Die Entführung - Teil 1
by Tia



Der Jeep fuhr durch die staubige Wüste. Es bewegte sich kein dürres Gras und nur der durch den Jeep aufgewirbelte Sand setzte sich hinter ihm. Um ihn herum gab es nichts als Staub, verdorrte Gräser, Sonne und Himmel. Der Jeep holperte mit 70 Meilen pro Stunde über die Strasse und nahm keine Rücksicht auf die wenigen, kleinen Nager, die es wagten, sich auf der Strasse niederzulassen. Hätte jemand den Wagen beobachtet, hätte er ohne Zweifel feststellen können, dass die Insassen auf der Flucht waren. Es waren zwei Männer und eine Frau, zwei schuldig, der eine ein hilfloses Opfer in einer Reihe von blöden Zufällen. Tom Penn, gelernter Computertechniker, jetzt Computerspezialist in einer Firma für aussergewöhnliche Fälle, lag gefesselt auf dem Hintersitz und versuchte, wenn er bei Bewusstsein war, meistens vergeblich den Kopf von der Wand fernzuhalten. Seine ..., nicht gerade Entführer, eher seine vorläufigen Gastgeber waren in eine laute Diskussion verwickelt, die trotz der Schleiers, der Toms Kopf umgab, von ihm gehört wurde.
"Wir hätten ihn liegenlassen sollen. Wenn du weiter so schnell fährst, wird er sterben und dann kommen wir wegen Mord ins Gefängnis."
Während den letzten Stunden hatte Tom ziemlich viel Blut wegen einer Schusswunde verloren und das Holpern trug nicht dazu bei, dass die Wunde heilen konnte.
"Er hat unsere Gesichter gesehen und hätte uns sofort an die Polizei verpfiffen. Wir konnten ihn nicht einfach liegenlassen."
Tom hatte diese Diskussion schon ein paar Mal gehört und immer endete sie mit dem gleichen: Der Mann hielt den Wagen an, die Frau stieg aus und kam erst nach einer gewissen Zeit wieder zurück. Während dessen wechselte der Mann seinen Verband um die Schulter, in dem er eine Decke zerriss. Er gab ihm etwas zu trinken und setzte sich dann wieder ans Steuer, um auf die Frau zu warten. Wenn sie dann wieder kam, fuhren sie schweigend weiter. Auch diesmal hielt der Mann wieder abrupt, aber die Frau stieg nicht aus.
"Wir können nicht immer anhalten und unsere Wut alleine unter Kontrolle bringen. Wir müssen uns einmal überlegen, ob wir verfolgt werden. Wenn ja, dann haben sie schon recht aufholen können. Ausserdem wird es bald Nacht und wir müssen uns etwas zum Übernachten suchen."
Der Mann blieb still. Scheinbar hatte er seine Gefühle nicht so gut unter Kontrolle wie die Frau.
"Hör' zu, wir können ihn nicht noch länger mitnehmen. Spätestens wenn wir irgendwo in einem Motel sind, wird jemand Fragen stellen. Alle werden erkennen, dass er einen Arzt braucht. Ausserdem wird er sich wahrscheinlich sowieso nicht erinnern. Er hat vermutlich eine Gehirnerschütterung. Wir müssen ihn nur irgendwo abladen, und dann sind wir in los."
Tom stöhnte. Wollten sie ihn etwa einfach hier in der Wüste liegenlassen? Das konnten sie doch nicht tun. Er musste sie davon überzeugen, dass er sie noch erkennen würde. Aber konnte er das? Er wusste ja nicht einmal mehr, warum er eigentlich hier war. Doch, er erinnerte sich noch an etwas. Er war an einer Tankstelle gewesen. Um zu tanken und etwa zu essen, bevor er eine weitere Strecke durch die Wüste ohne Halt fahren wollte. Er hatte getankt und wollte dann etwas essen gehen. Was war dann passiert? Hatte er etwas essen können? An seinem knurrenden Bauch stellte er fest, dass das nicht der Fall gewesen war.
In diesem Fall, dachte Tom, müssen sie gekommen sein.
Plötzlich sah er alles wieder ganz genau vor sich. Mit Pistolen zielten sie auf ihn und verlangten vom Kassierer das Geld in der Kasse. Tom hatte einmal der Highway - Patrol gearbeitet und wollte jetzt trotzt des Schockes, den er von der an seine Schläfe gedrückte Pistole hatte, nicht zulassen, dass diese Tankstelle ausgeraubt wurde. Irgendwie schaffte er es, sich zu befreien. Doch sie hatten das Geld schon in Empfang genommen und rannten weg. Er rannte ihnen nach und erwischte den Mann. Es gelang ihm, die Maske wegzureissen. Er schaute in zwei dunkle, vor Wut glitzernde Augen. Der andere, nein, die andere rief, er solle sich beeilen. Scheinbar bemerkte sie gar nicht, dass ihr Freund in einen Kampf verwickelt war. Ein Schuss fiel, fast keinen Augenblick danach einen grossen Schmerz. Der Mann hatte sein Herz nur knapp verfehlt und die Kugel drang in seine Schulter. Doch er hatte das Gesicht gesehen. Dunkle Augen, schwarze, lange Haare und rostbraune Haut. Die Frau hatte den Schuss gehört und war zurückgeeilt. Sie hatte ihre Maske abgezogen, was sehr unvorsichtig von ihr war, und beugte sich über ihren Partner. Es war noch unvorsichtiger, sich ebenfalls über ihn zu beugen. Jetzt konnte er auch ihr Gesicht sehen. Sie hatte kurz geschnittene, braune Haare, die sie vermutlich braun gefärbt hatte, denn sie hatte hellblaue Augen und blonde Augenbrauen.
"Verdammt, er hat uns gesehen, wir müssen ihn mitnehmen", knurrte der Mann und nahm Toms unverletzten Arm. Er zog ihn schnell zu einem Jeep und legte ihn auf den Rücksitz. Dort verlor Tom das Bewusstsein.
Jetzt war er gerade zum x-ten Mal wieder aufgewacht und lauschte einer neuen, ungewohnten Diskussion.
"Auch wenn er eine Gehirnerschütterung hat erinnert er sich sicher noch an uns", protestierte der Mann.
Die Frau warf einen Blick über die Schulter auf Tom. Seine halb geöffneten Augen starrten in ein verschwommenes Gesicht. Sofort wandte sie sich wieder ab, um ihm keine Gelegenheit zu geben, sich ihr Gesicht einzuprägen, falls er es wirklich vergessen hätte.
"Er ist wach. Vermutlich hat er alles gehört, was wir gesagt haben." Sie zog sich ihre Maske wieder an und drehte sich erneut zu ihm um.
"Na, was meinen Sie, Mister? Sollen wir Sie einfach abladen oder wollen Sie uns noch eine Weile Gesellschaft leisten?"
Tom versuchte etwas zu sagen, aber er konnte es nicht. Er schloss die Augen, was die Frau anzunehmen brachte, dass er das Bewusstsein wieder verloren hatte.
"Er hat ... braune Augen und ... schwarze Haare ... Indianer", flüsterte Tom plötzlich gerade so laut, dass sie es hören konnten.
Der Mann war unterdessen wieder angefahren, stoppte den Mann aber schnell wieder.
"Was hat er gesagt?" fragte die Frau, obwohl sie genau verstanden hatte, was Tom gesagt hat.
"Dass ich ein Indianer bin", antwortet der Mann.
Tom schloss wieder die Augen. Wenn sie ihn jetzt nur nicht töteten. Er brauchte Hilfe, die er in der Wüste bestimmt nicht bekam.
"Wenn er sich nicht erinnert hätte, wäre er nicht mehr lange in diesem Wagen gelegen", sagte die Frau mehr zu sich selbst und fragte dann Tom, ohne ihn anzusehen: "Und wie sehe ich aus, Mister?"
Tom hatte schon wieder halb das Bewusstsein verloren, zwang sich jetzt aber, sich zu erinnern und zu sprechen.
"Braune Haare ... gefärbt ... blaue Au ..."
Die Frau lehnte sich wieder zu ihm, ohne Maske und flüsterte beschwörend: "Falls wir Sie tatsächlich irgendwo abladen sollten, wo Sie Hilfe bekommen, werden Sie schweigen, verstanden? Kein Wort über uns oder was passiert ist!"
Tom war nicht sicher, ob er verstanden hatte. Dass er nichts über sie sagten sollte, war ihm klar, aber warum nichts, über das, was geschehen war? Der Tankwart hatte sowieso schon längst die Polizei alarmiert.
"Warum haben Sie ... solche Angst ge ... geschnappt zu werden? ... bekommen doch ... nur eine Geld ... strafe?"
Die Frau lachte. "Glauben Sie, wir haben das zum ersten Mal gemacht? Wir werden in acht Staaten von Amerika und in drei ausländischen Ländern gesucht."
Nun sah die Sache auch für Tom ganz anders aus. In elf Nationen gesucht!
"Warum?" fragte er gepresst. Er war unterdessen so wach, dass er den Schmerz seiner Wunde wieder spürte, sehr gut spürte sogar.
Die Frau lachte wieder. "Warum? Nun, wegen unerlaubten Waffenbesitzes, Raubüberfall, Einbruch und solchen Sachen. Vielleicht denken Sie jetzt, dass man wegen solchen Dingen nicht gesucht wird, jedenfalls nicht so fest, aber wissen Sie, wenn man es genug macht, sehen die Polizisten ihre Ehre verletzt, weil sie uns nicht geschnappt haben, und machen die Verfolgung zu einer persönlichen Rache."
Tom verstand die Leute nicht, die Raubüberfälle machten oder mordeten. Was hatte es für einen Sinn, wenn man nachher im Gefängnis sass oder immer auf der Flucht war, bei jedem Polizisten, der in Sicht kam, sofort nach einem Versteck suchen musste?
"Halt mal hier an. Wir müssen besprechen, was wir jetzt machen werden", meint die Frau zum Indianer. Er lenkte den Wagen an den Strassenrand und stellte den Motor ab.
"Klar ist jetzt schon, dass wir ihn nirgendwo einfach abladen können, wo er nicht stirbt. Entweder müssen wir ihn töten und wir haben, wenn es die Polizei herausfindet, einen Mord am Hals, oder er kommt weiter mit und stirbt dann vermutlich auch, weil er keine Hilfe bekommt. Natürlich können wir in auch in ein Krankenhaus bringen und hoffen, dass er schweigt, was er aber vermutlich nicht tut."
Die Frau sah den Mann fragend an. Er warf einen kurzen Blick auf Tom.
"Wir haben noch nie jemanden umgebracht und ich will jetzt auch nicht damit anfangen", meinte er dann schliesslich.
"Willst du ihn dann immer mitnehmen, so dass er sowieso auch stirbt oder willst du das Risiko eingehen, dass er uns verrät?" fragte die in einem sehr gefühllosen Ton.
Sie wäre bestimmt bereit, mich umzubringen, kam es Tom in den Sinn, bevor er erneut das Bewusstsein verlor.
Der Mann mustert ihn eingehend, bis er schliesslich nachdenklich sagte: "Ich glaube, ich habe ihn schon einmal gesehen."
Die Frau musterte Tom auch und suchte in ihrem Gedächtnis nach seinem Gesicht.
"Ist er ein Polizist?
"Ich habe keine Ahnung, aber ich bin mir fast sicher, dass ich ihn kenne. Er kommt mir bekannt vor, sehr sogar." Er schüttelte schulterzuckend den Kopf.
"Wir können ihn nicht mitnehmen. Also müssen wir ihn zu einem Arzt bringen", entschied schliesslich die Frau. Sofort startete der Indianer das Auto und fuhr ins nächste Dorf hinein, von dem sie schon die Lichter gesehen hatten. Die Sonne war schon fast untergegangen und die Strassenlampen erhellten die Strassen. Sie fuhren langsam durch die Hauptstrasse, in der Hoffnung, dass sie irgendwo eine Klinik entdeckten.
 

Tatsächlich fanden sie ziemlich schnell ein Krankenhaus und riefen einem Arzt zu, der gerade hineingehen wollte.
"Warten Sie, Mister, wir haben einen Verletzen im Auto!' rief die Frau und öffnete die Tür zum Hintersitz. Der Arzt winkte sofort zwei Pfleger mit einer Barre herbei und half, Tom aus dem Wagen zu nehmen.
"Was haben Sie denn mit dem gemacht?" fragte er, nachdem er Toms blutiges Hemd gesehen hatte.
"Wir haben ihn am Strassenrand aufgelesen", antwortete die Frau schnell, dem Mann einen Seitenblick zuwerfend. Er kam mit einem 'Rollbett' zurück und zog Tom mit dem Mann zusammen heraus.
"Hat schon ziemlich viel Blut verloren, der arme Teufel. Hatte Glück, dass es kein guter Schütze war, sonst wäre er vermutlich tot."
Obwohl die Bemerkung über den Schützen eigentlich nicht komisch war, grinste die Frau ihren 'Partner' an. Der Doktor rollte das Bett in das Krankenhaus und rief ein paar Schwestern und andere Ärzte zusammen, die sich um Tom kümmerten.
"Wir müssen sofort operieren."
Die Ärzte nickten und zogen sich ihre sterilen Kleider an.
"Sie können warten, wenn Sie wollen, aber bleiben Sie bitte draussen. Das Krankenhaus ist sowieso schon überfüllt."
Sie nickten und setzten sich in ihrem Wagen.
"Was machen wir jetzt?" fragte der Mann. Er fuhr einem Krankenwagen aus dem Weg, der gerade kam.
"Wir können ihn sicher nicht gleich wieder mitnehmen, jetzt schon gar nicht mehr, nachdem du dem Arzt diese Geschichte erzählt hast."
Die Frau schnaubte und starrte auf die andere Seite des Wagens.
"Was hättest du ihm denn erzählt? Dass er dich aufhalten wollte, als du mit gestohlenem Geld abhauen wolltest? Dass es aber reine Notwehr war?"
Der Mann schwieg.
"Also komm, wir müssen sowieso etwas zum Übernachten suchen. Warum nicht gleich hier?"
Der Indianer startete den Motor und fuhr zum nächsten Motel.
 

In ihrem Zimmer meinte die Frau: "Auf jeden Fall muss er mitkommen. Er weiss viel zu viel."
Der Mann trug ihre Gepäcktaschen ins Zimmer und fragte: "Wie willst du das machen? Der Arzt hat unsere Gesichter ebenfalls gesehen."
Sie zuckte mit den Schultern. "Der Arzt weiss ja nicht, dass wir es sind, wenn wir unseren jungen Freund entführen."
Er sah sie fassungslos an. "Du hast doch selbst gesagt, dass wir es bei den Überfällen lassen. Willst du unbedingt auch noch wegen Entführung sitzen?"
Die Frau schüttelte mit dem Kopf. "Wenn wir wegen Entführung sitzen, dann tun wir das schon lange. Wir haben ihn bis hierher mitgenommen, und wir haben ihn vor etwa 300 Meilen aufgegabelt. Nennst du das keine Entführung?"
Sie schwiegen eine Weile, bis der Indianer schliesslich sagte: "Wenn wir jetzt weiterfahren, sind wir am morgen schon weit weg. Es spielt dann keine Rolle mehr, ob er redet oder nicht. Die Polizei hat unsere Phantombilder sowieso schon und wegen einem Überfall mehr, den man uns anhängen kann, werden wir auch nicht sterben."
Jetzt starrt sie ihn fassungslos an.
"Du meinst, wir sollen ihn einfach hier lassen, damit er gleich zur Polizei rennt? Dann können wir uns ja gleich selbst stellen."
"Bis er aufwacht geht es mindestens bis morgen früh."
Sie seufzte. Warum sollten sie es nicht tun? Die Polizei kannte sie, hatte wahrscheinlich auch schon ihren letzten Überfall auf ihr Konto geschoben. Eine Zeugenaussage mehr oder weniger spielte keine Rolle.
"Okay, gehen wir."
Der Mann nickte und trug die Taschen wieder zum Jeep zurück. Sie fuhren schnell aus dem Dorf und in die Wüste zur nächsten Stadt.
 

"Wie geht es Ihnen?" fragte der Arzt.
Tom hatte die Augen halb geöffnet und blinzelte in das Gesicht des Mannes über ihm.
"Was ist ... passiert?" fragte er flüsternd.
"Eine Frau und ein Mann haben Sie hier abgeladen und gesagt, sie hätten Sie am Strassenrand aufgelesen. Sie haben eine Wunde an der linken Schulter."
Am Strassenrand aufgelesen? Was hatte er am Strassenrand zu suchen? Ein stechender Schmerz brachte alle Erinnerungen zurück. Der Überfall. Der Schuss. Die Reise im holprigen Wagen. Aber warum hatten sie ihn hier gelassen? Hatten sie keine Angst mehr, geschnappt zu werden?
"Wo ... sind sie?"
Der Arzt zuckte mit den Schultern.
"Vermutlich haben sie sich irgendwo eine Unterkunft für die Nacht gesucht und sind jetzt weitergefahren."
War denn jetzt schon morgen? Gerade eben war er noch im Wagen gewesen und die Frau fragte ihn, was er wolle. Wollten sie ihn hier lassen? Hatten sie nicht gesagt, dass sie ihn mitnehmen wollten?
"Wie lange ... muss ich hier ... bleiben?"
Wieder zuckte der Arzt mit den Schultern.
"Sie haben ausser der Schusswunde noch eine leichte Gehirnerschütterung. Wenn diese gut heilt, kann man Sie schon in ein paar Tagen entlassen."
Tom schloss die Augen. Ein paar Tage. Er musste seiner Firma sagen, was passiert war, dass er nicht kommen konnte.
"In meiner Tasche ... man muss meine Firma ... anrufen."
Der Arzt nickt beruhigend.
"Ich habe Ihrer Firma bereits telephoniert. Sie wollte einen jemanden schicken, um Sie abzuholen. Ich denke, er wird jetzt dann bald hier sein."
Erleichtert atmete Tom auf. Sie würden ihn abholen. Er würde sich zu Hause erholen können.
"Eines würde mich aber noch interessieren, Mr. Penn; Wer hat Sie angeschossen? Wissen Sie das?"
Seine Erleichterung verflog. Sie hatten ihn angeschossen. Wegen ein paar hundert Dollar.
"Die, die mich .. gebracht haben", antwortete er ohne grosses Zögern.
"Ich wusste, dass etwas mit denen nicht stimmte. Aber schlafen Sie jetzt wieder. Wenn Sie aufwachen, sind Sie vielleicht schon wieder fast gesund."
Er schloss die Tür zu Toms Zimmer. Tom versuchte, sich zu entspannen. Er würde nicht mehr mit diesen Verbrechern mitfahren müssen. Nie mehr. Die Gedanken an sie zu verdrängen war schwierig für Tom, denn er wusste nur zu gut, dass er, sobald er wieder arbeiten konnte, Nachforschungen über diese beiden machen wird. Er musste wissen, wer sie waren, sonst würde er lange keine Ruhe haben. Leider war seine Neugier nicht immer gut gewesen.
Als er noch bei der Highway - Patrol arbeitete, musste er ja eigentlich nur auf die Autos achten, die etwas machten, was sie eigentlich nicht durften, aber einmal, nein sogar zweimal fiel im ein Wagen auf, der von ihm aus gesehen Schmuggelware transportierte. Als er in der Nacht dann mit dem Computer nach der Autonummer suchte, wurde er vom scharfen Sicherheitssystem entdeckt und sein Chef musste ihn verwarnen, kontrollierte die Schmuggler aber nicht.
Als er Tom feuerte, wurde diesem bewusst, dass er nicht weiter in einem Beruf arbeiten konnte, in dem nicht einmal seine Vorgesetzten ihren Job richtig erledigten. Er nahm einen Job bei einer Firma an, die die Sicherheitssysteme anderer Firmen und Banken, manchmal auch Privatbenützer überprüfte. Er musste dabei diese Sicherheitssysteme abschalten, ohne selbst bemerkt zu werden und so konnten sie feststellen, wie gut die geheimen Informationen geschützt waren.
 

Ein lautes Geräusch holte ihn aus seinem Schlaf. Er kannte es gut. Er war schon viele Male von einem Helikopter abgeholt worden, aber dieses Mal hatte er es nicht erwartet.
Mehrere Männer kamen herein, darunter der Arzt, der ihn behandelte. Sie verschoben ihn wieder in ein Rollbett, das hinaus zum Helikopter geschafft wurde. Er spürte die Gegenluft nicht, aber die Pfleger scheinbar ziemlich gut. Sie hatten Mühe, ihn in den Helikopter zu schaffen.
Aber schliesslich war er dann drin und spürte das vertraute Vibrieren.
"Wie geht es Ihnen, Tom?" fragte eine leise Stimme.
Tom hatte plötzlich eine Art Kopfhörer an, und konnte den Mann über ihm erkennen, der ebenfalls ein solcher Kopfhörer anhatte. Der Mann war sein Chef.
Er ist persönlich hierher gekommen, um mich abzuholen? Das macht der doch sonst nie bei Angestellten.
"Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht. Sie hatten versprochen, am Nachmittag anzurufen und ich weiss, dass Sie immer pünktlich sind," fuhr der Chef weiter, "Als ich dann endlich den Anruf dieses Arztes bekam, wollte ich schon fast die Polizei informieren."
Tom muss innerlich lächeln. Typisch Chef. Er machte sich immer Sorgen. Aber diesmal hatte er recht gehabt. Auch wenn Tom es nicht zugeben wollte, wusste er, dass er der beste Mann für diesen Job war. Niemand konnte besser die Systeme knacken. Jedenfalls war ihm bis jetzt noch niemand begegnet, der es besser konnte.
So legte auch sein Chef grossen Wert um ihn und sorgte sich, als wäre er sein Kind, dass dauernd Unfug machte. Allerdings brachte das auch gewisse Vorteile. Man konnte sozusagen alles machen, zu dem man Lust hatte, und der Chef stimmte zu, da er damit drohend konnte, er würde gehen und einen anderen Job suchen.
Bis jetzt hatte er das noch nicht viele Male gemacht, aber ein paar Mal musste er es tun.
"Ich habe ein paar gute Neuigkeiten für Sie. Wir haben weitere Angebote von Firmen bekommen, die wollen, dass Sie ihre Sicherheit testen. Dazu noch eine Privatangelegenheit. Um die sollen Sie sich zuerst kümmern. Es wird auch gut bezahlt."
Der Mann lachte laut.
"Aber was rede ich denn da. Ich vergesse immer wieder, dass Sie krank sind und dass Sie Erholung brauchen. Sie werden dann nachher genug unter Druck gesetzt, wenn Sie wieder gesund sind."
Tom sah das verschwommene Lächeln seines Chefs. Dann verschwand das Gesicht und ging vermutlich ins Cockpit.
Er versuchte, wieder einzuschlafen, aber er schaffte es bei dem Lärm einfach nicht. Er war schon so viele Male in diesem Helikopter, so dass er manchmal glaubte, den Lärm gar nicht mehr zu hören, aber jetzt schaffte er es nicht, wie bei anderen Flügen zu schlafen. Vermutlich lag es daran, dass er noch nie liegend und verletzt geflogen war.
 

Er wachte in einem grossen, hellen Zimmer auf. Niemand ausser ihm war da, obwohl es noch mehrere Betten hatte. Er spürte nur noch ein leichtes Surren in der Schulter. Langsam hob er seinen gesunden Arm mit der gesunden Hand, an der ein merkwürdiges Ding angemacht war und hob damit die Decke auf, um aufzustehen. Sofort spürte er eine weitere Bewusstlosigkeit auf sich zukommen.
Scheinbar merkte das nicht nur er, sondern auch der Apparat, an den er angeschlossen war. Er piepste laut auf und gleich darauf kamen mehrere Personen in weissen Kitteln herein und untersuchten ihn.
"Versuchen Sie nicht wieder, aufzustehen. Sie sind zu schwach und haben zu viel Blut verloren", befahl ihm einer der Personen.
Tom sank seufzend zurück und liess sich wieder zudecken. Er schloss wieder die Augen.
 

"Wir sind sehr zufrieden mit Ihnen. Ich glaube, wir können Sie mit gutem Gewissen entlassen."
Der Arzt lächelte Tom freundlich zu und überliess ihn dann seinem Chef. Dieser rollte ihn vorsichtig mit seinem Rollstuhl über die glatten Steine hinweg zu einer wartenden Limousine.
Seit zwei Tagen war er an diesen Rollstuhl gefesselt, den ersten musste er im Bett bleiben. Tom war eher ein sportlicher Typ, der es nicht haben konnte, wenn man immer nur liegen oder sitzen konnte. Nur vor dem Computer konnte er stundenlang sitzen.
Aber jetzt war er dann bald befreit. Sobald er zu Hause war, konnte er wieder das tun, was er wollte.
Er schob sich vorsichtig in die Limousine hinein. Dort war es angenehm kühl, im Gegensatz zu der Wärme draussen.
"Wollen Sie etwas trinken?" fragte der Chef, nachdem er ebenfalls eingestiegen war.
"Sie wissen doch, dass ich nicht trinke", antwortete Tom.
Der Mann nickte erinnernd.
"Wissen Sie, als Sie nicht angerufen haben, habe ich mir ein paar von diesen Dingern gegönnt. Es war ein richtiger Schock für mich. Sie wissen, dass Sie der beste Mann sind, den wir haben könnten. Ich glaube, ich bin auch jetzt noch nicht ganz über den Schock hinweg."
Tom seufzte leise.
"Sie sollten weniger trinken, Chef, das ist weder gut für Ihren Körper noch für Ihren Geist."
Er nickte und meinte, einen Schluck trinkend: "Ich weiss. Das ist auch der letzte für die nächste Zeit. Schliesslich müssen wir uns dann wieder um das Geschäft kümmern."
Er lächelte freundlich und stellte den Rest zurück. Tom lächelte zurück.
"So gefallen Sie mir besser, Chef."
"Sir, wo wollen Sie hin?" fragte der Fahrer.
Der Chef sah ihn fragend an. Tom zuckte mit den Schultern.
"Am besten nach Hause."
Sein Chef musterte ihn. Verwirrt sah Tom zurück und fragte: "Was ist denn?"
"Wie viele Computer haben Sie zu Hause?"
Tom seufzte. Der Chef wusste immer, was er vorhatte.
"Was soll ich denn sonst tun, wenn ich mit dieser blöden Schlinge herumlaufen muss? Alles, was ich damit machen kann, ist die Maus bedienen."
Er hob den Arm so gut es ging, und streckte ihn dem Chef entgegen.
"Hat der Arzt nicht gesagt, dass Sie sich noch schonen müssen?"
"Sie wollen doch genauso wie ich, dass ich so schnell wie möglich wieder arbeite, Chef", erwiderte Tom ungerührt.
"Schon, aber nicht, wenn Ihre Gesundheit auf dem Spiel steht."
Tom schüttelte lächelnd den Kopf.
"Ich bin gesund, Chef, vollkommen gesund. Ich habe nur noch ein Loch in der Schulter, aber das wird mich nicht umbringen."
"Wenn Sie so erpicht darauf sind, wieder zu arbeiten, kann ich Ihnen ja gleich die Unterlagen geben."
Er erhob sich aus seinem Sessel und langte nach vorne zum Fahrer, wo vier Akten lagen. Er nahm sie und streckte sie dann Tom entgegen.
"Die oberste ist die Privatangelegenheit. Um die müssen Sie sich zuerst kümmern. Am Telefon sagte sie, ihr Leben stehe auf dem Spiel, wenn sie nicht wüsste, wie gut ihre Informationen geschützt sind."
"'Sie' sagte?" fragte Tom erstaunt zurück.
"Ja, ich glaube, sie heisst, warten Sie mal, sie heisst ... Benett, Angela Benett"
Tom sah ihn erstaunt an.
"Benett? Ist sie mit Jack Benett verwandt?
"Sie ist seine Tochter."
Verwirrt grinsend lehnte er sich zurück und lachte dann laut.
"Warum will sie, dass wir ihre Sicherheit testen?"
Der Chef schüttelte den Kopf.
"Sie will nicht, dass wir ihre Sicherheit testen, sondern dass Sie das tun."
Sein Lachen hörte abrupt auf.
"Hat sie das gesagt?"
Sein Chef lächelte nickend, aber er war genauso verwirrt wie Tom.
"Das verstehe ich nicht. Warum will sie, dass ich das mache? Klar, ich hätte es sowieso gemacht, aber warum sagt sie das persönlich?"
Der Chef hob unwissend die Hände.
"Ich weiss nur, wie sie ganz klar und deutlich gesagt hat, dass sie Sie will und keinen anderen, aber ..."
"Aber was?"
"Ich habe den Verdacht, dass diese Angela einfach einen ihrer kleinen Eroberungszügen macht. Ausserdem hat sie Sie für heute Abend zum Abendessen bei ihr eingeladen."
Wieder war Tom verwirrt.
"Was macht sie? Was meinen Sie damit? Einen ihrer Eroberungszügen?"
"Sie wissen genau, was ich meine. Auch wenn ich schon ein alter Mann bin, weiss ich doch noch, was die Frauen wollen. Sie wollen nämlich gut aussehende Männer, die ein bisschen Grips im Kopf haben. Und ich habe das Gefühl, dass Miss Benett ganz besonders auf Asiaten steht."
Tom Penn war Japaner. Wollte Angela etwa nur ihn, weil sie ein Verhältnis mit ihm wollte? Oder wollte sie ihn nur als kleines Abenteuer, damit sie wieder einmal jemanden gehabt hat?
"Wollen Sie damit sagen, dass sie mich nur will, weil ich Japaner bin?
"Und weil Sie gut aussehen und etwas Grips im Kopf haben. Und dass Sie sind nicht verheiratet sind oder eine feste Freundin haben, was Sie sich aber endlich langsam zu tun sollten, ist vermutlich ein weiterer Grund."
Tom lachte wieder.
"Das glauben Sie doch selbst nicht. Sie hat mich ja noch gar nie gesehen."
Der Chef musste passen.
"Vielleicht hat sie das Foto von Ihnen gesehen, dass einmal in der Zeitung war, als Sie diese Hacker entdeckt haben."
"Aber dieses Foto ist uralt. Darauf erkenne ich mich ja nicht einmal selbst!"
Der Fahrer hielt an und öffnete ihnen die Tür. Ein bisschen schwach auf den Beinen stieg Tom aus und machte ein paar Schritte.
"Auch wenn das Foto alt war, man sieht doch genau, wie Sie aussehen. Ausserdem könnte sie Sie einmal bei der Arbeit zu gesehen haben. Sie wissen doch, einmal war sie bei uns in der Firma, im Auftrag ihres Vaters."
Tom erinnerte sich daran, aber er glaubte nicht, dass sie ihn da gesehen hatte.
"Schon, aber da war ich in einem anderen Raum als sie. Ich war nur einmal kurz herein gekommen, um etwas abzugeben und da hat sie mich nicht einmal beachtet."
"Haben Sie schon einmal von der unauffälligen Musterungen der Frauen gehört? Sie könnte Sie also gesehen haben, ohne den Blick von etwas anderem zu nehmen. Ausserdem ist Angela Benett reich. Es wäre kein Problem für sie gewesen, einen Privatdetektiv anzuheuern.“
Sein Chef hatte recht. Sie konnte ihn gut gesehen haben. Aber warum ausgerechnet er? Warum wollte sie mit ihm zu Abend essen?
"Ich weiss, dass Sie nicht gerne mit anderen Menschen zusammen sind, aber gehen Sie mit ihr essen, Tom. Wenn Sie es nicht tun, zieht sie den Auftrag vielleicht wieder zurück und wird der Presse erzählen, was für eine Scheissfirma wir doch sind und so. Sie wird kein gutes Haar mehr an uns lassen."
Tom seufzte und nahm die Akten in Empfang, die der Chef ihm entgegenstreckte.
"Okay, ich gehe mit ihr essen. Aber ich habe das Recht sie abzuwehren, wenn sie zu aufdringlich wird, oder?"
Der Chef nickte und lachte dann.
"Ich schicke Ihnen Frank, damit er Sie zu Miss Benett bringt. Um sieben ist er hier, einverstanden?
Tom nickte und hob kurz die Hand zum Abschied.
Er schloss die Tür zu seinem Haus auf und ging hinein. Die Akten legte er auf einen Tisch und untersuchte zuerst seinen Kühlschrank nach etwas anständigem zu essen. Im Krankenhaus hatte er immer nur dieses nahrhafte, gesunde Zeug bekommen, dass ihm jetzt langsam zum Hals heraushing.
Er nahm sich ein Stück Schokolade und ging damit zu seinem Computer. Er stellte ihn an und besah sich dann die Akte von Angela Benett. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, vier Jahre älter als Tom. Ihre Information waren zum Teil vom Geschäft ihres Vaters und zum Teil persönliche Eintragungen, die um keinen Preis in falsche Hände fallen durften, wie sie es ausdrückte. Wenn sie es doch tun sollten, wäre ihr Leben zerstört.
Tom seufzte, als er es gelesen hatte. Diese Frau hatte Angst um ein paar persönliche Informationen, die, wie er zwar verstehen konnte, vielleicht für sie viel Wert hatten, für jeden anderen jedoch nichts als vielleicht eine komische Lektüre waren.
Er setzte sich vor seinen Computer und begann nach neuen Informationen zu suchen, die seit dem letzten Mal, als er in diesem Programm war, hinzugekommen war.
Eigentlich sollte er ja schon beginnen, die Sicherheitssysteme dieser Frau zu überprüfen, aber er wollte noch warten, um Angela kennenzulernen. Vielleicht war ihm die Frau so unsympathisch, dass er den Job nicht mehr machen wollte.
Die meisten der Kunden der Firma kannte er nicht, höchstens vom Namen her und von Bildern, aber nie persönlich. Darum ist es auch noch nie vorgekommen, dass er jemanden nicht helfen wollte. Aber bei dieser Frau hatte er ein ziemlich komisches Gefühl, vielleicht weil sie eine der wenigen Frauen war, die die Firma anrief, um persönliche Informationen zu testen, und bis jetzt die einzige von diesen war, die ihn zum Essen einlud. Viele von den Kunden der Firma wollten gar nicht wissen, wer ihren Auftrag erledigte; sie wollten nur das Ergebnis sehen. Die wenigen, die fragten, hörten seinen Namen, speicherten in einer Ecke ihres Gehirns und vergassen ihn nach ein paar Tagen wieder.
Er selbst hatte ein ausgezeichnetes Gedächtnis für Namen und Gesichter, so dass er genau wusste, wie Angela Benett aussah. Sie hatte viele Aufträge ihres Vaters erledigt und war viel in der Zeitung gekommen. Auch im Internet waren schon Bilder von ihr gekommen. Auch wenn Tom es lieber hätte, wenn Angela eine nicht gerade hässliche, aber auch keine hübsche Frau wäre, so dass sie keine Chance hatte, dass er sich in sie verliebte, war sie eine mehr als hübsche Frau. Ihr Gesicht hatte feine Linien und keine Falten. Die Haut musste aus Porzellan sein, aber sie konnte recht streng und hart aussehen.
Erneut seufzte Tom, als er sah, dass nicht viele neue Informationen da waren. Er konnte nicht zu spät zu seiner Verabredung kommen, und als Ausrede bringen, dass er noch etwas wichtiges zu lesen hatte. Manchmal hatte er das bei Geschäftsessen gemacht, die in einem grossen, noblen Restaurant stattgefunden hatten. Er war nicht gerne unter Menschen.
Aber bei diesem Essen hätte er es lieber, wenn andere Leute auch noch da wären. Er wollte nicht mit dieser Frau zusammen sein, die vermutlich alles bekam, was sie wollte, ob das jetzt eine Sache war, oder ein Mensch.
Das Telefon läutete. Abwesend nahm Tom den Hörer ab, während er weiterlas.
"Ja?"
"Ich wollte Sie nur noch einmal daran erinnern, dass Sie jetzt dann eine Verabredung haben. Ziehen Sie sich etwas anständiges an."
Tom seufzte. Sein Chef war fast eine Art Mutter für ihn und er schien das auch sein zu wollen.
"Ach, Sie sind es Chef. Ich weiss, dass ich eine Verabredung habe, und ich werde auch etwas anständiges anziehen."
"Vergessen Sie das nur nicht. Wenn Miss Benett den Auftrag zurückzieht, wird unsere Firma gestorben sein, dass können Sie mir glauben."
Tom nickt, obwohl der Chef das nicht sehen kann.
"Am besten, Sie fangen jetzt schon an, Ihren Computer auszuschalten, da ich weiss, wie lange Sie dafür brauchen. In einer halben Stunde kommt Frank."
Er legte den Hörer wieder auf, während Tom ihn immer noch in den Händen hielt. In einer halben Stunde? War es schon so spät?
Er legte auf und sah auf die Uhr. Tatsächlich, halb sieben. Er seufzte und las den Text fertig. Sein Chef hatte tatsächlich recht, ihn zu ermahnen, jetzt dann abzustellen. Er fand immer wieder etwas, dass er noch lesen wollte und brauchte lange, bis er den Computer abgestellt hat.
Als er ihn dann endlich abgestellt hatte, waren zwanzig Minuten vergangen, und da er wusste, dass Frank immer pünktlich war, musste er sich beeilen.
Er stellte sich schnell unter die Dusche und versuchte seine Schulter nicht anzusehen. Er konnte keine Wunden sehen, egal ob an sich oder an jemandem anders. Er suchte sich einen Anzug aus, die er sich einmal zu tun musste, und zog ihn nicht gerade begeistert an. Er hasste diese Kleider. Man konnte sich in ihnen nicht richtig bewegen. Irgendwie wurde er in ihnen eingeschränkt, wie in einem Gefängnis.
Die Haustürglocke läutete pünktlich um sieben, gerade als Tom fertig war. Er hatte seine schwarzen, zu einer 'Kaffeetassen' - Frisur geschnittenen Haare getrocknet und gekämmt und sich sogar noch rasiert, was er sonst nur tat, wenn er aus dem Haus ging, was ziemlich wenig vorkam. Vielleicht zwei oder dreimal in der Woche. Sein Arm war noch immer in einer Schlinge.
Er machte die Tür auf und ging zu Frank, der wieder neben dem Wagen wartete.
"Guten Abend, Sir", begrüsste er Tom.
Tom nickte ihm zu und stieg ein.
Während er zum Anwesen von Angela Benett für, merkte er, wie er immer weiter in ein Gebiet kam, das den besseren Leuten gehörte. Die Gärten waren gepflegt, kein einziges Unkraut wuchs, die Strassen waren sauber und niemand schien es zu wagen, sein Auto einfach auf das Trottoir zu stellen.
"Wir sind da, Sir. Wann soll ich Sie wieder abholen?" fragte Frank, als er ihm die Tür geöffnet hatte.
Tom hatte keine Ahnung, wie lange Miss Benett die Verabredung machen wollte, darum sagte er: "Ich rufe Sie an, wenn ich wieder gehen will, in Ordnung?"
Frank nickte und stieg wieder ins Auto.
Tom stand vor einer grossen Tür, die wie alle anderen Türen in der Gegend aus gutem Eichenholz war und in makellosem Zustand war. Er läutete schweren Herzens und wartete. Ein Mann und einer Butlerkleidung machte auf und lächelte freundlich.
"Ah, Mr. Penn! Miss Benett freut sich sehr auf Sie. Kommen Sie doch gleich mit. Sie wartet bereits im Esszimmer."
Tom nickt mit einem versuchten Lächeln. Sie freut sich sehr auf ihn. Was bedeutet das?, geht es Tom durch den Kopf.
Er folgte wortlos dem Butler, der in durch die riesige Eingangshalle führte. Er konnte sich ein beeindrucktes Pfeifen nicht verkneifen.
Sein Führer öffnete eine fast so grosse Tür wie die Eingangstür und machte ein Zeichen, dass er hinein gehen solle.
Langsam ging Tom hinein. Wieder pfiff er erstaunt. Dieser Raum war noch grösser als der andere, aber wesentlich moderner eingerichtet. In der Mitte war ein grosser Tisch, schon gedeckt, und an der Wand eine breite Couch.
"Ich freue mich, dass Sie kommen konnten, Mr. Penn", sagte plötzlich eine süsse Frauenstimme.
Angela kam vom anderen Ende des Zimmers, wo es auch noch eine Tür hatte. Sie hatte ein schwarzes, recht kurzes Kleid an, mit einem weiten Ausschnitt. Tom schluckte und lächelte dann freundlich.
"Ich freue mich, dass Sie mich eingeladen haben", antwortete er.
Angela hatte ein zauberhaftes Lächeln. Ihre weissen Zähne schienen im Licht zu blitzen und ihre dunkelbraunen, fast schwarzen, leicht gewellten Haare hingen ihr offen über die Schultern. Sie war noch hübscher als sie auf den Bildern ausgesehen hatte.
Sie gab Tom die Hand und zeigte dann an den Tisch.
"Setzen Sie sich doch."
Tom nickte und schob Angela den Stuhl zurecht, damit sie zuerst absitzen konnte. Dann setzte er sich ihr gegenüber hin.
"Wie geht es Ihrer Schulter?" fragte sie leicht besorgt.
"Es geht, danke. Es ist nicht mehr so schlimm."
Sie lächelte erfreut und fuhr dann fort: "Ich habe gehört, dass Sie Lebensgefahr waren, als die Verbrecher Sie beim Krankenhaus abgeliefert haben."
"Da wissen Sie mehr als ich."
Angela musterte ihn verwirrt.
"Was meinen Sie damit?"
"Mir hat nie jemand gesagt, dass ich in Lebensgefahr war. Ich höre es von Ihnen das erste Mal."
"Oh, das wusste ich nicht. Aber Sie müssen das doch gespürt haben, dass Sie nicht okay sind."
Tom lächelte und fragte: "Waren Sie schon einmal bewusstlos, Miss Benett?"
Sie schüttelte den Kopf. "Nennen Sie mich Angela."
Er nickte und sagte dann: "Wenn man bewusstlos ist, scheint es so, als wäre man nicht mehr da. Man träumt nicht oder so etwas. Man verliert einfach das Bewusstsein, wacht wieder auf und hat das Gefühl, dass keine Sekunde vergangen ist."
"Haben Sie denn keine Schmerzen gefühlt? Ich meine, Sie hatten doch eine Kugel in Ihrer Schulter."
Tom zuckt unsicher mit den Schultern. Er wollte sich eigentlich nicht daran erinnern, aber er konnte nicht einfach sagen, dass sie still sein soll.
"Ich war selten so wach, dass ich etwas fühlen konnte. Und wenn, dann war es nicht schlimm. Richtig schlimm wurde es erst, als ich wieder auf dem Weg zur Besserung war."
Sie nickte nachdenklich. Vermutlich überlegte sie sich, wie es war, entführt zu werden, oder angeschossen zu sein.
"Wissen Sie, warum Sie entführt wurden?"
Tom lächelte leicht und antworte: "Ich wurde nicht entführt. Die Verbrecher hätten mich nie mitgenommen, wenn ich nicht ihre Gesichter gesehen hätte. Sie waren sozusagen gezwungen, mich mitzunehmen, damit ich sie nicht verrate."
Scheinbar sah dass die Frau nicht ganz ein.
"Warum haben sie Sie dann wieder gehen lassen? Warum haben sie Sie nicht einfach ganz erschossen?"
"Bis jetzt hatten sie immer nur Überfälle gemacht, und noch nie jemanden umgebracht. Ich habe das Gefühl, dass sie mich nicht umbringen wollten, weil sie nicht noch mehr angehängt haben wollten."
"Aber warum liessen sie Sie gehen?" fragte sie noch einmal.
"Ich bin nicht sicher. Entweder erschossen sie mich, oder nahmen mich mit, dann wäre ich auch gestorben. Also mussten sie mich zu einem Arzt bringen. Das haben sie getan, aber ich weiss nicht, warum sie mich dann nicht mehr mitgenommen haben. Als ich aufgewacht bin, sagte mir der Arzt, dass sie vermutlich schon wieder weitergefahren sind."
Ein paar Angestellte brachten als Vorspeise ein Suppe.
Sie fragte ihn noch ein bisschen weiter nach seiner Entführung aus, bis die Hauptspeise kam.
"Darf ich Sie einmal etwas fragen?"
Angela nickte.
"Warum wollen Sie unbedingt, dass ich ihre Sicherheitssysteme teste? Und warum haben Sie mich jetzt zum Essen eingeladen?"
Sie lächelte.
"Sie müssen wissen, dass ich Sie für sehr qualifiziert halte und Sie kennenlernen wollte. Schliesslich muss ich doch wissen, wer vielleicht meine privaten Sachen liest, oder?"
Sie sah ihm mit einem fragenden Blick an, den manche Kinder auch haben, aber er war viel fragender, viel ... süsser, begehrenswerter.
"Ich würde Ihre Sachen nicht lesen, wenn ich durchkäme", antwortete Tom.
Er hatte noch nie den Vorteil genutzt, den er hatte, wenn er durch die Systeme kam.
"Bis jetzt haben Sie das vielleicht nicht getan, aber wer weiss, ob Sie es nicht doch einmal tun würden."
Sie stand auf und kam auf seine Seite. Sein Blick ging ihr nach und als sie sich auf dem Stuhl neben ihm niederliess, spürte er, dass er ihr nicht widerstehen können würde, wenn sie ihn wollte. Er lehnte sich ein bisschen zurück, damit er nicht zu nah bei ihr war.
"Wissen Sie, Tom, als ich Sie zum ersten Mal auf diesem Foto in der Zeitung sah, wusste ich, dass ich Sie einmal kennenlernen würde. Und jetzt werde ich Sie kennenlernen."
Sie kam näher und strich mit ihren Hände über seine Brust und unter seinen Anzug. Ihre Lippen suchten sein Gesicht.
Tom war sich nicht gewöhnt im Umgang mit Frauen, darum umklammerte er ihre Hände und drückte sie von sich weg und stand auf, bevor er nicht mehr zurück konnte.
"Bitte, hören Sie damit auf. Ich möchte das nicht, okay?“ fragt er schroffer, als eigentlich vorgesehen.
Doch sie liess sich nicht beeindrucken und drückte sich an ihn. Ihre Arme umklammerten seinen Hals. Er spürte ihren Atem im Gesicht, einen warmen, frischen Atem, der reizend an seinen Hals blies.
"Aber warum denn? Gefällt es Ihnen nicht? Oder haben Sie eine Freundin?"
Tom wollte schon nicken, aber er wusste, dass sie es merken würde, wenn er log. Wieder versuchte er ihre Hände wegzunehmen, aber sie drückte sich um so mehr an ihn. Ihre Lippen drückten sich an seine und bevor er sich wehren konnten, untersuchte ihre Zunge schon seinen Mund.
Plötzlich drückte er sie von sich weg.
"Hören Sie sofort auf", sagte er leise, aber drohend, "Ich werde jetzt meinen Fahrer anrufen, und Sie werden mich in Ruhe lassen, klar?"
Sie schien alles verstanden zu haben, aber sie lächelte noch mehr und kam wieder näher.
"Das Telefon ist tot, Tom, genauso wie die Türen verschlossen und alle anderen aus dem Haus sind."
Verwirrt versuchte Tom die Türen zu öffnen, doch sie gingen nicht auf. Er drehte sich wieder um und spürte eine Angst aufsteigen, eine Angst, dass er sich nicht mehr kontrollieren konnte. Entweder würde er ihr weh tun, oder er würde es nachher bereuen.
"Öffnen Sie sofort die Tür. Sie können mich nicht einfach so hier festhalten."
"Doch das kann ich. Erinnerst du dich nicht? Mein Vater ist Jack Benett, die berühmteste und beliebteste Persönlichkeit in dieser Stadt."
Er atmete schneller, als sie wieder auf ihn zu kam. Er hatte keine Chance, um die Tür aufzumachen, und wenn Angela recht hatte, würde auch niemand ihn hören.
"Ich habe dich immer bewundert, seit ich dich kenne. Niemand kann so mit Computern umgehen wie du."
Er versuchte, vor ihr zurückzuweichen. Ihr Lächeln würde breiter.
Tom war kein Schlägertyp. Wenn jemand mit ihm kämpfen wollte, konnte er sicher sein, dass er auch gewinnt. Tom hätte nicht einmal eine Frau so schlagen können, dass sie das Bewusstsein verlor, nicht nur, weil er es nicht wollte.
Er wich also vor ihr zurück, und kam dann schliesslich zur grossen Couch an der Wand des Zimmers. Doch sie war keine Couch mehr, sondern ein richtiges Bett.
"Tom, was hast du denn? Willst du dich nicht wenigstens verabschieden, bevor zu gehst?"
Er spürte plötzlich einen Schlag gegen den Kopf. Es schien ihm, als würde alles explodierte und in Funken aufgehen. Dann wurde alles schwarz.
 

Tom wachte mit wahnsinnigen Kopfschmerzen auf. Er stöhnte und wollte seinen Kopf untersuchen, als er merkte, dass er sein Hände nicht bewegen konnte. Das heisst, er konnte sie bewegen, aber sie waren gefesselt. Er lag auf dem Bett und seine Hände waren an dem Geländer gefesselt, das über oder hinter ihm an der Wand war. Auch sein verletzter Arm war so gegen oben, und er spürte, wie er schmerzte.
Entsetzt erinnerte er sich wieder, was passiert war und sah sich, die Kopfschmerzen vergessend, um.
Angela sass neben ihm, hatte nur noch ihre Unterwäsche an und lächelte ihn freundlich an.
"Wie geht es dir?" fragt sie wieder mit ihrer süsser Stimme.
Er sah sich weiter um und jetzt bekam er Angst, richtige Angst. Diese Frau war verrückt, sie war zu allem fähig. Sie würde ihn umbringen, wenn er nicht machte, was sie wollte. Und er konnte nichts gegen sie tun. Er konnte seine Arme nicht benutzen und wenn er seinen Körper bewegte, schmerzte die Schulter noch mehr.
"Was .. was wollen Sie von mir?" fragte er und versuchte, seine Angst zu verbergen.
Sie lächelte weiter und antwortete: "Ich wollte schon immer ein Kind, aber ich habe bis jetzt nie den richtigen Mann gefunden. Jetzt habe ich dich getroffen und bin mir sicher, dass du der richtige Mann, der richtige Vater für mein Kind bist."
Er verstand sie sehr gut, aber irgendwie verstand er es trotzdem nicht. Er sollte was machen? Ihr ein Kind geben, weil sie ihn für den Richtigen hielt?
"Was meinen Sie damit?" fragte er schliesslich, während er versuchte, seine Hände aus den Fesseln zu nehmen, was ihm allerdings nicht gelang. Im Gegenteil, er hatte das Gefühl, als werden sie immer enger und beginnen zu brennen.
"Ich will ein Kind von dir. Eines, dem ich erzählen kann, was für einen guten Vater es hat und nicht irgendein Penner."
Sie lehnte sich über ihn und erst jetzt merkte er, dass er total nackt war.
Angela setzte sich auf seinen Bauch und beugte sich zu ihm herunter. Ihre Zunge drang wieder in seinen Mund ein und ging dann weiter den Hals entlang hinab. Er wollte sich wehren, wollte sie am liebsten anschreien und schlagen, am besten totschlagen, aber was hatte es für einen Sinn? Wenn sie tot war, wie konnte er dann frei kommen?
Ihre Beine bewegten sich zwischen seinen, ihre Hände streichelten seine Brust und ihr Gesicht war immer nah beim ihm. Er konnte nicht verhindern, dass er erregt wurde. Er schlief nicht so viel mit Frauen, um sich unter Kontrolle zu haben.
"Na, mein Liebling, wie gefällt es dir? Ich kann dir noch mehr geben, wenn du es willst."
Ihre Stimme klang leise an seinem Ohr.
Es gefiel ihm, er konnte nichts dagegen machen. Sie hatte ihre Erfahrungen mit Männer gemacht und wusste, was sie wollten. Er spürte ihre sanften Fingerspitzen über seine Brust streichen, den Rippen entlang, immer und immer wieder. Er atmete noch schneller, aber nicht, weil er Angst hatte. Im Gegenteil, er wusste, dass sie ihm nichts machen würde, weil er nicht verhindern konnte, dass er ihr ein Kind gibt. Sie wusste das genauso gut wie er.
Sie drückte ihre Beine mehr an ihn und bewegte ihre Hüfte gegen seine gedrückt. Tom schloss die Augen, versuchte sich zu kontrollieren. Was passierte, wenn er sie wirklich schwängerte? Wenn sie ein Kind bekam, ein Kind von ihm? Er hatte nie vorgehabt mit vierundzwanzig Jahren Vater zu werden, auch wenn es wahrscheinlich dann nicht seines war, nicht wirklich.
Sie ging mit ihren Küssen langsam ein bisschen weiter hinunter auf seine Brust. Sie hatte ihre Unterwäsche ausgezogen und war jetzt ebenfalls nackt. Tom sah ihre strammen Brüste, ihren wunderschönen Körper. Sie schien kein Pfund zu viel zu haben, aber auch nicht zu wenig. Sie hatte genau die richtige Figur. Eine Frau, die jeder Mann haben wollte.
Sie rutschte noch ein bisschen weiter hinab und berührte mit den gleichen sanften Händen sein Glied.
Seine Schulter war vergessen. Er spürte noch sanfte Hände, sein eigenes Herzklopfen und wenn Angela sich an ihn drückte auch ihr Herz. Er hörte ihren und seinen Atem, und spürte das Verlangen, über ihre Lippen zu streichen, ihre Brüste zu berühren, ihren ganzen Körper als sein Eigentum betrachten zu können.
"Mach' mich los, Angela", flüsterte er. Sie kam wieder hoch und küsste ihn. Er konnte nicht verhindern, dass seine Zunge sich ihn ihrem Mund verirrte.
"Was machst du, wenn ich dich losbinde?" fragte sie zurück, während sie weiter seinen Mund erforschte.
Er konnte ihr nicht antworten, aber irgendwie schien sie ihn trotzdem zu verstehen und fischte die Schlüssel für die Handschellen vom kleinen Tisch neben dem Bett und schloss sie auf.
Er bewegte seinen verletzte Schulter langsam. Sie legte sich wieder auf ihn und seine Hände fanden automatisch den Weg zu ihren Brüsten. Er rieb sie und drehte sich dann plötzlich um, damit sie unter ihm lang. Er umkreiste mit seiner Zunge ihre Brustwarzen, lutschte an ihnen, während ihre Hände langsam über seinen Rücken kurvten.
Sein Bewusstsein rief ihm immer wieder zu, dass er aufhören solle, aber er konnte nicht. Diese Frau machte ihn total verrückt. Er konnte nicht anders, als auch sie verrückt zu machen.
Als er in sie eindrang, war er schon fast beim Höhepunkt, aber sie verstand es, ihn noch höher hinauf zu bringen. Sie bewegte sich schlangenartig unter ihm und drückte ihre Beine wie ein Schlinge um seine Hüfte.
Er verfluchte seinen Körper, die Frau, mit der er mit Vergnügen schlief und seinen Chef, der ihn überhaupt dazu gebracht hat, zu dieser Verabredung zu gehen. Er konnte nur hoffen, dass er sie nicht schwängerte, dass er oder sie gar keine Kinder bekommen konnten, oder dass es einfach nicht funktionierte. Er wollte kein Kind, auf keinen Fall. Er hatte Kinder noch nie richtig gemocht, konnte ihr Schreien nicht hören und sich nicht vorstellen, dass er einmal eines von ihnen mit Vergnügen wickelte.
Er stöhnte laut auf, als er sich nicht mehr halten konnte und endlich zum Höhepunkt kam. Er hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper explodierte, explodierte in einem farbigen Licht, einem unbeschreiblichen Gefühl.
Angela hatte ihre Fingernägel in seinen Rücken gebohrt. Er spürte den Schmerz zusammen mit dem seiner Schulter, empfand es aber gegen seinen Willen nicht als allzu schlimm. Im Gegenteil, es gab ihm eine weitere Farbe, ein weiteres Gefühl.
Er hatte sich schneller unter Kontrolle als er sie verloren hatte und konnte wieder klar denken. Wenn er Pech hatte, wurde er in neun Monaten Vater. Wenn nicht ... Vermutlich würde sie ihn dann noch einmal verführen. Er stürzte sich schwach aus dem Bett und suchte seine Kleider. Sie lagen auf dem Stuhl, auf dem er vorhin gesessen hatte.
"Wohin willst du denn, Tom?" fragte plötzlich wieder diese süsse Stimme, die er inzwischen zu hassen gelernt hatte.
"Ich lehne Ihren Auftrag ab, Miss Benett. Suchen Sie sich einen anderen, der Ihre Systeme überprüft, wenn Sie überhaupt das wollten."
Er zog sich an und versuchte dann, die Tür zu öffnen. Sie war offen. Ohne sich noch einmal umzudrehen ging er hinaus und suchte im Flur nach einem Telefon. Auch das ging. Schnell rief er Frank an, und sagte ihm, dass er ihn sofort holen solle.
Seine Schritte tönten laut in der grossen Halle und als er die Haustür aufmachte, hörte er hinter sich Angela rufen, dass er warten solle.
"Warte doch, Tom! Was hast du denn? Willst du etwa schon gehen?" lächelte sie ihn an. Sie hatte einen blauen Bademantel an und wollte sich an ihn drücken.
"Hör' auf! Hör auf! Hör' auf! Lass mich in Ruhe, hörst du? Du sollst mich in Ruhe lassen!" Er ging die Stufen der Eingangstür hinab und wartete dort ungeduldig auf Frank. Er wusste, dass Angela immer noch in der Tür stand, aber er drehte sich nicht um. Er wollte ihr keine Gelegenheit geben, ihn noch einmal zu verführen.
"Bleib' doch noch eine Weile, Tom. Es hat dir doch auch gefallen. Ich habe dir doch gar nichts getan!"
"Nichts getan? Du hast mir nichts getan? Wollte ich mit dir schlafen? Will ich Vater werden? Du hast mich nie gefragt, was ich will, nur, was du willst."
Sie kommt wieder ein paar Stufen herunter und lächelt: "Wenn ich ein Kind von dir bekomme, wirst du nicht merken, dass es von dir ist. Ich werde es alleine erziehen und es wird seinen Vater nie kennenlernen. Für dich war diese Nacht nur ein kleines Vergnügen."
Tom schüttelte schnaubend den Kopf. Ein kleines Vergnügen! Zuerst wäre er fast gestorben vor Angst und jetzt wollte er mehr. Nannte sie das ein kleines Vergnügen?
"Wenn ich könnte, würde ich dich verklagen, wegen Körperverletzung und Vergewaltigung, aber wer wird mir das glauben? Ich habe keinen Vater, hinter dessen Rücken ich mich verstecken könnte, wenn du mich wegen Verleumdung zurück verklagst. Ausserdem wäre das nicht gut für die Firma."
Er sah die Lichter eines Wagens näher kommen und atmete erleichtert auf.
Angela ging zur Tür zurück und meinte: "Ich werde dich nicht verklagen und ich werde der Firma nicht schaden. Ich habe es ja so gewollt, und wenn du mich verklagst, werde ich alles bezahlen, was du verlangst."
"Was bringt mir Geld? Ich habe genug Geld, um gut davon leben zu können. Ich will nur, dass du das Kind sofort abtreibst, wenn du eines hast. Ausserdem will ich dich nie wieder sehen. Nie wieder!"
Sie lächelte wieder und flüsterte mit ihrer verführerischen Stimme: "Hast du Angst, dass ich dich wieder verführen werde und du dich nicht wehren kannst? Oder hasst du mich wirklich, weil ich dir den besten Sex gegeben habe, den du jemals gehabt hast oder haben wirst?"
Tom antwortete nicht mehr, sondern stieg nur in den Wagen.
"Keine Fragen!" sagte er sofort zu Frank, der ihn vermutlich fragen wollte, warum er so lange hatte. Tatsächlich war es bereits fünf vor zwölf Uhr nachts.
Er sah Angela hinter der Tür wartend, wie sie ihm zu lächelte, obwohl sie ihn durch die abgedunkelten Seiten gar nicht sehen konnte.
Er schloss die Augen, verfluchte sich zum x-ten Mal und wünschte, er könne alles rückgängig machen. Er war schon immer in privaten Sachen ein rechter Pessimist gewesen. Diesmal war es nicht anders. Er konnte sich einfach nicht einreden, dass man nicht immer schwanger wurde, wenn man mit jemandem schlief. Vielleicht war sie nicht schwanger. Es könnte doch sein.
"Sir, wünschen Sie, dass ich Mr. Mitchell sage, Sie wären um elf Uhr wieder zu Hause gewesen? Dass Sie sich den Kopf am Wagendach verletzt haben, als Sie ausstiegen?" fragte Frank, als sie bei Tom zu Hause ankamen.
Tom musste fast ein bisschen Lächeln. Frank war der beste Beobachter, den man finden konnte und er konnte ebenfalls perfekt lügen.
"Danke, Frank. Sagen Sie dem Chef das. Er macht sich sonst nur unnötige Sorgen."
Er lächelte ihm zu und stieg dann aus. Während Frank wieder wegfuhr, blieb er stehen und sah ihm nach.
Die Nacht war sternklar; er konnte Frank lange sehen. Obwohl seine Augen auf die Rücklichter der Limousine gerichtet war, sah er nicht eigentlich darauf. Er sah viel mehr die Szenen der vergangenen Nacht vor sich. Diese Frau, in ihrer reizenden Unterwäsche, wie sie sich über ihn beugte. Ihre Lippen, wie sie sich leicht öffneten und so weich aussahen, dass jeder sich wünschen würde, diese Lippen zu berühren, zu küssen und nie mehr loszulassen.
Er schloss für einen Augenblick die Augen und schüttelte den Kopf, wie um einen bösen Traum abzuschütteln, und sah, als er die Augen wieder öffnete, dass Frank schon lange verschwunden war. Er seufzte und ging in seine Wohnung.
Sie war leer wie immer, nur seine Computer leisteten ihm Gesellschaft. Fast spürte er eine Sehnsucht nach der leisen, süssen Stimme von Angela, die mit ihrem Wispern die Wohnung zum Leben erwecken könnte.
Wieder schüttelte er den Kopf. Er durfte nicht mehr an sie denken, vor allem nicht solche Gedanken. Er musste sich ganz auf seine Aufgaben vorbereiten, die ihn morgen erwarteten. Die anderen Tests, die ihm der Chef noch gegeben hatte.
Langsam öffnete er sein Hemd, dass er sowieso nur halb geschlossen hatte und wieder erinnerte er sich. Er bemerkte es gar nicht, bis er gegen den Tisch stiess, der plötzlich im Weg stand. Fluchend rieb er sich sein Bein, obwohl er eigentlich dankbar war, dass er gegen den Tisch stiess, da er so von seinen Gedanken abkam.
Er hörte die Kirchenglocke einmal schlagen. Ein Uhr nachts. Und am morgen musste er zum Chef, um ihm klarzumachen, dass er den Auftrag ablehnte. Eilend zog er sich aus und legte sich auf sein Bett. Seine Glieder waren so, als wären sie gar nicht da, und sein Kopf schmerzte. Er legte sich einen Eisbeutel darauf und konzentrierte sich ganz darauf. Er musste dafür sorgen, dass morgen keine grosse Beule mehr da war, da Mr. Mitchell sonst die Geschichte mit dem Wagendach nicht glauben würde.
 
 

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