Der Wecker klingelte laut neben
Toms Ohr und er schreckte auf. Sofort durchfuhr ein Stich seinen Kopf,
so dass er stöhnend zurück sank. Doch er stand trotzdem auf,
da das Bett ziemlich nass war, weil der Eisbeutel unterdessen geschmolzen
war. Aber er hatte seine Wirkung getan. Eine leichte Erhöhung war
noch an seinem Hinterkopf zu spüren, aber keine grosse.
Während er sich schnell
anzog - er musste keinen Anzug mit Krawatte und schönen schwarzen
Lackschuhen anziehen, sondern konnte mit Jeans, Hemd und Footballjacke
gehen - suchte er nach den Akten, die er gestern abend irgendwo abgelegt
hatte. Zwischen drin stellte er auch noch die Kaffeemaschine an. Plötzlich
fand er sie und klemmte sie zwischen die Zähne, um die Turnschuhe
binden zu können. Rasch stürzte er den Kaffee herunter, verliess
das Haus und ging zu Fuss zur Firma, da sie sich fast neben seiner Wohnung
befand.
"Ah, da sind Sie ja, Tom.
Ich wollte Sie gerade anrufen. Es ist jemand hier, der Sie sprechen möchte."
Tom kam im Büro an, wo
ihm der Chef gleich die Hand schüttelte und weiterführte.
"Wer?" fragte er voll schlimmer
Vorahnungen.
Der Chef antwortete, auf einen
Mann in Anzug zeigend, der sich gerade mit ein paar anderen Männern
aus der Abteilung unterhielt: "Ein gewisser Eric Foster. Er kommt vom CIA."
Erstaunt über diese verhältnismässig
gute Nachricht fragt er zurück: "Vom CIA? Was will denn der hier?
Habe ich etwas angestellt, während ich im Koma lag?"
"Das fragen Sie ihn lieber
selbst."
Der Chef lächelte ihm
zu und ging dann wieder zurück in sein Büro. Der Mann von der
CIA hatte Tom bereits entdeckt und kam jetzt auf ihn zu. Tom nickte ihn
in an einen der Tische, die an den Wänden entlang standen.
"Special-Agent Eric Foster,
CIA", stellte er sich vor und hielt ihm seinen Ausweis vor die Nase, "Ich
wollte Sie wegen ihrer Entführung befragen."
"Aber das hat doch schon einer
getan. Als ich im Spital lag, kam dauernd einer, der mich alles gefragt
hat, was es zu fragen gab."
Der Mann lächelte mit
dem Lächeln eines Mannes, der wusste, dass er das sagen würde.
"Das weiss ich, Mr. Penn,
aber ich würde Ihnen trotzdem gerne noch ein paar Fragen stellen."
"Was bekomme ich dafür?"
fragte Tom und testete die Reaktionen bei einer schnellen Antwort.
"Wenn Sie Pech haben werden
Sie von der Presse bestürmt, von der Sie bisher verschont blieben."
Der Agent hatte schnelle Antworten,
schien es aber überhaupt nicht komisch zu finden.
"Danke, dann verzichte ich
auf die Befragung."
"Können Sie sich erinnern,
wie ihre Entführer aussahen?"
Tom seufzte. Agenten, egal
welcher Art, verstanden einfach keinen Spass.
"Ich habe sie dem anderen
genau beschrieben."
Foster hielt ihm zwei Fotos
hin.
"Sind es diese beiden?"
Die Fotos zeigten genau seine
Entführer. Vermutlich war das Foto schon älter, den sie zeigten
die Entführer in einem jüngeren Stadium ihrer Existenz, aber
sie waren es. Tom war sich sicher.
"Ja, das sind sie", antwortete
er.
Plötzlich glaubte er
sich zu erinnern, dass er den Mann schon einmal gesehen hatte. Irgendwo,
als er noch viel jünger war. Vielleicht etwa sechzehn, vielleicht
auch siebzehn. Wo war das gewesen? War es noch zu Hause bei seinen Eltern?
Oder schon, als er seine erste eigene Wohnung hatte? Wo hatte er diesen
Mann gesehen? Er musste sich doch erinnern können.
"... und Michael Gordon",
beendete Foster gerade seinen Satz.
"Entschuldigen Sie, was haben
Sie gesagt?"
"Ich habe gesagt, dass die
Frau Jennifer Sheen und der Mann Michael Gordon heissen."
Wo hatte er Gordon gekannt?
Warum kam ihm dieses junge Gesicht so bekannt vor? Wo war das bloss?
"Geht es Ihnen gut, Mr. Penn?
Sie sehen aus, als würden Sie gleich zusammen brechen."
"Nein, nein, es geht mir gut.
Es ist nur ..."
Der Agent sah ihn fragend
an.
"Es ist nur, dass ich das
Gefühl habe, dass ich Michael Gordon kenne. Ich habe nur keine Ahnung,
wo. Vermutlich war ich damals etwa sechzehn oder siebzehn. Es muss ...
Tut mir leid, ich kann mich einfach nicht erinnern."
Er hatte seinen Brauen zusammen
gezogen und starrte vor sich auf seine Hände, als würden sie
es ihm verraten.
"Schon in Ordnung. Rufen Sie
uns einfach an, wenn Sie sich wieder erinnern. Eigentlich bin ich wegen
etwas anderem gekommen."
Tom riss sich von seinen Überlegungen
los und sah den Agent wieder an.
"Wir wollten Sie um Hilfe
bitten."
"Sie wollten mich um Hilfe
bitten? Habe ich das richtig verstanden? Was wollen Sie denn?"
"Wir haben gehört, dass
Sie meistens die Aufträge Ihrer Firma erledigen; die, die die Sicherheitssysteme
andere Leute angeht."
"Das ist richtig, aber was
hat das mit meiner Entführung zu tun?"
Der Mann zögerte zum
ersten Mal, seit Tom mit ihm sprach und zeigte deutliches Unbehagen. Es
schien ihm peinlich zu sein, einen wesentlich jüngeren Mann um Hilfe
zu bitten.
"Die amerikanische Regierung
besitzt einige Akten, die von Gordon und Sheen sind. Das Problem ist nur,
dass sie sie uns nicht geben will. Nun, ich ... äh ... wollte Sie
bitten, diese Akten für uns zu besorgen."
Verwirrt blinzelte er ein
paar Mal, mustert den Mann vor ihm und überlegte, was das bedeutete.
"Sie wollen, dass ich für
Sie mich in das System einschleiche, die Akten stehle und wieder verschwinde,
um sie Ihnen zu geben?"
Der Mann nickte und antwortete:
"Das entspricht ungefähr dem, was ich gesagt habe."
Tom schüttelte lachend
den Kopf.
"Sie verarschen mich. Warum
sollte Ihnen die Regierung diese Akten nicht geben, wenn sie zur Klärung
eines Falles beitragen?"
"Das haben wir uns auch schon
gefragt, aber wir 'verarschen' Sie bestimmt nicht."
Immer noch den Kopf schüttelnd
starrte er ihn an. Meinte dieser CIA-Agent das wirklich ernst? Wollte er
nicht nur ein bisschen mit ihm spielen? Er konnte doch nicht einfach in
das System der Regierung vordringen. Das war strafbar, im schlimmsten Fall
hatte er mit ein paar Jahren Gefängnis zu rechnen.
"Sie wissen, dass das strafbar
ist? Dass es illegal ist? Und zwar ganz gewaltig?"
Foster nickte.
"Darum kommen wir zu Ihnen.
Sie sind noch jung und könnten, falls Sie von der Regierung entdeckt
würden, eine neue Identität annehmen. Sie können sich leichter
wieder anpassen als ältere Menschen und ausserdem haben Sie keine
Familie und auch keine allzu gute Freunde."
"Von wo wissen Sie das alles?"
fragte Tom erstaunt, aber auch ein wenig verwirrt, schliesslich wusste
dieser fremde Mann einfach Dinge über ihn, die er eigentlich gar nicht
wissen dürfte.
"Wir planen diese Aktion schon
lange und haben genug Zeit gehabt, um alles über die Personen herauszufinden,
die wir zur Wahl zogen."
"Sie haben noch andere, die
es schaffen könnten?"
Wieder nickte Foster.
"Allerdings sind unsere Experten
sich einig gewesen, dass Sie der beste für diesen Job wären."
"So, waren Sie das? Was ist,
wenn ich das nicht tun will? Wenn ich nicht ein neues Leben beginnen will,
da ich genau weiss, dass das nicht funktioniert."
"Und von wo wissen Sie das
so genau?" fragte Foster neugierig, aber auch testend, als ob er herausfinden
wolle, ob Tom wirklich einen guten Grund hat.
Tom zögerte ein bisschen
und überlegte sich, ob er sagen solle, das sei ein Gefühl von
ihm.
"Ich habe schon einmal versucht,
hinein zu kommen", antwortete er schliesslich, und das entsprach der Wahrheit.
"Und scheinbar hat es nicht
geklappt."
Tom nickte.
"Im Gegenteil. Ich bin reingekommen,
aber ich wurde entdeckt. konnte aber meine Spuren so gut verwischen, dass
die Regierung nur einen Agenten schicken konnte, aber nichts gegen mich
unternehmen konnte."
Plötzlich begann der
Agent zu lächeln.
"Das ist doch wunderbar. Wenn
Sie erwischt werden, verwischen Sie einfach wieder Ihre Spuren und nichts
ist passiert."
Tom schüttelte bedauernd
den Kopf.
"Ich fürchte, das geht
nicht."
Das Lächeln erstarb.
"Warum nicht?"
"Der Agent war überzeugt,
dass ich es war, nur konnte er es nicht beweisen. Aber er sagte, wenn es
noch einmal passiert, wird er Beweise haben."
Der Agent zuckte mit den Schultern
und meinte: "Er weiss ja nicht, dass Sie es sind. Wir stellen Ihnen so
viele Computer zu Verfügung, wie Sie wollen. Niemand kann Ihnen dann
etwas nachweisen."
"Ich fürchte doch. Man
kennt dort meinen Arbeitsstil. Jeder Computerspezialist hat einen eigenen
Stil, den man leicht erkennen kann. Ich arbeite immer noch gleich wie damals.
Sie würden mich also trotzdem erkennen."
"Das ist wahr. Allerdings
bleibt Ihnen ja immer noch die Möglichkeit einer neuen Identität."
"Aber ich will keine neue
Identität. Ausserdem haben Sie doch gesagt, dass Sie noch andere zur
Auswahl haben. Nehmen Sie doch einen von denen und lassen Sie mich in Ruhe.
Ich habe hier noch eine Menge Arbeit zu erledigen." Er hob die Akten, die
er immer noch in der Hand hatte.
"Dann müssen wir Sie
töten", antwortete er bedauernd die Schulter hochziehend.
"Warum? Warum müssten
Sie mich töten?" fragte Tom entsetzt.
"Sie wissen, was wir vorhaben.
Und da es etwas nicht Genehmigtes ist, können wir keine Leute am Rand
brauchen, die etwas ausplaudern könnten."
Tom zog die Luft zwischen
den Zähnen ein und fragt: "Sie zwingen mich also?"
Der Agent hebt die Hände
und meint: "Sie können es so sehen."
"Warum passiert mir das?"
flüsterte Tom vor sich hin.
"Sie sind der beste", antwortete
Foster, obwohl die Frage eigentlich gar nicht an ihn gerichtet war.
"Es wird lange dauern", meinte
Tom schliesslich.
"Das wissen wir. Ausserdem
können Sie sich Zeit lassen. Solange Sie dann schliesslich hinein
kommen, können Sie so lange brauchen wie Sie wollen."
"Was bekomme ich dafür?"
fragte er plötzlich.
"Was Sie dafür bekommen?
Wenn Sie Geld wollen, das können Sie haben."
Doch Tom schüttelte den
Kopf.
"Ich will kein Geld."
"Was wollen Sie dann?"
Tom zögerte. Was wollte
er? Geld brauchte er keines, nein, wirklich nicht. Wollte er überhaupt
etwas? Etwas, das er wirklich brauchen konnte?
"Kennen Sie Angela Benett?"
fragte er plötzlich.
Der Agent musterte ihn erstaunt.
"Die Tochter von Jack Benett? Wer kennt sie nicht?"
"Ich meinte, kennen Sie sie
persönlich?"
Foster zuckte mit den Schultern
und antwortete: "Ich bin bei ein paar Ermittlungen schon in ihrem Haus
gelandet, und habe mit ihr geredet."
"Was haben Sie für einen
Eindruck von ihr?"
"Hat diese Fragerei irgend
etwas mit dem zu tun, was wir vorhin besprochen haben?" fragte Foster zurück.
Tom zuckte mit den Schultern.
Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Er ist sich nicht sicher.
"Vielleicht hängt davon
das ab, was ich verlange."
Er merkte auf einmal, wie
blöd er eigentlich ist. Er konnte Angela nicht wegen Vergewaltigung
anzeigen, schon nicht, weil ihr Vater Jack Benett war. Er hatte es schliesslich
auch gewollt. Er wollte mit ihr schlafen und fand es schön. Wie konnte
er sie da anzeigen?
"Wenn ich ehrlich bin, ist
sie ein verwöhntes Töchterchen, das das Gefühl hat, viel
zu sehr im Schatten seines Vaters zu stehen."
Ja, das Gefühl hat Tom
auch. Sie glaubt dadurch, sie müssen sich etwas beweisen, aber gleichzeitig
tut sie etwas, von dem sie weiss, dass ihr nichts passieren kann, weil
sie doch schliesslich die Tochter von Jack Benett ist.
Tom verwarf den Gedanken.
Es hat keinen Sinn, sagte er sich selbst, nie könnte ich irgend etwas
gegen Angela unternehmen.
"Ich will nichts dafür.
Ich mache es, um Ihnen einen Gefallen zu tun. Aber Sie sind mir dann was
schuldig."
Ein wenig erstaunt lächelte
Foster.
"Sie ändern Ihre Meinungen
schnell."
Tom blieb ernst. Ihm war im
Moment nicht nach Spassen.
"Wann soll ich anfangen?"
Der Agent zuckte mit den Schultern.
"Wenn Sie können, am besten gleich."
Tom nickte. "Okay, Sie sagen
dem Chef, dass ich in den nächsten Wochen nicht komme. Er wird sicherlich
nicht sehr erfreut darüber sein."
Foster machte ein einwilligendes
Zeichen und stand auf. Er streckte Tom, der ebenfalls aufgestanden war,
die Hand entgegen.
"Es freut mich sehr, dass
Sie einverstanden sind. Ich wünsche Ihnen viel Glück. Wir werden
morgen jemanden schicken, der Ihnen noch die letzten Details bringen wird."
Tom nickte und verabschiedete
sich von ihm. Er sah Foster nach, wie er zu Mr. Mitchell ging und mit ihm
sprach. Der Chef warf einen entsetzten Blick auf Tom, der nur leicht entschuldigend
lächelte und dann schnell davon ging.
Nein, er hatte keine Angst,
dass er gefeuert werden könnte. Die Firma brauchte ihn. Sie konnte
ohne ihn nicht weiter existieren, jedenfalls nicht ohne an Ansehen zu verlieren.
Sie brauchten ihn, und er brauchte sie. Er hatte Glück, dass er diesen
Job hatte. Er machte ihm Spass und war sein ganzer Lebensinhalt. Selten
hatte wohl einer soviel Glück, sein Hobby zu seinem Beruf zu machen.
Tom hatte schon immer viel Glück gehabt. Er war ein richtiges Glückskind.
Schon, als er noch jünger, noch viel jünger war, passiert ihm,
abgesehen von ein paar Schrammen, nie etwas, wenn er von Bäumen viel,
oder, als er älter wurde, mit dem Computer seines Vaters herum spielte.
Niemand erwischte ihn, wenn er in unerlaubtes Gebiet eindrang und als ihm
einmal jemand einen dummen Streich spielen wollte, bei dem er hätte
draufgehen können, war ...
Er machte auf der Stelle kehrt
und ging zurück zu Foster. Er packte gerade seine Sachen zusammen,
als er Tom erstaunt ansah.
"Ich weiss es wieder!" sagte
Tom und schien zu erwarten, dass Foster sofort verstand, von was er redete.
"Was wissen Sie wieder?" fragt
der zurück.
"Der Mann, dieser ... dieser
Gordon, der Mann der mich entführt hat ..."
"Was ist mit ihm?"
"Ich weiss jetzt wieder, woher
ich ihn kenne."
"Und woher?"
Der Agent deutete auf einen
Tisch, damit sie sich wieder setzten. Tom nahm Platz, Foster nahm Schreibzeug
aus seiner Tasche und wartete darauf, dass Tom zu erzählen begann.
"Ich war sechzehn, nein, ich
war gerade siebzehn geworden. Es gab damals zwei Gangs, die es schon lange
gab und die sich gegenseitig immer wieder Streiche spielten. Am Anfang
ganz harmlose, wie Luft aus den Rädern zu lassen oder so, aber mit
der Zeit wurde es immer brutaler und gefährlicher. Ich war in einer,
der Mann in der anderen. Wir hassten uns nicht nur, weil wir in verschiedenen
Gangs waren, wir waren auch noch persönliche Feinde. Ich bin mir nicht
sicher, warum, aber vermutlich ging es dabei irgendwie um einen Computer."
"Sie waren also in einer Gang,
Gordon in der anderen und Sie hassten ihn wegen einem Computer?" fragte
der Agent verwirrt nach.
Tom musste leicht lächeln.
"Computer waren und sind es
auch jetzt noch mein Leben. Wollte mir das jemand nehmen oder gar zerstören,
würde ich ziemlich wütend werden und verziehe das demjenigen
nie."
"Können Sie mich die
Adresse des Ortes geben, an dem diese Gangs waren?"
Tom nickte und meinte: "Ich
habe sie bestimmt irgendwo auf einem Computer gespeichert. Ich kann sie
ja morgen Ihrem Mann mitgeben. Nun, dieser Michael nannte sich früher
anders, ich glaube Winnetou. Ich glaube, niemand wusste, wie er richtig
hiess, nicht einmal die aus seiner eigenen Gang. Er glaubte, ein ganz besonders
schlauer Mensch zu sein."
"Er ist nicht besonders dumm."
"Nein, das ist er nicht, ganz
und gar nicht, aber er war kein Winnetou. Im Gegenteil, er nahm an jedem
Rache, der etwas tat, was ihm nicht gefiel. Ich weiss noch, wie ich gerade
wieder einmal etwas getan hatte, das ihn ziemlich wütend machte, so
dass auch er mir wieder einen Streich spielen wollte. Irgendwie schaffte
er es, in mein geheimes Computerzimmer, wo sonst niemand ausser mir hinein
durfte, einzudringen und eine Bombe zu deponieren."
"Eine Bombe?" fragte Foster
erstaunt, "Wie alt war er damals?"
"Ein paar Jahre älter
als ich, vermutlich so zweiundzwanzig, oder dreiundzwanzig."
"Er war schon so alt und liess
sich immer noch, verzeihen Sie meine Ausdrucksweise, von kindlichen Reizungen
provozieren?"
"Es waren keine kindlichen
Reizungen", antwortete Tom ernst, "Sie gingen weit über das Verständnis
von Kindern hinaus und waren lebensgefährlich. Diese Bombe war in
meinen Computer eingebaut, so dass sie, nachdem ich ihn angestellt hatte,
explodieren sollte. Er konnte so sicher sein, dass ich im Zimmer war, wenn
sie hochging."
"Sie waren im Zimmer, und
Sie leben noch."
Tom muss wieder lächeln,
obwohl er diese Erinnerung eigentlich lieber vergessen hätte.
"Ja, die Bombe explodierte,
während ich im Zimmer war. Ich weiss nicht, wer damals die Ambulanz
angerufen hat oder wer mich aus dem Feuer raus holte, aber jedenfalls hatte
ich grosses Glück. Ich hatte zwar lebensgefährliche Verletzungen
und war wochenlang auf der Intensivstation in Lebensgefahr, aber ich überlebte
es."
"Wollte Gordon Sie umbringen?"
"Ich weiss es nicht. Vielleicht,
vielleicht auch nicht. Ich glaube, er war sich nicht ganz über die
Folgen im Klaren, die diese Explosion verursachte. Wahrscheinlich wollte
er mir nur einen Denkzettel verpassen."
"Was machten Sie, als Sie
wieder gesund waren?"
"Mein Vater wurde von irgend
jemandem benachrichtigt. Er holte mich ab, als mich die Ärzte entliessen
und brachte mich nach New York, wo er mich in die Behandlung der besten
Ärzte gab, obwohl ich eigentlich schon gesund war. Als auch die mich
entliessen, wollte er mich eigentlich als Nachfolger für seine Firma,
obwohl ich ihm vor Jahren den Krieg erklärte. Er glaubte wohl, dass
die Zeit die Wunden verheilt hatte."
Foster schrieb fleissig mit.
Er musterte Tom einen Moment lang mit besorgt flackernden Augen, bis er
fragte: "Und seitdem haben Sie Gordon nicht mehr gesehen."
Es war mehr eine Feststellung
als eine Frage.
"Nein, ich hörte nur
noch von Freunden, die mir schrieben, dass er mit einer reichen Frau abgehauen
sei. Bis zu diesem ... unglücklichen Zufall sah ich ihn nicht und
hörte auch nichts mehr von ihm."
"Was machten Sie, nachdem
Sie scheinbar nicht der Nachfolger für seine Firma wurden?"
"Ich habe nicht gesagt, dass
ich die Nachfolge ablehnte."
"Dann muss ich es falsch verstanden
haben", gab er leicht verwirrt zurück.
"Mein Vater hatte schon immer
Probleme mit seinem Herzen. Er hatte, kurz nachdem ich ihn wieder verlassen
hatte, einen Herzinfarkt. Seine Ärzte kannten mich und riefen mich.
Ich hatte immer gewusst, dass es einmal so weit kommen würde, dass
sie ihn nicht mehr heilen konnten und ging deshalb zurück, um ihm
seinen letzten Wunsch zu erfüllen."
"Sie übernahmen die Firma?"
"Ja, aber eigentlich war es
keine Firma, es war eine ganze Firmenkette, wie ich später feststellte,
und sie war gut im Geschäft. Mein Vater vererbte alles an mich. Es
ist ein Erbe von Millionen, wenn nicht noch mehr."
"Sie meinen die Penn - Kette?
Wir wussten nicht, dass sie etwas mit Ihnen zu tun hat. Aber jetzt sind
Sie nicht Firmenleiter, oder? Haben Sie sie verkauft "
Tom lacht. Er wäre verrückt
gewesen, wenn er sie verkauft hätte.
"Nein, ich bin auch jetzt
noch Chef dieser Firmen. Ich hätte Millionen verloren, wenn ich sie
verkauft hätte."
Ein Mann kommt und bringt
ein Telefon.
"Jemand will Sie dringend
sprechen", flüsterte der Mann ihm zu.
Tom warf einen entschuldigenden
Blick auf Foster, der nur ruhig nickte. Er stand auf und ging in eine Ecke,
in der es ruhiger war.
"Hallo?"
Eine süsse, klare Frauenstimme
lachte leise.
"Ich wusste doch, dass du
hier bist."
Tom erstarrte sofort. Sie.
Warum rief sie hier an? Warum liess sie ihn nicht einfach in Ruhe? Sie
hatte doch, was sie wollte.
"Was wollen Sie?" fragte er
hart, schon fast wütend.
"Aber, Tom", sagte sie tadelnd,
"Bist du immer noch wütend auch mich? Hat es dir nicht gefallen?"
"Natürlich bin ich noch
wütend auf Sie!" Er liess seine Stimme leiser werden und erinnerte
sie: "Sie haben mich niedergeschlagen, mich vergewaltigt und jetzt tragen
Sie vermutlich auch noch ein Kind von mir. Wie könnte ich da nicht
mehr wütend auf Sie sein?"
Wieder lachte Angela leise.
Tom konnte fast sehen, wie sie verführerisch über den Telefonhörer,
ihre Wange und über ihren Hals strich.
"Aber es hat dir gefallen.
Warum nimmst du nicht einfach dieses Gefühl und vergisst dafür,
dass ich dich ... vergewaltigt habe?"
"Was wollen Sie?" wiederholte
er und wollte das Telefonat so schnell wie möglich beenden.
"Eigentlich wollte ich nur
fragen, ob du jetzt meine Daten sicherst? Sie sind mir sehr wichtig und
ich möchte, dass du sie überprüfst, da ich weiss, dass du
der beste bist."
Tom glaubte nicht recht zu
hören. Wie konnte diese Frau glauben, dass er immer noch ihre Sicherheitsprogramme
testete, nach allem, was sie ihm angetan hatte? Sie musste wirklich verrückt
sein.
"Suchen Sie sich einen anderen,
der Ihre wertvollen Daten sichert. Ich werde es jedenfalls nicht tun!"
Er stellte das Telefon ab
und lehnte sich gegen die Wand. Er sah das Vergangene noch einmal vor sich
abspielen. Warum hatte sie das getan? Warum wollte sie ausgerechnet ein
Kind von ihm? Er war nichts besonderes, hatte nichts, was sie haben wollen
könnte. Klar, er hatte Geld, aber sie auch. Sie brauchte nicht noch
mehr, und auch wenn sie wirklich Geld süchtig war, hatte sie genug,
um ihren Bedarf zu stillen.
Er schloss einen kurzen Moment
die Augen und drückte das Telefon so fest in seiner Faust zusammen,
dass er schon fast fürchten musste, dass er es zerdrückte.
Doch er fasste sich wieder
und setzte sich an den Tisch zu Foster zurück. Dieser musterte ihn
und fragte dann: "Ist alles in Ordnung?"
Tom antwortete nicht gleich.
Er war sich irgendwie nicht ganz bewusst, dass Foster eine Frage gestellt
hatte, antwortete aber trotzdem, bevor sein Zögern bei Foster als
Unaufmerksamkeit registriert wurde.
"Es ist alles in Ordnung.
Es geht mir gut."
Foster schien mit der Antwort
nicht zufrieden zu sein, aber er fragte nicht weiter. Scheinbar spürte
er, dass Tom sowieso nicht reden würde und dass es keinen Sinn hatte,
ihn weiter danach zu fragen.
"Ich danke Ihnen für
die Informationen. Sie werden sicher hilfreich sein bei unseren Nachforschungen",
sagte Foster, wieder auf das alte Thema zurück kommend.
Tom nickte. Wie konnte sie
erwarten, dass er ihr half? Er hatte gute Gründe, um abzulehnen und
das wusste sie auch, und trotzdem ... Sie schien am Telefon total überzeugt
gewesen zu sein, dass er ihren Auftrag immer noch annahm.
"... Hause bringen?"
Tom schreckte aus seinen Gedanken
hoch. Foster sah ihn erwartungsvoll an, bemerkte aber fast sofort, dass
er überhaupt nicht verstanden hatte, was er gesagt hatte.
"Verzeihung, ich war nicht
ganz hier", entschuldigte sich Tom.
Foster lächelte nur leicht
und wiederholte: "Soll ich Sie nach Hause bringen?"
Erstaunt sah Tom ihn an. Scheinbar
war dieser Agent doch ein Mensch mit Gefühlen und nicht einfach eine
Maschine, die nur ihre Arbeit machte. Er lächelte dankbar, schüttelte
aber den Kopf.
"Danke, aber ich muss hier
noch ein paar Dinge erledigen, bevor ich nach Hause kann. Übrigens,
was hat Mr. Mitchell gesagt?"
"Er scheint nicht sehr erfreut
zu sein, da Sie scheinbar noch andere Sachen zu tun haben, aber er sagte,
dass diese Dinge noch warten könnten."
Tom nickte. Zu diesen Dingen
gehörte auch der Fall 'Angela Benett'. Der Chef konnte beruhigt sein,
ein Auftrag weniger, der warten musste.
Foster stand auf und schüttelte
Tom zum zweiten Mal die Hand.
"Wir schicken Ihnen dann morgen
jemanden vorbei."
Wieder nickte er nur und sah
ihm nach, bis sich die Tür wieder schloss. Fast augenblicklich danach
kam Mitchell angestürmt und stellte Tom zur Rede.
"Wissen Sie eigentlich, was
Sie da tun? Erstens ist es gefährlich, zweitens haben Sie nur eine
kleine Chance auf Erfolg und drittens bleibt unsere ganze Firma wegen diesem
Auftrag stehen."
Tom lächelte seine Chef
an.
"Wissen Sie überhaupt,
was für ein Auftrag das es ist?"
Mitchell schüttelte den
Kopf und begann ebenfalls zu lächeln. Er war selten wütend, und
wenn, dann war er richtig wütend und schrie jeden an, der ihm über
den Weg lief. So, wie er sich jetzt gespielt hatte, war er nie.
"Erstens, es ist gefährlich,
das stimmt, zweitens sind die Chancen auf Erfolg ziemlich gross und drittens
bin ich nicht der einzige, der diese Aufträge erledigen kann."
"Nein, aber Sie sind der beste
und das wissen unsere Kunden. Hatten Sie eigentlich schon Zeit, die Aufträge
durchzulesen?"
Tom nickte, obwohl es gar
nicht stimmte. Er wollte sowieso nur auf einen Auftrag zurück kommen
und dann so schnell wie möglich verschwinden.
"Ich lehne einen Auftrag ab",
sagte er nur kurz.
Zuerst starrte ihn der Chef
nur überrascht an, dann begriff er den Sinn der Worte und erbleichte.
"Was ... was soll das heissen?
Sie lehnen einen Auftrag ab?"
Tom versuchte seine Ruhe zu
bewahren. Es hatte keinen Sinn, wenn er sich auch noch aufregte. Er hatte
seine Entscheidung schon lange getroffen und hatte jetzt keine Grund mehr,
um aufgeregt oder nervös zu sein.
"Ich lehne den Fall 'Angela
Benett' ab. Ich werde ihn nicht machen."
Mr. Mitchell schüttelte
verwirrt den Kopf und fragte: "Aber warum? Das wäre der vielversprechendste
Auftrag seit fast sieben Jahren gewesen? Warum lehnen Sie ...? Es ist wegen
dem Essen gestern, richtig?"
Tom verzichtete auf eine Antwort.
Er erwiderte den Blick nur stumm. Mitchell sah einen Moment vor sich ins
Leere.
"Ich hätte es wissen
müssen. Sie hätten diese Frau niemals kennenlernen dürfen.
Sie hätten sie sowieso nie auch nur sehen oder mit ihr reden dürfen.
Ich hätte es wissen müssen", sagte er noch einmal.
"Nein, Chef, es liegt nicht
an Ihnen."
Er versuchte krampfhaft, sich
die Schuld für diese Ablehnung zu geben, er hatte diese Entscheidung
ja getroffen, aber er konnte es nicht. Er hatte nichts damit zu tun. Es
war hauptsächlich Angelas Schuld, aber zum Teil auch noch die des
Chefs. Er hätte nicht zu diesem Essen zustimmen dürfen.
"Es liegt hauptsächlich
an mir und an Miss Benett."
Mitchell schüttelte energisch
den Kopf. Er kannte Tom gut und wusste, wann er sich wirklich die Schuld
für etwas geben konnte, was Tom auf sich nahm.
"Schwachsinn. Es war meine
Schuld, und wahrscheinlich auch die des jungen Fräuleins. Ich weiss,
warum ich Schuld bin, aber was hat sie gemacht?"
Genau die Frage, die Tom versucht
hatte, zu vermeiden. Er konnte ihn nicht anlügen. Er hatte noch nie
gut lügen können und das wusste der Chef.
"Muss ich das sagen?"
Mitchell musterte ihn besorgt,
so wie ein Vater seinen Sohn mustert, wenn er genau weiss, dass sein Sohn
etwas angestellt hat, und dieser es jetzt nicht sagen will.
"Nein, natürlich nicht",
sagte er lächeln, "Aber Sie wissen, wenn Sie jemanden zum Reden brauchen
... Ich bin für Sie da."
Tom nickte dankbar. Der Chef
war wirklich wie ein Vater für ihn, den er nie hatte.
Er verabschiedete sich und
ging nachdenklich wieder nach Hause. Er hatte vieles zu überdenken,
nicht nur die Sache mit Angela. Auch seinen Auftrag vom CIA. Er hätte
nie gedacht, dass er es jemals mit CIA zu tun bekäme. Als er noch
ein kleiner Junge war, wollte er unbedingt beim FBI arbeiten. Er stellte
sich immer vor, wie er mit Sicherheitsweste und einer Ausrüstung der
Spezialeinheit Jagd auf Verbrecher machte. Aber dieser Traum verblasste,
sobald er ein bisschen erwachsener wurde.
Ein Arm hackte sich bei ihm
ein.
Erstaunt wandte er den Kopf
und blickte ein lächelndes Gesicht an. Sofort begann ihm seine Schulter
wieder zu schmerzen. Es war die Frau, die ihn entführte, Jennifer
Sheen. Sie lächelte, aber es war kalt und sagte nur, dass er sich
nicht rühren und nur das tun sollte, was sie ihm sagte. Er spürte,
wie sie ihm eine Waffe in die Seite drückte.
"Was ... was wollen Sie?"
fragte er stockend.
"Das werden Sie noch früh
genug erfahren", antwortete sie grob und führte ihn zu seiner Wohnungstür.
Sie schien genau zu wissen, wo er wohnte und bedeutete ihm, die Tür
zu öffnen. Er suchte nervös seinen Schlüssel und liess ihn
prompt fallen. Misstrauen flammte in Jennifers Augen auf, als glaube sie,
dass das ein Trick ist, um sie zu überrumpeln.
Beim zweiten Versuch gelang
es ihm, die Tür zu öffnen und er ging wortlos hinein, um wieder
stehenzubleiben. Michael Gordon hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht
und zielte ebenfalls mit einer Pistole auf ihn.
Jennifer deutete mit einer
Kopfbewegung an, dass er sich ebenfalls setzen sollte. Er setzte sich mit
steifen Bewegungen hin und versuchte, Michael nicht allzu auffällig
anzustarren. Ob er ihn unterdessen auch erkannt hatte?
Jennifer setzte sich ebenfalls
und zündete sich eine Zigarette an. Er hasste Zigarettenrauch, aber
was hätte es gebracht, wenn er es ihr gesagt hätte? Sie hätte
sowieso nur gelächelt, aber nicht aufgehört.
"Was wollen Sie?" fragte er
noch einmal.
"Das haben Sie schon einmal
gefragt", sagte die Frau, anstatt auf seine Frage zu antworten.
"Was kann ich dafür,
wenn Sie mir nicht antworteten? Da muss man sich wiederholen."
Michael warf der Frau ein
respektvolles Lächeln zu.
"Unser kleiner Freund kann
sogar richtig hart sein", meinte er mit einem schelmischen Lächeln
zu Tom. Dieser spürte seinen Hass wieder wach werden.
"Ich bin nicht dein Freund,
Winnetou, und schon gar nicht dein kleiner Freund."
Michael erstarrte. Scheinbar
hatte er nicht herausgefunden, wer Tom war, aber jetzt schien ihm alles
wieder einzufallen. Die Frau warf einen leicht verwirrten Blick auf Michael,
dann auf Tom.
Der Hass entflammte in Michaels
Augen.
"Ich habe gedacht, du wärst
tot, Toran."
"Das dachte ich auch, als
deine Bombe explodierte."
Die Luft schien förmlich
vor Spannung zu knistern und nur der Revolver in Michaels Hand hielt ihn
davon ab, ihn anzuspringen und zu erwürgen.
"Wie konntest du überleben?
Die Bombe hätte dich zerfetzen müssen."
"'Hätte müssen,
wenn ...'. Hast du immer noch nicht kapiert, dass ich ein Glückskind
bin? Ich kann nicht sterben. Nach all den Jahren solltest du das langsam
kapiert haben."
Michaels Augen wurden zu kleinen
Schlitzen. Tom konnte sich gut an diese Augen erinnern. Er hatte sie oft
genug gesehen. Sie glitzerten vor Wut und Hass.
"Einen Moment mal", mischte
sich plötzlich Jennifer ein, "Ihr kennt euch?"
Tom warf ihr einen scharfen
Blick zu.
"Sieht es so aus, als ob wir
uns nicht kennen?"
Jennifer wirft ihm einen warnenden
Blick zu: "Werd' nicht frech, Bürschchen."
"Sie sind kaum älter
als ich und nennen mich Bürschchen? Soll ich Sie auch Kleines nennen,
Miss Sheen?"
Michael und Jennifer werfen
sich einen raschen Blick zu. Michael hat sich schon so weit unter Kontrolle,
dass er wieder normal atmet und die Pistole in seiner Hand nicht mehr zittert.
"Woher kennen Sie meinen Namen?"
"Ich kann Gedanken lesen",
antwortete Tom.
Er war sich irgendwie nicht
ganz bewusst, dass er jetzt jederzeit sterben könnte. Michael gab
ihm Mut, auch wenn Tom nicht wusste, wie. Vielleicht durch seine blosse
Anwesenheit, oder durch die Pistole in seiner Hand. Michael brauchte eine
Pistole, um sich zu schützen, und Tom konnte ohne sie kämpfen.
Jennifers Blick ist jetzt
ebenfalls hart und kalt und hat ein bisschen von Michaels Hass gegen ihn
aufgenommen.
"Woher kennen Sie meinen Namen?"
wiederholte sie.
"Jetzt wiederholen Sie sich."
"Sie haben mir nicht geantwortet."
"Doch, das habe ich."
Jennifer seufzte leise. Wahrscheinlich
dachte sie jetzt, warum Tom nicht einfach sagte, woher er den Namen hatte.
Das war weder sein Tod noch zu ihrem Vorteil.
"Ich möchte gerne die
Wahrheit wissen", sagte sie, mit höflichen Wörtern, aber mit
gar keinem höflichen Tonfall.
"Sind Sie wirklich so blöd
oder tun Sie nur so? Woher kenne ich wahrscheinlich Ihren Namen? Glauben
Sie wirklich, die Polizei sitzt einfach so herum und wartet, bis Sie ihr
Ihren Namen sagen?"
"Von der Polizei also."
Tom war wütend. Er wusste,
dass er ruhig bleiben sollte, aber er konnte nicht. Die Frau nervte ihn,
und Michael weckte alte Erinnerungen auf, die er lieber vergessen hätte.
Er setzte sich bequemer hin,
worauf die Revolver sofort wieder drohender auf ihn zielten. Er hob abwehren
die Hände. Wie waren die misstrauisch. Was konnte er den schon gross
tun?
"Würden Sie jetzt endlich
so gnädig sein und mir sagen, was Sie wollen?"
Wie viele Male hatte er jetzt
schon gefragt, was sie wollen? Nie hatten sie ihm geantwortet.
"Wir wollen Geld und Sie sollen
unsere Akten löschen."
Einen Moment blieb Tom in
seinen Bewegungen still stehen, dann fasste er sich langsam wieder, aber
sein Mut hatte ihn verlassen.
"Sie wollen was?"
"Geld und gelöschte Akten."
Er schluckte hart. Er sollte
ihre Akten löschen. Das konnte er doch nicht tun. Dann wären
die meisten Informationen fort. Aber es blieb ihm ja schliesslich keine
Wahl. Wenn er es nicht tat, würden sie ihn umbringen.
"Warum kannst du das nicht
machen, Winnetou? Du hast doch immer behauptet, du wärst genauso gut
wie ich."
Michael starrte ihn wieder
an und verteidigte sich: "Ich bin so gut wie du, aber ..."
"Aber was? Hast du keinen
Computer? Oder bist du vielleicht aus der Übung? Du warst noch nie
so gut wie ich und das wusste du so gut wie ich. Darum hasst du mich auch.
Weil ich dir immer einen Schritt voraus bin!"
"Das behauptest du. Nur bin
ich besser, da du, als du einmal einen Schritt hinten nach warst, fast
gestorben wärst. Ich überlebe, auch wenn ich hinten nach bin."
"Hört sofort auf zu streiten!"
fuhr die Frau erregt dazwischen und wandte sich an Michael, "Wir können
nicht ewig hierbleiben. Die Polizei wird unsere Spuren bald finden."
Tom warf ein reizendes Lächeln
zu Michael, der seine Faust ballte, aber still blieb. Der harte Blick von
Jennifer löschte Toms Lächeln wieder aus.
"Wieviel Geld haben Sie im
Haus?"
"Ich weiss nicht, vielleicht
ein paar hundert Dollar."
"Dann werden wir jetzt raus
gehen und zu einem Bankautomaten gehen."
"Das ist aber sehr riskant,
meinen Sie nicht auch? Die Polizei hat den Verdacht, dass ich Ihr Komplize
bin und überwacht mich. Wenn ich jetzt auf einmal soviel Geld abheben
würde, ist das sicher nicht sehr unauffällig."
Er durchkreuzte Jennifers
Pläne. Gut so, dachte er, dann bekommt die Polizei Zeit, um die Spuren
zu finden. Obwohl er wusste, dass es sich in diesem Fall nicht um Minuten,
sondern um Stunden oder sogar Tage handelte, hatte er die Hoffnung, dass
die Polizei sie finden würde.
"Na gut, dann werden Sie jetzt
sofort unsere Akten löschen und dann gehen wir das Geld holen, klar?
Also los, machen Sie sich an die Arbeit."
Tom erhob sich seufzend. Er
musste einen Weg finden, um abzuhauen. Er konnte die Akten nicht löschen,
konnte und wollte es nicht.
Plötzlich packte er ein
Kissen, warf es Michael entgegen und rannte gegen Jennifer. Sie liess ihre
Pistole fallen. Tom sprang nach ihr, rollte sich ab und öffnete die
Tür. Er spürte, wie ein Schuss hinter ihm fiel. Ein heisser Schmerz
erfüllte auf einmal sein ganzes Gehirn. Trotzdem konnte er hinaus
gehen. Er stolperte, konnte sich fangen und rannte, so schnell er konnte.
Er hörte weitere Schüsse, die ihn aber verfehlten.
Plötzlich hörte
er Bremsen quietschen, eine Tür aufgehen und jemand rief: "Steigen
Sie ein! Kommen Sie schon!"
Es war nicht die Stimme von
Jennifer oder Michael, deshalb stieg er ohne zögern ein. Er stöhnte,
als der Fahrer die Kurve zog und davon raste. Ein Schuss traf das Hinterteil
des Autos, machte aber nichts aus.
"Da haben Sie noch einmal
Glück gehabt, Mann. Können froh sein, dass ich mir nicht gleich
vor Angst in die Hose gemacht habe."
Tom spürte, wie ihn eine
angenehme Wärme einhüllte und ihn zwang, die Augen zu schliessen.
Verzweifelt wehrte er sich gegen sie.
Etwas Warmes floss ihm den
Rücken hinab.
"He, Mann, Sie sind ja verletzt.
Mein Gott, ich sollte Sie besser in ein Krankenhaus bringen. Keine Angst,
ich bringe Sie hin. Bleiben Sie einfach ganz ruhig, okay? Keine Aufregung."
Der Fahrer schien mehr mit
sich selbst zu reden als mit Tom. Vermutlich hatte er mehr Angst als Tom.
Die Fahrt zum Krankenhaus
kam Tom wie ein Horrorfilm vor. Bei jeder Kurve schmerzte seine Wunde wieder
mehr und die Wärme lullte ihn immer mehr ein. Von weit her hörte
er den Mann fluchen, wenn ihn ein Rotlicht aufhielt oder ein anderes Auto
ihm vor die Nase fuhr.
Plötzlich hörte
er viele Schritte, Befehle, die anderen zugerufen wurden und jemand hob
ihn aus dem Auto. Er wollte vor Schmerz aufschreien, aber er konnte nicht.
Seine Kehle war wie ausgetrocknet.
"Bleiben Sie ganz ruhig, Mister.
Wir werden Ihnen helfen."
Seine weit aufgerissen Augen
blickten ihn ein paar Gesichter, in grünen Anzügen mit Mundschutz.
Sie legten ihn auf eine Barre und fuhren mit ihm durch die hell erleuchteten
Gänge des Krankenhauses. Tom blickte wie ein gehetztes Tier hin und
her.
"Carter, bereiten Sie alles
für eine Notoperation vor!"
Die Stimme kam von weit her.
Tom spürte, er auf den Bauch gedreht wurde und wie ihm sein T-Shirt
zerrissen wurde. Eine Hand betastete seinen Rücken und wie unter einem
elektrischen Schlag zuckte er zusammen.
"Tut es sehr weh?" fragte
eine Stimme.
Tom versuchte zu antworten,
aber alles, was er herausbrachte, war ein blutiges Husten. Er verschluckte
sich an seinem eigenen Blut.
"Foster ... holen Sie ...
Foster ... er muss wissen ... holen Sie ihn ... er ..."
Die Wärme hüllte
ihn endlich ganz ein. Jemand sagte noch etwas, Hände drückten
weiter auf seinem Rücken herum, aber dann wurde alles schwarz und
gefühllos.
"Wer zum Teufel ist Foster?"
fragte der Arzt sich selbst. Er nahm ein kleines Messer und begutachtete
ein drittes Mal den Rücken seines Patienten.
"Hudson, gehen Sie zum Direktor
und sagen Sie ihm, er muss Foster rufen."
Der junge Arzt hob verzweifelt
die Schultern und fragte: "Aber wer ist Foster?"
"Das soll der Direktor herausfinden,
verdammt noch mal. Etwas kann er doch auch noch machen, oder? Gehen Sie
schon."
Der junge Arzt verliess im
Laufschritt den Saal. Er rannte durch die Gänge, entschuldigte sich
rasch bei den Leuten, die er anrempelte und riss sich die Mundmaske vom
Gesicht.
Mit diesem Ding kann man ja
nicht mehr richtig atmen, dachte er.
Er kam beim Direktor an und
wartete einen Moment vor der Tür, bis sich sein Atem wieder beruhigt
hatte.
Er klopfte an.
"Kommen Sie rein", tönte
es von hinter der Tür.
Der Arzt machte die Tür
auf und ging hinein.
Ein älterer Mann sass
hinter einem Schreibtisch und sah ihn erwartungsvoll an.
"Sir, es wurde gerade ein
Patient mit einer Schusswunde eingeliefert."
"Das hat mir bereits jemand
gesagt."
"Ja, Sir, dieser Patient ...
er will unbedingt mit einem gewissen Foster reden."
"Foster? Wer ist Foster?"
"Das weiss ich nicht, Sir.
Dr. Taylor hat gesagt, ich solle Ihnen das sagen, damit Sie Foster finden."
"So, hat sie das? Würden
Sie sie bitte zitieren?"
"Ich habe sie gefragt, wer
Foster sei, und sie sagte: 'Das soll der Direktor herausfinden, verdammt
noch mal. Etwas kann er doch auch noch machen, oder?'"
"Das hat sie gesagt?"
Hudson nickte. Er konnte nicht
verstehen, warum der Direktor nicht gleich ausrastete. Wenn es um Dr. Taylor
ging, drückte er immer beide Augen zu, egal, um was das es ging.
"Okay, sagen Sie ihr, dass
ich einen Mr. Foster gefunden habe."
"Sir?"
"Ich kenne Mr. Foster. Vielleicht
ist es der richtige, vielleicht auch nicht, aber auf jeden Fall kenne ich
einen."
Wieder nickte Hudson und machte
sich auf den Weg zurück zum Operationssaal. Er atmete noch einmal
tief ein und zog dann wieder den Mundschutz an.
Die anderen waren schon mitten
in der Operation und Dr. Taylor sah nicht auf, als Hudson hereinkam, fragte
aber: "Macht er's?"
Hudson nickte. "Er sagte,
er habe Mr. Foster schon gefunden."
"Schon gefunden? Wie hat er
den das gemacht? Schere!"
"Er sagte, dass er einen Mr.
Foster kenne."
Taylor nickte und wandte ihre
ganze Aufmerksamkeit wieder Tom zu. Der Arzt, der vorhin seinen Platz eingenommen
hatte, verschwand wieder und überliess Hudson den Platz, der fragte:
"Glauben Sie, dass er durchkommt?"
"Bei mir ist noch jeder durchgekommen.
Zange!", antwortete sie scharf, als sei das total klar, dass niemand sterben
kann, der von ihr operiert wird.
"Einmal ist immer das erste
Mal", flüsterte Hudson leise und gab ihr das Gerät, das sie verlangte.
"Er wird nicht sterben, verstanden?
Wenn Sie ein guter Arzt werden wollen, dürfen Sie so etwas nicht einmal
denken!"
Hudson Blick fiel auf Toms
Schulter und er sah, dass dort ebenfalls schon eine Schusswunde war, allerdings
eine, die schon recht gut verheilt zu sein schien.
"Ich hab sie!" rief Taylor
plötzlich und hielt die Pinzette hoch. Ein kleines rundes Ding klemmte
zwischen den beiden Zangen. Sie hatte die Kugel.
Die anderen Pfleger und Krankenschwestern
legten sofort einen Verband an, gaben Tom noch eine schmerzstillende Spritze
und fuhren ihn dann hinaus. Taylor zog sich den Mundschutz ab, legte die
Kugel in einen Plastiksack, um sie der Polizei zur Untersuchung zu geben
und zog sich dann die Handschuhe aus.
"Sind Sie immer noch sicher,
dass er überleben wird?" fragte Hudson noch einmal.
"Ich war noch nie sicher,
dass er überleben wird", antwortete sie und verwirrte ihn vollends.
"Aber vorhin haben Sie doch
gesagt, dass ..."
"Vorhin war unser Patient
dabei", unterbrach sie ihn, "Auch wenn er vielleicht schläft, heisst
das nicht, dass er uns nicht hören kann. Wenn ich sagen würde,
er hat keine Chance, und er hört das, wird er ganz sicher sterben."
"Sie glauben also nicht, dass
er durchkommt."
"Das habe ich nicht gesagt."
Diese Frau machte ihn verrückt.
Sie konnte nie eine klare Antwort geben. Immer gab sie ausweichende Antworten,
bei denen man nicht sagen konnte, sie habe die Frage nicht beantwortet.
"Ich denke, dass er gute Chancen
zum Überleben, aber er hat von der Schulterwunde schon viel Blut verloren
und jetzt noch einmal, so dass er recht schwach sein wird. Vielleicht müssen
wir ihm eine Bluttransfusion geben", antwortete sie dann mit einem leichten
Lächeln, als sie merkte, dass sie ihn nervte.
"Sind irgendwelche Organe
betroffen?"
"Es werden immer Organe betroffen,
Hudson."
Er hatte gehofft, dass sie
jetzt normal antworten würde, aber sie hatte scheinbar schon wieder
vergessen, dass sie ihn aufregte und bald zum platzen brachte.
Er warf ihr einen bittenden
Blick zu, worauf sie nur lächelte.
"Nein, es sind keine lebenswichtigen
Organe betroffen. Die Kugel lag genau zwischen den beiden Lungenflügel.
Er hatte eigentlich grosses Glück."
Sie wusch sich die Hände
und ging, nachdem sie sagte: "Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen gesagt
habe. Vielleicht hilft es Ihnen später einmal bei Ihrer Karriere."
"Ja, Sir", antwortete er leise
und nahm an, dass sie ihn schon nicht mehr hörte, aber sie streckte
den Kopf noch einmal zur Tür herein.
"Ma'am, wenn ich bitten darf."
"Ja, Ma'am."
Sie warf ihm noch einmal ein
strahlendes Lächeln zu. Hudson seufzte und warf einen Blick auf den
Operationsplatz. Es sah aus wie auf einem Schlachtfeld. Tropfen von Blut
waren auf dem Boden verspritzt und Instrumente, die einem aus der Hand
gefallen waren, waren nicht wieder aufgelesen worden.
Er wusch sich ebenfalls die
Hände und verliess den Raum, damit man ihn ohne Störung aufräumen
konnte.
Ein Arzt stand neben dem von
Tom und überprüfte gerade seinen Puls, als Mr. Mitchell mit Mr.
Foster leise herein kam.
"Wie geht es ihm?"
Der Arzt zuckte mit den Schultern.
"Das können wir noch
nicht so genau sagen, aber er wird vermutlich durchkommen. Ja, ich denke,
er wird es schaffen."
Mitchell atmete hörbar
aus. Der Arzt lächelte beruhigend.
"Sie brauchen sich keine Sorgen
zu machen. Wir haben ihm noch, nur um sicher zu gehen, eine Bluttransfusion
gegeben und er spricht positiv darauf an. Gehören Sie zur Familie?"
"Nein, ich bin sein Chef",
antwortete Mitchell und bemerkte das leichte Erstaunen in den Zügen
des jungen Arztes.
Es gab bestimmt nicht viele
Vorgesetzte, die ihre Angestellten im Spital besuchten.
"Wissen Sie, ob er Familie
hat, die wir informieren sollten?"
"Soweit ich weiss, hat er
keine Familie."
"Oder Bekannte, Freunde, die
ihm nahestehen?"
"Nein, ich glaube nicht. Aber
wenn mir noch jemand einfällt, werde ich ihn informieren."
Der Arzt nickte nachdenklich
und meinte dann: "Bleiben Sie nicht zu lange und wenn er aufwacht, rufen
Sie mich sofort."
Mitchell deutete ein leichtes
Nicken an und ging dann zu Toms Bett.
Toms Gesicht war blass und
immer wieder zuckte ein Muskel, als habe er starke Schmerzen. Mitchell
spürte sein Sorge und auch den Hass auf den, der Tom angeschossen
hat. Er fühlte, wie er automatisch die Vaterrolle für Tom übernahm
und wandte sich an Foster.
"Wissen Sie, wer das gewesen
sein kann?" fragte er Foster.
Dieser machte eine Bewegung
zwischen nicken und Schulter zucken.
"Ich habe Vermutungen, aber
ich darf sie Ihnen nicht sagen. Sie sind geheim."
"Es waren die Entführer,
die, die ihn schon einmal angeschossen haben, nicht?"
"Ich darf es Ihnen nicht sagen",
wiederholte er.
"Ich wusste es doch. Warum,
glauben Sie, haben sie das getan?"
"Sir, ich kann ..." fing Foster
wieder an, aber Mitchell unterbrach ihn und hob die Hände, zum Zeichen,
dass er nicht mehr weiter fragen würde.
"Ja, ja, Sie dürfen es
mir nicht sagen, schon kapiert."
Sein Blick wanderte wieder
zu Tom zurück und wieder erfasste ihn Wut auf die Schützen. Er
kannte sie nicht und wusste nicht, zu was sie fähig waren, aber jetzt,
nachdem er Tom so blass und mehr tot als lebendig daliegen sah, wusste
er, dass sie bereit waren, Tom zu töten, wenn er ihnen noch einmal
in die Quere kam.
"Wann haben Sie sie endlich
gefasst?"
"Das kann ich nicht sagen,
auch wenn ich es wollte und dürfte."
"Ja, natürlich. Aber
haben Sie wenigstens eine Spur?"
"Vielleicht."
"Was heisst denn das jetzt
wieder? Nein, lassen Sie mich raten: Sie dürfen es mir nicht sagen,
richtig?"
Foster hob entschuldigend
die Schulter und lächelte leicht.
"Wenn man bei der CIA ist,
muss man aufpassen, was man sagt. Es könnte in falsche Ohren geraten."
"Sie misstrauen mir?"
"Das habe ich nicht gesagt,
Sir, ich sagte nur, dass ..."
Mitchell hob wieder abwehrend
die Hände und seufzte. Er würde nie das erfahren, was er wollte,
warum hörte er dann nicht auf zu fragen? Dieser Mr. Foster war ein
gut ausgebildeter CIA-Agent, der ganz bestimmt nie etwas freiwillig sagen
würde, von dem er genau wusste, dass er es nicht durfte.
Tom stöhnte leise und
Mitchell glaubte einen leichten Druck an seiner Hand zu spüren.
"Schnell, rufen Sie den Arzt,
ich glaube, er wacht auf."
Foster drückte den Knopf,
um den Arzt zu rufen und stellte sich auf die andere Seite des Bettes.
Er musterte Tom eingehend und spürte, genau wie Mitchell, eine Wut
in sich aufwachen, die er nicht zügeln konnte. Vielleicht hatten Gordon
und Sheen etwas von den Plänen der CIA Wind bekommen und wollten Tom
jetzt ausschalten, um zu verhindern, dass das CIA diese Informationen bekam.
Aber wussten sie denn nicht, dass Tom nicht der einzige war, der das tun
konnte? Ihnen musste doch klar sein, dass andere das auch tun konnten.
Waren sie so blöd oder war es gar nicht ihre Absicht, Tom wegen diesen
Informationen umzubringen?
"Ist er aufgewacht?" fragte
plötzlich eine helle, sympathisch klingende Stimme.
Erstaunt drehten Foster und
Mitchell gleichzeitig den Kopf und musterten eine wunderschöne, hellbraunhaarige
Frau, deren ersten Blick ihrem Patienten galt. Als sie sah, dass er noch
nicht aufgewacht war, wandte sie sich an die beiden Männer.
"Ich bin Dr. Taylor, die Ärztin
von Mr. Penn."
"Agent Foster, CIA", stellte
sich Foster vor und streckte ihr die Hand entgegen. Sie antwortete ihm
mit einem erstaunlich festen Händedruck.
"Harry Mitchell. Ich bin Toms
Chef."
Auch ihm gab sie die Hand.
"Sehr erfreut."
Sie zog einen Plastiksack
aus ihrer Brusttasche und hielt es Foster hin.
"Das ist die Kugel, mit der
Mr. Penn getroffen wurde. Wir haben sie in diesem Zustand aus seinem Körper
geholt."
Er nahm das Täschchen
entgegen und musterte es.
"Ein sechsundreissiger Revolver.
Schönes Kaliber."
"Mr. Hudson wird Ihnen bestimmt
schon gesagt haben, dass für Mr. Penn keine allzu grosse Lebensgefahr
mehr droht. Wir sind uns sicher, dass er es überleben wird."
Tom stöhnte wieder leise.
Dr. Taylor wandte sich sofort ihm zu und blendete ihm mit einer kleinen
Taschenlampe in die Augen, die sie ihm aufmachte. Seine Pupillen irrten
verwirrt und erschrocken hin und her.
"Es ist alles in Ordnung,
Mr. Penn. Sie sind hier gut aufgehoben", versicherte sie ihm und lächelte.
"Was ist ... was ist passiert?"
"Sie wurden angeschossen.
Ein Taxifahrer hat Sie in dieses Krankenhaus gebracht. Sie werden wieder
gesund, keine Angst. Aber ruhen Sie sich jetzt aus."
Sie lächelte noch einmal
und drehte sich, nachdem Tom die Augen wieder geschlossen hatte, wieder
zu Mitchell und Foster um.
"Ich möchte Sie jetzt
bitten, mit mir zu kommen. Mr. Penn braucht Ruhe und ich noch ein paar
Angaben über ihn. Ich nehme an, Sie stehen ihm näher, Mr. Mitchell
als Mr. Foster, oder?"
Sie führte sie aus dem
Zimmer und sah sie dann erwartungsvoll an.
"Nun, ich ... äh ...
ich weiss nicht so genau. Ich stehe ihm näher, aber ob ich mehr über
ihn weiss als Mr. Foster ...?"
"Okay, dann kommen Sie doch
beide mit."
Dr. Taylor führte sie
in ein Arbeitszimmer und deutete auf zwei Stühle, während sie
sich hinter den Schreibtisch setzte.
"Also, wie ist sein voller
Name und seine Adresse?"
Mr. Mitchell nannte ihr Toms
Namen und seine Adresse. Sie fragte weiter nach Familie, Bekannten, Beruf,
Unfallversicherung und allem, was so zum Papierkram gehörte.
Nachdem sie alles wusste,
was sie wissen musste, stand sie auf, führte sie hinaus und sagte
sie zu Foster und Mitchell: "Sie können Mr. Penn besuchen, aber ich
bitte Sie, vor allem Sie, Mr. Foster, ihn nicht mit Fragen zu belästigen,
sollte er aufwachen. Wenn er sich zu sehr anstrengt, könnte es zu
einem Rückfall kommen, dass ihm das Leben kosten könnte."
Sie sah Foster an und der
nickte, obwohl er genau wusste, dass er Tom, sobald er aufwachte, mindestens
eine Frage stellen würde.
"Ich werde Sie beide informieren,
wenn eine Veränderung eintritt", sagte sie zum Abschied, schüttelte
ihnen wieder die Halt und verschwand dann in den verwirrenden Gängen
des Krankenhauses. Mitchell gab Foster ebenfalls die Hand und verabschiedete
sich mit den Worten: "Die Arbeit wartet nicht."
Er ging, Toms blasses Gesicht
vor seinem inneren Auge, hinaus und wäre bei der Tür fast in
eine junge Frau hinein gelaufen.
"Oh, entschuldigen Sie, ich
war ... Miss Benett?"
Angela lächelte ihn strahlend
an und begrüsste ihn: "Mr. Mitchell! Was für eine Überraschung!
Was machen Sie hier? Haben Sie To ... Mr. Penn besucht? Wie geht es ihm?"
"Es geht ihm den Umständen
entsprechend. Woher wissen Sie, dass Mr. Penn hier ist?"
"Ich wollte mich erkundigen,
wann Mr. Penn mit meinem Auftrag anfängt und da hat mir einer Ihrer
Mitarbeiter gesagt, dass Sie gerade bei Penn im Spital seien. Ich dachte,
ich könne ihn ja auch mal besuchen und selber schauen, wie es ihm
geht."
"Er ist in Zimmer 486. Es
ist gleich neben dem Lift."
Sie lächelte dankend
und verabschiedete sich.
Mitchell sah ihr nach und
konnte sich einen eifersüchtigen Gedanken nicht verkneifen. 'Tom hat
immer solches Glück. Zwei Superfrauen machen sich Sorgen um ihn.'
Tom spürte wieder den
gleichen Nebel um seinen Kopf, wie als ihn seine Entführer beim ersten
Mal anschossen, nur dass er dieses Mal absichtlich herbei geführt
wurde, durch die Schmerztabletten, die man ihm gab. Er konnte den Arzt,
der sich um ihn kümmerte, nicht sehen, das heisst, nicht klar erkennen,
da sein Blick getrübt war und er alles verschwommen sah. Das einzige,
was er einigermassen klar wahrnahm, waren die Geräusche um ihn herum.
Zwar waren sie leiser als sie normal waren, aber er konnte sie hören,
und das reichte ihm. Er hatte es nicht gerne, wenn alles still war. Er
hatte lieber viel Lärm als Stille. Er zog sogar eine Menschenmenge
der Stille vor.
"Tom, ich bin es, Angela,
wie geht es dir?"
Er hatte nicht gemerkt, dass
er die Augen leicht offen hatte und konnte sich jetzt nicht verkneifen,
die zu schliessen und zu hoffen, dass nachher die Stimme und das Gesicht,
dass er trotz des Nebels erkannte, verschwand, obwohl er wusste, dass sie
das nicht taten.
Das Piepsen seines Herzschlages
wurde schneller und zeigte langsam einen gefährlichen Zustand an.
"Tom, was hast du? Ist alles
in Ordnung?"
Er konnte und wollte nicht
antworten, sondern konnte nur hoffen, dass der Arzt rechtzeitig kam, denn
er spürte bereits wieder eine Ohnmacht, die ihm vorkam, als würde
er langsam von seinem Körper getrennt. Er wollte nicht sterben, auch
wenn ihm die Frau, die er hasste und die von ihm ein Kind bekommen würde,
gegenüber sass und er nichts dagegen tun konnte.
"Was ist passiert?"
Wieder eine weibliche Stimme.
Tom hatte gehofft, der Arzt würde kommen, und nicht noch eine Frau.
Was wollte sie da? Wer war sie? Was hatte sie hier zu suchen? Tom wollte
den Arzt, der sich um ihn kümmerte, und keine zweite Frau, noch dazu
eine mit einer solchen Stimme.
"Ich weiss nicht. Dieses Ding
piepste auf einmal und er verlor das Bewusstsein."
Er verlor das Bewusstsein?
Aber er war doch noch wach. Er hörte doch noch, was sie über
ihn sprachen. Wie konnte er da das Bewusstsein verloren haben?
"Herzstillstand! Sofort Elektroschock
vorbereiten."
In der Stimme klang leichte
Panik mit, Panik, die sich auch in Tom breit machte, als er das hörte.
Sein Herz konnte doch nicht einfach still stehen, wenn er noch wach war!
Wieso sagte sie das? Der Arzt sollte endlich kommen. Wenn er kam, würden
alle Missverständnisse geklärt werden. Hatten sie ihm etwa eine
junge Schwester geschickt, damit sie ein bisschen Übung bekam?
Eine Stromladung wurde durch
seinen Körper gejagt, aber er spürte sie kaum.
"Keine Reaktion. Noch mal.
Macht schon! Er darf nicht sterben!"
Nein, das durfte er nicht.
Er durfte nicht sterben. Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich, er konnte
doch jetzt nicht einfach so sterben.
Auf einmal verstand er, warum
er noch wach war. Er war schon so gut wie tot, so dass sein Geist sich
schon so weit von seinem Körper entfernt war, dass er nicht mehr von
dessen Ohnmacht beeinflusst wurde. Er war irgendwo in diesem Raum, und
schwebte ohne Körper umher. Darum spürte er auch die Ladungen
nicht mehr. Er konnte sie nicht mehr spüren, wenn er tot war.
Nein! schrie es irgendwo in
ihm, Ich will nicht sterben!
Sein Wille sträubte sich
mit der ganzen Kraft dagegen, gegen den angenehmen Sog, der ihn wärmte
und ihm ein Gefühl der Sicherheit gab. Aber der Sog war stark, stärker
als Toms Wille. Trotzdem strebte er zu seinem Körper zurück,
diesem unbekannten Band nach, das nur noch sehr schwach den Weg zu seinem
Körper zeigte.
"Keine Reaktion. Verstärkt
die Ladung. Wir müssen ihn retten!"
Hatten sie es schon wieder
gemacht? Er hatte gar nichts mehr gespürt. Verdammt! Vorher hatte
er das Gefühl gehabt, wieder zu seinem Körper zurückzukehren,
aber scheinbar hatte er den warmen, angenehmen Ort mit seinem kalten, inzwischen
vermutlich totem Körper verwechselt.
Nein! Ich will nicht sterben!
Mit einem Ruck entfernte er sich, strebte erneut dem Körper zu, den
er nicht mehr kannte.
"Ja, kommen Sie, Tom, Sie
schaffen es! Strengen Sie sich an. Verdammt noch mal, atmen Sie!"
Tom versuchte zu atmen. Der
kalte Körper stellte ihm die Luft ab und er wollte sich wieder zu
diesem warmen Ort zurückziehen, aber diese Stimme ... Sie war anders
als die von Angela, obwohl sie den gleichen süssen Ton hatte.
Er strengte sich nur dieser
Stimme zu liebe an. Er wollte das Gesicht sehen, das sich hinter ihr verbarg,
die Lippen, über die sie kam.
"Herzschlag, Puls. Stabilisiert
sich!"
Ein erfreutes Lachen aus vielen
Kehlen erklang.
"Ja, Sie haben es geschafft
Tom! Sie haben es geschafft!"
Sein Körper wurde wärmer
und er freute sich über seine Entscheidung, auch wenn er jetzt Schmerzen
hatte. Was hätte ihn an diesem anderen Platz erwartet? Vielleicht
war er ja nur eine Täuschung gewesen, um ihn anzulocken.
"Ich möchte, dass ständig
jemand hier ist und auf ihn aufpasst. Keine Besucher, von denen wir nicht
wissen, wer sie sind und wie sie zu ihm stehen, klar? Und sorgen Sie dafür,
dass ihn niemand stört."
Keine Angela, die ihn aufregen
konnte und auch keine Jennifer Sheen und keinen Winnetou. Vermutlich würden
sie es auch nicht wagen, hierher zu kommen, vor allem jetzt nicht mehr.
Wenn sie merkten, dass alle überprüft werden, die hier rein wollten,
würden sie es sich zweimal überlegen.
Er hörte, wie sich leise
Schritte entfernten und nur wieder das Piepsen blieb, ein regelmässiges,
leises Piepsen, das zusammen mit den übrigen leisen Geräuschen
und gutes Gute-Nacht-Lied war.
Nein, er durfte nicht einschlafen!
Das Piepsen hatte sich schon wieder beschleunigt. Er musste wach bleiben
und dafür sorgen, dass er immer atmete und dass sein Herz schlug.
Wenn er einschlief, würde er aufhören zu atmen und wieder zu
diesem Ort gehen, an den er eigentlich gehen wollte, aber nicht durfte.