Ein Ausflug in die Berge
|
José und Chema hatten uns vor einiger Zeit eingeladen, sie auf eine Wochenend-Tour zu
begleiten. Es sollte in die Berge
gehen, und irgendwo unter freiem Himmel geschlafen werden. Da unsere
Freunde nur zwei Extrarucksäcke und sonstige Ausrüstung organisieren
konnten, musste einer von uns hier bleiben. Da es Chris ein wenig zu
abenteuerlich vorkam, verzichtete er freiwillig. Er hatte
auch Bedenken, ob das seinem Knie gut tun würde, da es ziemlich hoch
hinauf gehen sollte. Mark und Jochen hatten grosse Lust mitzugehen, und so kam es dann auch!
Am Samstag, den 9.9. um 15 Uhr trafen wir uns mit den beiden Spaniern am Corte Ingles, einem riesigen Kaufhaus in der Innenstadt von
Málaga. Jochens Auto wurde (wieder mal) schwer mit Rucksäcken u.ä. beladen, und los ging es - nach Nerja, ca. 70 km ostwärts an der Mittelmeerküste gelegen. Unterwegs kauften wir noch etwas Wasser und Essen, denn als naive Anfänger hatten wir pro Nase nur 1.5 Liter Wasser und etwas trockenes
Weissbrot eingepackt. Der trocken-amüsierte Kommentar von Jose lautete, dies sei keine Reise für Strafgefangene, wir sollten erstmal den Proviant ergänzen. Was sich später auch als gute Idee erwies.
In Nerja (wo übrigens massenhaft Deutsche leben) bogen wir ins Landesinnere ab. Es ging kilometerweit über eine
Strasse, die unserer festen Überzeugung nach in den letzten 30 Jahren weder befahren noch repariert worden war. Armer Golf. Erstaunlicherweise erschien am Ende der Schlaglochpiste ein Campingplatz, samt Fuhrpark der Bewohner. Die Kfz-Werkstätten von Nerja dürften sich blühender Geschäfte erfreuen... Hier, in ca. 300 Metern Höhe über NN,
liessen wir das Auto stehen, schnallten die Rucksäcke auf und marschierten los. Das war gegen 17 Uhr.
|
|
|
Die ersten eineinhalb Stunden gingen recht schnell vorüber, und zusehends
wurde die Aussicht schöner. Die Anstrengung war mässig, trotz recht beachtlicher
Steigung und Hitze, da der Weg gut begehbar war. Wir erreichten ein verfallenes
Gebäude, das wohl früher als Behausung diente. Die sonst vorhandene natürliche Wasserquelle war bedauerlicherweise
ausser Betrieb, mangels
Niederschlag, wir konnten also unsere Trinkflaschen nicht auffüllen.
|
|
|
|
Links sehen wir Chema, der als (Mit-)Anführer abwechselnd als "Cristobal Colon" und "Crocodile Dundee" angesprochen zu werden wünschte, und auch ansonsten zuverlässig für Heiterkeit sorgte.
|
Wir nahmen etwas Nahrung und Wasser zu uns, darunter einige Mandeln sowie Früchte namens "Chumbito", die jeweils an Ort und Stelle wuchsen. Wie auch später noch, zeigten wir Deutschen parasitäres Verhalten, indem wir ausgiebig von den reichlich und vielfältig vorhandenen Lebensmitteln (Käse, diverse Fleisch- und Wurstwaren, Obst, Kuchen) unserer einheimischen Bergführer probierten. (Dafür wurden sie tags darauf von uns zum Tee in ein marokkanisches Lokal in
Málaga eingeladen, aber das ist eine andere Geschichte.)
Nach dieser kurzen Rast ging es weiter. Die Sonne neigte sich bald bedenklich dem Horizont zu, und der Gipfel, der unser Ziel darstellte, schien noch unendlich entfernt. Die Wege wurden immer unscheinbarer, die Aussicht dafür immer beeindruckender. Zeitweise war am Horizont, jenseits des Mittelmeers, der Schattenriss des Atlasgebirges in Marokko zu erkennen!
|
|
|
Das letzte Stück gab es gar keinen Weg mehr, wir mussten auf Händen und Füssen die Hänge hinaufkriechen. Gegen 21.30 Uhr, im Dämmerungs-Zwielicht und bei aufgehendem 2/3-Mond, erreichten wir
schliesslich den sage und schreibe 1.508 Meter hohen Gipfel des "Alto del Cielo" (in etwa: Höhe des Himmels).
Die Aussicht war atemberaubend: das Mittelmeer auf der einen Seite, das Gebirge auf der anderen, Nerja und andere Küstenstädte mit ihren Lichtern dazwischen, obendrüber Mond und Sterne.
Wir richteten unser Nachtquartier ein, innerhalb eines 3x3 Meter grossen quadratischen Bereiches, der von anderen Verrückten freundlicherweise mittels einer kleinen Steinmauer gegen den erstaunlich kalten Wind notdürftig geschützt worden war. Da wir seit Verlassen des Autos den ganzen Tag keine Menschenseele mehr gesehen hatten, überraschte es auch nicht, dass das "Zimmer" frei war.
In berechtigter Erwartung noch tieferer Temperaturen während der Nacht, vermummten wir uns in eigens mitgeführter langer Kleidung, Schlafsäcken, Decken und Mützen. Die zwei Verbrechergestalten da
unter der rosa Decke sind Jochen (links) und Mark ...
|
|
|
Die Nacht war klar. Nach Untergang des Mondes war der Sternenhimmel atemberaubend! Häufig waren Sternschnuppen zu sehen, darunter einige besonderes helle. Einige Stunden nach Sonnenuntergang sowie vor Sonnenaufgang zogen
auch ab und zu Satelliten über den Himmel, die noch/schon im Sonnenlicht schwebten und z.T. plötzlich im Erdschatten verschwanden oder neu auftauchten.
Richtig durchschlafen konnten zumindest wir, Mark und Jochen, nicht, dank des harten Untergrundes und der beengten Lage. Ab 7 Uhr wurde es hell, viel schneller als in
Deutschland, ein Augenblick zum Geniessen.
|
|
|
Hier die Stadt Nerja, vom Gipfel aus, einmal nach Sonnenaufgang sowie einmal am Vorabend in der Dunkelheit:
|
|
|
Wir frühstückten, genossen noch etwas den Ausblick und machten uns bald wieder an den Abstieg. Vorher noch ein Schnappschuss vor dem Gipfelkreuz, das dem Vernehmen nach irgendein Deutscher aus Dankbarkeit für eine Rettung aus Seenot gestiftet hat. Oder so....
|
|
|
Für den Rückweg zum Auto schlugen wir einen direkten und damit kürzeren
Weg ein, in dem vom Berg geworfenen Schatten. Teils ging es sehr steil
bergab. Tags zuvor hatten wir in der Tageshitze mit Absicht einen
längeren, aber angenehmeren Weg genommen. Herab brauchten wir nur zwei Stunden, statt der viereinhalb, die der Aufstieg gedauert hatte. Die erschöpften Wasservorräte erneuerten wir am Campingplatz, wo auch das Auto wohlbehalten angetroffen wurde.
Da der Tag noch jung war (10.30 Uhr), entschlossen wir uns zu einer kleinen Zugabe. Wir erschlossen den nahegelegenen kleinen Fluss
"Chilla", mangels Fussweg meist durch Waten im kühlen Wasser, die Turnschuhe an den Füssen.
Der Fluss hat sich in Jahrtausenden eine Art Canon in den Fels gegraben. Man sieht, viele Meter hoch oben an den Wänden, noch die runden Ausspülungen, die an Flusskurven typisch entstehen. Durch kleine Steinwälle im Flusslauf hat man Becken angelegt, die von den einheimischen Sonntagsausflüglern
(gehässigerweise "Domingeros" genannt, von domingo = Sonntag) zum wöchentlichen Baden der Kinder und Hunde benutzt werden.
|
|

|
Ein Seitenfluss bildet sogar einen ca. 12 Meter hohen Wasserfall, den wir natürlich sofort als Dusche zweckentfremden
mussten.
|
|
|
Zum krönenden Abschluss besichtigten wir schliesslich den "Balcon de Europa" (Übersetzung ist hoffentlich überflüssig) in
Nerja, von wo wir das letzte Foto, das auf die Speicherkarte passte, schossen
(oben rechts). Es handelt sich um eine Aussichtsterrasse, 20 Meter über türkisblauem Meerwasser, mit Blick auf das zuvor bestiegene Gebirge. Der "Alto del Cielo" ist übrigens der
höchste der Gipfel knapp rechts der Bildmitte.
Ebenso erschöpft wie höchst zufrieden kehrten wir nach Málaga zurück, wo wir noch kurz das schon weiter oben erwähnte Teelokal aufsuchten (sehr schöne Einrichtung, gut zur Entspannung), und dann endlich zuhause aufs Sofa fallen konnten.
|
|
|
|
|
created 10.09.00
|