Kung-Fu-Filme in der Volksrepublik China
Mit der Hongkong/China Koproduktion "Shaolin Temple" brach 1982 dann die Kung-Fu-Begeisterung auch in der Volksrepublik aus. Gedreht wurde an Originalschauplätzen, unter anderem dem Shaolinkloster in Dengfeng. Dort wird ein junger Mann (Li Lianjie) von Shaolinmönchen gesundgepflegt und erlernt ihr Kung-Fu, um den Mord an seinem Vater zu rächen. Neben den fast wie auf einer Wushumeisterschaft anmutenden Kämpfen und Übungen sind es vor allem die schönen Landschaftsaufnahmen die "Shaolin Temple" von durchschnittlichen Hongkong-Produktionen absetzt.
Der Hauptdarsteller und chinesische Wushu-Weltmeister Li Lianjie (Jet Li) wurde zum nationalen Idol in China und zu der zentralen Figur des Kung-Fu-Films. Kung Fu wurde nun offiziell als Sport mit positiven charakterbildenden Eigenschaften eingestuft und gefördert. Bis in die entferntsten Provinzen entstanden neue Kampfschulen. Im Shaolinkloster in Dengfeng leben mittlerweile wieder Mönche, die ihre Kunst an Lernwillige weitergeben. Das Kloster ist ein regelrechter Wallfahrtsort geworden. Um dem Ansturm gerecht zu werden, mußten um das Kloster herum mehrere Hotels und eine große Schule errichtet werden. Die chinesische Regierung sah sich aber genötigt einen Erlaß herauszugeben, nach dem chinesische Studenten aufhören sollten ihre Schulen zu verlassen um in das Shaolinkloster einzutreten.
1983 gelingt der Volksrepublik mit "Kung Fu: Die Tochter des Meisters" der erste Kung-Fu-Film in Eigenproduktion: Japanische Samurai veranstalten angebliche Freundschaftskämpfe um die Chinesen zu demütigen. Die Tochter eines ermordeten Wu-Dang-Meisters macht sich auf den Weg, die Wu-Dang-Kampfkunst zu lernen. Ein poetisches Werk mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen.
Während in China Kung-Fu-Filme boomten, spielten sie im Hongkong der 80er Jahre kaum eine Rolle. Dennoch verzichtete die Filmindustrie nicht gänzlich auf die Kampfkunst. In Action-, Kriminal-, Geister- und Gangsterfilmen fanden Kung-Fu-Einlagen immer noch ein Plätzchen. (Wie in den ganzen Polizistinnen-Actionstreifen mit Michelle Chan, Michelle Khan, Cynthia Luster oder Cynthia Rothrock.) Auch die Actionfilme des Schauspielers und Regisseurs Jacky Chan wären ohne atemberaubende Kampfszenen undenkbar. Der nutzte die Zeit, um seine frühen Kung-Fu-Komödien weit hinter sich zu lassen und statt dessen eine eigene, tatsächlich witzige, dynamische Körpersprache zu entwickeln.
Die Wiedergeburt des Kung-Fu-Films in Hongkong
Mit dem Kung-Fu-Epos "Once Upon a Time in China" erweckte Regisseur und Produzent Tsui Hark 1991 das Kung-Fu-Genre in Hongkong zu neuem Leben. Um die Figur des legendären Nationalhelden Wong Fei Hong rankt sich eine Geschichte über das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Welten: das unterdrückte China mit der Sehnsucht nach besseren Zeiten und die westlichen Staaten. Der traditionsbewußte Arzt und Kampfkünstler Wong Fei Hong muß sich mit Amerikanern, verfeindeten Kampfschulen und seiner sowohl fortschrittlichen wie auch überaus attraktiven Tante auseinandersetzen.
Neben dem Hauptdarsteller Jet Li (so nennt sich Li Lianjie in Hongkong) spielt Yuan Biao, den man früher oft an der Seite Jacky Chans sehen konnte. Zusammen zeigen sie Kämpfe von einer atemberaubenden Rasanz, die neue Maßstäbe für die nachfolgenden Filme setzten. Sie verbinden Kampftechniken verschiedener Stile mit Akrobatik, gewagten Stunts, aufwendigen Tricks und geschickten Schnitten. Ein durchschlagender Erfolg, der die lange Reihe der traditionellen Wong-Fei-Hong-Filme (seit 1949 ist Wong Fei Hong die beliebteste Figur des Kung-Fu-Films) mit modernster Technik, Kampfchoreographie und neuen Geistesinhalten verbindet.
Auch in den beiden komödiantischen Kung-Fu-Balladen von 1993 "Fong Sai Yuk" und "Tai Chi" spielt Jet Li wieder die Hauptrolle. In "Fong Sai Yuk" ist er der Titelheld. Rührend komische Dialoge zwischen Mutter und Sohn wechseln mit atemberaubenden Kämpfen. Seine kämpferische Filmmutter, Josephine Siao Fong Fong, stiehlt ihm aber mit Bravour die Show. Am besten sind zwei Kämpfe um die Hand einer jungen Frau: Einer findet auf den Köpfen herumstehender und gar nicht begeisterter Passanten statt. "Tai Chi" ist ähnlich berauschend. In ihrer Verquickung von hervorragenden Kampftechniken und Trick erreichen die Kampfszenen eine traumhafte Qualität. Wie schon in "Fong Sai Yuk" gibt es wieder meisterhaft kämpfende Frauen. Hier ist es Michele Yeoh (alias Michele Khan), die auch die Titelrolle in dem Film "Wing Tsun" spielt und 1997 als Bond-Girl zu sehen ist.
Ähnlich wie Bruce Lee ist auch Jet Li längst nicht der einzige Kung-Fu-Star seiner Zeit. Es gibt unmassen an modernen Kung-Fu-Kämpfern, wie zum Beispiel Yu Rong Guang oder Donny Yen. In "Iron Monkey" spielt er den Vater des noch kleinen Wong Fei Hong.
Für den Kung-Fu-Film scheint momentan alles großartig auszusehen. Leider aber ist "Once Upon a Time in China" bei uns nur in geschnittener Fassung auf Video herausgekommen. Von den zweieinhalb Stunden des Originals blieben nur 95 Minuten übrig. Wenn man an das Schicksal der Kung Fu- und Schwertkampffilme aus den 70er Jahren denkt, läßt das Schlimmes befürchten. Die wurden trotz ihrer Popularität von den bundesdeutschen Verleihern teilweise um ein Drittel gekürzt, dann schlampig wieder zusammengeschnitten und mit obskurer Synchronisation versehen, was die Filme dann in Mißkredit brachte. Wir können nur hoffen, daß die Verleiher mittlerweile aus ihren Fehlern gelernt haben und spätere Filme in vollständiger Fassung zeigen werden.
Anja Böhnke