M a b u h a y
Reisebericht aus Pakistan (Teil 12)

Neue Ziele
So schoen es ist, in der Schweiz zu leben, so bedauerlich und traurig ist es, dass es im eigenen Heimatland offenbar kompliziert und muehsam ist, eine nette Partnerin oder Freundin zu finden, um das Leben gemeinsam geniessen zu koennen. Der Mensch ist nicht geschaffen um alleine zu sein. Dass soviele Leute deswegen unter Depressionen leiden, ist nicht verwunderlich. Sind wir bereits dermassen egoistisch, dass alle nur noch alleine leben wollen, sogenannt frei sein? Schauen wir doch einmal, wie weit wir es in unserer vermeintlich modernen westlichen Gesellschaft bereits gebracht haben. Als Ersatz fuer fehlende zwischenmenschliche Beziehung besorgen sich viele Alleinstehende ein "Hundeli" oder eine Katze. Ist das nicht ein Armutszeugnis? Soweit bin ich noch nicht. Anscheinend hat das Schicksal mit mir etwas anderes vor. So bin ich weiterhin auf Reise. Als ich einmal mehr Richtung Zuerich-Kloten fahre, sind die Haeuser ueberall mit Schweizer Flaggen geschmueckt. Nicht meinetwegen, nein, sondern weil es der 1. August ist. Der Flug TG 971 nach Bangkok mit einer Boeing 747- 400 ist bis auf den letzten Platz besetzt. Welche Ueberraschung als Pak, eine Thailaenderin die ich von Pat's Take Away in Solothurn her kannte, neben mir Platz nimmt. Zufaelle gibts … gaell René! Nach knapp 10 Stunden lande ich wiederum in Thailand. Nach kurzer Erholung ist es Zeit meine Weiterreise nach Pakistan und Indien zu organisieren. Die naechsten Ziele heissem Maerchenwiese auf der Nordseite des Nanga Parbat (8125 m), Ganges-Quellen und Darjeeling in Nordindien. Alles scheint so einfach, ist es aber nicht. Zuerst muss man sich die Visa beschaffen. Ich bin veraergert, dass die indische Botschaft in Bern fuer die Austellung eines Visums darauf beharrt, ein Ausreiseticket vorzuweisen. So ein Bloedsinn, weiss ich doch noch gar nicht ob ich von New-Delhi, Kathmandu oder Calcutta nach Bangkok zurueck fliegen werde. Da man das Visum in Bangkok ohne diese Schikane kriegen kann, hole ich es dort ein. Die Bearbeitung des Gesuches dauert fuenf Arbeitstage. Als ich am Freitag um 08.30 am Schalter 1 vorspreche, heisst es ich koenne das Visum in einer halben Stunde am Schalter 2 abholen. So reihe ich mich in die Kolonne des betreffenden Schalters ein. Als ich endlich um halb zehn vor dem Schalter stehe, ist der Pass aber noch nicht fertig. Ich stehe wieder hinten an. Auch beim 2. Mal ist der Pass noch immer nicht erhaeltlich. Nun bleibe ich gleich neben dem Schalter stehen. Was sich da waehrend der Wartezeit fuer Dramen abspielten, sagenhaft! Zwei Franzosen waren auf dem Heimweg nach Paris, hatten aber einen Zwischenhalt von sieben Tagen in Delhi und brauchten dafuer ein Visum. Ihr Flug war in drei Stunden! Die waren fix und fertig. Auch ich werde langsam nervoes und veraergert, denn ich wollte am selben Morgen noch auf die pakistanische Botschaft um endgueltig abzuklaeren, ob ich nun ein Visum brauche oder nicht. Endlich, kurz nach 11.00 Uhr erhalte ich mein Visum. Ich rufe ein Motorradtaxi und in rasantem Tempo fahren wir durch das Verkehrschaos von der Soi Asoke auf Abkuerzungen zur Soi Sukhumvit 1. Zu allem Uebel, ist auf meinem Stadtplan die Botschaft noch falsch eingezeichnet und wir muessen wieder zur Soi 3 zurueck. Die Auskunft auf der pakistanischen Botschaft ist klar: Schweizer brauchen bis zu 30 Tagen Aufenthalt kein Visum. Zurueck in Pattaya buche ich nun meinen Flug nach Islamabad. Doch es gibt erneut Schwierigkeiten. Ich beabsichtige von Pakistan auf den Landweg nach Indien einzureisen. Anscheinend verlangt nun aber auch Pakistan fuer Touristen ohne Visum ein Ausreiseticket. Kommt dazu, dass ich fuer den Flug mit der PIA (Pakistan International Airline) nach Islamabad erst auf der Waiting-List stehe. Leider ist die Beratung meines Reisebueros (Champion Tour an der Soi Post Office), wie sich spaeter heraustellen sollte, hundsmiserabel. Vor allem die Auskunft betr. Ausreiseticket, wonach es zwischen Pakistan und Indien keine Flugverbindungen gebe wird fuer mich finanzielle Folgen haben. Nach einer Woche stehe ich noch immer auf der Waiting-List. Da mein Visum fuer Thailand demnaechst auch auslaeuft, muss ich handeln. Ich bin drauf und dran meine Reise nach Pakistan zu annulieren, doch das Reisebuero findet schliesslich einen Flug mit der Cathay Pacific nach Karachi. So buche ich BKK - Karachi - BKK, wissend, dass ich beim Refund des Rueckflugtickets wieder etwa 20 - 30% verlieren werde. Was soll's, mit Verlusten muss man rechnen. Da ich gegen 21.00 Uhr Lokalzeit in Karachi ankommen soll, stellt sich die Frage wie ich schnellstmoeglich weiter nach Islamabad kommen wuerde. Ich faxe der PIA nach Bangkok mit der Bitte, mir einen Platz im ersten Flug zu reservieren. Die Antwort per E-mail kommt prompt am naechsten Tag: PK 300y code FMPATB, Abflug 07.00, Platz reserviert. Ob das wohl klappen wird ?

Visum, ja oder nein ?
Als auf der grossen Anzeigetafel der Flug CX 701 zum einchecken aufgerufen wird, packe ich meine Sachen. Die Dame am Schalter blaettert in meinem Pass hin und her. Ich ahne schon was kommen wuerde. "Haben Sie kein Visum fuer Pakistan ?" "Nein, weshalb?" antworte ich selbstsicher. " Ohne Visum koennen Sie aber nicht fliegen" "Nun hoeren Sie mal. Ich war am letzten Freitag hoechstpersoenlich auf der pakistanischen Botschaft und habe mich erkundigt. Ich brauche kein Visum. Die muessen es doch wissen, oder? Die Hostess wird unsicher und schaut immer wieder auf den Bildschirm und ruft ihre Vorgesetzte. Ich muesse aber das Visum dann in Karachi auf dem Flughafen einholen, war ihr Kommentar. Ja dann halt, wenn es unbedingt sein muss! Endlich kann ich einchecken. In der Abflughalle aergere ich mich wieder einmal riesig ueber Hotmail. Geschlagene 20 Minuten dauert es, bis ich meinen Briefkasten oeffnen kann. Eine halbe Stunde vor dem Abflug strebe ich dem Gate 46 zu. Ich muss zweimal nachschauen, ob ich am richtigen Ort bin, denn in der Abflughalle ist noch kein einziger Passagier zu sehen. Als der Aufruf zum Boarding erfolgt, sind wir gerade sieben Personen! Zu meiner Ueberraschung kann ich mit einer Boeing 777-300, eines der modernsten Flugzeuge, fliegen. Die Maschine, mit einer Kapazitaet von 367 Passagieren ist nur etwa mit 50 Personen besetzt. Der Service ist absolute Spitze. Besser als bei der Thai und das heisst doch schon etwas. Fuer die 3705 Km lange Strecke brauchen wir 4 Stunden und 7 Minuten. Endlich kann ich waehrend dieser Zeit Krakauer's Buch ueber die Everest Tragoedie von 1996 lesen. Damit habe ich nun keinen Grund mehr an die Frankfurter Buchmesse zu gehen… Mit einer Geschwindigkeit bis zu 1007 Std/Km in einer max. Hoehe von 11'900 Meter zischen wir ueber den indischen Subkontinent. Kurz vor der Landung wird angeblich zum Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche die Kabine gesprayt. Um 21.05 landen wir in Karachi. Zu meiner Ueberraschung entpuppt sich der Quaid-E-Azam International Airport als durchaus sehr moderner Airport. Ich, der darauf gefasst war, in ein eher unterentwickeltes Land zu reisen. Bei der Immigration scheint das "Theater" mit dem Visum seine Fortsetzung zu nehmen. Als ich den Beamten ernsthaft frage, ob ich nun ein Visum brauche oder nicht, laechelt er und gibt mir den Pass mit dem Einreisestempel und einer Aufenthaltsbewilligung von 30 Tagen zurueck. Nun musste ich mir aber noch das Ticket nach Islamabad besorgen. Sehr freundlich weisen mich die Herren der Information zum PIA Schalter ausserhalb des Gebaeudes. Ich gebe den Code des reservierten Fluges an, bezahle mit der Eurocard. Alles klappt problemlos - und dies in Pakistan! Ich bin entzueckt. Inzwischen ist es 23.00 Uhr. Der Flug am naechsten Morgen ist auf 07.00 angesetzt, was heisst, spaetestens um 06.00 einchecken. Ich erkundige mich bei einem Polizisten, wo ich im Flughafen die Nacht verbringen kann. Er schickt mich ins Flughafenrestaurant im 7. Stock. Vorsorglicherweise hatte ich mir in Bangkok vor dem Abflug noch zwei Roast Beef Sandwiches gekauft, falls ich in Karachi nichts Essbares finden sollte. Nach dem Studium der Menukarte bestelle ich ein chicken fried rice und ein Coke. Dies sollte ja zumindest essbar sein. Es wird eine riesige Platte serviert, als ob wir vier Personen waeren. Das Essen schmeckt ausgezeichnet. Alles zusammen kostet nur gerade Fr. 1.50. Die verbleibenden sechs Stunden verbringe ich mit Lesen, Schreiben und Musik hoeren. Die Zeit geht eigentlich rasch um. Nach dem Fruehstueck um 05.30 Uhr ist es schon Zeit zum einchecken.

Inshallah
Erstmals seit langem bin ich wieder in einem islamischen Staat. Noch vor wenigen Stunden befand ich mich in einem Land, wo die Frauen modern und sexy bekleidet herumlaufen. Der Kontrast zu den Frauen hier mit ihren verhuellten Gesichtern haette nicht krasser ausfallen koennen. Etwa die Haelfte der Maenner sind westlich gekleidet, die anderen tragen das traditionelle Kleid "Shalwar kameez", ein langes, bis zu den Knien reichendes Hemd, welches ueber der Hose getragen wird. Fuer die 1129 Km nach Islamabad wartet ein Airbus A-310. Beim Einsteigen scheint die Sonne als grosse rote Kugel durch den Morgendunst. Vor dem Abflug wird ueber die Lautsprecher gebetet. Inshallah - so wie es Gott will. Der Flug in die pakistanische Hauptstadt dauert 1 Std und 35 Minuten. Beim Ausgang werde ich schon erwartet. Unter den vielen Tafeln ist auch eine mit dem Namen "Mr. Blaser". Mr. Ali Ishaq, der Managing Director von North Pakistan Treks, Tours and Expeditions (siehe die Webseite http://www.north-pakistan.com) mit welchem ich schon ueber zwei Jahre Mail-Kontakt hatte, holt mich hoechstpersoenlich ab. Die Fahrt in die Stadt ist eine weitere Ueberraschung. Eine breite, mehrspurige, saubere Autobahn fuehrt vorbei an gepflegten Straeucheranlagen. Nach etwa 20 Minuten halten wir beim Regency Hotel. Beim Betreten der Empfangshalle kommen mir Zweifel, ob dieses Hotel im Bereiche meines Budgets liegt. Ich hatte zuvor Mr. Ali bereits mitgeteilt, dass ich max. 20 $ ausgeben moechte. Er beruhigt mich. Da er alle seine Kunden hierher bringt, hat er ein Spezialdiscount. Effektiv, anstatt der ueblichen 2'500 Rupies (ca. 70.-) fuer ein Single-Zimmer, muss ich nur 800 Rp (ca.22.-) fuer ein wirklich schoenes, grosses, komfortables Zimmer mit Air-Cond und TV bezahlen. Der geschaeftliche Teil des Trekking ist schnell erledigt. Der naechste Tag ist fuer etwas Sightseeing reserviert. Islamabad (800'000 Einwohner) ist seit Oktober 1963 die neue Hauptstadt Pakistans. Geplant von einem griechischen Architekten, ist die Stadt auf einer Flaeche von 906 km2 gebaut. Die breiten Strassen und Boulevards sind in Blocks angelegt. Man wähnt sich in einer riesigen Parkanlage. Mit seinen zahlreichen modernen Regierungsgebaeuden und dem zivilisierten Verkehr hat man nicht wirklich das Gefuehl sich in Pakistan zu befinden. Wahrzeichen der Stadt ist die Shah Faisal Moschee, welche als die groesste Moschee Asiens gilt. Sie bietet Platz fuer 100'000 Glaeubige und ist ein Geschenk von Koenig Faisal aus Saudi-Arabien. Die Hitze an diesem Sonntag ist fast unertraeglich (etwa 36 Grad). Viele Stadtbewohner fluechten deshalb in die naheliegenden Margalla-Hills. Beim View Point steht auch ein bekanntes Restaurant, das von allen wichtigen Gaesten (Koenige, Staatsmaenner und mir) besucht wird. Erinnerungsfotos zieren die Waende des dining-rooms. Meine Fotos werde ich noch nachsenden, sage ich dem Kellner. Eine weitere positive Ueberraschung erlebe ich im Restaurant Kabul. Noch immer besorgt, wie ich mich wohl in Pakistan ernaehren werde, bin ich von der Mahlzeit absolut entzueckt.

Etwas Geschichte
Als England 1947 die Unabhaengigkeit Indiens gewaehren musste, konnte nicht verhindert werden, dass das Kolonialreich nach der Religionszugehoerigkeit in einen ueberwiegend islamischen Staat (Pakistan) und das von Hindus dominierte Indien aufgeteilt wurde. Nach der offiziellen Bekanntgabe der Grenzen zwischen beiden Laendern am 14. August 1947, flohen Muslime westwaerts und Hindus ostwaerts, rund 6 Mio in jede Richtung. Vermutlich eine der groessten Voelkerwanderungen in der Geschichte. Der Maharadscha von Kaschmir zoegerte sein Entscheid, sich entweder Pakistan oder Indien anzuschliessen hinaus, in der Hoffung, unabhaengig bleiben zu koennen. Indien schickte Truppen nach Kaschmir, Pakistan ebenso. Es kam zum Krieg. Ein UN-Waffenstillstandsabkommen im Januar 1949 gab jedem Land ein Stueck Land zur temporaeren Verwaltung. 1965 und 1971 kam es erneut zum Krieg und auch heute ist die Kaschmir-Frage noch immer nicht geloest. Die Landessprache Pakistans ist Urdu, wobei weniger als 10% der Pakistani Urdu als 1. Sprache sprechen. Uyghur, Wakhi, Burushaski, Shina, Kohistani, Pashto, Chitrali sind einige der wichtigsten lokalen Hauptsprachen. Etwa 50% der moslemischen Bevoelkerung gehoeren den Shias an, den Rest machen Sunniten und Ismailis aus. Pakistan hat eine bewegte Geschichte. Sie reicht von den Kampagnen Alexander des Grossen, welcher im Jahre 326 AC den Hindukusch ueberquerte, bis zu den Rivalitaeten im 19. Jahrhundert zwischen dem Britischen König- und dem Russischen Kaiserreich. Auf der Handesroute zwischen China und Persien, der sogenannten Seidenstrasse, wurden Porzellan, Seide, Tee, Gewuerze in den Westen transportiert, auf dem Rueckweg Wolle, Gold, Elfenbein, Juwelen und europaeische Delikatessen wie Feigen und Baumnuesse. Der Weg war gefaehrlich. Die Reisenden wurden oft von Raeubern aus der Mongolei, Tibet und Hunza angegriffen. Auf diesem Weg erreichte der Buddhismus auch erstmals China und Tibet.

KKH - die aufregenste Bergstrasse der Welt
Wo Marco Polo anfangs des 13. Jahrhunderts auf dem alten Karawanenweg, der Zentralasien mit dem arabischen Meer verbindet, noch monatelang unterwegs war, ist es heute durch den Bau des Karakorum Highways moeglich, die gleiche Strecke auf bequeme Art und Weise innert wenigen Tagen zurueckzulegen. Nach 16 Jahren Bauarbeiten wurde der KKH 1978 eroeffnet, zunaechst nur fuer die Chinesen und Pakistani. Seit dem 1. Mai 1986 ist die Strasse ebenfalls fuer auslaendische Touristen offen und ist zwischenzeitlich weltweit beruehmt geworden. Rund 10'000 chinesische und 15'000 pakistanische Soldaten waren am Bau beteiligt. 500 von ihnen kamen dabei ums Leben. 8'000 To Sprengstoff wurde benoetigt, um die Strasse in die Flanken der Berge zu sprengen. Die 1300 Km lange Asphaltstrasse von Rawalpindi nach Kashgar in China (880 Km bis zur chinesischen Grenze) fuehrt ueber weite Strecken einer Suedabzweigung der alten Seidenstrasse entlang und schlaengelt sich das Industal zum Kunjerab-Pass (4700 m) hinauf, der den Scheitelpunkt der Grenze zwischen Pakistan und China bildet. Der Bau des KKH kann durchwegs in die Kategorie der "8. Weltwunder" eingestuft werden. Die Strasse fuehrt durch ein Gebiet in dem 33 Gipfel ueber 7000 Meter und ein Achttausender liegen. Inmitten dieser Bergriesen befindet sich auch die groesste Konzentration von Gletschern ausserhalb der Polargebiete. Prachtvolle Landschaftsbilder mit strahlenden Gletscherbergen und smaragdgruene Felder von schlanken Pappeln umrahmt, wechseln mit trostlosen, oeden Wegabschnitten ab. Die Strasse fuehrt durch scheinbar kaum passierbare Schluchten, hoch ueber den schaeumenden Fluten des Flusses, durch Steinwuesten, die der Sahara in nichts nachstehen. Riesige Felsbloecke haengen drohend ueber der Strasse, eiffelturmhohe, fast senkrechte Geroellhalden scheinen jederzeit die Strasse blockieren zu koennen. Hinter jeder Kurve verbirgt sich eine Ueberraschung. So unterschiedlich die Landschaften entlang dem KKH sind, so unterschiedlich auch die Bewohner. Dem KKH entlang zu fahren ist wie durch ein halbes Dutzend Kleinstaaten zu reisen. Fast alle Hundert Kilometer wird eine neue Sprache oder ein neuer Dialekt gesprochen. Die Strasse wurde natuerlich nicht wegen den Touristen gebaut. Als einzige direkte Verbindung zwischen China und Pakistan, verbindet sie zwei Staaten, die beide mit Indien und Russland zerstritten sind. Die Strasse dokumentiert ein gemeinsames politisches Interesse. Der Strasse kommt auch militaerische Bedeutung zu. Nach indischer Rechtsauffassung gehoert das Gebiet von Nordpakistan, dass den KKH von der chinesischen Grenze durchquert, als Teil von Kaschmir zum indischen Staatsgebiet. Mit der neuen Strasse began auch eine neue Entwicklungsphase im westlichen Himalaja. Pakistanische Haendler decken sich in Kashgar mit chinesischen Gebrauchsguetern ein. Die Chinesen hingegen beziehen vor allem landwirtschaftliche Produkte wie Aprikosen, Getreide und Kartoffeln sowie Leder aus Pakistan. Obwohl kein reger Verkehr zu herrschen scheint, soll nach Angaben eines Zollinspektors der Handel jaehrlich zunehmen. Rund 520 Mio Rp, etwa 14 Mio Sfr soll der Staat letztes Jahr an Zolltaxen eingenommen haben. Auch die Einwohner laendlicher Bezirke entlang der Strasse und in den unzaehligen Seitentaelern profitieren von dieser Entwicklung. Immer mehr wird der Tourismus zu einer bedeutenden Einnahmequelle. Mit seinen unzaehligen Gletschern und faszinierenden Bergen ist Pakistan ein Trekker-Paradies. Zahlreiche Hotels und Guest-Houses bieten entlang des KKH bereits einen recht hohen Standard. Jedes Jahr kommen neue Lodges dazu. Leider werden durch die politischen Unruhen in Kaschmir und vor allem durch das Regime der islamischen Fundamentalisten im Nachbarstaat Afghanistan, viele Touristen vor einer Reise nach Nordpakistan abgeschreckt. Die Wakhi's, (die Bewohner von Hunza und Gojal), liberal denkende Ismailis, sind sehr gastfreundliche Leute. Dennoch gilt es einige Regeln in Sachen Bekleidung zu beachten. Auch das Fotografieren, vor allem von Frauen, ist verpoent. Offiziell ist der KKH am 31.12. geschlossen. Waehrend der langen Wintermonate liegt die Strasse unter tiefem Schnee. Waehrend den Sommermonaten passiert es oft, dass der Highway gesperrt ist. Steinlawinen und Erdrutsche unterbrechen regelmaessig Strassenabschnitte, reissende Fluesse bringen Bruecken zum Einsturz. 500 Soldaten der Frontier Working Organization (FWO) sind rund um die Uhr im Einsatz um die Strasse befahrbar zu halten. Der eigentliche KKH beginnt erst bei der Thakot-Bruecke, rund 5 Stunden noerdlich von Islamabad, wo die Strasse ins Industal einbiegt. Gleich nach Besham steigt die Strasse an. Die Fahrt verlaeuft dem Indus entlang, der sich in wilde, tiefe Schluchten eingegraben hat. Der KKH fuehrt in ebenso spektakulaerer Weise den steilen Bergflanken entlang. In Dasu gibt es ein Rasthaus, um sich von der bisherigen Fahrt zu erholen. Vor Chilas, dem naechsten groesseren Ort, gibt es laengs der alten Seidenstrasse kulturhistorisch hoechst interessante Ritzzeichnungen, die bis zu 2000 Jahre alt sind. In Chilas gibt es fuer die Reisenden eine angenehme Ueberraschung. 1984 wurde hier ein neues Hotel der "Shangri-La-Kette" mit klimatisierten Zimmern eroeffnet. 20 Km nach Chilas wird es fuer die Bergsteiger interessant. Wer auf die West-Seite des Nanga Parbat, die Diamir-Seite moechte, darf die kleine Abzweigung bei der Tankstelle in Bunar Das nicht verpassen. Nach knapp einer Stunde erreichen wir die Raikhot-Bruecke, ein weiterer Begriff fuer alle Trekker, die zur Maerchenwiese wollen (ich komme spaeter darauf zurueck). Auch hier gibt es seit kurzem ein Shangri-La Hotel. Nach Jaglot zweigen zwei Strasssen vom KKH ab. Die eine fuehrt nach Skardu, Ausgangspunkt zum Konkordiaplatz, die andere nach Astor auf die Rupal-Seite des Nanga Parbat. 28 Kilometer vor Gilgt wird das Tal zunehmend gruener. Am Strassenrand werden Trauben verkauft. Nach zwei Stunden erreichen wir Gilgit, das Handels- und Verwaltungszentrum der noerdlichen Distrikte.

Erster Hoehepunkt
Statt 14 Stunden oder laenger im Bus auf dem KKH nach Gilgit zu fahren, kann man auch fliegen. Der Flug nach Gilgit wird in den Reisebuechern als atemberaubend angepriesen, da die Flugroute nahe dem Nanga Parbat (8125 m) vorbei fuehrt. Mit dem Fliegen nach Gilgit ist es aber so eine Sache. Infolge der schlechten Wetterverhaeltnisse im Gebiet des Nanga Parbats, muessen die Fluege oft annulliert werden. Manchmal kehren die Flugzeuge sogar unterwegs wieder um. Wir haben unheimliches Glueck. Als mich mein Guide um 04.00 Uhr weckt, ist der Himmel klar. Um 06.00 Uhr sind wir schon am Flughafen. Jetzt gilt es nur noch einen Fensterplatz auf der rechten Seite zu ergattern und dann waere ich eigentlich fuer den ersten Hoehepunkt meiner Reise bereit. Die Maschine, eine Fokker 27, hebt puentklich ab. Die Stadt verschwindet schon bald unter einem Meer von Dunst. Nach etwa ¾ Stunden wird die Landschaft bergiger. Innerhalb von wenigen Minuten kommt ein riesiges Bergmassiv ins Blickfeld. Der Nanga Parbat, der Killerberg, von den Deutschen auch als Schicksalberg bezeichnet, weil vor allem viele deutsche Bergsteiger beim Versuch den Gipfel zu besteigen ihr Leben lassen mussten. Der Pilot scheint an diesem schoenen Flugtag ebenfalls Freude zu haben und steuert die Maschine so nahe wie moeglich der Nordflanke zu. Der Anblick im Gegenlicht der aufgehenden Sonne ist wirklich sensationell. Dorthin soll es also in den naechsten Tagen gehen. Ich kann es kaum erwarten. Kurz danach setzt der Pilot zum Landeanflug an. Er biegt nach links und folgt dem Indus, dessen Kruemmungen und Windungen aus der Luft spektakulaer erscheinen. Die Landschaft wird ploetzlich gruen, wie eine riesige Oase. Wir sind in Gilgit gelandet. Durch seine zentrale Lage am KKH hat sich Gilgit zu einer multirassischen und multilinguistischen Stadt entwickelt. Das Treiben in den Strassen gleicht nun eher meinen Vorstellung von Pakistan als es in Islamabad der Fall war. Auch auf 1500 m u.M. ist es recht heiss und vor allem staubig. Die Hauptstrasse der Stadt wird derzeit verbreitert, was das Stadtbild nicht gerade verschoenert. Wahrlich kein Ort in dem ich laenger als notwendig bleiben moechte. Von der ehemaligen Bedeutung des Buddhismus in der Region kuendet der sog. "Stone Buddha" einige Kilometer westlich von Gilgit. Ein etwa 6 Meter hoher stehender Buddha aus dem 7.Jahrhundert ist etwa 30 Meter ueber dem Grund in die Felsen von Kargah Nala eingemeisselt. Fuer die Einwohner der Stadt gilt aber ein indischer Hubschrauber, welcher vor einigen Jahren bei einem Grenzkonflikt von der pakistanischen Armee im Astor-Tal gekapert wurde, als die Attraktion der Stadt. Zum Abschluss des Tages erhalten wir die Gelegenheit, einem Polomatch beizuwohnen.

Die Maerchenwiese
Mein Guide hatte in den Zwischenzeit ein Jeep fuer die 70 Km lange Fahrt zur Raikhot-Bruecke organisert. Am naechsten Morgen gehts los. Schon nach kurzer Fahrt leuchtet im Osten der erste 7000er auf. Es ist der Haramosh (7409 m). Auf der Fahrt weiter nach Sueden, passieren wir kurz vor Jaglot eine geografisch interessante Stelle. Wo sich Gilgit-River und Indus-River vereinigen, treffen mit dem Karakorum im Norden, dem Himalaja im Sueden und dem Hindukusch im Osten drei grosse Bergmassive aufeinander. Als mir mein Guide kurz vor erreichen der Raikhot-Bruecke andeutet wo die Strasse hinauf nach Tato fuehrt, bin ich sprachlos. Dort hinauf? Unmoeglich, absolut unmoeglich! Wie kann ein Jeep dort hinauf fahren, ja wie kann man ueberhaupt eine Strasse dort hinauf bauen? Jeep - the king of the mountain, war seine lakonische Antwort. Bei der Raikhot-Bruecke ist unsere Fahrt zunaechst zu Ende. Fremde Fahrzeuge duerfen nicht in das 14 Km entferne Tato hochfahren. Einheimische Fahrer machen das Business unter sich aus. Dadruch koennen sie auch den Preis bestimmen. Eine kleine Mafia. Etwa 20 Jeeps stehen fuer die Fahrt zur Verfuegung. Rund 40 $ wird fuer die Fahrt verlangt. Eine Gruppe kann sich die Kosten aufteilen. Alleine, muss ich den ganzen Preis selber berappen. Die Strasse wurde urspruenglich vor einigen Jahren gebaut um Holz aus dem oberen Tal abzutransportieren. Vor der Abfahrt muessen sich die Auslaender noch beim Checkpoint registrieren lassen. Schon nach den ersten hundert Metern fuehrt die Strasse steil durch riesige Felsbrocken hindurch. Zuerst verlaeuft sie in einer weiten Schlaufe nach rechts, als ob sie Anlauf fuer die Durchquerung der engen Schlucht nehmen will. Ich weiss nicht, wieviele Male mir der Atem stockt. Die Fahrt auf der schmalen Schotterstrasse, hoch ueber abscheuliche Abgruende, ist die reinste Zitterfahrt. Sogar meinem Guide ist es nicht mehr wohl, als der Fahrer, um seine Zigarette anzuzuenden, das Steuerrad laessig einhaendig lenkt. Wie wohl die Deutschen Expeditionen in den 30er Jahren dieses Tal hochkamen? Ab 2000 Meter Hoehe zieren einzelne Grasbuescheln und knorrige Kieferbaeume die wilde Landschaft. Bei 2500 Meter erreichen wir die sog. feuchte Nadelwaldstufe. Vor Tato wird die Landschaft immer gruener. Maisfelder zieren nun die Landschaft. In Tato angekommen bin ich total durchgeschuettelt. Zum kleinen Restaurant auf der gegenueberliegende Seite des Baches sind es nur wenige Meter, doch schon beim ersten Schritt zum Bach hinunter, verspuere ich ein leichtes Stechen in meinem linken Knie. Nach eingenommener Mahlzeit sind wir fuer den etwa zweistuendigen Marsch nach Fairy Meadow, zur Maerchenwiese, bereit. Nach zehn Minuten verspuere ich wie ein Bleiklotz im Magen. Das faengt ja gut an. Seitenstechen kommt dazu. Ich atme tief ein und aus, so wie ich es frueher beim Murten-Freiburg Lauf gelernt hatte. Der Nanga Parbat ist leider in den Wolken verhuellt. Schade. Anderseits bin ich froh, dass es bedekt ist, die Hitze waere ansonsten brutal. Der Weg ist leicht, breit und fuehrt hinauf der rechten Talseite entlang. Einige Passagen sind etwas steil. Wer die Strecke lieber sitzend zuruecklegen moechte, kann sich ein Pferd oder einen Esel mieten. Von weitem sieht man sehr schoen wie der Fluss aus dem Gletscher entspringt. Das letzte Teilstueck fuehrt die Moraene hinauf, etwa 100 Meter Hoehenunterschied. Welche Wohltat als es zu regnen beginnt und die grossen Regentropfen auf meinem Kopf zerplatzen. Waehrend der ganzen Aufstieges war das Rauschen des Baches unser staendiger Begleiter. Ploetzlich wird es unheimlich still. Man hoert die Voegel pfeiffen. Nach 2 ½ Stunden (mit 4 Halts) sind wir auf der Maerchenwiese (3200 m) angekommen. Eine wunderschoene Alm. Die Lage ist absolut fantastisch. Zum Empfang gibt es eine Tasse heissen Tee. Die Entwicklung des Tourismus geht auch hier oben nicht ohne Spuren vorbei. Nebst dem Raikot Sarai von Mr. Aziz und Mr. Nabi mit acht grossen Zelten a 2 Betten (siehe http://www.a1.com.pk/Rsarai), gibt es gleich nebenan das Meadow Cottage. In beiden Anlagen werden kleine Holzhaeuschen gebaut. In Raikhot Sarai stehen bereits deren vier. Wie mir Mr. Aziz, der eine Jacke der Skischule Valbella (GR) traegt, sagt, sind weitere vorgesehen. Man hofft auf eine weitere Zunahme der Touristen. Vor einigen Jahren wollte die Shangri-La-Hotelkette auch hier oben eine Anlage bauen. Das Land hatten sie schon gekauft, doch der Widerstand der Lokalbevoelkerung verhinderte bisher den Bau. Ich bin positiv ueberrascht, nur sehr wenige Touristen hier vorzufinden. Es gaebe aber schon Tage an denen bis zu 50 Leute hier campieren wuerden, erklaert mir Mr. Aziz. Die Einwohner von "Fairy Meadow" leben den Sommer ueber hier oben. Vor dem Wintereinbruch ziehen sie ins Tal hinunter. Der Nanga Parbat bleibt leider weiterhin verdeckt. Am spaeteren Nachmittag erscheint durch ein winzigkleines Wolkenfenster waehrend etwa drei Sekunden der Nordgipfel. Mensch, so hoch ist dieser Berg! Den Rest des Tages verbringe ich damit mit einheimischen Kindern Volleyball zu spielen. Auf dieser Hoehe bin ich aber schnell ausgepumpt. Zum Nachtessen ist eine japanische und spanische Gruppe in der Baracke versammelt. Es gibt Gemuesesuppe, Reis, Hammelfleisch, Kartoffeln, Dal und zum Dessert Pudding. Dazu natuerlich immer Tee, green tea oder mixed tea. Als ich vom Abendessen ins Zelt zurueckgehe, regnet es. Es ist unglaublich kalt. Ich schlottere wie ein Hund. Im Zelt ziehe ich alles an was ich nur habe. Meine Daunenjacke erweist sich dabei als sehr praktisch. Um 19.30 ist Lichterloeschen. Da alle klares Wetter fuer den naechsten Morgen voraussagen, stelle ich den Wecker auf 05.30 Uhr. Als ich erwache haengen die Wolken noch immer tief ueber dem Berg. So lege ich wieder unter die warme Decke zurueck. Gegen 07.00 Uhr erkunde ich ein wenig die Umgebung. Da das Tragen von kurzen Hosen in den Augen der hier lebenden Shias eine Beleidigung ist, muss ich ins Camp zurueck um meine langen Unterhosen anzuziehen. Einzelne blaue Himmelfetzen kommen auf. Die Flecken werden immer groesser und innert kurzer Zeit wird die Sicht im oberen Teil frei. Welch ein herrlicher Anblick. Der Nanga Parbat in all seiner Groesse. Links der 7070 m hohe Raikhot Peak, rechts davon der Silbersattel der zum Hauptgipfel fuehrt (von der Maerchenwiese nicht sichtbar), dann weiter rechts der Ganalo Peak (6606 m). Die ersten Foto sind "im Kasten". Zum Glueck, denn nach nur etwa einer halben Stunde ist der Nanga Parbat wieder verschwunden, wie ein Trugbild. Nach dem Fruehstueck brechen wir zum Beyal Camp auf. Ein wunderschoener Sonntagsspaziergang, hoch ueber der Gletschermoraene durch dichte Nadel- und Fichtenwaelder. Es scheint, als ob meine Form zurueckkehrt ist. Kurz vor der Ankunft wiegt mein Rucksack ploetzlich dreimal so schwer. Ich komme noch kaum voran. Meine Beine sind wie abgesaegt. Nach 1 ¼ Stunden erreichen wir Beyal Camp (3500 m), unser Tagesziel. Auch hier baut man Holzhaeuschen. Da eine japanische Gruppe alle verfuegbaren Cottages besetzt hat, muessen wir mit einem Zelt vorlieb nehmen. Das Wetter ist weiterhin nicht zum Besten. Hoffentlich aendert es bald, den fuer den naechsten Tag ist der Marsch zum Base Camp angesagt. Wie sagt man bei uns: auf ein Regentag folgt ein schoener Tag.

Fairy meadow
Fairy meadow

Aufstieg zum Base Camp
Als wir am naechsten morgen aufbrechen ist das Wetter nicht besser. Schon frueh ziehen die Hirten mit ihren Ziegenherden in alle Richtungen los. Der Weg fuehrt uns durch dichten Birkenwald und Wachholderstauden. Die papierartige Rinde der Birken wird von den Bauern fuer die Isolation der Daecher benuetzt. Sie konservieren damit auch ihre Butterballen. Die Ballen werden in die Rinde eingepackt und dann in der Naehe eines Baches eingegraben. Die Butter soll so bis zu zwei Jahren konserviert werden koennen. Nach einer halben Stunde gelangen wir zu einem steilen, muehsamen Aufstieg. Fast alle fuenf Minuten muss ich zum verschnaufen anhalten. Immerhin, wir sind schon auf 3'700 m, hoeher als das Doldenhorn! Oben angekommen, haben wir eine schoene Sicht auf den riesigen mit Schutt ueberdeckten Gletscher. Wir muessen nun einen Seitenarm des Gletschers ueberqueren. Der Abstieg sowie die Traversierung unzaehliger Felsbrocken ist fuer jemanden mit etwas Bergerfahrung nicht allzuschwer. Regelmaessig ist der droehnende Laerm von niedergehenden Lawinen zu hoeren. Waehrend der Traversierung des Gletschers kracht es auch mehrmals. Etwas muehsamer ist der Aufstieg auf die gegenueberliegende Moraene auf 3800 m. Wir kommen in die Bergrosenstauden. Es wird nun immer flacher. Einzelne kleine Enziane und Wiesenstorchschnabel zieren die Alm. Beinahe trete ich auf ein Edelweiss. Ein Edelweiss! Voller Begeisterung rufe ich mein Guide herbei und erklaerte ihm die Bedeutung dieser Blume. Als ich sie fotografierte reisst er sie, obwohl ich ihn davon abhalten will, ab. Es habe davon noch viele meint er. Tatsaechlich. Die Wiese ist voller Edelweiss (es gibt in Zentralasien etwa 30 Arten Edelweiss). Ein Deutscher erzaehlte mir spaeter, dass sie vor einigen Jahren Ende Juli beim BC gar nicht wussten, wo das Zelt aufstellen, so viele Edelweiss hatte es. An einem grossen Felsbroken naehe des Base Camp erinnert eine Gedenktafel an Willy Merkel der 1934 mit zwei anderen Bergkameraden in einem Schneesturm am Berg ums Leben kam. Nicht weit davon entfernt ist das Grabmal von Alfred Drexel der bei der gleichen Expedition an einem Lungenoedem verstarb. Nach 2 ½ Stunden sind wir beim BC auf 3900 m angelangt. Leider wird das Wetter zusehends schlechter. Gegen 13.00 Uhr beginnt es sogar zu regnen. Die Sicht beträgt kaum 40 Meter. Nach kurzer Rast ist es Zeit zur Umkehr. Unter diesen Bedingungen gilt es langsam und konzentriert zu gehen. Etwelche Muehe bereiten mir die nassen Brillenglaeser. Erleichert erreichen wir wieder die Anhoehe auf der Moraene, auf der anderen Seite des Gletschers. Der Abstieg des steilen Birkenwaldes ist sehr rutschig. Immer wieder kommt es zu unfreiwilligen Einlagen. Muede und durchnaesst sind wir nach 1 Std und 40 Min im Beyal Camp zurueck. Ueber den heissen Tee, welcher mir ins Zelt gebracht wird, kann ich mich gar nicht erfreuen, schuette ich ihn doch durch eine ungeschickte Bewegung ueber die noch verbleibenden trockenen Kleider aus. Mein Ziel jedoch, das BC war erreicht. Jammerschade jedoch, dass das Wetter nicht mitspielte. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr uebrig, noch eine Nacht auf der Maerchenwiese. Wenn sich das Wetter bis dahin nicht rasch bessert, ist es aus mit meinen Aufnahmen. So warte ich den ganzen Nachmittag im Zelt und hoffe auf eine Wetterbesserung. Insgeheim bitte ich den Nanga Parbat, der auf deutsch uebersetzt "nackter Berg" heisst, sich doch endlich zu zeigen.

Liebe Nanga Parbat (es muss sich um einen weiblichen Berg handeln)
So wie Du dich in den letzten zwei Tagen benimmst ist nicht schoen. Jetzt warte ich schon zwei Nachmittage ungeduldig in meinem Zelt um Dich zu sehen. Du bist nicht fair. Gestern morgen, als ich noch auf der Maerchenwiese war, hast Du mir fuer kurze Zeit Dein Oberteil gespienzelt, extra um mich "gigerig" zu machen. Jetzt wo ich zu Deinen Fuessen stehe und gerne Deine Naehe spueren moechte, spielst Du die Pruede. Noch heute Morgen um 05.45 Uhr als ich kurz auf die Toilette musste, habe ich dich erwischt. Als ich nach einigen Minuten ins Zelt zurueck kam, warst Du schon wieder verhuellt. Du musst doch nicht so scheu sein. Ich habe schon andere Schoenheiten nackt gesehen. Zeig mir doch Deine schoene Formen, Deine glaenzenden Gletscher, deine scharfen Felskaemme. Bitte.
Grabmal von Alfred Drexel
Grabmal von Alfred Drexel

Die Belohnung
Es regnet die ganze Nacht hindurch. Als ich aus dem Zelt krieche, hat sich vor dem Eingang ein kleiner See gebildet. Ich falle beinahe hinein. Das Wetter ist noch immer schlecht. Waehrend der Nacht hat es tief hinunter geschneit. Ich nuetzte die Zeit mit dem Vater von Mr. Iqbal (dem Manager des Camps) ein Interview zu fuehren. Sein Vater, Mr. Mirwali, heute 80 jaehrig, war 1953 bei der erfolgreichen Erstbesteigung durch Herman Buhl fuer die Rekrutierung der Traeger verantwortlich. Mein Fragen werden durch mein Guide vom Englischen ins Urdu und von Mr. Iqbal in Shina uebersetzt. Nach dem Interview bittet er mich um ein Mittel fuer seine Augen. Da ich nur Schmerztabletten und etwas gegen Duchfall bei mir habe, kann ich ihm leider nicht helfen. Gegen Mittag sind wir in Fairy Meadow zurueck. Die Sonne ist zurueckgekehrt. Ich profitiere von der Waerme um meine nassen Kleider zu trocknen. Im Restaurant zeigt uns Mr. Nabi ein Buch ueber die deutsche Nanga Parbat Expedition von 1979. Welch eine Ueberraschung als mein Guide beim Blaettern des Buches das Foto seines Vater vorfindet, der damals als Postlauefer engagiert war. Er erklaert uns auch, dass nach dieser Expedition ein pakistanischer Offizier zwei Gedenktafeln an die Toten von 1934 und 1937 entfernt haben soll. Er hofft diese wieder ausfindig machen zu koennen und sie an ihren urspruenglichen Ort zurueckbringen zu koennen. Gegen Abend werden die Wolkenfenster immer groesser. Man kann zwischendurch sogar den Raikhot Peak erblicken. Wuerde sich das Wetter doch noch zum Guten wenden? Gegen 20.30 Uhr ist der Himmel sternenklar! Wuerde es morgen mit der Aufnahme des Gipfels bei Sonnenaufgang wirklich im allerletzten Moment noch klappen ? Vor dem Schlafengehen sind alle am grossen Feuer versammelt. Dreimal, um 23.15 Uhr, 02.10 Uhr und 03.15 Uhr wache ich auf. Der Himmel ist noch immer klar. Als ich schlussendlich um 05.45 erwache ist es draussen schon hell. Ich springe aus dem Zelt und erschrecke fast. Der Anblick des ganzen Massivs ist schlichtweg sensationell. Der Nordgipfel ist schon von der Morgensonne erfasst. Von Minute zu Minute wird das ganze Massiv immer heller erleuchtet. Welch ein Abschluss! Danke Nanga Parbat. Um 07.00 Uhr sind wir fuer den Abmarsch nach Tato bereit. Nach 1 Std und 10 Minuten sind wir schon wieder bei den Jeeps. Die Fahrt zur Raikhot Bruecke hinunter ist zwar immer noch eine waghalsige Angelegenheit, doch anscheinend haben wir uns an solche Fahrten nun schon gewoehnt. Ich bin dennoch erleichtert bei der Bruecke anzukommen. Gegen Mittag sind wir in der Mir's Lodge in Gilgit zurueck. Der 1. Teil ist erfolgreich abgeschlossen. Der 2. Teil soll uns auf dem KKH zum Kunjerab-Pass an die chinesische Grenze sowie in das Chapursan-Tal entlang des beruehmten Wakhan-Corridors nahe der afghanischen Grenze bringen.

Nanga Parbat (8125 m)
Nanga Parbat (8125 m)


Fortsetzung folgt
12.9.2001