TIPS |
Allein nach Marokko ? | |
Ein Bericht von Edith Kohlbach | |
Kann man alleine oder zu zweit Marokko erleben oder sollte man lieber in einer organisierten Gruppe reisen? Diese Frage ist nicht allgemein zu beantworten, denn dies hängt sehr stark von der Persönlichkeit des Reisenden ab. Ich kenne Marokko seit 15 Jahren und muss feststellen, dass gerade die Deutschen, die noch in den 80er Jahren oft mit Rucksack und öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit Geländefahrzeugen in Marokko anzutreffen waren, heute vorwiegend in einer Gruppe reisen und sich die gesamte Organisation der Reise abnehmen lassen. Das ist sehr schade, denn das Land bietet so viel, das man mit einer Gruppe nicht erleben kann. Vor allem der Kontakt zu den Menschen fehlt, die neben der wundervollen Landschaft den Charme des Landes ausmachen. In einer organisierten Gruppe lernt man nur die Menschen kennen, die im Tourismus arbeiten, Reiseleiter, Hotelangestellte, Händler. Als Einzelreisender hat man die schönsten Erlebnisse gerade dann, wenn mal etwas schief geht.
Die Kinder der Familie, sieben an der Zahl, lugten neugierig durch die Tür und trauten sich nicht herein, aber zum Glück habe ich immer genug Spielzeug mit, rief sie herbei und versorgte sie mit Seifenblasen, Jojo und Kulis. Es war einfach unbeschreiblich. Auch habe ich immer einige Kleidungsstücke zum Verschenken dabei. Der Vater bot mir sofort an, als Ersatz für die unpassierbare Piste mich mit seinem Pferd dorthin zu bringen, aber ich wollte lieber zurückkehren. Der Abschied war herzlich, am liebsten hätten sie mich über Nacht dabehalten. Ich bekam noch hennenwarme Eier eingepackt und Mandeln aus dem eigenen Garten, ein Ablehnen war unmöglich. Und dann vertraute man mir noch die Großmutter an, die nach Ouarzazate zu ihrer Tochter wollte, weil sie den Arzt aufsuchen muss und kaum Gelegenheit hat, die weite Strecke zurückzulegen.
Ich habe auf meinen Fahrten mit Gruppenreisenden gesprochen, die ängstlich waren und glaubten, allein nicht zurecht zu kommen. Meine Erfahrung ist, dass zum alleine Reisen natürlich Selbstbewusstsein gehört. Reist man allein in ein fremdes Land muss man sich vorher ausreichend vorbereiten, die einschlägigen Reiseführer lesen und dann sicher und bestimmt, aber trotzdem freundlich auftreten. Wer Angst hat, dass hinter jeder Ecke eine Gefahr lauert, auf den wartet sie auch. Wer aber optimistisch eine solche Reise antritt und weiß was er will, der hat die wundervollsten Erlebnisse, von denen er noch lange zehrt. Das schönste beim unabhängig Reisen ist die freie Zeiteinteilung. Ich traf ein Pärchen, das mit Mietwagen unterwegs war, aber alle Hotels schon vorher gebucht hatte. Sie konnten noch nicht einmal das Abenteuer einer Übernachtung an den Dünen von Merzouga genießen, da das Reisebüro für sie nur Erfoud gebucht hatte und die Zeit für eine Fahrt dorthin nicht ausreichte. Erst während der Reise ergeben sich Dinge, Einladungen, Tipps von anderen Reisenden oder auch Wünsche, wo man schnell mal hin möchte.
| Daher
sollte man völlig ohne Reservierungen das Land frei genießen. Will man zum Abschluss
dann noch einmal einige Tage in einer Stadt wie Marrakech oder Fes bleiben, empfiehlt
sich nur für diese Zeit eine Reservierung, denn in einem 4-Sterne-Hotel ist die
Übernachtung mit Buchung über ein Reisebüro natürlich billiger. Dies kann man
aber auch noch jederzeit im Land selbst tun, Atlas-Reisen hat Büros in Casablanca
und Marrakech, dort bekommt man meist noch für den gleichen Tag ein Zimmer zu
einem guten Preis. Frauen allein unterwegs Seit Jahren fahre ich allein nach Marokko und bekomme immer wieder den erstaunten Ausruf zu hören: „Allein? Wie mutig! Das ist doch viel zu gefährlich. Und langweilig." All das stimmt nicht. In Marokko sind die Gefahren nicht größer als anderswo, die Schauermärchen von Frauen, die im Gewirr der Medina verschwinden, beruhen nicht auf Tatsachen. Die Marokkaner sind direkter, offener als Westeuropäer. Es ist nicht ungewöhnlich, dass mich ein Mann - sei es ein Polizeibeamter bei einer Straßenkontrolle oder ein Bankbeamter, mit dem ich beim Geldwechseln geplaudert habe - fragt: „Wollen Sie die Nacht mit mir verbringen?" Und wenn man auf eine so direkte Frage ebenso offen „nein" sagt, fragt man zwar „warum nicht", und es entsteht vielleicht noch eine Diskussion um die unterschiedlichen Frauen in Marokko und in Europa, aber die Ablehnung wird akzeptiert. Niemals habe ich erlebt, dass Gewalt eingesetzt wurde, Charme schon eher. Und wie sagte einmal ein Schiffsoffizier zu mir: „Wenn ein Mann sich eine Weile mit einer Frau unterhält und er macht ihr kein Angebot, dann muss sie sich doch für unattraktiv halten!" In der Kleidung sollte man sich jedoch etwas zurückhaltend zeigen. Mit knappen Shorts und winzigen Tops fordert man die Belästigung geradezu heraus, das Gerücht von der Touristin, die nur der sexuellen Abenteuer wegen ins Land kommt, ist weit verbreitet. Keine Europäerin muss sich verschleiern, aber den Sitten des jeweiligen Ortes etwas anpassen. In Agadir ist offenherzige Kleidung noch geduldet, in Dörfern und vor allem im Fastenmonat Ramadan eine Herausforderung. Und langweilig ist es auch nicht. Wohin ich auch komme, man ist interessiert, erkundigt sich nach dem Woher und Wohin und führt gerne Diskussionen über Europa. In keinem europäischen Land ist es so einfach, Kontakt zu den Menschen zu bekommen. Und als Frau hat man auch Zugang zu den Geschlechtsgenossinnen, die mich gerne in ihr Haus einladen, obwohl wir uns in dörflichen Gegenden nur mit Zeichen verständigen können. Doch manchmal ist eine Frau in ihrer Bewegungsfreiheit schon etwas eingeschränkt oder muss sehr starke Nerven haben. Bei einem abendlichen Stadtbummel in Fes, zugegebenermaßen war ich das einzige weibliche Wesen weit und breit, suchte jeder zweite Mann das Gespräch mit mir, obwohl ich es strikt vermied, jemanden anzusehen. Das beginnt mit einem bonjour, ça va, und wenn ich nicht antworte, kommen oft Beschimpfungen wie Rassist und Jude. In kleineren Orten passiert das aber weniger. Edith
Kohlbach |
Leider verbirgt sich hinter vielen Einladungen rein geschäftliches Interesse. Der Gast landet im nächsten »Teppichhaus«, erhält ein Glas Tee und wird mit einer Verkaufsvorführung traktiert; der Schlepper kassiert im Erfolgsfall eine Provision. Aber natürlich gibt es auch uneigennützige Einladungen. Wenn Sie zum Teetrinken oder Abendessen in ein Privathaus gebeten werden, führt Sie der Gastgeber normalerweise in die Repräsentationsräume, die man ohne Schuhe betritt. Wird Ihnen die Familie nicht vorgestellt, wäre es unhöflich, nach der Ehefrau oder den Kindern zu fragen. Beim Essen bleiben die Männer meist unter sich, die Frauen des Haushalts speisen in ihren eigenen Räumen. Weibliche (europäische) Gäste sind dagegen zur Männerrunde zugelassen. Wenn das Essen traditionell abläuft, wird mit der rechten Hand von einer gemeinsamen Platte gespeist. Als Mitbringsel eignen sich Pralinés oder marokkanische Pâtisserie. Keinesfalls sollten Sie Blumen schenken - das bringt Unglück! |
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Dumont |
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