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Aktuell:
Teilchenphysik |
Neutrinos quer
durch die Alpen
Pressemitteilung Märkische
Fachhochschule Iserlohn, 22.05.2000
von Dipl.-Soz.Wiss. Birgit Geile-Hänßel
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Man sieht sie nicht, hört sie nicht und der
Nachweis ist schwierig. Die Rede ist von Neutrinos,
Elementarteilchen ohne elektrische Ladung,die ähnlich
den Partikeln des Lichtes, den Photonen, sich mit
Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Drei verschiedene
Spezies wurden mittlerweile festgestellt. Die Frage, ob
Neutrinos eine Masse besitzen oder nicht, beschäftigt
die Physiker seit vielen Jahren. Viele Experimente zur
Klärung dieser Frage sind bisher unternommen worden, die
meisten erbrachten kein klares Resultat. In den letzten
Jahren gab es die ersten Hinweise darauf, daß Neutrinos,
im Gegensatz zu den Photonen, tatsächlich eine Masse
besitzen. Die Masse der Neutrinos spielt in unserem
heutigen Verständnis der Entstehung und des
gegenwärtigen Zustands der Sterne und des Universums
eine entscheidende Rolle. Unter dem Namen OPERA wird in
den kommenden Jahren ein großes Experiment zur
Bestimmung der Neutrinomasse im Gran-Sasso-Massiv in
Italien errichtet werden. Neben Universitäten und
Forschungslabors aus Italien, Frankreich, Türkei,
Belgien, Schweiz, Japan, Israel und Russland ist auch das
Labor für Messwerterfassung und -umformung des
Fachbereichs Elektrotechnik und Informationstechnik der
Märkischen Fachhochschule (MFH) unter der Leitung von
Prof. Dr. Helmut Sohlbach beteiligt. Der deutsche
Physiker Wolfgang Pauli schlug im Jahre 1930 die Existenz
eines ungeladenen Teilchens zur Erklärung bisher
unverstandener Ergebnisse beim Zerfall von Neutronen vor,
dieses Teilchen wurde dann von dem italienischen Physiker
Enrico Fermi 'Neutrino' (d.h. 'kleines Neutron') getauft.
Viele Jahre sollten vergehen, bevor der erste
experimentelle Nachweis gelang, inzwischen schrieb man
das Jahr 1956. Einer direkten Messung entziehen sich
jedoch die Neutrinos bis heute, obwohl ihre Existenz
durch viele Untersuchungen gesichert ist. Wenn Neutrinos
eine Masse besitzen, dann folgt daraus eine
über-raschende Eigenschaft: die verschiedenen
Neutrino-Arten können sich ineinander verwandeln. Diese
Eigenschaft verrät, ob Neutrinos massebehaftet sind oder
nicht und wird 'Neutrino-Oszillation' genannt. Nach dem
Auftreten von Neutrino-Oszillationen wird mit dem
OPERA-Detektor im Gran-Sasso-Massiv gesucht. Ergebnisse
dieser Suche können wichtige Beiträge zur Klärung der
Natur der sog. Dunklen Materie im Universum sowie der
Widersprüche aus Messungen des Neutrinoflusses der Sonne
liefern. Das vorhandene Untergrundlabor im
Gran-Sasso-Massiv bietet dafür ideale Bedingungen. Ab
2005 soll dann vom Europäischen Zentrum für
Teilchenphysik (CERN) in Genf ein Neutrinostrahl
produziert und quer durch die Alpen auf den
OPERA-Detektor im 732km entfernten Untergrundlabor
gerichtet werden. Der massive Fels, der das
Untergrundlabor umgibt, sorgt für eine sehr
wirkungsvolle Abschirmung des Detektors von der
Höhenstrahlung, so dass die relativ selten zu
beobachtenden Neutrino-Ereignisse nicht von anderen
Ereignissen überlagert werden. Der Detektor besteht aus
etwas 200000 Bleiziegeln, zwischen denen sich
photografische Emulsionen befinden. Trifft eines der
Neutrinos einen Blei-Atomkern, dann entstehen geladenen
Teilchen, die Spuren in den photografischen Emulsionen
hinterlassen. Diese Spuren erlauben eine Rekonstruktion
des Geschehens und eine Bestimmung der Eigenschaften des
auslösenden Neutrinos. Die Rekostruktion der Spuren wird
mit Hilfe automatischer Mikroskope vorgenommen und
erlaubt eine Vermessung der Spuren mit einer Genauigkeit
von 10 Mikrometer. Ein solches Mikroskop befindet sich im
Institut für Kernphysik der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster. Das Labor der MFH in
Hagen wird Geräte und Verfahren zur Beschleunigung der
Spurrekonstruktion entwickeln, die in Münster und an
weiteren beteiligten Instituten zum Einsatz kommen
werden. "Dabei", so Prof. Sohlbach,
"sollen die Verfahren und Technologien zur Analyse
dieser Emulsionen weiterentwickelt werden, um damit
schnellere und präzisere Aussagen über die
Eigenschaften der Neutrinoreaktionen in den Emulsionen zu
erhalten". Man erwartet eine Fläche von 1m2 zu
analysierendem Film pro Tag, was einer Rohdatenmenge von
unvorstellbaren 400.000 Megabyte entspricht. Zum Glück
sind die Neutrinoereignisse auf einen Bruchteil dieser
Fläche begrenzt. Im Jahre 2003 sollen die ersten
Neutrinos im Gran Sasso eintreffen, bis dahin ist Zeit,
die Probleme bei der Analyse der Emulsionen zu lösen.
Bei der dann beginnenden Analyse der Neutrinoereignisse
wird die MFH in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Kernphysik der Westfälischen Wilhelms-Universität
beteiligt sein. Und damit, so hoffen die beteiligten
Forscher, werden einige noch ungelöste Fragen über das
Universums beantwortet werden können. |
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![]() Bilder: Pressemitteilung Märkische Fachhochschule Iserlohn Rechts: Trifft eines der Neutrinos einen Blei-Atomkern, dann entstehen geladenen Teilchen, die Spuren in den photographischen Emulsionen hinterlassen |
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