DIE TÖDLICHEN TÖCHTER DES HIMMELS

Ob unterkühlt wie in "Beyond Hypothermia" oder superheiß: In Hongkongs Action-Kino kämpfen sich die Frauen nach vorne

Frauen spielen in vielen asiatischen Ländern immer noch eine untergeordnete Rolle. Ganz anders hingegen im Kino. Und besonders im Hongkong-Kino. Sie schlagen sich mit Schwertern, Gewehren, Haaren, Händen und Füßen durch alle Genres. Ob halbnackt bis nackt in pornografischen B- und C-Movies, als ehrenwerte Schwertkämpferinnen, Polizistinnen oder auch als Killerinnen - sie sind nicht zu unterschätzen. Während man Hollywoods Action-Heldinnen an einer Hand abzählen kann, sind sie aus Hongkongs Kino einfach nicht wegzudenken.

Ein Killer auf der Suche nach Liebe möchte mit seiner Freundin ein normales Leben führen und seinen blutigen Beruf an den Nagel hängen, doch die Vergangenheit holt ihn ein. Dieses Schema ist altbekannt. Für westliche Augen aber erstaunlich: Der Killer in "Beyond Hypothermia" ist eine Frau (Wu Chien Lien), und die sanfte, gefühlvolle Rolle übernimmt ein Mann (Lau Ching Wan). Nein, das ist keine verkehrte Welt. Toughe Frauenrollen, die in Hollywood mit dem "Nikita"-Remake "Codenam Nina" und "Tödliche Weihnacht" als absolute Ausnahme gelten, sind in Hongkong schon seit langem an der Tagesordnung.

Zwar gibt es auch in Hongkong ein "Nikita"-Remake namens "Black Cat" (sogar mit etlichen Fortsetzungen), aber schon Jahrzehnte davor standen die Chinesinnen auf der Leinwand ihren Mann. In den 60er Jahren übertrafen die kämpferischen Frauen ihre männlichen Kollegen an Popularität um Längen - sie wurden sogar besser bezahlt. Auch nach den Schwertkampf- und Kung-Fu-Filmen der 60er und 70er Jahre, in denen sich Stars wie Cheng Pei Pei und Angela Mao als Heldinnen edler Gesinnung in die Herzen des Publikums kämpften, verschwanden die Powerfrauen nicht von der Leinwand.

Ob als Revolutionäre in Tsui Harks "Peking Opera Blues" oder Kriminalbeamtinnen in den unzähligen Polizei-Actionfilmen, die ganze Videotheken-Regale füllen - die Aktricen zeigen ihren Gegnern eine knallharte Handkante, schicken sie mit einem Fußtritt auf die Matte oder pusten sie gleich mit einem ganzen Waffenarsenal weg. Den über Jahre hinweg stärksten Eindruck in den 80er Jahren hat aber wohl die sonst eher sanfte Joey Wong als mörderischer Geist in "A Chinese Ghost Story" hinterlassen.

Die Verbindung von Sex und Crime regt schon seit jeher die Gemüter an, was in Hongkong seit Ende der 80er Jahre zu billig produzierten Filmen wie "Erotic Ghost Story" oder "Naked Killer" führt. Wie man anhand der Titel schon erraten kann, handelt es sich um garantiert nicht jugendfreie Filme der sogenannten Kategorie III. Die "China Dolls", so ein Filmtitel, laufen nicht nur in finsteren, aber gut besuchten, Hongkong-Kinos, sondern beschleunigen auch den Puls überall auf der Welt verstreuter männlicher Videofans.

Die halbnackten Action-Babes kämpfen auch in den 90er Jahren nicht allein. Selbst große Kinostars versuchen sich immer wieder - durchaus überzeugend - als Fighterinnen, allerdings voll bekleidet. Brigitte Lin ("Das unbesiegbare Schwert") schlägt sich sogar häufig im Männergewand durch Schwertkampf-Filme oder übernimmt tatsächlich Männerparts. Doch egal in welchem Outfit, tödlich sind sie und ihre Kolleginnen allemal. Bei Michelle Yeoh versteht sich das ganz von selbst: Sie ist Hongkongs beste und höchstbezahlte Action-Queen. Auch wenn ihre Gage nicht an die ihrer männlichen Kollegen heranreicht (Jackie Chan führt immer noch die Spitze an), in Punkto Leinwand-Kampfkunst kann sie es lässig mit ihnen aufnehmen.

Neben den Schwertkampf- Kung-Fu- und anderen Action-Streifen des Mainstreams, lassen sich die Frauen auch in den eher experimentellen Filmen nicht unterbuttern, wie man dieses Jahr in unseren Kinos sehen konnte. Und so reiht sich ebenso wie die verlassene Geliebte in "Chungking Express", die mörderische Agentin des Killers in "Fallen Angels" oder die junge Delinquentin aus "The Odd One Dies" auch die Killerin aus "Beyond Hypothermia" in den tödlichen Reigen ihrer kämpferischen Schwestern ein.
Anja Böhnke

Home Action Queens Beyond Hypothermia

Noch zur Sache: Erstveröffentlichung 1997, anläßlich des deutschen Kino Starts von "Beyond Hypothermia". © Anja Böhnke.