primitive Technologien zu studieren, und das langweilte die
anderen beiden so sehr, das Mereens einzige Antworten auf die Kommentare
des Aliens „ja“, „mhm“, und ab und an auch mal „stimmt“ waren, und Marcel
mit dem Kopf am Fenster eindöste.
Mit einem Ruck hielt der Bus
vor dem Museum.
Marcel schreckte hoch und
war sofort hellwach.
„Jetzt aber los!“ murmelte
er mit einem Blick auf seine Uhr „wir haben schon eine halbe Stunde verbraucht.“
Als sie schliesslich in den
riesigen Hallen angekommen waren, rannten sie bis zum Hinteren Teil der
Ausstellung - dorthin,
wo der Andalit war.
Kelihm stoppte abrupt, und
wäre beinahe hingefallen. Mit glasigen Augen starrte er seinen Artgenossen
an.
Dann tat er ein paar zögernde
Schritte auf ihn zu.
„Ich hattet recht....“ flüsterte
er. „Das ist er... das ist er...“ seine Stimme hob sich. “Das ist er,“
stammelte er immer wieder „Das ist Prinz Aximili! Er ist es wirklich!“
Entgeistert schüttelte er den Kopf.
Verunsichert sah sich Mereen
um. Wer sie hörte, musste ja glauben Kelihm wäre verrückt.
Aber keiner sah sie an.
Keiner, bis auf einen jungen
Mann, der hinter dem Sockel mit dem Andaliten stand.
Mereen erkannte ihn sofort
wieder.
Es war der junge Mann, den
sie schon bei ihrem ersten Besuch gesehen hatte.
Er hockte auf einer Decke
und sein Gesicht war eingefallen. Seine Augen hatten einen leeren Blick.
Aber er sah sie und Kelihm
erwartungsvoll an, als glaube er, er hätte sich verhört.
Mereen wandte ihren Blick
ab und versuchte den Mann aus ihrem Gedächtnis zu vertreiben. Aber
die ganze Zeit spürte sie seinen Blick im Nacken.
„He! Kinder! Mereen!“ rief
eine Stimme.
Sie drehten sich um und erkannten
Professor Granz. „Oh, hallo Professor.“ sagte Mereen.
Kelihm hatte ihn nicht
einmal beachtet. Er starrte immer noch auf Prinz Aximili.
Aber der junge Mann, der vor
dem Andaliten sass, beobachtete ihn.
Granz bemerkte es.
„He, sie! Starren sie die
Kinder nicht so an! Wenn sie hier schon herum hocken müssen!“
Der Mann wendete den Kopf.
Dann lenkte Granz seine Aufmerksamkeit
wieder auf Mereen.
„Das ist Jake Collon. Er hockt
hier den ganzen Tag. Der ist sogar so verrückt, das er hier schläft.“
„Darf er das denn? Ich meine,
es ist kein schöner Anblick und alles...“ meinte Marcel verwundert.
„Ja, er hat sich die Genehmigung
erkauft. Reicher Mann, muss man schon sagen.“
„Sieht aber nicht so aus.“
Mereen besah sich Jake Collon genauer. Er trug einen Braunen schäbigen
Mantel und sein Haar war ziemlich zerzaust. Die Decke auf der er sass war
fleckig.
„Der Schein trügt. Er
hat ein Schweinegeld. Er hat uns ein Angebot gemacht, das wir nicht abschlagen
konnten, denn wir brauchen das Geld. Der Bau des Museums hat uns ein Vermögen
gekostet, und die Besuchereinnahmen gleichen es nicht genug aus. Nun ja....
was ist denn mit eurem Freund los?“
Erst jetzt bemerkte Mereen,
das Kelihm auf seine Knie gesunken war.
Langsam beugte sie sich zu
ihm herunter. „Was ist denn los?“ „Nichts. Nichts.“ „Kelihm, nicht stottern.“
„Tut mir leid, ich bin etwas nervös. Hier sind so viele Menschen.“
Nachdem sie Kelihm wieder
auf seine Beine gezogen hatten, gingen sie noch ein Weilchen in dem Rest
des Museums herum und Kelihm erklärte, anscheinend immer noch nervös,
welche Theorien der Triebwerke, Raumschiffe und all den anderen Dingen
möglich waren, und welche nicht.
Von letzterem gab es übrigens
erstaunlich wenig.
Als sie dann den Bus nach
Hause nahmen, waren alle sehr Schweigsam.
Und auch zu Hause angekommen,
verabschiedete sich Kelihm nur sehr knapp bevor er in den Wald zurück
flog.
Vor dem Schlafengehen, dachte
Mereen noch eine Weile über diesen zweiten Besuch nach.
„Kelihm hat es auch gespürt“
dachte sie „dieses seltsame Gefühl....“
Sie griff unter ihr Kopfkissen
und zog das Silberne Plättchen hervor.
Das Mondlicht spiegelte sich
darin.
Und dann kam es wieder.
[Neeeeeeiiiiinnnnnnn.........neeeeeiiiinnn......
Weg hier, schnell!!!!.............................................. NEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNNNN..................................]
Heimweh
Die nächsten Tage verliefen
im Grund recht ruhig. Selbst Sabrina hielt zu Abwechslung mal den Mund.
Das Waisenhaus war jetzt immer
stark besucht.
Nicht von neuen Kinder.
Sondern von Erwachsenen. Erwachsene,
die gerne ein Kind adoptieren wollten.
Viele dieser Erwachsenen hatten
Mereen schon gemustert, aber „mitnehmen“ wollte sie keiner.
Mereen war nicht traurig darüber.
Wenn sie jemand mitnehmen
wollte, hätte sie weg von Kelihm und Marcel gemusst. Und das wollte
sie auf keinen Fall.
Es war jetzt eine Woche her,
seit sie dem Museum einen zweiten Besuch abgestattet hatten. Kelihm war
darüber hinweg gekommen und fröhlicher denn je.
In der Schule ging es weiterhin
wie immer: Man langweilte sich. Kelihm hockte öfters mal in seinem
kafit Morph am Fenster und sah zu.
Mereen verbrachte ihre ganze
Freizeit im Wald und lernte somit immer mehr über Andaliten. Langsam
hatte sie das Gefühl, dass ihr das, was Kelihm ihr beibrachte mehr
nützte, als das was sie im Waisenhaus lernte.
Sie brachte immer öfter
einen ausgeliehenen Degen mit (Kelihm war ein viel besserer Fechtlehrer
als Madame Lemonde....) und übte die verschiedensten Züge. Die
Stimme die sie dabei immer noch in den Ohren hatte, bekam sie langsam unter
Kontrolle.
Links!
Rechts!
Wieder Links!
Ducken!
Mereen wehrte ab und griff
an – im ständigem Wechsel.
<Halt! Unerlaubte Bewegung!>
Mereen liess den Degen sinken.
Jetzt erst merkte sie, wie anstrengend das ganze war.
Kelihm hingegen war topfit.
<Was ist denn los mit dir?
In der letzten Zeit machst du immer mehr Fehler.>
Er sah ihr ins Gesicht. <Du
siehst müde aus. Sollen wir eine Pause machen?>
Mereen nickte matt. Dann sank
sie langsam auf den Boden.
Kelihm knickte die Vorderbeine
ein und landete so etwas unbeholfen neben ihr im Gras.
<Das ihr Menschen so auf
dem Boden liegen könnt....> murmelte er und rieb sich mit einer Hand
über den Rücken. „Ja, faszinierend, nicht?“ entgegnete Mereen
lächelnd. Dann sah sie in den Himmel. Die Sonne ging gerade unter
und färbte den Himmel in ein helles rot.
„Weisst du.... ich habe seit
du da bist die Stimmen nur ein einziges mal gehört.“ <Sei doch
froh. Sonst würdest du vermutlich noch weniger Schlaf abbekommen.>
„Nein... das ist es nicht.
Ich habe die Stimme erst dann gehört als...“ <Ja?>
„Mereen!“
Das war Marcel. „Komm, sie
suchen schon nach dir. Es gibt Abendessen.“
Mereen stand auf. Auch Kelihm
rappelte sich hoch, wenn auch ziemlich tolpatschig.
Mereen winkte ihm zu. „Ciao
Kelihm. Ich komme Morgen wieder, okay?“
Kelihm nickte. Dann hob er
eine Hand und winkte ebenfalls. <Bis morgen! Oh, und kannst du mir vielleicht
ein Buch mitbringen?> „Kein Problem!“ lachte Mereen.
Dann ging sie mit Marcel zum
Waisenhaus zurück.
Am nächsten Tag wachte
Mereen früher als gewöhnlich auf.
Das hatte seine Gründe.
„Ferien!“ gähnte sie
und streckte die Arme.
Heute wollte sie so früh
wie möglich in den Wald. Vielleicht würde sie Kelihm ja noch
beim Schlafen erwischen?
Sie zog sich an und öffnete
die Tür. Da viel ihr plötzlich noch das Buch ein, das sie Kelihm
mitbringen wollte.
Schnell wühlte sie in
den Schulbüchern vom letzten Jahr und kam schliesslich auf das alte
(und total vollgeschriebene) Geschichtsbuch und ihr Technikbuch, das halbwegs
noch gut erhalten war.
Sie würde sie im nächsten
Schuljahr nicht mehr brauchen.
Mereen stopfte die beiden
Bücher in eine Stofftasche, dann drückte sie die Klinke der Tür
runter und ging leise die Treppe herab.
Draussen roch es nach Tau.
Der Himmel war weit hinten ein Streifen rosarot, die Sterne hoben sich
von dem sonst noch dunklen Himmel ab und es war angenehm kühl.
Sie rannte über die Wiese.
Auf halbem Wege hielt sie inne. Hier hatte sie Kelihm das erste mal gesehen.
Als sie den Waldrand erreichte,
dachte sie nach wo Kelihm wohl zu finden wäre.
Am Schluss entschied sie sich
an ihrem gemeinsamen Lieblingsplatz, einer kleinen gut versteckten Lichtung,
nachzusehen.
Sie schlug sich durch das
Geäst.
Vor ihr teilten sich die Bäume
und gaben einen Blick auf die Lichtung frei.
Kelihm war da. Aber er schlief
nicht. Er sah Mereen auch nicht von hinten kommen.
Er starrte mit allen vier
Augen in den blassen Sternenhimmel.
„Kelihm?“ fragte Mereen behutsam.
Sie wollte ihn nicht erschrecken, aber Kelihm zuckte dennoch zusammen und
drehte langsam den Kopf zu ihr hin.
<Mereen...>
Kelihms sonst so fröhliche
Augen, hatten ihren Glanz verloren und er sah Mereen ernst und betreten
an.
Dann zwang er sich zu einem
schmerzhaften Lächeln. <Ich habe mir die Sterne angesehen. Du kommst
sehr früh. Ist heute keine Schule?> „Nein....wir habe Ferien. Frei.
Keine Schule für ein paar Wochen.“
Besorgt sah sie den Andaliten
an. „Kelihm... was ist los?“ Dann, ganz plötzlich wusste sie
was los war.
„Du hast Heimweh.....nicht
wahr?“
Kelihm lies den Kopf hängen.
Er zögerte.
<Ja. Etwas. Ich...ich war
noch nie so lange von meinen Artgenossen fort.>
Sein Kopf zuckte in die Höhe.
Er lächelte wieder und diesmal war es echt....wenn auch etwas unsicher.
<Ich wollte es dir eigentlich
nicht sagen. Ihr gebt euch so viel Mühe und seid so oft bei mir...
Ich fühle mich hier wohl und ich mag dich und Marcel sehr gerne. Ich
hatte noch nie solche Freunde wie euch.... Aber.... mir fehlt meine Familie.
Ich weiss... ich muss mich an so was gewöhnen, ich will schliesslich
ein Krieger werden...>
„Es ist schon okay. Ich kann
dich verstehen Kelihm.“
Mereen trat näher an
ihn heran. „Heimweh...ist sehr schlimm. Man fühlt sich verloren. Ich
war auch lange allein.
Naja, Jetzt bin ich es nicht
mehr. Und du bist auch nicht allein.“
Kelihms Lächeln war wieder
von seinem Gesicht verschwunden.
<Wieso warst du allein?
Um dich herum sind doch so viele Menschen.>
„Ja... aber sieh mich doch
an. Ich habe nie zu jemandem gehört.“ Sie senkte die Stimme „Weisst
du, wie mich früher alle Genannt haben? Alien! Nur weil ich ein bisschen
anders bin als sie.“
Kelihm sah auf den Boden.
<Du hast recht. Ich sollte
mich nicht so aufführen. Wie gesagt: Ich habe ja euch. Irgendwann
werde ich meine Familie schon wiedersehen.>
Kelihms Augen waren wieder
trüb und traurig, und er starrte weiterhin auf den Boden.
Mereen war jetzt auch den
Tränen nahe. Es tat ihr weh, Kelihm so traurig zu sehen. Und das ganze
weckte schlimme Erinnerungen in ihr.
„Heimweh zu haben ist vollkommen
in Ordnung...“
Dann tat sie etwas, was sie
noch nie getan hatte, weder bei Marcel noch bei irgendjemand anders: Sie
drückte Kelihm tröstend an sich.
Dieser war reichlich verdutzt.
Dann aber erwiderte er die
Umarmung. Zögernd legte er seine dünnen Arme über Mereens
Schultern und legte seinen Kopf auf ihren.
So standen sie noch eine ganze
Weile.
<Ihr Menschen... ihr habt
sehr viele Gesten die etwas mit Berührung zutun haben. Ich habe nie
gewusst was das Besondere daran sein sollte. Ich glaube jetzt weiss ich
es.>
Die beiden lösten sich
aus der Umarmung und Kelihm sah Mereen wieder einmal direkt in die Augen.
Mereen wusste nicht warum,
aber ihr Herz pochte so schnell, als wenn sie gerade gerannt wäre.
<Hast du... geweint?> fragte
Kelihm plötzlich.
Mereen bemerkte, das sie nun
doch geweint hatte. Hastig wischte sie sich mit der Hand das Gesicht trocken.
„Ist nicht so schlimm. Du
tust mir einfach leid.“
Beide lächelten sich
an.
Es war vollkommen still.
Dann schnappte Mereen nach
Luft. Verlegen kramte sie die Bücher für Kelihm aus der Tasche.
„Ähm... hier... hier
sind die Bücher. Ich denke die beiden Themen werden dich interessieren.“
<Was? Oh... ja...> Kelihms
Gesicht war jetzt wieder so fröhlich wie immer.
Aber auch er war sichtlich
verlegen.
Er schlug das Technikbuch
auf.
Mereen sah ihm beim Lesen
zu. Es wurde heller und die Sterne verblassten vollends.
Ihr Herz hatte sich immer
noch nicht beruhigt.
Das letzte Eis war gebrochen.
Die Kraft des Morphens
Mereen besuchte Kelihm jetzt
noch öfter. Sie wollte auf keinen Fall, dass er sich einsam fühlte.
Aber jetzt schien Kelihm recht glücklich zu sein – jedenfalls immer
wenn sie da war.
Eines Nachts wurde Mereen von
einem sanften Pochen am Fenster geweckt. Die Leuchtschrift ihres Weckers
zeigte an, dass es Punkt Mitternacht war. Doch als sie zum Fenster blickte,
war sie hellwach.
Da sass ein wunderschöner,
sehr grosser Vogel mit goldbraunem Gefieder, riesigen gelben Augen und
einem kurzen, gebogenen schwarzen Schnabel.
„Nanu...“ murmelte sie.
Auch wenn sie diesen Vogel
noch nie gesehen hatte: Sie wusste sofort was das war.
„Wo hat Kelihm denn jetzt
einen Waldkauz her...?“
Leise um Marcel nicht zu wecken,
schlich sie ans Fenster und öffnete es. Lautlos schwebte Kelihm ins
Zimmer.
In den Klauen trug er etwas,
was sich heftig wehrte.
<Hallo Mereen.>
„Kelihm, was machst du hier
um diese Zeit?“ wisperte Mereen „Und wie bist du an diesen Vogel rangekommen?“
<Naja, ich dachte, mein kafit Morph wird mit der Zeit etwas auffällig.
Da hab ich mir den erstbesten Vogel den ich gesehen habe geschnappt.> Er
faltete seine Schwingen zusammen.
<Weisst du.... heute....
heute vor genau einem Monat haben wir uns kennen gelernt.> „Äh...ja.
Aber...“
<Und ich dachte mir....
na ja.... als Dank für deine Freundschaft...>
„Kelihm, das ist selbstverständlich.
Ich bin froh dass ich dich kenne!“
<Ja... aber, ich denke
mir... du weisst schon genug über uns. Und da kannst du auch die kleineren
Geheimnisse kennen.>
Wenn er gekonnt hätte,
hätte Kelihm jetzt ganz tief Luft geholt.
<Ich will dir zeigen, wie
man morpht.>
Mereen starrte ihn an. „Aber
Kelihm....das darfst du doch nicht...“
<Na und? Ich durfte dir
eigentlich auch nichts über uns Andaliten, über unsere Fehler
und über unsere Kriege erzählen. Warum sollen die „Grossen“ denken,
das sie etwas besseres sind als Menschen oder andere Rassen?>
Und dann fügte er verbittert
hinzu: <Und wer weiss, wann ich wieder nach Hause komme...?>
„Kelihm...“ <Ist schon
gut... ähm...kannst du mich vielleicht tragen? Im Treppensteigen bin
ich als Andalit nicht so gut... und dieser Vogel kann nicht gut in geschlossenen
Räumen fliegen.>
Mereen lächelte „Klar“
flüsterte sie „Komm, setzt dich auf meine Schulter.“ <Tja.... das
geht nicht. Ich muss hier was festhalten...>
Mereen seufzte leise. „Okay.
Komm her.“
Mit Kelihm in den Armen schlich
Mereen die Treppe herab.
<Geh zu der Blue Box. Da
morphe ich dann zurück.>
Mereen schauderte es zwar
zu der Blue Box zu gehen, aber das war es allemal wert.
Sie machte sich bereit die
Stimmen zu hören... doch nichts geschah.
War es damals vielleicht doch
Einbildung gewesen? Nein. Das war unmöglich. Es musste etwas mit Kelihm
zu tun haben.
Vorsichtig setzte sie Kelihm
am Boden ab. Sofort begann er zu wachsen, seine Flügel wurden zu Armen,
Seine Klauen zu Hufe und ein zweites Paar Beine spross ihm aus der Brust.
Sein Federschweif wurde zu dem Langen, kräftigen Schwanz mit der Klinge
an ihrem Ende. Sobald er seine Finger zurück hatte, bückte er
sich und hob das Etwas vom Boden auf, das er mitgebracht hatte.
Seine Augen wurden etwas kleiner
und verfärbten sich grün. Die Zusatzaugen an den Stielen sprossen
als letztes hervor. <Gut. Warte, ich öffne den Glaskasten.> Aufgeregt
sah Mereen zu, wie Kelihm mit seiner Klinge das Schloss knackte. Noch nicht
einmal mit einem Schlüssel hätte man das so schnell hinbekommen.
„Aber Kelihm... wir müssen
die Blue Box danach wieder zurück legen... und wir müssen die
Vitrine abschliessen.“ Sagte Mereen, während Kelihm den Kasten öffnete
und langsam mit der Hand hinein langte.
<Ich weiss. Dass ist mir
auch egal, Hauptsache ist, das du morphen kannst.... keine Sicherheitsvorkehrungen?
Nur dieses Schloss?>
Er holte das Kästchen
hervor. Bei seiner Berührung schien es blau aufzuleuchten.
<Gut. Drücke deine
Hand auf die Fläche die gegenüber meiner Hand liegt. Und lass
nicht los bis ich es dir sage.
Versuch dich einfach zu entspannen...>
Mereen legte eine Handfläche
auf das Kästchen. Es war warm. Und es leuchtete noch heller als vorher.
„Kelihm... hast du das schon
mal gemacht?“
<Nö. Aber ich weiss
trotzdem wie es geht. Das haben wir in der Schule gelernt.> er grinste.
Mereen kniff die Lippen zusammen.
Dann schloss sie die Augen... und versucht ruhig zu werden.
In ihrer Hand begann es zu
kribbeln.
Erst schwach, dann immer stärker.
Das Kribbeln breitete sich
über ihren ganzen Körper aus.
Und dann... war es einfach
vorbei.
Mereen öffnete die Augen.
Das Kästchen strahlte weiss.
Und Kelihm lächelte sie
an.
<Fertig. Puh, war doch
anstrengender als ich geglaubt hatte. So, gehen wir raus? Ich habe dir
einen... Probe Morph mitgebracht.>
Das war also in Kelihms Eulenklauen
gewesen.
Er öffnete die andere
Hand. Darin sass ein total verschreckter Vogel. Er war recht gross, aber
man konnte ihn gerade noch in einer Hand halten. Wenn man ihn quetschte.
In einer Menschenhand wäre er harmlos gewesen, aber in Kelihms schwach
Andalitenhände, hatte der Vogel tiefe Risse mit seinem Schnabel und
seinen Klauen gerissen. Es war ein junger Wanderfalke. Sein Gefieder war
mit Kelihms Blut verschmiert.
„Kelihm!“ entfuhr es Mereen
„Warum hast du... du blutest...! Das war doch nicht nötig... oh Kelihm...“
<Nicht so schlimm.> beruhigte
Kelihm sie jedoch <Sobald ich morphe, verschwinden die Wunden, also
kein Grund zur Aufregung. Ich habe den Vogel übrigens auch übernommen,
dann können wir zusammen fliegen.>
Mit der einen Hand legte er
die Blue Box in den Glaskasten zurück, während sich der Vogel
heftig wehrte. Mereen nahm ihn aus Kelihms blutigen Hand und klammerte
den Wanderfalken mit beiden Händen fest. Zum Glück schrie er
nicht. Es fehlte noch, dass das ganze Haus aufwachen würde.
Also Kelihm den Kasten „abgeschlossen“
hatte, sah er Mereen mit seinen Hauptaugen an. <Gehen wir gleich raus?>
Mereen nickte.
Sie gingen ein Stück über
die Wiese.
<Konzentriere dich auf
den Vogel. Stell dir genau vor, wie er aussieht.>
Mereen dachte an das Bündel
Federn in ihrer Hand. An den Schnabel. Die Kopfform. Plötzlich hörte
der Vogel auf sich zu winden. Er wurde schlaff... als wenn er schlafen
würde.
Aber nur für ein paar
Sekunden.
Während Mereen noch vollauf
damit beschäftigt war sich zu wundern, wurde der Vogel wieder munter
und zappelte noch stärker als vorher.
<Gut. Jetzt lass ihn fliegen.>
„Was?“ <Lass ihn fliegen.>
Mereen lies den Vogel los.
Er flatterte kurz, dann schwang er sich hoch....hoch... und dann war er
weg.
<So. Und jetzt konzentriere
dich noch mal auf den Vogel. Ich morphe mit dir, okay?>
Mereen schloss die Augen um
sich nicht von Kelihms Veränderungen ablenken zu lassen.
Sie stellte sich wieder alles
vor... das Gefieder.... das Muster war so hübsch.
Plötzlich spürte
sie, das etwas mit ihrem Körper nicht stimmte.
Sie war leicht.... ganz leicht....
als wenn sei jemand mit Luft aufgepumpt hätte. Jetzt machte sie ihre
Augen doch auf.
Sie fiel! Sie fiel und sie
konnte sich nicht festhalten.
Aber nein.... sie stand mit
beiden Beinen... das was davon übrig war... fest auf dem Boden. Sie
schrumpfte! Der Boden kam rasend näher, und näher, und näher....
Sie rutschte aus ihrem Nachthemd,
das sich wie ein Zelt über sie legte.
Sie sah auf ihre Hand hinab.
Und schrie. Aber aus ihrer Kehle drang zur ein hoher, krächzender
Laut. Sie hatte keinen Mund mehr... sie hatte einen Schnabel!
Auf ihrer Haut bildeten sich
Muster, die dreidimensional wurden und sich in Federn verwandelten.
Ihre Finger wurden lang, dünn....
zu Federn.
Schnell, solange es noch möglich
war, streifte sie das Nachthemd ab.
Ihre nackten Füsse mutierten
zu echten Vogelfüssen mit scharfen Krallen.
Und plötzlich konnte
sie sehen! Sie sah jedes Detail am dunklen Wandrand.
Und dann war die Verwandlung
abgeschlossen.
<Fertig?> fragte sie eine
Stimme. Wer hatte das gesagt? Was bedeutete das Wort „fertig“ eigentlich?
Und was war das für ein
Fremder neben ihr?
Sie schrie wütend auf.
Der Fremde hatte hier nichts verloren! Er sollte verschwinden!
SKRIEEEEE!
Aber der Fremde machte keine
Anstalten zu verschwinden.
Nun gut. Dann würde er
leiden müssen.
Sie hackte auf ihn ein.
<Mereen! Hör auf!
Ich bin es! Kelihm!>
Kelihm? Was war das? Moment....
<Erinnere dich! Übernimm
die Kontrolle! Ich bin es! Kelihm! KELIHM!>
Ja... Kelihm...
Und sie war...Mereen...ein
Mensch.... und Kelihm war kein Fremder....
<Wehr dich, Mereen, wehr
dich! Du musst das Tier besiegen! Übernimm die Kontrolle!>
<Ah!> Es war als wäre
eine unglaubliche Last von Mereen gefallen.
Sie konnte wieder klar denken.
<Oh Kelihm, es tut mir
leid....> sagte sie in Gedankensprache. <Ist nicht so schlimm. Du musst
nur lernen, wie man richtig damit umgeht. In deinem Kopf existieren beim
Morphen zwei Wesen: Du selber....und das Tier. Achte immer darauf das du
stärker sein musst. Sonst könnte es passieren....das du dich
verlierst.>
Das klang gar nicht schön.
Das Morphen war faszinierend
gewesen als man nur zugesehen hatte.
Aber jetzt konnte Mereen es
selber. Und das war noch faszinierender.
<So. Komm jetzt. Fliegen
ist herrlich.>
Mereen spreizte die Flügel.
Dann fiel ihr etwas ein.
<Kelihm, ich bin noch nie
geflogen. Woher soll ich wissen wie es geht? Ich meine....mehr als Flügelschlagen...
kann ich noch gar nicht.>
<Kein Problem. Der Vogel
wird dir sagen, was du tun musst. „Frag`“ ihn einfach.>
Mereen dachte nach und merkte
plötzlich, dass der Vogel in ihrem Kopf wusste was zu tun war.
Mereen lies sich einfach in
Gedanken fallen. Sie lies den Wanderfalken ihren Körper animieren.
Aber sie sagte ihm, wo sie
hinwollte.
Und plötzlich....stieg
sie in die Luft.
Sie sah, das Kelihm neben
ihr her flatterte.
Gemeinsam stiegen sie immer
höher.
Es war ein wunderbares Gefühl.
Bald waren sie so hoch, das
Mereen glaubte sie könnte die Wolken berühren.
<WOW!!!!! DAS IST SUPER!
Schau mal, da unten ist das Waisenhaus!!!!>
Mit ihren Augen konnte Mereen
sogar in die Fenster hineinspähen.
<Oh Kelihm... das ist so....
so...>
<.... Oberaffen geil?>
<Wa.... Kelihm! Woher kennst
du denn diesen Ausdruck?>
<Hat jemand in dein Geschichtsbuch
reingeschrieben.>
Beide lachten.
Während sie so dahinschwebten,
erzählten sie sich noch alles Mögliche.
<Wollen wir mal Sturzflug
ausprobieren?> fragte Kelihm plötzlich.
<Ähm.... klar...>
Mereen dachte kurz nach.
Dann sagte sie ihrem Vogelgehirn:
„Sturzflug“.
Das Tier winkelte seine Flügel
an, kippte nach Vorne...
<WAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHH!!!!!!!>
Sie schoss nach unten, wie
eine Gewehrkugel. Alles flog verschwommen an ihr vorbei.
Sie konnte nur Kelihm sehen,
der an ihrer Seite ebenfalls herabfiel.
Der Boden kam näher.....
immer näher....
<HOCHHOCHHOCHHOCHHOOOOOOOCH!!!!!!>
schrie Mereen jetzt.
Knapp vor dem Aufprall, breitete
der Vogel seine Schwingen aus.... und Mereen schoss wieder nach oben.
<Uff! Mann.... das war
hart...>
Kelihm lachte.
<Dieser Vogel ist unglaublich
schnell. Wunderbar mit ihm zu fliegen.>
Plötzlich spürte
Mereen Gefahr. Nicht der Vogel signalisierte es. Sonden sie. Sie allein.
<Kelihm.... ich weiss nicht
warum.... aber ich glaube wir sollte zurück... und dann demorphen...>
Kelihm stutzte. Dann war er
plötzlich total aufgeregt.
<Oh Gott! Schnell zurück!
Wir haben nur noch fünf Minuten zum zurückmorphen! Gut das du
mich daran erinnerst....>
So schnell sie konnten, flogen
die beiden zurück.
<Schnell... nur noch zwei
Minuten....>
Da unten auf der Wiese lag
Mereens Nachthemd.
Sie landeten direkt daneben.
Kelihm morphte zurück.
Er war schneller fertig als Mereen.
Doch als sich bei ihr die
Federn zurück in Haut verwandelten....
„Kelihm! Würdest du mal
bitte die Augen zumachen? Alle vier meine ich?“
<Warum?>
„Darum! JETZT MACH SCHON!!!!“
Kelihm zuckte mit den Schultern
und tat dann wie ihm geheissen.
Als Mereen fertig zurückgemorpht
hatte, zog sie sich schnell ihr Nachthemd über den Kopf.
„Okay.... du darfst wieder
gucken.....“
Kelihm öffnete die Augen.
<Was war denn?>
„Erinnerst du dich noch daran....
als du das erste Mal in einen Menschen gemorpht hast?“
<Ja natürlich>
„Siehst du, ich habe auch
nicht hingeguckt. Uns Menschen ist es peinlich jemand anders... unbekleidet
zu sehen....“
Kelihm sah sie an. Dann lachte
er.
<Versteh schon. Zieh vor
dem Morphen etwas engeres an, und konzentriere dich beim demorphen auch
auf dieses Kleidungsstück. Dann braucht dir so was nicht mehr peinlich
zu sein.>
Dann machte er ein nachdenkliches
Gesicht.
<Sag mal.... woher hast
du eigentlich gewusst, dass wir demorphen müssen?>
Mereen schüttelte den
Kopf
„Kelihm.... ich habe keine
Ahnung....“
Dann verabschiedete sie sich....
Und ging langsam zurück
zum Waisenhaus....
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